Eigentlich gibt es, was die Anzeige von “Bild” gegen die sogenannten “Renten-Lügner” angeht, nichts Neues. “Bild” berichtet trotzdem und teilt ihren Lesern am Rande zwei Dinge mit, die sie bislang verschwiegen hatte. Das eine in einer Bildunterzeile, das andere eher indirekt:
1. Die Anzeige von “Bild” ist gegen Unbekannt gerichtet (siehe Ausriss).
2. “Bild” hielt es – aus welchen Gründen auch immer – für sinnvoll, nicht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Berlin Anzeige zu erstatten, sondern bei der unzuständigen Staatsanwaltschaft in Hamburg.
Andererseits hat “Bild” sich doch so viel Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, dieses Einwerfen eines dicken Umschlags in einen Briefschlitz sei irgendwie bedeutsam: Bei dem Briefschlitz handelt es sich nämlich um den des Hamburger Landgerichts. Außerdem ist der Umschlag an die Staatsanwaltschaft Hamburg adressiert. Ja, “Bild” hat sogar einen Anwalt mit dieser simplen Tätigkeit des Brief-Einwerfens beauftragt.
Dabei könnte jeder jeden Tag zig dicke an Staatsanwaltschaften adressierte Umschläge in Briefschlitze sämtlicher Landgerichte Deutschlands werfen und es hätte auch nicht mehr zu bedeuten. (Wahlweise täte es natürlich auch ein kurzer Anruf bei der Polizei, die ohnehin zunächst die Ermittlungen führen muss.)
Doch “Bild” macht dieses Brief-Einwerfen heute zum großen Aufmacher ihrer Seite zwei:
Und wie gestern behauptet “Bild” auch heute wieder, sie würde diese ominösen “Renten-Lügner” verklagen, obwohl sie sie doch eigentlich anzeigt. Wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Und wie schon gestern, lässt “Bild” ihre Leser im Unklaren darüber, wen sie eigentlich genau anzeigt und wie da jemand eigentlich diese beiden Straftatbestände erfüllt haben soll. Im Text heißt es nur:
Zur Begründung schreibt der Jurist unter anderem: “Die permanente Aussage, daß die Rente sicher sei, ist objektiv wahrheitswidrig. Dennoch wird sie auch aktuell weiterhin von Politikern so geäußert.”
(…)
Anwalt Thomas: “Hier wurden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von der Politik betrogen und das gesamte Geld veruntreut.”
Zusätzlich hat “Bild” offenbar noch drei Juristen befragt. Einen Wirtschaftsanwalt, einen Fachanwalt für Sozialrecht, und einen Staatsrechtler. Außerdem kommt noch ein Lobbyist zu Wort. Und obwohl es doch um zwei Straftatbestände geht, hat “Bild” auf die Befragung eines Strafrechtlers verzichtet.
Kurz gesagt: Bislang gibt “Bild” keine Informationen preis, die irgendwie Aufschluss darüber geben, ob diese Anzeige mehr ist, als eine große Luftblase, die sich irgendwann in Empörung über bereits Bekanntes auflöst: nämlich, dass das Grundgesetz Politiker vor Strafverfolgung schützt – das jedenfalls schreibt heute eine große Schwesterzeitung von “Bild”.
“Bild” hat sich was ausgedacht. Sie will angeblich die “Rentenlügner” verklagen. Und das macht sie heute zum Seite-1-Aufmacher. Der Text dazu auf Seite zwei beschäftigt sich dann ein wenig mit Norbert Blüm und mit Gerhard Schröder, um mit folgenden Worten zu schließen:
BILD wird eine renommierte Anwaltskanzlei beauftragen, gegen mögliche Versäumnisse und offenkundige Lügen verantwortlicher Rentenpolitiker juristisch vorzugehen! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!
Offen bleibt allerdings, wen “Bild” eigentlich genau “verklagt” (siehe Ausriss). Norbert Blüm, weil er 1986 Plakate geklebt hat? Oder Gerhard Schröder, weil er 1998 versprach den demographischen Faktor bei der Rentenversicherung abzuschaffen, das tat und dann feststellte, dass das ein Fehler war?
Auch sonst scheint “Bild” in Rechtsdingen nicht allzu firm. So scheint sie den Unterschied zwischen Zivilrecht und Strafrecht nicht so recht zu kennen. Also: Im Zivilrecht würde man tatsächlich jemanden verklagen, doch der Staatsanwalt hätte nichts damit zu tun. Im Strafrecht wiederum kommt zwar der Staatsanwalt zum Einsatz, doch man kann niemanden verklagen (sondern lediglich anzeigen). Aber Schwamm drüber.
Georg Gafrons Kommentar befasst sich mit demselben Thema, und er endet so:
BILD will es genau wissen: Kann man wirklich nichts gegen den jahrelangen, systematischen Rentenbetrug der Politik tun? Darum werden jetzt die Renten-Lügner verklagt!
Und es mag ja ganz rührend sein, wie “Bild” sich hier als “Anwalt des Volkes” inszeniert, aber wir müssen den Kampf “für Sie” (siehe Ausriss) leider bremsen. Denn wir wissen zufällig, wie der Dresdner Notar Peter Horn de la Fontaine die Fragen, die “Bild” hier scheinbar so sehr bewegen, beantwortet.
Frage eins:
Dürfen Politiker uns ungestraft belügen?
Horn de la Fontaine: Leider ja. Sie können von ihrem Arbeitgeber – den Bürgern – weder haftbar gemacht noch entlassen werden, allenfalls abgewählt werden.
Frage zwei:
Kann ich Politiker wegen ihrer Lügen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft anzeigen?
Horn de la Fontaine: Nein! Es gibt keinen einzigen Paragraphen in unseren Gesetzen, der Lügen von Politikern oder falsche Wahlversprechen unter Strafe stellt. Einzige Ausnahme: Falschaussagen von Politikern vor Gericht oder einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß.
Frage drei:
Kann ich Politiker wegen Lügen bei Gericht verklagen?
Horn de la Fontaine: Nein. Eine solche Klage würde sofort abgewiesen. Was kein Gesetz verbietet, kann kein Gericht bestrafen.
Damit wäre das dann wohl geklärt.
Na ja, eines vielleicht noch: Wir haben Horn de la Fontaine nicht selbst befragt, damit er die “Bild”-Geschichte gerade rückt. Das hatte “Bild” nämlich schon erledigt. Am 10. November 2005:
Mit Dank an Christian S. für den sachdienlichen Hinweis.
Anders als “Bild” heute in einer Meldung auf der ersten Seite verbreitet (siehe Ausriss), starben in Botswana nicht 190.000 Menschen an einer Durchfallerkrankung, sondern191. Zwar hat “Bild” diesen Fehler zunächst nicht selbst gemacht, sondern der südafrikanische Rundfunk, weshalb die Zahl 190.000 auch über Agenturen verbreitet wurde (und leider noch immer in einigen Online-Medien zu finden ist). Allerdings wurden die Angaben des Rundfunks wenig später vom Gesundheitsministerium Botswanas korrigiert. Die Nachrichtenagentur dpa beispielsweise berichtigte ihre Meldung gestern um 13.44 Uhr.
“Bild” hingegen hat es bis zum Redaktionsschluss am sehr späten Abend nicht geschafft, die Zahl auszutauschen und ihre durchschnittlich über elf Millionen Leser korrekt zu informieren.
Mit Dank an Doris M. und Mike S. für den sachdienlichen Hinweis.
Dass Bild.de in einem “Großen Feng-Shui-Special” über Nicole Zaremba schreibt, sie sei 41 obwohl sie doch eigentlich Jahrgang 1962 ist, wollen wir hier einfach mal ignorieren und uns stattdessen um das hier kümmern:
Die Darmstädterin (…) ist Schülerin der malaysischen Feng-Shui-Großmeisterin Yap Cheng Hai (75) – eine zierliche Frau mit strahlendem Lächeln, leuchtenden blauen Augen. Von ihr lernte Sie die Geheimnisse der asiatischen Lebenskunst.
Wollen wir mal hoffen, dass die Autorin des Feng-Shui-Artikels sich hier ein wenig im eigenen Satzbau verheddert hat, und zumindest mit der “zierlichen Frau”, dem “strahlenden Lächeln” und den “leuchtenden blauen Augen” Zaremba gemeint ist und nicht Yap Cheng Hai. Anderenfalls müssten wir nämlich davon ausgehen, dass diese netten kleinen Details bloß ausgedacht sind, wie nicht nur ein Blick auf die Internetseite der vermeintlichen “Feng-Shui-Großmeisterin” mehr als deutlich macht.
Mit Dank an Thomas K. für den sachdienlichen Hinweis.
Die Sache mit dem Patriotismus in Deutschland liegt “Bild” offenbar sehr am Herzen. Jedenfalls berichtet sie heute groß auf Seite zwei darüber, welche Minister eine Deutschland-Fahne im Büro haben und welche nicht (“Sind das etwa vaterlandslose Gesellen?”). Besonders interessant ist, was “Bild” unter ein Foto des deutschen Verteidigungsministers schreibt:
(Hervorhebung von uns.)
Nur heißt der Verteidigungsminister gar nicht Horst, sondern Franz Josef. Ups! Verzeihung: Franz Josef.
Mit Dank an Simon W. und Beat W. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 15.15 Uhr: Der Patriotismusbeauftragte bei Bild.de hat Horst durch Franz Josef ersetzt.
Ein junger Mann hat vor kurzem in Groitzsch seine eigene Mutter angefahren, die laut Polizeibericht “aus bisher nicht bekannter Ursache auf die Fahrbahn lief”. Sie musste daraufhin schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Und als Leser fragt man sich, was der Mann wohl angestellt hat, das “Bild” zu der Frage animiert, warum er ans Steuer durfte. Man könnte das ganz einfach beantworten: Nichts. Doch “Bild” ist offenbar anderer Auffassung: Der Mann hatte nämlich Knochenkrebs. Deshalb musste ihm der Oberschenkel amputiert werden, und er trägt seither eine Prothese, dank der er offenbar wieder Sport treiben und eben auch Auto fahren kann. Und bei “Bild” heißt es:
Die quälende Frage: Hat er Mutti wegen seines Handicaps überfahren?
Wir wissen nicht, wen diese Frage außer “Bild” noch quält. Die Polizei jedenfalls nicht. Zwar ermittelt sie tatsächlich wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den jungen Mann. Das hat aber laut Auskunft eines Sprechers nichts mit der Behinderung zu tun, sondern schlicht und einfach damit, dass sie das fast immer tut, wenn bei Verkehrsunfällen Menschen verletzt werden. Bei “Bild” liest sich dieser Sachverhalt so:
Polizeisprecher Jürgen Staudte: “Trotzdem ermitteln wir gegen David K. wegen fahrlässiger Körperverletzung.”
(Hervorhebung von uns.)
Ob Behinderte an einem Unfall beteiligt sind oder nicht, spielt für die Polizei jedenfalls grundsätzlich keine Rolle. Für “Bild” offenbar schon.
Mit Dank an Anke S. für den sachdienlichen Hinweis.
“Bild am Sonntag” hat einen “Hunger-Wettlauf bei den Desperate Housewives” ausgemacht. “Beängstigend mager” seien die Serienstars geworden, heißt es in der fast seitenfüllenden Geschichte, die u.a. mit zwei kleinen und einem ziemlich großen Foto von Teri Hatcher beim Joggen aufgemacht ist. Im Text steht:
Neue Fotos zeigen Teri Hatcher (41) beim Joggen.
Sie kann nicht mehr verbergen, wie eingefallen ihre Bauchpartie ist, wie knochig ihre Hüften, wie dünn ihre Beine.
Das kann man auf den kleinen Fotos zwar gar nicht mal so gut erkennen, aber deshalb hat die “BamS” wohl auch das Foto von Hatcher in Shorts als Blickfänger für die Seite gewählt (siehe Ausriss). Nur ist das Foto ganz und gar nicht neu. Es stammt aus dem August letzten Jahres und wurdedamalsschonmehrfachveröffentlicht.
Angesichts dieser Irreführung ist es dann auch bloß noch peinlich, dass das Foto am 12. August 2005 schon einmal auch auf Bild.de* unter der Überschrift, “Hier joggt Teri Hatcher klapperdürr durch den Park”, veröffentlicht wurde. Schließlich wäre die “BamS” doch so gerne “Deutschlands schnellstes Magazin”.
Mit Dank an Sigrid N., Helmut R., Tobias L. und Valeri K. für den sachdienlichen Hinweis.
*) Der Artikel aus dem August 2005 ist auf Bild.de seit der Überarbeitung der Seite leider nicht mehr online und nur noch über den Google-Cache und ohne Fotos abrufbar.
Man mag ja von Hellseherei, Wahrsagekunst und Prophetie halten, was man will. Und insofern spielt es ja vielleicht gar keine Rolle, dass Bild.de heute über einige Prophezeiungen einer blinden bulgarischen Hellseherin berichtet und dabei in einigen wesentlichen Punkten von dem abweicht, was Pravda.ru bereits am 3. Februar in englischer Sprache aufschrieb. Ob also Vanga Pandeva 1988 in einer Prophezeiung sinngemäß sagte, “Zwei große Anführer gaben sich die Hand” (“Two big leaders shook hands”), wie Pravda.ru schreibt. Oder ob sie damals meinte, “Zwei große Führer werden ihre Hände schütteln“, wie Bild.de schreibt. Aber abgesehen davon, dass letzteres sicher lustig aussieht, macht es auch aus Sicht einer Prophetin keinen Sinn. Jedenfalls dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass der INF-Vertrag zur Abrüstung atomarer Mittelstreckenraketen gemeint war (was Bild.de und Pravda.ru offenbar tun). Denn den unterzeichneten Reagan und Gorbatschow schon im Dezember 1987. Pandeva wäre also etwas spät dran gewesen. Aber das ist Geschichte.
Im Hinblick auf eine weitere Prophezeiung Pandevas könnte es allerdings noch mal wichtig werden ob die Vision Version von Bild.de korrekt ist, oder die von Pravda.ru. Letztere zitiert die bulgarische Prophetin mit den Worten:
Alles wird schmelzen wie Eis, aber der Ruhm Wladimirs, der Ruhm Russlands sind das einzige, was bleibt. Russland wird nicht nur überleben, es wird die Welt beherrschen.
Bild.de hingegen schreibt:
Rußlands Weltherrschaft kündigte sie bereits 1979 an. Zuvor würde aber der Ruhm “Wladimirs” schmelzen wie Eis in der Sonne. Daß der aktuelle russische Präsident Putin, den damals noch keiner kannte, diesen Vornamen hat, läßt Vangas Anhänger glauben: Auch diese Vision wird sich sehr bald erfüllen …
Nicht, dass es hinterher Streit darüber gibt, ob Pandevas Prophezeiung nun wahr geworden ist, oder eher das Gegenteil.
Mit Dank an Maja I. und Phil für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 21.00 Uhr: Übrigens wird Vanga Pandeva, von Pravda.ru und Bild.de abgesehen, offenbar überwiegend Vanga Dimitrova genannt, oder einfach: “Baba Vanga“. Insofern können wir wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich bei den Prophezeiungen von Bild.de bloß um schlechte Übersetzungen handelt.
Eigentlich sollte man es bei “Bild” jaambestenwissen: Der zweijährige Tim aus Elmshorn wurde im November 2005 tot in einer Sporttasche in einem Garten gefunden. Seit seinem Verschwinden damals war eine Woche vergangen.
Warum also steht in einem Text auf Bild.de über den Prozess gegen den mutmaßlichen Täter das hier?
Hervorhebung von uns
Mit Dank an Simon S. und Maja I. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 7.2.2006:
Bild.de hat den unsinnigen Satz inzwischen ersatzlos entfernt.