Autoren-Archiv

Fnockk!

Hat Uwe Seeler es tatsächlich vergessen? Weiß die “große Fußball-Legende” (“BamS”) etwa nicht mehr, wann ihre Achillessehne riss? Denkt “Uns Uwe” wirklich, er habe 1970 sein Comeback in der Nationalmannschaft nach seiner Achillessehnen-OP gefeiert? Scheint so.

Jedenfalls stand gestern, anlässlich des 70. Geburtstags von Uwe Seeler in der “BamS”:

“Bei der WM 1970 feierte ich mein Comeback in der Nationalmannschaft nach meiner Achillessehnen-OP. Viele trauten mir das nicht zu. Ich habe körperlich eine Schippe drauflegen müssen, habe deshalb Sondertraining gemacht. Meine Frau Ilka übernahm für mich einige Touren als Vertreter für Adidas, damit ich für die Hitze-WM in Mexiko fit wurde.”

Tatsächlich riss Uwe Seelers Achillessehne. Allerdings schon am 20. Februar 1965 bei einem Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Angeblich mit einem Knall, der so laut war, dass er bis auf die Tribünen zu hören gewesen sein soll. Die Verletzung damals hätte fast das Karriereende für Seeler bedeutet. Im Herbst desselben Jahres spielte er aber schon wieder für die Nationalmannschaft und wurde bekanntlich 1966 in England Vize-Weltmeister.

Entweder hat also Uwe Seeler was durcheinander gebracht. Oder die “BamS” hat den Knall nicht gehört.

Mit Dank an Norman S. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” vergibt Chance auf Kollegenschelte

Hagen Boßdorf will sich “gegen ‘Bild’ wehren”, berichtet die “Süddeutsche Zeitung”. “Bild” hatte den Sportkoordinator der ARD nämlich am Donnerstag zum “Verlierer des Tages” gemacht und über ihn geschrieben:

In einem “Zeit”-Interview verharmlost er den Blutdoping-Vorwurf gegen Radstar Jan Ulrich: “Was ist schon Doping? Wenn man sich das eigene Blut spritzt? Nee, Pillen und Spritzen, das ist Doping.” BILD meint: Total daneben!

Boßdorf hatte aber lediglich aus der Sicht eines Sportlers sprechen wollen. Das lässt sich nachvollziehen, wenn man die vollständige Passage in der “Zeit” kennt. Sie lautet nämlich:

“Vielleicht gerät man als Radfahrer in so ein Definitionsproblem”, sagt er schließlich. “Was ist schon Doping? (…)”

Allerdings wusste “Bild” das wahrscheinlich gar nicht und kannte nur eine Vorabmeldung der “Zeit”, in der es heißt:

Boßdorf nimmt den unter Blutdoping-Verdacht stehenden Ullrich indirekt in Schutz: “Was ist schon Doping? (…)”

Der ursprüngliche Fehler lag also bei der “Zeit”, die Boßdorf in ihrer Vorabmeldung sinnentstellend zitiert hatte. Und insofern ist “Bild” eigentlich kein Vorwurf zu machen. Außer dem, dass sie spätestens seit gestern weiß, was Boßdorf eigentlich gesagt hat und es heute trotzdem nicht korrigiert hat.

Mit Dank an Stefan J. für den sachdienlichen Hinweis.

Das Job-Wunder von Axel Springer

Tolle Nachrichten aus dem Hause Axel Springer: Der Verlag hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres 281 neue Stellen geschaffen. Das geht aus einer Pressemitteilung der Axel Springer "Springer schafft 281 neue Jobs"AG hervor. Und in der “Bild”-Zeitung, die bei Axel Springer erscheint, findet man diese Information offenbar so wichtig, dass sie sie heute sogar auf der Titelseite platziert (siehe Ausriss).

Andere Informationen hingegen, die in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz unerheblich sind, findet “Bild” weniger wichtig: Zum Beispiel, dass Springer damit immer noch 82 Beschäftigte weniger hat als im Jahresdurchschnitt 2005. Oder dass Springer damit fast 4.000 Beschäftigte weniger hat als im Jahr 2001. Oder dass Springer im September angekündigt hat, bis 2009 266 Stellen abzubauen. Oder dass im September 600 Springer-Mitarbeiter vor der Konzernzentrale gegen die geplanten Stellenkürzungen protestierten. Oder dass der Springer-Betriebsrat, anders als der Vorstandschef, der Auffassung ist, dass bei Springer netto Stellen abgebaut würden, wie die “FTD” heute berichtet. Oder dass ein Teil der neuen Stellen, wie eine Verlagssprecherin erklärte, in Polen entstanden. Oder, oder, oder…

Wie gedruckt

Gestern war in der Hamburger “Bild”-Ausgabe ein Artikel über eine Auseinandersetzung in der S-Bahn. Drüber stand:

“Wenn du in Hamburg nur helfen willst dann wirst du brutal niedergeprügelt und liegst plötzlich hirntot im UKE”.

Kurz die Fakten: Am frühen Morgen des 22. Oktober kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Jugendlichen und einem 52-Jährigen Mann. Der 52-Jährige starb einen Tag später im Krankenhaus. In der Pressemitteilung der Polizei vom 23. Oktober hieß es:

Eine Gruppe von Jugendlichen (…) belästigte fortwährend andere Fahrgäste. Der 52-Jährige forderte die Jugendlichen auf, die Provokationen zu unterlassen und drohte ihnen Schläge an. Daraufhin versetzte ihm einer der Jugendlichen einen Faustschlag und verletzte den Mann am Kopf.

Aber zurück zu “Bild”: Im Text war die Rede von einer “Horde von dumpfen Typen, denen ein Menschenleben nichts wert ist”, von “menschenverachtender Brutalität”, von explodierender Gewalt, von einer “Gewalt-Orgie”.

Die gestrige “Bild”-Version ist also total übertrieben wesentlich detailreicher, stimmt im Kern aber mit der Pressemitteilung der Polizei überein.

"Er wollte eine Frau vor Schlägern schützen: Jetzt ist er tot!" Das gilt auch für einen Text, der offenbar aus der heutigen “Bild”-Hamburg stammt und der auch auf Bild.de veröffentlicht wurde. Dieser Text wird spätestens seit heute morgen auf der “News”-Seite von Bild.de groß angeteasert (siehe Ausriss).

Spätestens seit heute morgen gibt es aber auch erhebliche Zweifel daran, dass die erste Version der Polizei oder die ausgeschmückte Version von “Bild” stimmen. Das, wie “Bild” bei Axel Springer erscheinende, “Hamburger Abendblatt” schreibt in seiner heutigen Ausgabe:

Nach Informationen des Abendblattes geht die Mordkommission jetzt davon aus, dass Wolfgang L. (52) mit dem Streit begonnen hatte. Er soll auch als Erster gewalttätig geworden sein.

Um 5.00 Uhr gab die Nachrichtenagentur dpa eine entsprechende Meldung heraus, und um 10.46 Uhr gab die Polizei eine Pressemitteilung heraus, die die Meldung des “Abendblatts” im Wesentlichen bestätigt. Und seither haben diverse Medien, die zuvor schon über den Fall berichtet hatten, über die Zweifel an dem bisher angenommenen Tathergang berichtet.

Bei Bild.de indes findet sich noch immer kein Hinweis darauf. Der irreführende Text wird nach wie vor von dem irreführenden Teaser auf der “News”-Seite angekündigt.

P.S.: Es mag ja sein, dass man bei Axel Springer der Auffassung ist, es sei nicht Aufgabe der multimedialen Erweiterung von “Bild”, falsche oder überholte Artikel, die ursprünglich aus “Bild” stammen, zu korrigieren, zu aktualisieren oder zu ergänzen. Dennoch wäre es vielleicht langsam an der Zeit, den irreführenden Teaser mal von der “News”-Seite zu entfernen. Auch deswegen, weil der “Bild”-Text den Eindruck erweckt, der Faustschlag habe mehr oder weniger direkt zum Tod geführt. Die Polizei gab heute aber bekannt:

An einem direkten Zusammenhang zwischen dem Faustschlag und den später bei dem Opfer festgestellten und zu seinem Tode führenden Hirnblutungen bestehen nach den bisherigen Untersuchungen Zweifel.

Mit Dank an Christian H. und Ulrich W. für den sachdienlichen Hinweis.

Mit Löffeln gefressen

"War

Gestern spekulierte “Bild” im Technikteil Sportteil ausführlich über die Gründe für Michael Schumachers Ausscheiden beim Formel-1-Rennen in Suzuka.

"Das ist ein Kolbenfresser"Bei der Gelegenheit versuchte “Bild” auch gleich, ihren Lesern mit Hilfe einer Grafik (siehe Ausriss links) zu erklären: “Das ist ein Kolbenfresser”. Und sagen wir es mal so: Auf der “Bild”-Grafik Grafik sind tatsächlich ein Zylinder und ein Kolben zu sehen. Allerdings kommen Dinge wie “Kolben” und “Zylinder” nicht bloß in Motoren vor. Und eine “Blockade” des abgebildeten Kolbens “an der ihn umgebenden Zylinderwand” würde nie und nimmer zu einem Motorschaden führen. Die Abbildung zeigt nämlich keinen Zylinder, wie er in Verbrennungsmotoren zu finden ist, sondern einen Hydraulikzylinder, wie er auf der Internetseite der Remo AG zu finden ist (siehe Ausriss rechts).

Mit Dank an Tobias J. und Marcel S. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

“Bild” als Bühne für rechte Esoterik

Erinnern Sie sich noch an Tom Hockemeyer alias Trutz Hardo? Wir schon: “Bild” hatte den verurteilten Volksverhetzer im Mai dieses Jahres beschäftigt (wir berichteten). Hernach versuchte man sich bei “Bild” auf vielfältige Weise herauszureden und veröffentlichte am 5. Juni eine “Klarstellung zu Trutz Hardo”, die immerhin mit dem Versprechen endete: “BILD wird nie wieder über diesen Mann berichten.”

Hat sie unseres Wissens auch nicht. Wirklich dazugelernt hat man bei “Bild” aber offenbar nicht.

Denn heute berichtet “Bild” über das Ehepaar Feistle (“Reiner (45) und Karin (57) F.”). Ausdrücklich weist “Bild” darauf hin, dass die beiden ein Buch geschrieben haben, das den Titel “Projekt Aldebaran” trägt und im Verlag “Freier Falke” erschienen ist. Die Feistles behaupten, sie seien von Außerirdischen entführt worden, und in ihrem Buch haben sie Berichte “anderer Betroffener” gesammelt, so “Bild”. Außerdem wollen die Feistles sich von einem “Alien-Anwalt” vertreten lassen, über den “Bild” schon gestern berichtete.

Das klingt harmlos. Allerdings sind die Feistles in der Esoterikszene offenbar keine Unbekannten: Auf seiner Internetseite vertritt Reiner Feistle die These, dass sich während der 30er und 40er Jahre “die damaligen Köpfe des Nationalregimes, speziell die Vrilgesellschaft” über das “Unternehmen Aldebaran” “Gedanken gemacht” hätten und auch “wußte, daß das deutsche Volk Abkömmlinge dieser Außerirdischen sind.” Außerdem macht Feistle selbst sich so seine Gedanken über “die vier Grundtypen der Menschen, Schwarze, die nordische weiße Rasse, die Rothäutigen (Indianer), und die gelbe Rasse”.

Und schon 1997 erschien das Buch “Unternehmen Aldebaran”, in dem die Feistles über ihre eigene Entführung berichteten. Als Autor des Buches fungierte Jan van Helsing, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Jan Udo Holey heißt. Holey ist Inhaber des “Ama Deus” Verlags, in dem “Unternehmen Aldebaran” erschien. Reiner und Karin Feistle werden vom “Ama Deus” Verlag als Autoren geführt. Ebenso wie beispielsweise Stefan Erdmann.

Im Verfassungsschutzbericht 2004 (pdf) wird Jan van Helsing (bzw. Jan Udo Holey) als “rechtsextremistischer Esoteriker” bezeichnet und maßgeblich dafür verantwortlich gemacht, dass “antisemitische Argumentationsmuster” mittlerweile auch in “Teilbereichen der eigentlich unpolitischen Esoterik salonfähig geworden” seien. Im gleichen Zusammenhang wird auch Stefan Erdmann im Verfassungsschutzbericht erwähnt.

Die Feistles tauchen nicht im Verfassungsschutzbericht 2004 auf. Dafür aber in einem Referat, das der Journalist und Historiker Stefan Meining im Jahr 2002 beim Thüringer Verfassungsschutz gehalten hat. Darin wird der “Ama Deus” Verlag als einer “der wichtigsten Knotenpunkte der rechtsesoterischen Szene Deutschlands” bezeichnet — und das Ehepaar Feistle als “Szenegrößen”. (Auf dieses Referat hatten wir übrigens schon vor einer guten Woche hingewiesen.)

Uns hätten diese Informationen ausgereicht, dem Ehepaar Feistle keine Plattform zu bieten, um ihr Buch zu bewerben.

Aber wir sind ja auch nicht “Bild”.

Allgemein  

Schönheitschirurg lässt Nase laufen

"Polizei sucht diesen Busen"

Um die Geschichte, die die “Bild”-Autoren Attila Albert und Daniel Cremer da aufgeschrieben haben, mal kurz zusammenzufassen: Der Schönheits-Chirurg Michael A. König sagt, dass vier seiner Patientinnen ihre Schönheits-Operationen nicht bezahlt haben. Und er hat “Bild” Fotos von Busen und Nase zweier Patientinnen zur Verfügung gestellt. “Bild” behauptet:

Es sind die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind. Nackte Brüste und eine wohlgeformte Nase — von Frauen, die ihre Rechnung beim Schönheits-Chirurgen nicht bezahlt haben!

Nein, es sind nicht “die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind”. Es sind überhaupt keine “Fahndungsbilder”.

Und dass “Bild” Unsinn schreibt, erkennt man schon daran, dass Busen- und Nasen-Foto vor den Operationen aufgenommen wurden. Beim Busen steht das sogar so in der Bildunterzeile. Zur Nase (siehe Ausriss) aber schreibt “Bild”:

Nicht bezahlt: Die neue Nase von “Silke” (23) aus Köln.

Im Text heißt es hingegen über “Silke”:

Sie verschwand vor der Wundversorgung — mitsamt der Tamponaden in ihrer Nase.

Soweit das.

“Bild”-Artikel und “Bild”-Überschrift sind aber auch noch in anderer Hinsicht völliger Unsinn: Die Polizei sucht “diesen Busen” überhaupt nicht (obwohl “Bild” das am Ende des Textes sogar nochmal behauptet und schreibt, der Chirurg habe “jetzt die Polizei eingeschaltet”). Ein Sprecher der Kölner Polizei sagt uns, von einer Anzeige in dieser Sache sei ihm nichts bekannt, das Betrugsdezernat jedenfalls sei nicht mit dem Fall befasst. Und der betroffene Chirurg Michael A. König teilt uns auf Nachfrage mit:

Wir haben uns entschieden, keine Anzeigen zu erstatten.

Mit Dank an Jasper K. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 6.10.2006: Auch die “Main-Post” berichtet übrigens über Michael A. Königs “Busen-Fahndung per Bild-Zeitung”.

Mit Dank an Jochen S.

Knicken und Kuschen auf Biegen und Brechen

"So knicken wir schon vor dem Islam ein!"

Gibt es wirklich “immer mehr Beispiele dafür, wie wir vor dem Islam kuschen”? “Bild” behauptete das am vergangenen Freitag — und trug immerhin zehn “Beispiele” zusammen, die die Behauptung belegen sollen. Mindestens drei davon belegen allerdings etwas ganz anderes.

Das “Beispiel” mit dem Muezzin der Moschee in Dillenburg zum Beispiel, dem ein Gericht “das Recht” gab, die Gemeinde “per Lautsprecher zum Gebet zu rufen”, belegt irgendein Geknicke und Gekusche nämlich nur bedingt. Ohne näher auf die Einzelheiten dieses Streits einzugehen: Er wurde schon vor vier Jahren beigelegt — und zwar nicht durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, wie uns der Bürgermeister Dillenburgs, Michael Lotz, erklärt. Vielmehr hatte die muslimische Gemeinde damals signalisiert, von ihrem Recht auf den Gebetsruf per Lautsprecher keinen Gebrauch zu machen. Und tatsächlich hat sie das auch nie. Der Vorsitzende der Moschee in Dillenburg, Babaoglu Cengiz, sagt uns:

Der Lautsprecher wurde noch nie benutzt.

Im Übrigen bezeichnen beide das Verhältnis von muslimischer Gemeinde und Stadtverwaltung als gut.

Ein anderes “Beispiel” von “Bild” betrifft den Baustopp für die Sehitlik-Moschee im Berliner Stadtteil Neukölln. Der sei aufgehoben worden, “obwohl die beiden Minarette jeweils 8,5 Meter und die Kuppel fünf Meter höher waren als in der Baugenehmigung bewilligt”. “Bild” erwähnt allerdings nicht, dass ein Strafgeld verhängt wurde, das laut Baustadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) das höchste sei, “das es je in Neukölln gab”, wie sie im August der “FAZ” sagte. Und im November 2003 schrieb die “Welt” zur Verhängung des Bußgelds:

Aus der Sicht von Baustadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) ein ganz normaler Vorgang. Reihenweise geschehe dies im Bezirk. Ein Abriss der Moschee sei nicht verhältnismäßig. Denn ihre jetzige Höhe verstoße nicht gegen das Baurecht, sondern nur gegen die eigentliche Erlaubnis. Eine Nachtragsgenehmigung werde bald erteilt.

Eines der angeblichen “Beispiele” taucht sogar schon in der “Bild”-Überschrift auf: “Weihnachtsparty abgesagt”. Im Text heißt es dazu:

In der Heinrich-Heine-Oberschule in Neukölln fiel eine christliche Weihnachtsfeier aus Rücksicht auf die vielen muslimischen Schüler aus.

Nun ja, laut Schulleiterin Cordula Heckmann ist der Anteil musilimischer Schüler tatsächlich so hoch, dass eine christliche Weihnachtsfeier niemals in Erwägung gezogen worden sei. Zur vermeintlichen Absage sagt Heckmann entsprechend:

Das ist totaler Quatsch. Wir haben nie eine Weihnachtsfeier angesagt, deshalb können wir auch keine absagen.

Mit besonderem Dank an Bernd K. für seine Recherche.

Und ewig locken die Nazi-Aliens

Gestern schrieben wir an dieser Stelle:

Was da heute in “Bild” über eine “geheime Kraft im All” steht, ist immerhin kein kompletter Unsinn.

Und als wollte man das nicht auf sich sitzen lassen, schreibt “Bild” heute wieder über die Pioneer-Anomalie:

"Das Rätsel um die verschwundenen Nasa-Satelliten: Locken Aliens die Raumsonden auf ihren Planeten?"

Und das ist nun doch kompletter Unsinn:

  1. Pioneer 10 und Pioneer 11 sind keine Satelliten, sondern Raumsonden.
  2. Pioneer 10 und Pioneer 11 sind nicht “verschwunden”. Man weiß recht genau, wo sie sind, nämlich “etwa 400 000 Kilometer von den Positionen entfernt”, an denen sie eigentlich sein sollten, wie “Bild” selbst schreibt.
  3. Die Frage, ob “Aliens die Raumsonden auf ihren Planeten” locken, können wir natürlich nicht beantworten, allerdings sind die Annahmen, die “Bild” offenbar zu dieser Frage inspirieren falsch.
  1. “Bild” schreibt:

    Eine unsichtbare Macht zieht sie ins Sternzeichen Stier — auf einer völlig anderen Route, als die Wissenschaftler berechnet hatten.

    Noch mal: Soo “völlig” anders ist die Route gar nicht. Die Sonden werden lediglich gebremst, und da sie sich auf einer gekrümmten Bahn bewegen, weicht der Kurs vom berechneten ab.

  2. Anders als “Bild” suggeriert, war Pioneer 10 schon immer auf dem Weg ins Sternbild Stier.
  3. Pioneer 11 hingegen war nie und ist nicht auf dem Weg ins Sternbild Stier. Deshalb ist es auch kompletter Unsinn, wenn “Bild” die Frage, “Wohin steuern die Sonden?”, so beantwortet:

    Auf den Riesenstern Aldebaran (auch “Alpha Tauri” genannt) zu.

    Pioneer 11 bewegt sich quasi in entgegen gesetzter Richtung zu Pioneer 10 aus dem Sonnensystem und steuert nicht auf Alpha Tauri zu, sondern auf Lambda Aquilae im Sternbild Adler.

  1. Am Ende des Textes fragt “Bild” bang: “Gibt es noch Kontakt?”, antwortet im Prinzip mit “nein” und fügt hinzu:

    Jedes Signal ist aber elf Jahre unterwegs.

    Dann müssten die Sonden elf Lichtjahre von der Erde entfernt sein. Sind sie aber nicht. Tatsächlich braucht jedes Signal von Pioneer 10 bloß rund elf oder inzwischen wohl eher zwölf Stunden zur Erde.

So. Und hinsichtlich der vermeintlichen Aliens, von denen “Bild” zu berichten weiß, dass sie “Legenden” zufolge 1944/45 schon mal zur Erde gereist seien, um den Nazis “ihre Technik” anzubieten, wollen wir auf ein Referat von Dr. Stefan Meining verweisen, das er im Jahr 2002 beim Symposium des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz gehalten hat. Es trägt den Titel: “Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale.” (pdf)

Mit Dank an Udo M., Studentkiel, Alexander N. und Peter B. für die sachdienlichen Hinweise.

Wie, “WER”? Was!

Was da heute in “Bild” über eine “geheime Kraft im All” steht (siehe Ausriss), ist immerhin kein kompletter Unsinn. Denn diese"WER zwang die Raumsonden auf neuen Kurs" “Kraft” existiert wirklich und ihre Ursache ist bisher ungeklärt. Im Allgemeinen wird das Phänomen als Pioneer-Anomalie bezeichnet, und es existieren zahlreiche Erklärungsansätze dafür. Die meisten davon findet man in einem Text in der aktuellen Ausgabe von “Astronomie heute” (pdf), worauf “Bild” sich ausdrücklich bezieht, und seit gestern auf Spiegel-Online.

“Bild” fügt den Hypothesen heute allerdings eine weitere hinzu:

Sind möglicherweise sogar Aliens im Spiel? (…) Haben Aliens diese Nachricht verstanden und die Sonden vom Kurs gelenkt?

Nun ja, man weiß es nicht, aber dazu später.

So ganz scheint “Bild” nämlich nicht begriffen zu haben, was die Pioneer-Anomalie eigentlich ausmacht. Im Text heißt es:

Doch der Kurswechsel [der Sonden] wurde immer größer. Rund 400 000 Kilometer auf einer Strecke von 14 Milliarden Kilometern. Gleichzeitig verlangsamte sich die Geschwindigkeit.

Tatsächlich sind Verlangsamung und Kurswechsel keine zwei unterschiedlichen Phänomene, sondern die Verlangsamung ist der “Kurswechsel” bzw. die Ursache dafür. Deshalb sind die Pioneer-Sonden heute rund 400.000 Kilometer von dem Punkt entfernt, an dem sie eigentlich sein sollten. Der Bremseffekt ist allerdings, anders als “Bild” suggeriert, konstant.

Das war’s im Grunde schon*, und es ist für die Wissenschaft tatsächlich überaus interessant, weil die Möglichkeit besteht, dass sich die Pioneer-Anomalie nicht allein mit den bislang gültigen physikalischen Gesetzen erklären lässt.

Die Möglichkeit aber, dass diese Anomalie sich mit Aliens erklären lässt, die hat noch kein seriöser Wissenschaftler erwähnt. Auch nicht Prof. Hans Jörg Fahr, Astrophysiker der Uni Bonn, den “Bild” Hans Jürgen Fahr nennt und dreimal korrekt zitiert, wie er uns bestätigte. Zur Alien-Hypothese sagt er allerdings:

Das ist natürlich Unfug.

*) So ganz war es das, was den Artikel in “Bild” angeht, eigentlich nicht. Der Vollständigkeit halber seien hier deshalb noch weiter Ungenauigkeiten erwähnt: Die “Kraft im All” ist natürlich nicht “geheim”, und sie wurde bereits 1980 “entdeckt”. “Astronomie heute” schreibt, anders als “Bild” behauptet, nicht, dass der Pioneer-Effekt “das größte Rätsel der Weltraumforschung” sei. Außerdem konnten wir keinen Hinweis darauf finden, dass Forscher vermuten, die wahrscheinlichste Erklärung für die Anomalie sei “die Schwerkraft unbekannter Objekte außerhalb unseres Sonnensystems”.

Mit Dank an Dietmar H., Thorsten L., Philip K., Benedikt H., Stephan K., Ereglam und Daniel K. für die sachdienlichen Hinweise.

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