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Totales Pensions-Durcheinander bei “Bild”

Die Regelungen zu den Pensionsansprüchen von Politikern sind aber auch wirklich verflixt kompliziert. Wer steigt da eigentlich noch durch? Wir kennen jemanden, der es offensichtlich nicht tut: Dirk Hoeren. Das ist, gelinde gesagt, ungünstig. Hoeren fungiert bei “Bild” nämlich als eine Art Experte für das Thema Politikerpensionen.

Aber der Reihe nach: Gestern fand sich diese Schlagzeile auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung:

"Der nächste gierige: Eichel will 7000 euro mehr Pension!"

Und im dazugehörigen Text auf der Seite zwei, für den neben Dirk Hoeren auch noch zwei weitere Autoren verantwortlich waren, wurde “Bild” noch genauer:

Mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht Kassel will der hessische SPD-Bundestagsabgeordnete [Hans Eichel] sich jetzt zusätzliche Pensionsansprüche sichern: insgesamt 7626 Euro!

"Spar-Eichel ist jetzt Gier-Eichel"Und als wollte “Bild” sichergehen, dass auch ja niemand diesen Teil übersieht, hieß es etwas später über die 7626-Euro-Klagen:

Bei den Klagen geht es Eichel um zusätzliche Pensionsansprüche. Denn schon heute stehen ihm mehrere Pensionen zu.

Diese “Bild”-Berichterstattung hat nun für einigen Wirbel gesorgt, wie “Bild” heute zutreffend schreibt:

"Riesen-Wirbel um Pensions-Prozess"

Einleitend heißt es:

Totales Pensions-Durcheinander bei Ex-Finanzminister Hans Eichel (64).

Bemerkenswert an dem heutigen Artikel von Dirk Hoeren ist, dass plötzlich nirgendwo mehr auftaucht, was noch einen Tag zuvor so groß auf der Seite 1 stand: Kein Wort davon, dass Eichel vor Gericht über 7000 Euro zusätzliche Pension erstreiten wolle. Auch nennt “Bild” Hans Eichel heute gar nicht mehr “Gier-Eichel”.

Wie kommt’s? Die “Bild”-Titelgeschichte über Eichels Klagen war offenbar falsch. Der heutige “Bild”-Artikel basiert in weiten Teilen auf einer Pressemitteilung Hans Eichels von gestern, deren Inhalt zusammengefasst in etwa so lautet: “Bild” lag voll daneben. Denn:

Bei diesen Klagen geht es also nicht um eine zusätzliche Pension von 7626.-€ sondern um die Klärung, wer welchen Pensionsanteil zu tragen hat.

Das kann man auch aus dem heutigen Artikel herauslesen. Obwohl “Bild” sich mal wieder alle Mühe gibt, zu verschleiern, dass es sich dabei eigentlich um eine Korrektur handelt. So heißt es im Text:

Der SPD-Politiker bestätigte gestern, dass er beim Verwaltungsgericht Kassel zwei Klagen eingereicht hat (BILD berichtete), um die Höhe seiner Polit-Pensionen feststellen zu lassen!

“Bild” verschweigt allerdings, dass das so ziemlich das Einzige ist, was Eichel an dem “Bild”-Bericht bestätigte. Schon der erste Satz seiner Pressemitteilung lautet:

Die Behauptung in der Bild-Zeitung am 14.12.2006, ich strebe mit meinen Klagen vor dem Verwaltungsgericht Kassel gegen das Land Hessen und gegen die Stadt Kassel die Zahlung einer zusätzlichen monatlichen Pension von insgesamt 7.626,00 € an, ist falsch.

Und auch den letzten Satz sucht man in “Bild” vergebens:

BILD hat wider besseres Wissen die heutige falsche Darstellung gebracht, ich werde deshalb presserechtlich dagegen vorgehen.

Ob Dirk Hoeren und seine Kollegen es wirklich besser wussten, können wir nicht beurteilen. Es erscheint uns aber durchaus vorstellbar, dass sie schlicht und einfach keine Ahnung haben.

Kurz korrigiert (297)

"Wärmster Dezember seit 1300 Jahren"
Es gehört wirklich nicht viel dazu, obige Behauptung, die “Bild” heute auf der letzten Seite aufstellt, als das zu erkennen was sie ist: nämlich “in doppelter Hinsicht Unsinn”, wie “Spiegel Online” schreibt.

Denn erstens zitiert “Bild” selbst im Text den Klimatologen Reinhard Böhm (der übrigens laut einer Agentur-Meldung “konstruierte Horrorszenarien strikt ablehnt und dem meteorologische Überreaktionen so überhaupt nicht liegen”) mit den Worten:

“Wir erleben gerade die wärmste Periode* seit 1300 Jahren.”
Hervorhebung von uns.

Und zweitens ist der Dezember — und auch das dürfte “Bild” bekannt sein — gerade mal sieben Tage alt. Wie er trotzdem den Weg in die Überschrift finden konnte, bleibt also das Geheimnis von “Bild”.

*) Dass Böhm mit “Periode” keineswegs den Monat Dezember meinen konnte, kann man übrigens auch daran erkennen, dass in der Studie, aus der die “1300 Jahre” stammen, lediglich “Jahresdurchschnittstemperaturen bis ins 8. Jahrhundert” errechnet wurden.

Mit Dank an Timo B. und Benjamin K. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

Da nich’ für

Ist es nicht erstaunlich, wie flexibel manch ein Unternehmen zuweilen reagieren kann? Gestern noch “Exklusiv in BILD: Der Mehr-Lohn-Antrag” zum Ausfüllen und zur Vorlage an den Chef mit dazugehörigem Seite-1-Aufmacher, heute schon meldet “Bild” den Erfolg ihrer “großen” Aktion:

"Dank BILD! Erste Chefs erhöhen Lohn"

Fünf “Chefs” hat “Bild” gefunden, die angeblich “jetzt” und “Dank BILD!” die Gehälter erhöhen:

(…) weil Mitarbeiter mit dem BILD-Formular mehr Geld gefordert haben.

So steht es jedenfalls auf der Seite 1. Und im Seite-2-Text schreibt “Bild” nochmal:

Nach der großen BILD-Aktion mit dem “Mehr-Lohn-Antrag” meldeten sich jetzt erste Firmenchefs, die sagen: Ja, jetzt gibt es mehr Geld für meine Mitarbeiter (siehe Umfrage).

So schnell geht das? Und alles wegen “Bild”? Konnten wir uns ehrlich gesagt nicht vorstellen und haben vorsichtshalber mal nachgefragt, was es mit den Prämien, Bonus-Zahlungen und Extra-Gehältern, von denen “Bild” heute berichtet, so auf sich hat. Bei drei Firmen konnte oder wollte man uns jedoch keine Auskunft darüber geben, wann die Lohnerhöhungen oder Bonus-Zahlungen beschlossen wurden. Und in einer davon soll es nach unseren Informationen sogar noch nicht mal feststehen, ob es überhaupt mehr Geld für die Mitarbeiter gibt und wenn ja, wie viel. Aber sei’s drum.

Der Hamburger Dönerproduzent Celik Döner jedenfalls zahlt angeblich “Dank BILD!” 300 Euro “Extra-Weihnachtsgeld” und erhöht die Löhne ab Januar 2007 um 3-5 Prozent (siehe Ausriss). Auf die Frage, wann das beschlossen worden sei, und ob es da einen Zusammenhang zum gestrigen “Bild”-Artikel gebe, sagt uns Ertan Celik:

Das haben wir vor etwa sechs Wochen beschlossen. Mit “Bild” hat das nichts zu tun.

Ähnlich sieht es bei der Stollenbäckerei Dr. Quendt aus. Dort soll es “Dank BILD!” ein erfolgsabhängiges 13. und 14. Monatsgehalt geben, sowie eine Extra-Gratifikation (siehe Ausriss). Auf die Frage, seit wann es das gebe, erklärt uns Matthias Quendt:

Das haben wir letztes Jahr auch schon gezahlt. Das System gilt bei uns im Haus seit 2000.

Und dann ist da noch Peter Pohl vom Fernsehsender “Help TV”. Hier kann “Bild” ausnahmsweise den Foto-Beweis antreten, der zumindest belegt, dass Pohl das “Mehr-Lohn-Formular” aus der gestrigen “Bild” in der Hand hält (siehe Ausriss). Neben ihm steht seine Sekretärin. Die “beantragte 200 Euro mehr im Monat”, schreibt “Bild”. “Help TV”, bei dessen Geschäftsmodell Bild.de erst kürzlich “Abzocke” witterte, haben wir nicht gefragt. Das war auch nicht nötig. Schließlich schreibt “Bild” selbst über die Lohnforderung:

Der Chef überlegt noch …

Pack’ die Badehose ein! (3)

Sicher, Fehler passieren. Aber haben Sie die gestrige “Bild”-Berichtigung erkannt? Nein? So sah Sie aus:

"Barbados-Reise: EU-Politiker kassieren auch noch Tagegeld"

Oberflächlich betrachtet beschäftigt sich diese Meldung mit der unerhörten Tatsache, dass EU-Abgeordnete auf einer Dienstreise in die Karibik “auch noch Tagegeld” in Höhe von 137 Euro kassiert haben:

Und das, obwohl Reisekosten (Flüge in der Business-Klasse) und die Unterkunft in Luxushotels vom EU-Parlament bezahlt wurden.

Stimmt. Fragt sich nur, warum eine Tageszeitung daraus eine aktuelle Meldung macht. EU-Parlamentarier bekommen immer und seit Jahren schon Tagegeld, wenn sie an “offiziellen Sitzungen der Organe des Parlaments” teilnehmen (274 Euro seit 1.1.2006). Und im keineswegs geheimen “Praktischen Leitfaden für die Abgeordneten” (Stand: 2004) heißt es dazu:

Für Sitzungen außerhalb des Hoheitsgebiets der Europäischen Union wird das Tagegeld um die Hälfte gekürzt, doch die Kosten für Übernachtung und Frühstück werden vom Parlament übernommen.

Offenbar hat Dirk Hoeren diese altbekannte Tatsache also nur deswegen aufgeschrieben, weil bei “Bild” die streng rationierten Korrekturspalten langsam knapp werden. Denn die eigentliche Neuigkeit für “Bild”-Leser steht am Ende (siehe Ausriss rechts). Ganz nebenbei korrigiert “Bild” dort nämlich, dass Lissy Gröner, anders als “Bild” vor gut zwei Wochen berichtet hatte, gar nicht an der vermeintlichen “Lustreise” in die Karibik teilgenommen hatte.

P.S: Die Information, dass die Karibik-Reisenden 137 Euro Tagesgeld bekamen, enthielt auch schon der RTL-Bericht, aus dem “Bild” am vergangenen Montag ausführlich zitierte. Dass “Bild” diese Tatsache erst gestern aufgefallen ist, darf man also ausschließen.

“Bild” übersieht Strahlenkanonen-Arsenal

"Deutsche bauen Strahlenkanone gegen Krebs"“Bild” berichtet heute von einem aufregenden Projekt. In Heidelberg soll nämlich eine “Strahlenkanone” gebaut werden (siehe Ausriss). “Bild” schreibt:

In ganz Europa sind sechs derartige Anlagen geplant, bei uns bisher nur in Heidelberg.

Das stimmt allerdings nur, wenn man die fertig gestellte “derartige Anlage” in München nicht mitzählt. Und die in Köln. Na ja, in Kiel soll auch eine gebaut werden. Und in Leipzig. Sowie in Marburg, in Erlangen und in Berlin. Ach nee, das stimmt gar nicht, in Berlin sind offenbar zwei geplant.

Mit Dank an Eric S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 1.12., 19.18 Uhr: Die Berichtigung, die kürzlich noch an dieser Stelle stand, war offenbar voreilig und weitgehend unnötig. Wie uns Experten mitteilen, wird die Anlage in Heidelberg zwar die erste “derartige” Anlage in Deutschland sein, geplant sind aber durchaus weitere “derartige” Anlagen in weiteren deutschen Städten — wenn auch nicht in allen von uns genannten.

Päpstlicher als “Bild”

“Bild” ist bekanntlich die päpstlichste aller Zeitungen ein überaus religiöses Blatt genau die richtige Lektüre für gläubige Katholiken auch schon mal beim Papst gewesen und hat eine sogenannte “Volksbibel” für 9,95 Euro, eine Immendorf-Bibel für 19,95 Euro und eine Dürer-Bibel für 29,95 Euro rausgebracht.

Jetzt wollten sich die Marketing-Strategen Benedikt-Fans von “Bild” gerne die eigene Schlagzeile “Wir sind Papst!” als Marke eintragen lassen. Offenbar ist das Marken- und Patentamt in München aber wesentlich päpstlicher, als man sich das bei “Bild” vorstellen konnte, und lehnte die Eintragung ab, wie die “Süddeutsche Zeitung” berichtet:

Begründung: Die Marke verstoße wider die guten Sitten. Werde der Begriff des Papstes — als Jesu Stellvertreter — zu Verkaufszwecken verwendet, könnten Gläubige daran Anstoß nehmen. Ein Bild-Sprecher erwidert, man wollte gegen “Trittbrettfahrer” vorgehen und habe die Wortmarke angemeldet, “um ein Zeichen zu setzen”. (…) Zur Entschuldigung sei gesagt: Bild ist nicht unfehlbar. Die Zeitung ist schließlich nicht der Papst.

Auf solche Ideen würde man bei “Bild” natürlich nie kommen.

Kurz korrigiert (288-294 293 292)

Klar, am Anfang war die Lage unübersichtlich, und “Bild” war bei weitem nicht das einzige Medium, das in der Berichterstattung über den Emsdettener Amoklauf den ein oder anderen Fehler gemacht hat. Aber schließlich hat “Bild” ja seit Juli wieder eine Korrekturspalte. Genutzt hat sie die in den vergangenen beiden Tagen allerdings nicht. Dabei hätte sie lang werden können:

  • “Bild” schrieb über Bastian B., er habe “mit Freunden ‘Gotcha’” gespielt. Offenbar war er jedoch “Airsoft”-Spieler.
  • “Bild” schrieb, die Polizei habe im Wohnhaus der Eltern “eine Gaspistole, eine Softairwaffe und ein Luftgewehr (Pumpgun)” sichergestellt. Tatsächlich ist “Pumpgun” jedoch kein Synonym für “Luftgewehr”.*
  • “Bild” schrieb, die Schwester von Bastian B. sei auf dieselbe Schule gegangen, wie Bastian B. Tatsächlich geht sie jedoch nicht auf die Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten, sondern offenbar auf das Martinum Gymnasium.
  • “Bild” schrieb, Bastian B. habe für das Computerspiel Counter Strike “schon als 12-Jähriger (…) ein dreidimensionales Modell seiner Schule” programmiert. Das hatten zwar tatsächlich Schüler der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) erzählt, “Spiegel Online” berichtete jedoch vorgestern, dass es höchst zweifelhaft sei, dass eine solche “map” der GSS überhaupt existiert und dass Bastian B. sie programmiert hat.**
  • “Bild” zeigte eine Abbildung der vermeintlichen map der GSS Emsdetten (siehe Ausriss unten). Tatsächlich handelt es sich, wie derselbe “Spiegel-Online”-Artikel deutlich machte, dabei jedoch um eine ganz andere GSS in Melsungen.
  • “Bild” schrieb in Bezug auf die Counter-Strike-map, Bastian B. sei “nächtelang (…) per Joystick durch die virtuellen Schulflure” gerannt und habe versucht, “in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Lehrer und Schüler zu erschießen”. Tatsächlich gibt es in Counter Strike jedoch keine Schüler und Lehrer, sondern lediglich “Terroristen”, “Counterterroristen” und gegebenenfalls Geiseln, die allerdings nicht mal die Geiselnehmer erschießen dürfen, ohne Strafpunkte zu bekommen. (Übrigens wird Counter Strike in der Regel nicht mit dem Joystick gespielt, sondern mit der Tastatur).
  • “Bild” schrieb über “Counterstrike (ab 16)”: “Spezialität: Headshots (Kopfschüsse)! Blut spritzt dabei.” Tatsächlich “spritzt” in der in Deutschland ab 16 frei erhältlichen Version kein Blut. (Wahrscheinlich ist deshalb auf dem Screenshot, den “Bild” heute abdruckt und dazu schreibt, “blutspritzende Opfer einer ‘Counterstrike’-Kampfsequenz” auch kein Blut zu sehen.)

Sicher, das mögen keine besonders gravierenden Fehler sein, aber dafür nutzt “Bild” die Korrekturspalte ja ohnehin nicht.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

*) Nachtrag, 22.00 Uhr: Wir müssen uns leider in einem Punkt korrigieren: Offenbar handelt es sich bei dem sichergestellten Luftgewehr um eine Pumpgun, wie einer Pressemitteilung der Polizei zu entnehmen ist.

**) Nachtrag, 22.35 Uhr: Wie es aussieht, gibt es doch eine Counter-Strike-map der GSS Emsdetten, wie “Spiegel Online” inzwischen berichtet. Ob “Bild” die auch kannte, bleibt offen.

Allgemein  

“Bild” löst gelösten Fall

Am 2. November berichtete “Bild” das erste Mal über “die hübsche Daniela (17)”, die damals seit zwei Wochen vermisst wurde (siehe Ausriss). “Bild” forderte ihre Leser auf, die Polizei anzurufen, wenn sie Daniela gesehen haben sollten und schrieb:

Ist die Realschülerin (10. Klasse) entführt worden oder einfach nur abgehauen? Die Mutter: “Dieses Jahr hatte sie nur Einsen und Zweier. Alles lief gut für meine Daniela.”

Außerdem hieß es einleitend:

Nach dem Frühstück legte Daniela (17) einen Zettel auf den Küchentisch: “Mama, nach der Schule gehe ich noch einkaufen.” Das letzte Lebenszeichen der hübschen Schülerin (…)

Dann war eine Weile Ruhe. Doch vorgestern berichtete “Bild” wieder über das vermisste Mädchen und schrieb:

Das letzte Lebenszeichen: ein Zettel auf dem Küchentisch: “Mama, gehe nach der Schule noch shoppen.”

Anlass war diesmal ein Brief der Mutter an Daniela, den “Bild” zusammen mit dem erneuten Aufruf an die Leser veröffentlichte, gegebenenfalls die Polizei zu informieren.

Und gestern konnte “Bild” tatsächlich erleichtert vermelden:

Jetzt rief die junge Frau bei BILD an.

“Es geht mir gut”, sagte sie. “Aber ich will nicht mehr nach Hause. Ich lebe bei einer Familie, passe auf deren Kinder auf und verdiene mir so ein wenig Geld. Ich habe zu essen und zu trinken.”

Der Hinweis auf den ominösen Zettel fehlte auch hier nicht:

Daniela hatte ihrer Mutter nur einen Zettel in die Küche gelegt (“Gehe nach der Schule noch shoppen”) und war verschwunden.

Tatsächlich aber war alles ganz anders, als “Bild” wiederholt nahe legte: Daniela hatte nämlich einen Abschiedsbrief an ihre Mutter geschrieben, in dem sie ihr mitteilte, dass sie abhauen würde und nicht zurückkommen will. Auch war nicht der vermeintliche Zettel von “Bild” das “letzte Lebenszeichen” von Daniela, sondern eine E-Mail an die Polizei, in der sie den Inhalt des Abschiedsbriefs bestätigte. Folglich gab es auch keine Hinweise auf eine Straftat.

Und: Nach unseren Informationen wusste “Bild” all das auch — und zwar schon vor Veröffentlichung des ersten Artikels am 2. November. Dennoch erwähnt “Bild” nichts davon.

Übrigens: Seit vorgestern kann man die wahre Geschichte in einer Pressemitteilung der Polizei Aalen nachlesen, in der auch steht, warum die öffentliche Fahndung erst jetzt eingeleitet wurde:

"Nachdem in der BILD eine von der Mutter veranlasste Veröffentlichung zu der Vermissten erschienen war, meldeten sich sowohl Personen, die die Vermisste an verschiedenen Orten gesehen haben wollten, als auch solche, die angaben, dass sie sich in ihrer Gewalt befinde.
Da die Ernsthaftigkeit nicht genau eingeschätzt werden kann, muss die Polizei davon ausgehen, dass möglicherweise im Zuge des Vermisstseins eine Straftat an ihr begangen wurde."

Und wir fassen zusammen: “Bild” erweckt wider besseres Wissen den Eindruck, eine 17-Jährige sei möglicherweise entführt worden, verschweigt ihren Abschiedsbrief und bringt mit einem eigenen öffentlichen Fahndungsaufruf offenbar Trittbrettfahrer dazu, eine Straftat vorzutäuschen, so dass die Polizei am Ende tatsächlich die öffentliche Fahndung einleiten muss.

Mit Dank an Martin M. für den sachdienlichen Hinweis.

Pack’ die Badehose ein!

Diese große Schlagzeile steht heute auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung:

"Wenn das keine Lustreise ist! 80 EU-Abgeordnete mit Ehepartner in die Karibik"

In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht auf drei Dinge hinweisen:

Erstens ist die Karibik nicht nur ein beliebtes Urlaubsparadies, sondern in weiten Teilen auch Entwicklungsregion.

Zweitens, schreibt “Bild” selbst im Text über die Ehepartner:
"Für (auf eigene Kosten mitreisende) Ehepartner"

Und drittens zeigt “Bild” unter der Zeile “Und diese Deutschen sind dabei” fünf Europaabgeordnete. Einer davon ist Andreas Schwab und eine weitere Lissy Gröner (siehe Ausriss).

Andreas Schwab teilt uns aber mit:

Das ist eine “lustige” Geschichte. (…) Nur: Leider fahre ich nicht mit. Und das war schon seit langem klar.

Und von Lissy Gröner erfahren wir:

Ich wäre gerne dabei gewesen, kann aber leider wegen mehrerer wichtiger Termine nicht an der Dienstreise teilnehmen.

P.S.: Der EU-Abgeordnete Michael Gahler, der auch mit nach Barbados reist, hat zum heutigen “Bild”-Artikel übrigens eine informative Pressemitteilung herausgegeben, die den Titel trägt: “BILD hat recht — aber noch viel mehr unrecht!”

Nachtrag, 17.11.06: “Bild” berichtigt den Karibik-Artikel in ihrer heutigen Korrekturspalte — allerdings nur teilweise:

Nachtrag, 17.11., 18.56 Uhr: Andreas Schwab versichert uns auf Nachfrage noch einmal, dass er “seinen Platz” nicht “kurzfristig einem anderen Abgeordneten-Kollegen zur Verfügung gestellt” habe.

Kurz korrigiert (286)

Im Duden steht:

kạlt|ma|chen (salopp): skrupellos töten: er macht dich kalt, wenn du ihm über den Weg läufst.

“Bild” schrieb am Montag über die sogenannte “Seckbach-Gang”:

Ein Sprecher der Polizei erklärt uns dazu:

Bandenmitglieder, die einen Auftrag nicht ausführen wollten, wurden unseren Ermittlungen nach “geschmeidig” gemacht, mit Ohrfeigen, Fausthieben und Ähnlichem. Es wurde aber niemand abgeschlachtet oder erschossen.

Mit Dank an Peter M. für den sachdienlichen Hinweis.

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