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“Bild” unterschlägt Entschuldigung

Gestern begann in Berlin der Prozess gegen den 17-Jährigen Mike P., dem vorgeworfen wird, bei der Eröffnungsfeier des Berliner Hauptbahnhofs im vergangenen Mai, 37 Menschen mit einem Messer verletzt zu haben. “Bild” berichtet heute über den Prozessauftakt.

Dabei zeigt “Bild” ein Foto des Minderjährigen, das sie im Mai vergangenen Jahres schon einmal gedruckt hatte (da allerdings mit einer anderen Unterzeile als heute). Das Foto ist zwar mit einem schwarzen Balken versehen, allerdings ist der so klein ausgefallen, dass auch entfernte Bekannte von Mike P. wohl keine größeren Schwierigkeiten haben dürften, ihn zu identifizieren*.

Außerdem hat “Bild” unter der Vielzahl von möglichen Überschriften für die Geschichte ausgerechnet diese gewählt:

"37 Amok-Opfer und kein Wort der Entschuldigung"

Das ist mindestens irreführend. Denn der Anwalt des Angeklagten hat bereits angekündigt, dass dieser sich entschuldigen werde. Das weiß auch “Bild” und schreibt:

Anwalt Hedrich sagt: “Mike wird sich bei den Opfern entschuldigen.”

Und während andere Medien dem noch hinzufügen, dass der Anwalt auch gesagt hat, dass das Geschehen seinem Mandanten “selbstverständlich leid” tue, schreibt “Bild” über Mike P.:

Doch drinnen kommt kein Wort über dessen Lippen.

Das mag sein. Aber erstens sollte es natürlich Mike P. selbst überlassen sein, den Zeitpunkt für seine Entschuldigung zu wählen. Und zweitens unterschlägt “Bild”, dass er sich schon einmal entschuldigt hat. Dabei weiß sie das ganz genau. Fünf Tage nach dem Amoklauf druckte “Bild” nämlich ein “Exklusiv-Interview mit dem Anwalt des Amokstechers”, in dem es hieß:

BILD Wie denkt Mike P. über die Tat?

Herbert Hedrich: “Er bereut die Geschehnisse zutiefst. Läßt durch mich ausrichten, daß er sich bei allen Opfern und deren Familien entschuldigt. Auch für die schwere Zeit, die sie mit der Aids-Gefahr durchleben müssen.”

Mit Dank an Holger E. für den sachdienlichen Hinweis.

*) In den Richtlinien zu Ziffer 8 des Pressekodex heißt es:

(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz.

Allgemein  

“Bild” und “BamS” klauen Mohnhaupt-Fotos

Wie sieht die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt wohl heutzutage aus? “Bild” wollte das gerne zeigen. Da sie aber nur uralte Fahndungsfotos von Mohnhaupt kannte, veröffentlichte “Bild” am 17. Februar eine Art Phantom-Bild, das angeblich nach Zeugenaussagen angefertigt wurde. Dazu stellte “Bild” die Frage: “Sieht RAF-Mohnhaupt heute so aus?”

Die “BamS”, die auch gerne zeigen wollte, wie Mohnhaupt heute aussieht, hatte einen Tag später eine andere Idee: Sie zeigte echte, ziemlich aktuelle Fotos von Mohnhaupt. Eines auf der Titelseite und ein noch größeres auf der Seite zwei (siehe Ausriss). Und am Tag darauf zeigte dann auch “Bild” eines dieser Fotos. Beide hatten kein Recht dazu.

Die Fotos stammten aus dem “Trostberger Tagblatt”. Das hatte sie bereits am 14. Februar veröffentlicht — exklusiv. Bekommen hatte das “Tagblatt” die Fotos von Mohnhaupts ehemaligem Gefängnisseelsorger Siegfried Fleiner, den Mohnhaupt schon seit einigen Jahren regelmäßig besuchen durfte. Das “Trostberger Tagblatt” hatte mit Fleiner über Mohnhaupt gesprochen und in einem Artikel über das Gespräch auch die Bilder veröffentlicht. Der Redaktionsleiter des “Trostberger Tagblatts”, Karlheinz Kas, sagt uns, man habe Fleiner zugesichert, die Fotos nicht weiterzugeben. Und daran habe man sich gehalten. (Allerdings hatten weder Fleiner, noch das “Trostberger Tagblatt” Mohnhaupt gefragt, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sei).

Und trotzdem fanden sich die Fotos aus dem “Trostberger Tagblatt” also wenig später in “Bild” und “BamS” (dort inklusive Fotonachweis “Trostberger Tagblatt, Privat”). “Bild” und “BamS” hatten die Bilder einfach “geklaut”. Deshalb geht das “Trostberger Tagblatt” jetzt juristisch gegen den Springer-Verlag vor. Wie man uns bei der beauftragten Kanzlei Beiten Burkhardt sagt, hat Springer bereits eine Unterlassungserklärung unterschrieben, in der sich der Verlag verpflichtet, die Fotos nicht mehr zu veröffentlichen. Außerdem werde man in Kürze Schadenersatz geltend machen.

“Bild” und “BamS” werden es wohl verschmerzen. Voraussichtlich werden sie zwar etwas mehr zahlen müssen, als wenn sie die Fotos regulär gekauft hätten, aber das konnten sie ja nicht. Schließlich hätten weder Fleiner noch das “Trostberger Tagblatt” “BamS” oder “Bild” das Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben — wenn sie denn gefragt worden wären.

Kurz korrigiert (317)

Bei dem Arzneimittel-Hersteller Pfizer dürfte man wohl angesichts der Berichterstattung über ein neues Produkt auf Bild.de etwas hin- und hergerissen sein:

"

Einerseits nennt Bild.de das Pfizer-Präparat, das “im März da” sein soll, immerhin schon in einer Ankündigung auf der Startseite und auch in der Artikel-Überschrift “Super-Pille”. Andererseits heißt die neue “Super-Pille” aber gar nicht “Campix”, wie Bild.de wiederholt schreibt, sondern “Champix”, was man auch bei Bild.de schon einmal wusste.

Mit Dank an Daniel für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 18.26 Uhr: Der Arzneimittelexperte von Bild.de ist inzwischen tätig geworden und hat sogar die falsche Artikel-URL korrigiert.

“Bild”-Leser müssen bis zu 6 Wochen warten

“Bild” berichtet heute über eine “schockierende AOK-Studie”, nach der Kassenpatienten “bis zu 4 Wochen warten” müssen. Im Text schreibt “Bild”:

(…) jetzt ist schwarz auf weiß bewiesen (…). Eine Studie des Wissenschaftsinstituts der AOK (WIdO) ergab jetzt: (…)
(Hervorhebung von uns)

Und mit “jetzt” muss “Bild” wohl Anfang Januar meinen. Denn bereits vor rund sechs Wochen wurden die Ergebnisse der Studie im “WIdO-Monitor” [pdf] offiziell vorgestellt, worüber damals auch verschiedene Medien berichtet hatten (wie übrigens auch schon im November 2006, als viele Zahlen aus der Studie bereits in einer Pressemitteilung bekannt gegeben worden waren).

"Große AOK-Studie beweist: So lange lassen Ärzte Kassenpatienten warten!"Dass “Bild” daraus heute sogar eine Titel-Schlagzeile macht (siehe Ausriss), könnte daran liegen, dass die Ergebnisse der Studie jetzt noch einmal (und erstmals in gedruckter Form) als “Beilage der Zeitschrift ‘Gesundheit und Gesellschaft'” veröffentlicht wurden, wie man uns beim WIdO sagt.

Aber natürlich hat so eine verspätete “Bild”-Schlagzeile auch ihr Gutes. Zumindest für “Bild”. Denn so können auch verschiedene Nachrichtenagenturen das Thema (wieder)entdecken — und dazu beitragen, dass “Bild” als meistzitierte Zeitung Deutschlands gilt.

Mit Dank an Bastian B. und Michael P. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 22.2.2007 (Mit herzlichem Dank an Stammleser Dirty Harry): “Bild” hatte am 4.11.2006 doch schon einmal über die Ergebnisse der “WIdO”-Studie berichtet — sogar auf der Titelseite. Allerdings in einer kleinen 14-Zeilen-Meldung.

Kurz korrigiert (316)

Bild.de stellt einen neuen Rekord auf für die geringste Entfernung zwischen zwei unterschiedlichen Altersangaben bei ein und derselben Person:

P.S.: Paris Hilton (26) feierte ihren 26. Geburtstag nicht etwa im Voraus.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Nachtrag, 14.53 Uhr: Bei Bild.de hat man die “(25)” inzwischen ersatzlos gestrichen.

Volks-Volksentscheid

Gestern abend war Dirk Hoeren, “Bild”-Experte für PolitikerPensionen und –Gehälter, für RentenLügen, Krankenkassenbeiträge oder Vogelgrippe-Impfungen, zu Gast in der Sendung “Hart aber Fair”. Es ging um Steuern und Abgaben. Als “Hart aber Fair”-Moderator Frank Plasberg Hoeren mit gewissen Inkonsistenzen in der “Bild”-Berichterstattung konfrontierte und fragte, wie denn die Forderungen nach weniger Steuern auf der einen und nach mehr Staat auf der anderen Seite zusammen passten, ergab sich dieser kurze Dialog:

Hoeren: Das passt sehr gut zusammen, weil der Eindruck entsteht, dass Steuern gleich Staat und Staat gleich Steuern sind. Das ist ja nicht unbedingt der Fall. “Bild” spricht eine klare Sprache. Es gibt in Deutschland keine Volksabstimmungen und auch keine Volksbefragungen, “Bild” ist mit zwölf Millionen Lesern am Tag so was wie die tägliche Volksbefragung, der tägliche Volksentscheid. (Gemurmel im Publikum und in der Runde)

Plasberg: Entschuldigung, darf ich noch mal an unsere Frage erinnern: Heißt das, dass wir auch so einäugig sind als Bürger (…)? Das kann ja sein, dass Sie tatsächlich nur unsere eigene Schizophrenie wiedergeben…

Hoeren: Also, da würde ich Ihnen jetzt nicht unbedingt widersprechen.

Kurz korrigiert (315)

Nachdem “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner gestern bereits (wie berichtet) die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt fälschlicherweise als “begnadigt” bezeichnet hatte, macht er heute wieder einen Fehler.* Wagner schreibt:

Der Bundesgerichtshof hat nun für die Vielleicht-Väter entschieden und gegen die Lügenmütter.

Es war natürlich das Bundesverfassungsgericht. Die Kollegen aus der “Bild”-Redaktion wussten das und haben Wagner trotzdem wieder nicht korrigiert. Aber deswegen zu behaupten, dass bei “Bild” niemand mehr liest, was Wagner da so zusammen schreibt, wäre natürlich eine gemeine Unterstellung.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis.

*) Gestern hatten wir an dieser Stelle noch der Fairness halber die Möglichkeit formuliert, dass Wagner sich extrem gut mit Rechtsthemen auskenne — ein Hinweis, auf den wir rückblickend auch getrost hätten verzichten können.

“Bild”-Kolumnist begnadigt RAF-Terroristin

Das Stuttgarter Oberlandesgerichts (OLG) hat gestern entschieden, dass die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt im März nach 24 Jahren Haft entlassen werden soll. Und “Bild” erklärt in einem Seite-2-Text, warum die Freilassung nach “Recht und Gesetz” erfolge:

Denn: Nach dem Strafgesetzbuch (§ 57 a) bedeutet “lebenslange Freiheitsstrafe” nicht unbedingt Haft bis zum Tode. Nach frühestens 15 Jahren kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn nicht die “besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebietet”. In diesem Fall setzt das Gericht eine Mindesthaftdauer fest — bei Mohnhaupt waren es 24, bei Klar 26 Jahre!

"Post von Wagner: Begnadigte Brigitte Mohnhaupt"“Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner allerdings hat das entweder nicht gelesen, oder er hat es nicht verstanden. Und offenbar hat er auch sonst nicht viel gelesen.* Denn Wagner schreibt heute an die “Begnadigte Brigitte Mohnhaupt”. Im Text heißt es:

Die deutsche Justiz hat Sie, vielfache Mörderin, Brigitte Mohnhaupt, begnadigt.

Das ist falsch. “Die deutsche Justiz” kann niemanden begnadigen. Eine solche Entscheidung trifft (im Falle von sogenannten “Staatsschutzdelikten”) der Bundespräsident nach freiem Ermessen. Die Entscheidung über die von “Bild” beschriebene Haftentlassung nach Paragraph 57 a StGB hingegen ist an bestimmte, im Gesetz beschriebene, Voraussetzungen gebunden. Darauf wies das OLG Stuttgart gestern in einer Pressemitteilung (die Wagner offenbar auch nicht kennt) sogar ausdrücklich hin:

Es handelt sich nicht um eine Entscheidung im Gnadenweg, sondern um eine an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebundene richterliche Entscheidung.

Offenbar hat niemand bei “Bild” Wagner auf seinen Fehler aufmerksam gemacht. Aber er passt ja auch ganz gut zur Haltung von “Bild”. So erkennt Hans-Jörg Vehlewald die Mohnhaupt-Entscheidung in seinem Kommentar (“Recht ohne Gerechtigkeit”) zwar als “rechtens” an, findet sie aber ungerecht, weil Mohnhaupt “kein Zeichen von Reue” habe erkennen lassen. Reue allerdings ist keine Voraussetzung für die Freilassung nach Paragraph 57 a StGB. Bei einer Begnadigung hingegen, kann man das so oder so sehen.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

*) Es besteht übrigens auch die entfernte Möglichkeit, dass Wagner an die “begnadigte” Mohnhaupt schreibt, weil er sich extrem gut mit dem Thema auskennt. Tatsächlich wird nämlich die Haftentlassung nach Paragraph 57 a StGB in Juristenkreisen offenbar zuweilen als “kleine Gnade” bezeichnet. Aber das sei hier nur der Fairness halber erwähnt.

Kurz korrigiert (314)

Heute morgen um kurz nach 8 Uhr veröffentlichte die Nachrichtenagentur AP eine Meldung über die für heute erwartete Entscheidung zur Freilassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt. Darin hieß es:

Mohnhaupt war 1985 unter anderem wegen Mordes an (…) Arbeitgeberpräsident Hanns-Eberhard Schleyer (…) verurteilt worden.
(Hervorhebung von uns.)

Das ist etwas peinlich. Schließlich weiß ja jeder, dass der ermordete Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer hieß (Hanns-Eberhard ist sein Sohn). Fast jeder. Bei Bild.de nämlich merkte man nicht nur nicht, dass AP da ein Fehler unterlaufen war, sondern übersah offenbar auch die Berichtigung, die AP eine dreiviertel Stunde später herausgab. Und auch, als der Bild.de-Text überarbeitet wurde, nachdem die Entscheidung zur Freilassung Mohnhaupts bekannt wurde, bemerkte noch immer niemand den “Eberhard”. Bei Bild.de heißt es um kurz nach 13 Uhr weiterhin:

Dass der Name in einer Fotounterzeile in demselben Bild.de-Text richtig ist, macht’s übrigens auch nicht besser.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Nachtrag, 13.21 Uhr: Das ging jetzt aber schnell.

Britnish Spears

Wir hätten da etwas zu berichten: Bild.de berichtet heute, die britische Zeitung “The Sun” berichte, das US-Magazin “In Touch” berichte, es gebe Lesben-Gerüchte* um Britney Spears.

Und sollte jetzt jemand auf die Idee kommen, darüber zu berichten, was BILDblog hier heute berichtet, wäre es schön, wenn die Geschichte dann nicht so angekündigt würde:

In deutschem Blog: Lesben-Gerüchte um Britney Spears

Das träfe nämlich nicht so ganz den Kern der Sache.

Mit Dank an Bense F. für den Hinweis.

*) Die Lesben-Gerüchte werden übrigens dementiert.

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