Gestern enthüllte “Bild” das Trikot des Fußballvereins Hertha BSC für die Bundesliga-Saison 2007/2008. Zum “Hintergrund” schrieb “Bild”, dass “einige Fans” nie “warm wurden” mit dem aktuellen Trikot. Insbesondere das “Adler-Wappen aus den Meister-Jahren 1930/1931” kam offenbar nicht so gut an. Und nachdem es am 2. Spieltag der laufenden Saison einen Trikot-Vorfall (Fans warfen nach einem Spiel “von den Herthanern in die Fankurve geworfene Trikots wieder zurück”) gab, hatte sich, so ist jedenfalls der “Bild”-Zeitung zu entnehmen, Ex-Hertha-Präsident Wolfgang Holst als Sprecher des Ältestenrates “in den Zoff” eingeschaltet:
Holst damals: “Man muss die Fans ernst nehmen. Wir haben ihre Wünsche angehört und protokolliert. Das Papier geht der Geschäftsleitung zu.” Und die hat reagiert: Schluss mit dem Adler auf den neuen Schmuckstücken für die Fans!
Hertha BSC nahm dazu in einer Pressemitteilung Stellung. Der Verein stellt darin fest, dass “bereits seit der Spielzeit 2005/2006 das Trikotdesign (…) verabschiedet worden ist”. Insofern sei auch der Hinweis auf den Ältestenrat in der “Bild”-Zeitung “nicht relevant”.
Das klingt nachvollziehbar. Insbesondere, wenn man weiß, dass Hertha BSC bereits zwei Wochen vor dem Trikot-Vorfall (und damit offenbar auch vor der Äußerung von Holst) in einer Mitteilung schrieb:
Um es ganz deutlich zu machen: In keiner Sekunde wurde daran gedacht, das HERTHA-Logo mit der Fahne durch das Logo mit dem Adler zu ersetzen. (…) [Das aktuelle] Trikot ist eine Sonder Edition und wird es nur in dieser Spielzeit geben. Die weiteren Trikots, und auch das aktuelle Auswärtstrikot werden selbstverständlich mit dem Original-Logo mit der Fahne gespielt. Auch zukünftig wird das alte HERTHA-Logo erhalten bleiben und auf den neuen Trikots zu sehen sein. (Links von uns.)
Das muss aber laut gewesen sein am vergangenen Sonnabend beim Spiel Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart. 129 Dezibel! Das sei, schrieb “Bild” am Montag, “so laut wie nirgendwo anders in der Liga”. Außerdem sei das fast so laut wie eine startende Rakete und lauter als ein startender Düsenjet. So stand es jedenfalls in der “Lärm-Tabelle”, die “Bild” abdruckte und in der sie sogar erklärte, was ein Dezibel ist. Wie “Bild” auf diese “129 Dezibel” gekommen war, stand auch im Text:
Der Lärm-Check wird in der Veltins-Arena mehrfach pro Spiel angezeigt.
Der “Bild”-Artikel wird seit seinem Erscheinen eifrig im Schalke-Forum diskutiert. Für eine gewisse Verwirrung sorgt dabei, dass der “ELE-Soundcheck” (vom Stromversorger ELE), den “Bild” “Lärm-Check” nennt, bekanntermaßen nicht in Dezibel misst und in der Vergangenheit schon viel höhere Werte angezeigt hat als 129 (der Rekord scheint so bei 183 zu liegen). Entsprechend werden die “129 Dezibel” von “Bild” im Schalke-Forum vereinzelt angezweifelt. Zuweilen wird aber auch die Theorie ventiliert, dass man den ELE-Wert circa durch 1,5 teilen muss, um auf Dezibel zu kommen.
Diese schöne Theorie können wir leider nicht bestätigen. Wie uns jetzt ein Sprecher der Veltins-Arena mitteilt, misst der ELE-Soundcheck Volt, die dann in eine Fantasie-Skala übersetzt werden, die bis 200 reicht. Und, so der Sprecher:
wie wir heute aus der “Bild”-Zeitung erfahren, habt ihr gestern offenbar “gegen die Todesspritze für Knut” demonstriert (siehe Ausriss). Wir freuen uns, dass ihr dafür im Berliner Zoo wart. Dort kann man schließlich eine Menge lernen — nicht nur über Eisbären, auch über andere Tiere.
Allerdings müssen wir euch auch etwas Trauriges erzählen, etwas, das man im Zoo nicht lernt: Ihr wurdet reingelegt. Knut sollte nämlich gar nicht getötet werden. Niemand hatte das ernsthaft gefordert. Ihr (und offenbar auch die Erwachsenen) seid einer “Falschmeldung” aufgesessen, wie man so sagt. Genauso wie viele Medien, die die Geschichte aus der “Bild”-Zeitung weitererzählt haben. Deshalb stimmt leider auch nicht, was heute in der “Bild”-Zeitung über euch steht:
Sie erhoben ihre Kinderstimmen, um ihren Lieblingsbären vor der Todesspritze zu retten! Und sie hatten Erfolg: KNUT DARF LEBEN!
Das ist wahrscheinlich das Schlimmste: Die “Bild”-Zeitung missbraucht euch heute, um ihre Desinformation von gestern auf abstruse Art und Weise gerade zu rücken. Und dabei wiederholt sie sie auch noch:
Tierschützer hatten in BILD (…) den Tod des von seiner Mutter verstoßenen Bären gefordert.
Das ist jetzt sicher alles ziemlich schwer für euch zu verstehen, aber vielleicht werdet ihr es begreifen, wenn ihr größer seid. Und vielleicht nehmt ihr dann auch an weniger überflüssigen Demonstrationen teil.
“Bild” berichtet heute, dass “Keuschheits-Kampagnen” in den USA “regen Zulauf” hätten. Anlass dafür ist eine Geschichte über Thomas Enns, der zurzeit an der Casting-Show “Deutschland sucht den Superstar” (“DSDS”) teilnimmt. Er ist, wie wir heute aus “Bild” erfahren, “gläubiger Christ”, “liest täglich in der Bibel” und sagt:
Das “gesteht” er laut “Bild” in der Zeitschrift “Yam”. Und es stimmt. “Yam” war dieses Geständnis sogar eine Pressemitteilung wert:
Im Yam!-Interview gesteht “DSDS”-Finalist Thomas Enns (24): “Ich bin noch Jungfrau!”
Wer jetzt allerdings meint, in der aktuellen “Yam”-Ausgabe (12/07) mehr darüber erfahren zu können, der wird enttäuscht. Das Geständnis ist nämlich schon über zwei Wochen alt. Es stammt aus der Ausgabe 10/07 und die Pressemitteilung dazu wurde am 27. Februar veröffentlicht. Dass “Bild” das bislang entgangen war, ist unwahrscheinlich. Insbesondere da “Yam”, genau wie “Bild”, bei Axel Springer erscheint.
VerschiedeneandereMedien sind aber offenbar erst durch “Bild” auf die “Yam”-Geschichte aufmerksam geworden. Und das christliche Medienmagazin “pro” bringt es sogar fertig, die Botschaft Geschichte so weiterzuverbreiten, dass “Yam” darin nicht einmal auftaucht — dafür aber “Bild”.
Und warum hat “Bild” (die doch angeblich schreibt, was alle schreiben — “bloß früher”) so lange gewartet, bis sie eine Titelschlagzeile aus der “Yam”-Geschichte macht? Am Samstag steht jedenfalls wieder eine “DSDS”-Entscheidungsshow an, und möglicherweise lässt sich die “Bild”-Frage, ob Enns “morgen (20.15 Uhr) in die nächste Runde” kommt, nach dieser großen “Bild”-Titelgeschichte ja etwas leichter in seinem Sinne beantworten.
Mit Dank an Andrea R. für den sachdienlichen Hinweis.
Gut möglich, dass PeterMichalski, Großbritannien-Korrespondent der “Bild”-Zeitung, seine Informationen über ein Mädchen namens Jessica (siehe Ausriss) aus der britischen Zeitung “Sunday Sport” hat. Informationen wie diese hier:
Täglich futtert sie sich mehr als 10 000 Kalorien an. Jessica G. aus Chicago (USA) ist gerade mal sieben Jahre alt. Mit 222 Kilo ist sie das dickste Kind der Welt! (…) Jeden Tag verdrückt sie mindestens 15 “Happy Meals” von McDonald’s. (…) Jetzt schlagen Ärzte Alarm: “Wenn sie so weitermacht, droht sie zu explodieren. Dann ist sie noch vor ihrem 8. Geburtstag tot.”
Die einzige Quelle, die in der “Bild”-Geschichte auftaucht, ist “Sunday Sport”. Die Zeitung habe, so schreibt Michalski, “jetzt schockierende Fotos von Jessica veröffentlicht”.
Aber der Reihe nach: Jessica machte in den USA bereits vor einiger Zeit Schlagzeilen, als sie im Alter von vier Jahren in der “Maury Show” auftrat. Damals wog sie 200 Pfund (rund 91 Kilo). Einige Jahre später, als sie sieben war, wog sie dann laut “Maury Show” 400 Pfund. Und mal abgesehen davon, dass 400 Pfund eigentlich nur rund 182 Kilo sind, Jessica nicht, wie Michalski schreibt, aus Chicago kommt, sondern aus einem Ort in der Nähe von Knoxville, Tennessee, ist “Bild” mit der gesamten Geschichte ungefähr zwei Jahre zu spät dran.
Inzwischen ist das “Mädchen (7)” nämlich bereits neun Jahre alt, lebt noch und hat etwa 250 bis 300 Pfund abgenommen. Das wird zwar aus dem auf Bild.de veröffentlichten Video, das ursprünglich aus der Sendung “The Insider” des Senders ABC stammt, nicht so richtig deutlich, dafür aber aus einer “Maury Show” vom Anfang des Jahres. Und aus einem Text zu der bei Bild.de verlinkten “Insider”-Sendung. Dort heißt es:
Doch glücklicherweise haben für das fröhliche kleine Mädchen dramatische Veränderungen begonnen. (…) Kurz nach ihrem Krankenhausaufenthalt machte sie erste Fortschritte im Kampf gegen ihr Übergewicht, als sie in ein Kinderkrankenhaus in Virginia kam. Dort nahm sie erfolgreich fast 300 Pfund ab!
Auf derselben Internetseite hätte Michalski oder sonst jemand bei “Bild” auch ein Standbild finden können, das aus dem “Insider”-Video stammt, aus dem auch zwei der in “Bild” abgedruckten Standbilder stammen. Darunter steht:
So sah Jessica vor ein paar Jahren aus, als sie 400 Pfund wog.
Und darüber gibt es sogar ein Foto, das zeigt, wie Jessica jetzt aussieht (siehe Ausriss).
Wie gesagt: Gut möglich, dass Peter Michalski seine Informationen allesamt aus der “Sunday Sport” hat — einer Zeitung, die schon mit Schlagzeilen wie “Hitler war eine Frau” oder “Aliens haben unseren Sohn in ein Fischstäbchen verwandelt” von sich redengemacht hat.
P.S.: RTL hat übrigens heute in der Sendung “Punkt 12” die “Bild”-Geschichte offenbar zum Anlass für einen eigenen fragwürdigen Beitrag genommen. Der Bericht über “das dickste Kind der Welt” enthält nicht nur die gleichen Informationen wie der heutige “Bild”-Artikel (“222 Kilo”, “5 Liter Cola, 15 Burger mit Pommes, mehrere Kilo Schokolade.”, “Wenn sich nicht sofort konsequent etwas ändert, wird Jessica ihren nächsten Geburtstag nicht erleben, sagen die Ärzte”). RTL tut auch so, als seien die zwei Jahre alten Aufnahmen von “The Insider” aktuell und mischt sie, ohne das immer kenntlich zu machen, mit vier Jahre alten Aufnahmen von einem eigenen früheren Besuch bei Jessica. Da war das Mädchen also fünf. Bei RTL war sie heute, vier Jahre später, trotzdem, genau wie in “Bild”, erst sieben.
Man mag darüber streiten, ob die Frage “Welche großen Persönlichkeiten stammen aus Ostpreußen?” wirklich zu den “wichtigsten Fragen zum ARD-Drama ‘Die Flucht'” gehört. Aber sei’s drum. “Bild” meint das jedenfalls (siehe Ausriss) und nennt insgesamt acht Namen: Immanuel Kant, Heinrich von Kleist, Carl Friedrich Goerdeler, Rudi Schuricke, Hannah Arendt, Lovis Corinth, Joseph Freiherr von Eichendorff, und Udo Lattek.
Von diesen acht Persönlichkeiten müssen wir leider fünf abziehen, weil sie gar nicht aus Ostpreußen stammen: Heinrich von Kleist zum Beispiel wurde in Frankfurt (Oder) geboren und hielt sich bloß vom Mai 1805 bis zum Januar 1807 in Königsberg auf. Carl Friedrich Goerdeler wiederum war zwar zeitweise 2. Bürgermeister von Königsberg, wurde jedoch in der Provinz Posen geboren. Rudi Schuricke wuchs in Ostpreußen auf, wurde jedoch in der Stadt Brandenburg geboren. Hannah Arendt verbrachte zwar ihre Kindheit und Jugend in Königsberg, wurde aber in Linden bei Hannover geboren. Und Joseph von Eichendorff war von 1824-1831 Oberpräsidialrat in der vereinigten Ost- und Westpreußischen Regierung, wurde aber in Oberschlesien geboren.
Erstaunlicher Weise nennt “Bild” nicht Dieter Bohlen als große Persönlichkeit, die aus Ostpreußen stammt. Der Musiker und Produzent lebte zwar selbst nie in Ostpreußen, immerhin stammen aber seine Großeltern aus Königsberg.
Wir wollen heute noch einmal an Kai Diekmanns Geschwätz von Gesterneinen Brief erinnern, den Kai Diekmann Ende 2004 anlässlich der Neubesetzung mehrerer Stellen in der Chefredaktion an seine Mitarbeiter schrieb. Darin hieß es u.a.:
Übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, haben in BILD nichts zu suchen.
Gut, wir hatten nie ernsthaft das Gefühl, dass Diekmanns Brief nachhaltigen Eindruck auf die “Bild”-Mitarbeiter machen sollte gemacht hätte. Aber wir finden doch, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, eine neue Offensive gegen “übergeigte Überschriften” zu starten — allerdings nicht, weil wieder diverse Positionen in den Chefredaktionen von “Bild” und “BamS” neu besetzt werden. Sondern weil sich die übergeigtenÜberschriften derzeit häufen:
So steht es in der “Bild” vom Mittwoch, und es ist falsch. Tatsächlich sah die Sechsjährige ihren Vater nicht sterben und schon gar nicht im Wrack. Er starb eine Stunde nach dem Unfall am Unfallort, als das Mädchen längst weggebracht worden war. Das kann man auch dem “Bild”-Artikel entnehmen. Nicht in “Bild” steht hingegen, was heute HL-live.de berichtet. Dort sagt eine Anwohnerin, die die Tochter des Unfallopfers in ihrer Wohnung aufnahm:
“Sie hat ihren Vater nicht mehr gesehen.”
Mit Dank an tomekk und Ferranno für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 2.3.2007: Auch HL-live.de hatte zunächst berichtet, das Unfallopfer sei “vor den Augen seiner sechsjährigen Tochter” gestorben. Dass jedoch auch “Bild” wie HL-live.de den Fehler anschließend richtiggestellt hätte, ist uns nicht bekannt.
Nachdem “Bild” gestern “im Namen der Kinder” zehn Forderungen “für eine bessere Familienpolitik” aufgestellt hatte, findet sich heute diese Überschrift auf der Seite zwei:
Jetzt gibt es prominente Unterstützung aus der Politik!
Diese “Unterstützung” besteht aus den Ex-Familienministerinnen Renate Schmidt und Christine Bergmann sowie dem NRW-Familienminister Armin Laschet. Schmidt und Bergmann fänden “familienfreundliche Arbeitszeiten nötig”, heißt es, und Schmidt plädiere auch “für das von BILD vorgeschlagene Familienwahlrecht” (“Ich bin für ein Wahlrecht von Geburt an”). Außerdem unterstütze Laschet “ausdrücklich die BILD-Forderung nach einem Familiensplitting”. Und all das ist gar nicht mal falsch. Aber komplett irreführend.
Denn Schmidt, Bergmann und Laschet unterstützten die “Bild”-Forderungen schon lange bevor “Bild” sie gestern aufstellte und völlig unabhängig von “Bild”. So steht das Familiensplitting, das der CDU-Politiker Laschet “ausdrücklich” unterstützt beispielsweise schon seit 1994 im CDU-Grundsatzprogramm [pdf]. Christine Bergmanns Forderungen nach familienfreundlichen Arbeitszeiten stammennochaus ihrer Amtszeit als Familienministerin (1998-2002). Und Renate Schmidt kündigte beispielsweise im November 2002 an, sich für familienfreundliche Arbeitszeiten einzusetzen. Im Jahr 2003 brachte sie außerdem, zusammen mit 46 weiteren Abgeordneten, einen Antrag auf “Wahlrecht von Geburt an” in den Bundestag ein (der allerdings abgelehnt wurde). Seit Januar dieses Jahres bereitet sie einen neuen Antragauf Kinderwahlrecht vor.
Insofern hätte die gestrige “Bild”-Überschrift also nicht nur so aussehen können:
Der Axel Springer Verlag hat heute eine ganze Reihe von Veränderungen in den Chefredaktionen von “Bild” und “BamS” bekannt gegeben. Unter anderem wird Kai Winckler, der seit 2001 Chefredakteur von “Das Neue Blatt” ist, tatsächlich die Nachfolge von Martin Heidemanns als Leiter des Unterhaltungsressorts antreten.