Es muss wohl eine Art Reflex sein, der Bild.de-Mitarbeiter dazu veranlasst, völlig Fakten-unabhängig in Überschriften bestimmte Schlüsselbegriffe einzubauen. Der Teaser, der derzeit auf der “Tipps & Trends”-Seite von Bild.de steht (siehe Ausriss), ist ein schönes Beispiel dafür. Das “neue” Urteil, von dem dort die Rede ist (“Az.: 10 Sa 117/04“), ist nämlich keineswegs neu. Jedenfalls nicht nach landläufigen Maßstäben. Es stammt aus dem Jahr 2004. Aber immerhin: Der Agentur-Bericht dazu, deristoffenbarneu.
Mit Dank an Daniel P. für den sachdienlichen Hinweis.
Bei Bild.de ist man fast ein Jahr nach der Fußball-WM (Deutschland wurde Dritter) offenbar immer noch “schwarz–rot–geil“:
Mit dem Weltmeister der Herzen vielleicht. Fußballweltmeister ist Philipp Lahm, der im Februar 2004 zum ersten mal für die Nationelf spielte, jedenfalls nicht.
Mit Dank an Johannes B. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 14.53 Uhr: Bei Bild.de hat man sich offenbar entschieden, den Fehler auf recht drastische Weise zu korrigieren: Der Artikel ist verschwunden.
Eine “Bild”-Autorin begleitet derzeit offenbar den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust auf seiner Asien-Reise. Politisch scheint die Reise nicht besonders interessant für sie zu sein. Dafür meint sie aber, “das gefährlichste Kaugummi meines Lebens” gekaut zu haben. Unter der Überschrift “Ole von Beust in Singapur — Hier ist Kaugummi verboten” (siehe Ausriss) schreibt sie:
In Singapur ist sogar Kaugummikauen verboten! Ich habe es trotzdem getan. (…) Macht fast Spaß — ist ja auch irgendwie spannend. Eigentlich darf man Kaugummi überhaupt gar nicht mit ins Land bringen. (…) Am allerschlimmsten aber ist es, das Kaugummi einfach auf die Straße zu spucken. Drakonische Strafen drohen: Geldbußen können einen ruinieren, es gibt noch die Prügelstrafe und der Weg ins Gefängnis soll auch kürzer sein als anderswo. (…) Vorsichtig spucke ich mein Kaugummi in ein Taschentuch und lasse es im Müll verschwinden.
Die Autorin ist nicht auf dem neuesten Stand. Kaugummi ist in Singapur nicht mehr verboten. Zwar untersagte Singapur 1992 die Herstellung, den Import und den Verkauf von Kaugummis. Aber im Jahr 2004 wurde das Kaugummi-Verbot gelockert. Im Rahmen eines Freihandelsabkommens mit den USA und offenbar auf Druck von Wrigley’s. Seither kann man in Apotheken zuckerfreie und Nikotin-Kaugummis kaufen. Die Apotheker müssen dann zwar unter Strafandrohung Namen und Passnummer der Käufer notieren, aber die “Bild”-Autorin befand sich eher nicht in Gefahr.
Ob die Autorin des Bild.de-Textes über die “20 beliebtesten Touristen-Attraktionen der Welt” wohl den Trafalgar Square mit dem Piccadilly Circus verwechselt hat:
Es folgen weitere Hotspots der USA, auf Platz vier schließlich findet sich Londons Trafalgar Square (15 Millionen Besucher), den man mit seinen Werbetafeln fast für den kleineren Zwilling des Times Square halten könnte. (Hervorhebung von uns)
Mit Dank an Marco R. und Michael B. für den sachdienlichen Hinweis.
Gestern befand sich auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung ein großes Foto. Es zeigte einen “blutüberströmten” Bundeswehrsoldaten, der am vergangenen Samstag bei dem Selbstmordanschlag auf einem Marktplatz in Kundus offenbar verletzt wurde. “Bild” hatte den Mann nicht unkenntlich gemacht, so dass deutlich sein verstörter Gesichtsausdruck zu sehen war (wir berichteten).
Heute zeigt “Bild” noch einmal das gleiche Foto des Soldaten auf ihrer Seite 2. Wieder ist er nicht unkenntlich gemacht worden (siehe Ausriss). Als Anlass für die erneute Abbildung des Mannes dient “Bild” der Auftritt von Oskar Lafontaine bei “Sabine Christiansen”. Lafontaine habe der Bundeswehr vorgeworfen, “mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt” zu sein. Und “Bild” schreibt unter der Überschrift “Lafontaine soll sich bei Soldaten entschuldigen!”:
Hat er nicht einen Moment an die Opfer gedacht, an die trauernden Angehörigen?
Eine Frage, die man auch “Bild” stellen kann. Denn der Sprecher des Bundeswehr-Wiederaufbauteams im nordafghanischen Kundus, Oberstleutnant Günter Schellmann, zeigte sich “erschüttert über die Berichterstattung” in Teilen der Presse zum Anschlag in Afghanistan, wie es in einer Meldung derNachrichtenagentur dpa heißt:
“Ich glaube, da ist viel kaputt gemacht worden”, sagte er am Dienstag am Rande eines Besuchs von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Es sei sehr schwer gewesen, die Soldaten und auch die Führung zu beruhigen, als die “hässlichen Bilder” in Teilen der deutschen Presse kursierten und auch die Familien der unmittelbar Betroffenen des Anschlags erreicht hätten. “Das hat uns alle tief getroffen. Ich habe nicht geglaubt, dass so was in Deutschland möglich ist.” Nach dem Anschlag am Samstag waren drastische Bilder einer privaten afghanischen Fernsehstation auch von einigen deutschen Medien übernommen worden.
Laut der heutigen “Bild”-Zeitung haben “TV-Reporter” des afghanischen Senders Ariana Television vor dem Bomben-Anschlag in Kundus vom Samstag vorab einen Tipp bekommen. Bei dem Anschlag wurden drei Bundeswehrsoldaten getötet. “Bild” schreibt: “Terroristen bestellten Kameras zum Attentats-Ort” und zitiert den Nachrichtenchef von Ariana Television, Abdul Qadeer Merzai:
“Unser Korrespondent hat vorab einen anonymen Tipp bekommen, dass dort auf dem Basar etwas passiert.”
“Spiegel Online” ist der “Bild”-Geschichte nachgegangen und berichtet unter der Überschrift “TV-Sender dementiert Terror-Tipp der Taliban”:
Nachrichtenchef Merzai kann sich überhaupt nicht erklären, wie dieses Zitat von ihm in die Zeitung gelangte: “Das ist alles nicht richtig”, sagte er heute SPIEGEL ONLINE. Es habe keinen Tipp gegeben. (…) Er habe zwar am Sonntag mit einem deutschen Medium gesprochen, das um Informationen über den Anschlag gebeten habe, aber mit Sicherheit habe er dabei nichts von einem Tipp gesagt. (…) Auch der lokale Korrespondent des Senders in Kunduz sagte SPIEGEL ONLINE, er habe keinen Hinweis erhalten. Er sei lediglich, als er die Explosion gehört habe, zum Tatort geeilt. (…) Ein Sprecher der Bundeswehr in Kunduz sagte, man wisse ebenfalls nichts über einen angeblichen Tipp, das über Gerüchte aus der Presse hinausgehe.
Außerdem heißt es bei “Spiegel Online”:
Ein Mitverfasser der “Bild”-Geschichte, mit dem SPIEGEL ONLINE heute sprach, wollte sich nicht zu Merzais Widerspruch äußern.
P.S.:“Bild” illustriert ihre Geschichte übrigens mit dem großen Foto eines Soldaten, der “blutüberströmt” offenbar zwischen “umgestürzten Blechfässern, Eimern, Lampen und Töpfen” liegt und von “Bild” nicht unkenntlich gemacht wurde. Und es stellt sich die Frage, wie groß das öffentliche Informationsinteresse am Gesichtsausdruck des Opfers kurz nach dem Anschlag ist.
“Wow! So sexy und weiblich haben wir sie noch nie gesehen…”, findet “Bild” heute auf der Seite 1 angesichts der Fotos von Boxerin Regina Halmich, die in der neuen Ausgabe der Illustrierten “Max” zu sehen sind. Ähm, und haben wir nicht kürzlich etwas Ähnliches über Giulia Siegel gelesen? Anlässlich der Tatsache, dass diese “unversiegelt” in der Illustrierten “Maxim” war?
Heute erfahren wir also, dass die “Bild”-Redaktion die Fotos, die jetzt in “Max” sind, offenbar sexier und weiblicher findet, als die “erotischen Bilder” von Halmich, die 2001 in “Maxim” erschienen. (“Bild” damals auf der Titelseite: “Wow! Ein echtes Box(en)-Luder!”) Und offenbar findet die “Bild”-Redaktion die “Max”-Bilder auch sexier und weiblicher als die Nackt-Fotos von Halmich, die 2003 im “Playboy” erschienen. (“Bild” damals auf der Titelseite: “Box-Weltmeisterin Regina Halmich (26) — hingegossen aufs Sofa, wunderschön, zart, Zigarre in der starken Linken.”) Naja, muss ja jeder selber wissen…
Mit Dank an Bernd O. und Andreas G. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 19.55 Uhr(mit Dank an Torsten D. für die Ergänzung): Als das deutsche “Penthouse” 1998 “heiße Bilder” von Halmich zeigte, urteilte “Bild” mithin: “Im Penthouse-Magazin posierte sie sehr sexy.”
Sicher, die Geschichte darüber, wie Spinnen beim Netzbau von Drogen beeinflusst werden, die heute fast die komplette obere Hälfte der letzten “Bild”-Seite einnimmt, ist ganz drollig. Sie lässt sich auch nett bebildern (siehe Ausriss). Und immerhin schreibt “Bild” bloß: “US-Forscher gaben Spinnen Drogen” und nicht: “Jetzt gaben US-Forscher Spinnen Drogen” oder “BILD enthüllt: Das Drogen-Netz der Kiffer-Spinnen!”. Und würde “Bild” irgendwo im Text auch noch schreiben, dass sie da über ein NASA-Experiment berichtet, das über zwölfJahrealt ist, hätten wir das womöglich gar nicht weiter erwähnenswert gefunden.
Obwohl: Es hätte schon etwas seltsam ausgesehen — insbesondere in einer Tageszeitung, die damit wirbt, so aktuell zu sein, dass ihre Nachrichten eigentlich “Vorrichten” heißen müssten.
Mit Dank an Simon, Manuel D. und Jonas P. für den Hinweis.
Das stand vergangenen Sonntag in der “Bild am Sonntag”. Ein 25-jähriges Mädchen, die “BamS” nennt es “Conny M.”, sei vor einiger Zeit beinahe von dem Mann vergewaltigt worden, der vor einer Woche wegen des Mordes an der 13-jährigen Mirjam aus dem südbadischen Ort Auggen verhaftetwurde. In der “BamS” heißt es:
Die Junge Frau ist noch immer fassungslos. “Als ich die Zeitung aufschlug und sein Foto sah, habe ich ihn sofort wiedererkannt”, sagt Conny M.* (25). “Dieser Kerl hat versucht mich zu vergewaltigen.” Der Kerl ist, da ist sich Conny M. sicher, Christian S. (31), der mutmaßliche Mörder von Mirjam († 13). (…) “Es war vor anderthalb Jahren”, erzählt die junge Verkäuferin.
Gestern gab die Polizei Freiburg, die “aufgrund des Artikels” Kontakt zu Conny M. aufnahm, eine Pressemitteilung zu diesem “BamS”-Artikel heraus. Darin stellt sie nicht nur klar, dass sich das Ganze vor zweieinhalb Jahren zugetragen hatte. Die Überschrift lautet:
Opferaussagen nicht richtig wiedergegeben — Vermutlich kein Zusammenhang mit Kindermord Auggen
Inzwischen hat die Polizei sich ausführlicher mit Conny M. unterhalten, und das “vermutlich” aus der Pressemitteilung kann man streichen. Ein Sprecher sagte uns:
Es gibt keinen Zusammenhang zum Kindermord in Auggen.
Außerdem erklärte uns die Polizei, was genau in der “BamS” nicht richtig wiedergegeben worden sei: So habe das Mädchen zu Protokoll gegeben, dass sie gegenüber der “BamS” nicht gesagt habe, sie sei Mirjams Killer entkommen. Auch habe sie nicht gesagt, dass “dieser Kerl” versucht habe, sie zu vergewaltigen. Und “sofort wiedererkannt” habe sie Christian S. auch nicht. Vielmehr sei ihr von einem “BamS”-Mitarbeiter ein Zeitungsfoto des Mannes vorgelegt worden*, und sie sei gefragt worden, ob er ihr bekannt vorkomme. Das habe sie bejaht.
Die Polizei findet die Aussage von Conny M. glaubwürdig.
Der Text in der “BamS” stammt übrigens von Alexander Blum. Blum waren vor einem Jahr im Zusammenhang mit der “Bild”-Berichterstattung über den Bombenanschlag im ägyptischen Dahab unseriöse Recherchepraktiken vorgeworfen worden (wir berichteten).
*) Nach unseren Informationen war die “BamS” offenbar auf Conny M. aufmerksam geworden, weil ein Reporter, der sich als “BamS”-Mitarbeiter ausgab, bei Nachbarn des mutmaßlichen Mörders von Mirjam nach einem Foto von ihm gefragt und sich nach ähnlich erscheinenden Fällen aus der Vergangenheit erkundigt hatte.
In der heutigen “Bild”-Zeitung findet sich auf Seite 2 diese Meldung:
“Hä?”, werden jetzt wohl all diejenigen denken, die den Streit um das Passgesetz ein kleines bisschen verfolgt haben. “Bild”-Redakteure und -Leser hingegen werden sich erst wundern, wenn sie nach dem 31. Oktober einen neuen Reisepass beantragen — und dazu aufgefordert werden, Fingerabdrücke abzugeben.
Denn dass auf dem neuen biometrischen Reisepass, der ab dem 1. November ausgegeben wird, auch Fingerabdrücke gespeichert werden, steht schonlängst fest. Das Kabinett hat im Dezember letzten Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Streit gab es noch darüber, ob die Fingerabdrücke auch den Sicherheitsbehörden zugänglich sein sollen. Gesterneinigtensich Unionund SPD, dass sie, außer im Pass, nirgendwo gespeichert werden. Und das Kompromissangebot, das die SPD abgelehnt hat, bezog sich auf eine freiwillige Speicherung der Fingerabdrücke.
Mit Dank an Peter T. für den sachdienlichen Hinweis.