Heute vor einem Jahr erschien der erste BILDblog-Eintrag. Wir haben Geburtstag!
Das wollen wir feiern. Freundliche Menschen bei CityCard wollen uns die Möglichkeit geben, Gratispostkarten drucken und verteilen zu lassen. Zum Geburtstag wünschen wir uns von Ihnen und Euch das passende Motiv dafür: ausgefeilte oder hingekrakelte, ernsthafte oder alberne, hitzige oder coole, Gelbe oder Rote Karten, die für uns werben (und eigentlich gar nichts mit unserem Geburtstag zu tun haben sollen, sondern mit BILDblog an sich).
Macht Reklame für BILDblog! Die besten Entwürfe zeigen wir hier. Und unser Lieblingsmotiv wird dann eine CityCard im Format 105 x 148 mm. Einsendungen bitte bis 19. Juni an [email protected]. Wir freuen uns drauf!
Jetzt sind die Wahllokale geschlossen. Mist. Ja, wir haben’s auch verpasst. Aber heute hat Deutschland anscheinend über die neue Verfassung der EU abgestimmt. Sogar über “Europa” insgesamt. Stand in der “Bild”-Zeitung. Auf Seite 1. Und zwar so:
JETZT HAT ENDLICH DAS VOLK DAS WORT!
Nach dem “Non” der Franzosen und dem “Nee” der Holländer dürfen jetzt die Deutschen über Europa abstimmen.
Bild.de nennt das Ganze in seiner Adresszeile sogar einen “Volksentscheid”. Und wenn Sie jetzt ganz traurig sind, dass Sie das verpasst und Ihre Stimme nicht abgegeben haben, versuchen wir Sie ein bisschen aufzumuntern.
1. “Deutschland” hat längst abgestimmt. Am 12. Mai 2005 hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit dem Verfassungsentwurf zugestimmt, am 27. Mai 2005 der Bundesrat.
2. “Das Volk” hat immer das Wort. Jeden Tag. Wenn Sie etwas sagen wollen, “dürfen” Sie es einfach tun. Sie müssen nicht darauf warten, dass “Bild” es Ihnen “endlich” erlaubt und dafür zwei kostenpflichtige Hotlines schaltet. Sagen Sie einfach, was Sie wollen. Und wenn Ihnen das zu formlos erscheint, notieren Sie es sich doch auf einen Zettel. Den können Sie sich selber machen. Oder Sie nehmen unseren kleinen Vordruck hier links. Den können Sie ausdrucken, ausschneiden und dann damit machen, was Sie wollen. Das Tolle ist: Die Wirkung ist exakt die Gleiche, als wenn Sie bei “Bild” angerufen hätten. Nur bei Wahlen und richtigen Volksentscheiden müssen Sie aufpassen, da dürfen Sie nicht einfach Ihre Zettel selbst malen oder an selbstgemalten ausgerufenen “Bild”-Abstimmungen teilnehmen. Aber keine Sorge: Da kriegen Sie vorher Post.
3. Und wenn morgen riesengroß in der “Bild”-Zeitung stehen sollte, dass “Deutschland” nahezu einstimmig gegen die EU-Verfassung oder gar “gegen Europa” gestimmt habe, dann denken Sie einfach daran: Da haben Leute angerufen, die glauben, dass in Deutschland “Volksabstimmungen” in der “Bild”-Zeitung stattfinden.
Fragen wird man ja wohl noch dürfen, sagt man bei “Bild”. Stimmt. Und eine gute Zeitung erkennt man auch daran, dass sie die richtigen Fragen stellt.
Als immer deutlicher wurde, dass die Sat.1-Telenovela “Verliebt in Berlin” mit Alexandra Neldel ein Riesenerfolg ist, hätte eine gute Frage gelautet: “Verlängert Alexandra Neldel bei ‘Verliebt in Berlin’?”
Weil “Bild” aber gerade damit beschäftigt war, einen Kleinkrieg mit Frau Neldel zu führen, stellte sie vor drei Wochen stattdessen diese Frage:
Seit heute lautet die Antwort darauf nicht mehr nur: Was für eine blöde Frage?, sondern auch: Nein, im Gegenteil.
Heute testen wir einmal Ihre Medienkompetenz. Wenn Sie in “Bild” ein Foto von einem Zug sehen, und unter diesem Zug steht die Überschrift “Dieser Intercity hat sich verfahren”, wovon gehen Sie aus?
(a) Der abgebildete Zug hat sich verfahren. (b) Ein Zug, der so aussieht wie der abgebildete Zug, hat sich verfahren. (c) Ein Zug, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem abgebildeten Zug hat, hat sich verfahren. (d) Weder dieser Intercity, noch sonst irgendein Zug hat sich verfahren.
Vor der Auflösung die Geschichte.
“Bild” berichtete am Dienstag, dass ein InterCity, der nach Hamburg fahren sollte, stattdessen in Köln auf die Strecke in Richtung Frankfurt geleitet wurde:
Erst nach 18 Minuten bemerkte der Lokführer (37) den Fehler. Der “InterCity” wurde bei Köln-Kalk (NRW) gestoppt. Die Lok mußte über ein Nebengleis an das Zugende rangiert werden. Dann ging es endlich Richtung Hamburg.
Das Rangiermanöver mit der Lok in Köln-Kalk wurde von der Bahn bestätigt — womit klar ist, dass der InterCity nicht ausgesehen haben kann wie der Zug auf dem Foto in “Bild”. Darauf ist nämlich ein Zug mit Steuerwagen abgebildet. Bei diesen Modellen wird die Lok nicht mehr von einem Ende des Zuges zum anderen umgesetzt; der Lokführer wechselt einfach den Führerstand.
Die richtige Antwort lautete also (c): Der abgebildete Zug hat sich nicht verfahren; es handelt sich nicht einmal um das gleiche Modell.
Nachtrag, 14.00 Uhr: Ja, das dachten wir, aber so einfach ist es nicht. Dieses ganze Steuerwagen-Lok-Geschäft bei der Bahn ist ein kompliziertes, und möglicherweise hat “Bild” zufällig ein Foto von einem Zug herausgesucht, der dem betroffenen ähnlich sieht. Aufgenommen wurde es allerdings weder in Köln-Kalk (NRW), noch in Hamburg, sondern, wie Kenner an den Stromschienen erkennen, am Bahnhof Zoo in Berlin.
Auch die “Bild”-Behauptung, man habe das Versehen erst nach 18 Minuten bemerkt, scheint übrigens falsch zu sein. Die Bahn sagt, es habe sich nur um drei Minuten gehandelt. Der Zug sei dann absichtlich von Köln-Deutz noch bis Köln-Kalk zum Rangieren weitergefahren. Das ist nicht nur, wie “Bild” in der Klammer schreibt, immer noch in “NRW”, sondern sogar der nächste Bahnhof. Um dahin überhaupt 18 Minuten zu brauchen, müsste man schon sehr, sehr langsam fahren.
Die “Bild”-Zeitung behauptet, dass Angela Merkel “binnen einer Woche” (also mutmaßlich seit der gewonnenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen) “eine auffällige Metamorphose durchgemacht” habe und aus ihrem “müden Blick” ein “strahlendes Lächeln” geworden sei — und beweist dies mit einem Vorher-Foto, das laut “Bild” vor über einem Jahr entstand, und einem Nachher-Foto, das laut “Bild” vor einer Woche entstand, unmittelbar nach der NRW-Wahl.
Nachtrag, 12.50 Uhr. In einem Interview mit tagesschau.de sagt die Merkel-Biographin Evelyn Roll:
Es müsste eigentlich allen auffallen, dass sich das Bild von Angela Merkel ständig verändert. Es gibt immer beides: Sie macht, wenn sie sich konzentriert oder nicht zeigen will, was in ihr vorgeht, immer das doofe Gesicht. Aber sie macht immer auch — und so ist sie auch im persönlichen Umgang — dieses heitere, gelassene Gesicht. Ich denke, man kann immer an den Fotos, die von Angela Merkel in den Medien sind, erkennen, wie ihre ungefähren Popularitätswerte sind. Im Moment sehr hoch, dann suchen die Redakteure eher diese strahlenden, verschmitzten Bilder von ihr aus. Und wenn Hängepartie ist, dann Hängegesicht.
Am Mittwochabend stürzte bei einem Auftritt von Schlagersängerin Nicole in Lüdenscheid eine Beleuchtungskonstruktion ins Publikum. Und, um es positiv zu formulieren: Das Foto, das “Bild” dazu am Freitag abdruckt, zeigt tatsächlich Nicole und nicht Plumpaquatsch, und das grenzt angesichts dessen, was “Bild” im übrigen über den Unfall schreibt, an ein Wunder.
Um zu illustrieren, was passierte, zeigt das Blatt dieses Foto:
Darunter steht:
Dieser Beleuchtungsträger stürzte ins Publikum, verletzte acht Menschen.
“Dieser Beleuchtungsträger” hat mit dem ganzen Unfall nichts zu tun. Umgekippt ist eine Traverse, die auf zwei Stativen befestigt war, die links und rechts vor der Bühne standen (genauer nachzulesen hier). Die Scheinwerfer hingen also oben quer über der Bühne. Die betroffene Konstruktion ist der, die “Bild” zeigt, nicht einmal ähnlich.
Zu dem Unglück kam es, weil Unbekannte an den beiden Stativen jeweils zwei von vier Fußstützen abmontiert hatten, und zwar die, die in den Zuschauerraum hineinragten. Möglicherweise geschah das in böser Absicht. Die naheliegendste Erklärung aber ist, dass jemand sie einfach für Stolperfallen hielt. Diese Möglichkeit fehlt in “Bild” komplett.
“Bild” beschreibt den Vorfall außerdem so, als sei das Gerüst mit großer Geschwindigkeit in die Zuschauer gestürzt (“kracht auf einen Tisch”). Dabei senkte sich die Konstruktion, weil sie teilweise noch gehalten wurde, langsam nach unten, wie in Zeitlupe, und verletzte mehrere Menschen. Die “Westfälische Rundschau” beschreibt es so: “Zudem reckten mehrere Zuschauer ihre Arme hoch und versuchten, die Verstrebungen abzubremsen.” Auch in der “Bild”-Zeitung kommt die Zeitlupe vor, aber nur in einem Zitat von Nicole, das klingt, als habe die Dramatik ihre Wahrnehmung verzerrt:
“Alles passierte wie in Zeitlupe. Überall waren Schreie und Blut.”
In einem weiteren Artikel am Samstag stimmen zwar ein paar mehr Fakten über den Unfallhergang. Dafür geht aber die Fantasie vollends mit “Bild” durch.
Wollte ein Irrer Nicole töten?
lautet nun die Überschrift. Und im Text (online unter der bezeichnenden Adresse “…/nicole__anschlag.html”) heißt es:
Jetzt kommt ein furchtbarer Verdacht auf: Trachtet etwa ein Irrer Nicole nach dem Leben?
“Bild” kann im Text niemanden aufbieten, der diesen “furchtbaren Verdacht” äußert. Kein Wunder: Dieser “Irre” müsste schon ganz besonders irre sein. So irre, dass er, um jemanden umzubringen, der auf einer Bühne steht, die Gerüstkonstruktion so sabotiert, dass sie gar nicht auf die Bühne fallen kann.
Im Juli vergangenen Jahres veröffentlichten Forscher von der Wake Forest Universität eine Studie über den Effekt von ultravioletter Strahlung. 14 Testpersonen ließen sich auf zwei Sonnenbänken bräunen. Eine enthielt ultraviolette Strahlung ähnlich dem Sonnenlicht, die andere nicht. Das Ergebnis: Nach dem Sonnenbad mit UV-Licht waren die Probanden entspannter als nach dem ohne UV-Licht. Die Forscher sahen in diesem Entspannungs- und Wohlfühleffekt eine Erklärung dafür, warum Menschen trotz der bekannten Gesundheitsgefahren immer wieder das Sonnenbad suchen. Sie vermuteten, dass das UV-Licht Glückshormone, Endorphine, im Körper freisetzt.
Spannende Studie? Nicht spannend genug für “Bild”. Dort lautet die Überschrift und die Kernaussage:
Sonne macht geil!
Neben eine entsprechende Illustration schreibt “Bild”:
Bianca (24) reißt sich das Röckchen vom Leib – und kann doch nichts dafür. Die Sonne ist stärker als sie: Das Licht macht uns alle geil, US-Forscher haben es jetzt bewiesen.
(Das Wort “jetzt” ist hier in seiner üblichen “Bild”-Bedeutung als Ausdruck für einen unbestimmten Zeitpunkt in der ferneren Vergangenheit zu verstehen.)
Am Ende der Studie meinten 95 Prozent: Das UV-Licht ist einfach besser. Sie fühlten sich glücklicher, entspannter — und hatten Lust auf Flirts und Sex. Sonnenlicht setzt im Gehirn das Glückshormon Endorphin frei, kurbelt dazu die Produktion von Sexualhormonen an. Wir fühlen uns tatsächlich geiler!
Hallo? Wo kommt plötzlich der ganze Sex her? Nicht aus der Studie jedenfalls. Endorphine werden zwar generell mit der Produktion von Sexualhormonen in Verbindung gebracht. Aber der Zusammenhang zwischen UV-Licht und Endorphinen war bei der Studie nur eine Theorie, nicht Teil der Untersuchung. Die offizielle Pressemitteilung zitiert den Forschungsleiter Steven Feldman so:
Weil wir die Endorphine nicht gemessen haben, wissen wir nicht sicher, dass diese Substanzen für das Phänomen verantwortlich sind.
Sagen wir es direkt: Die Wahrheit war “Bild” einfach nicht geil genug.
Danke an Stefan R. für den sachdienlichen Hinweis!
Ja, das sah natürlich ein bisschen komisch aus. Da schreiben wir am Mittwoch, dass die “Bild”-Zeitung eigentlich jede Gelegenheit nutzt, blind (und mit falschen Argumenten) auf ARD und ZDF einzuprügeln, und wer ist am Donnerstag “Gewinner des Tages” in “Bild”? ARD-Moderator Jörg Pilawa. Einfach so, weil er erfolgreiche Sendungen macht.
Mensch, dachten wir, vielleicht ist “Bild” gar nicht so. Vielleicht teilen die die Welt gar nicht so streng in Freund und Feind, wie wir glauben. Vielleicht denken die doch nicht nur in Kampagnen. Vielleicht kann da sogar ein ARD-Moderator einfach mal gelobt werden, weil man ihn gut findet. Obwohl er bei der bösen ARD ist. Ohne irgendeinen blöden Hintergedanken.
Dachten wir. Bis wir gesehen haben, wer für das neue “Volks-Bausparen” von Bild.de wirbt.
Als SPD-Chef Franz Müntefering um 18.28 Uhr Bundestags-Neuwahlen ankündigte, übertrug nur der Privat-Sender RTL dieses Ereignis live. Die gebührenfinanzierten ARD und ZDF verschnarchten die politische Sensation, brachten erst später Zusammenfassungen.
BILD meint: Mit den Öffentlich-rechtlichen pennen Sie in der ersten Reihe!
Nein, so war es nicht. Das mit dem Verschnarchen stimmt zwar, passierte aber auch RTL. Müntefering begann seine Rede — wie “Süddeutsche Zeitung” und “Berliner Zeitung” berichten — nämlich schon um 18.20 Uhr, und die entscheidenden Worte sagte er um 18.24 Uhr. Live zu sehen waren sie weder bei ARD und ZDF noch bei RTL. Erst um 18.28 Uhr schaltete der Sender zu seinem Berliner Korrespondenten, der dann erklärte, was gerade passiert war.
Und diese Minutenzählerei könnte einem natürlich völlig egal sein, wenn hinter dem Fehler von “Bild” nicht System stünde: Wenn es darum geht, auf die Öffentlich-Rechtlichen zu schimpfen, nimmt “Bild” es einfach mit der Wahrheit nicht so genau (vgl. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier).
Anlässlich der deutschen Pleite beim Eurovision Song Contest veröffentlichte die “Bild”-Zeitung am Montag — wie berichtet — einen Artikel, der über viele, viele Zeilen Klischees über Ausländer verbreitete. Er lief darauf hinaus, dass die Deutschen im Grunde für alle in Europa zahlen, und sich die Polen, Rumänen, Spanier, Türken, die von uns leben, nicht einmal mit Dankbarkeit und Punkten beim Grand-Prix revanchieren.
Der Autor Hauke Brost fühlt sich missverstanden. Er hält sein Stück für offensichtliche “Satire”. Im Gästebuch auf seiner Homepage schreibt er:
Leute, es war ein satirischer Beitrag, wie er oft in BILD stattfindet, und ich stehe voll dazu. Aber man muß BILD natürlich lesen, um solche Feinheiten mitzukriegen.
Heute veröffentlicht die “Bild”-Zeitung vier Leserbriefe zu Brosts Text. Einer davon lautet:
Noch nie hat mir ein Artikel in BILD so aus der Seele gesprochen. Kompliment an Hauke Brost für diese gnadenlos ehrlichen Zeilen.
Der zweite ist kürzer:
Dieser Artikel wird bei uns eingerahmt!
Der dritte geht wörtlich so:
Sie haben vielen Lesern die Augen geöffnet. Die Deutschen sind nicht ausländerfeindlich. Aber die 0 Points sind deutschfeindlich.
Tja, da haben offenbar nicht nur viele “Bild”-Leser die angeblichen “Feinheiten” übersehen, sondern auch die Leserbriefredaktion der “Bild”-Zeitung, sonst hätte sie nicht ausgerechnet Briefe zum Abdruck ausgewählt, die den Text nach Aussage des Autors komplett missverstanden haben.
P.S.: Der vierte Leserbrief, den “Bild” veröffentlicht, ist anders. Ein gewisser “Markus Maria Profitlich, Hamburg” schreibt: