Feine Sache: In der Georg-Weerth-Oberschule in Berlin-Friedrichshain werden die Schüler konsequent auf das Berufsleben vorbereitet. “Bild am Sonntag” schreibt:
Bereits in der 7. Klasse steht Berufsorientierung auf dem Stundenplan (…) Am eigenen Laptop (900 Euro) lernen die Schüler, mit dem Programm Windows umzugehen.
Mit dem “Programm Windows”, soso. An all diesen schmucken, schönen, weißen Laptops mit dem Apfel-Logo drauf:
Danke an Markus K., Janus G., Martin H. und Joachim G.!
Biosprit sei besonders umweltfreundlich, schreibt die “Bild am Sonntag” heute in ihrem Aufmacher, denn:
Leider verrät “Bild am Sonntag”-Autor Bernhard Kellner nicht, was er glaubt, wozu Biosprit stattdessen verbrennt (womöglich zu Katzen).
Natürlich verbrennt Biosprit zu Kohlendioxid. Der Unterschied zu herkömmlichen Treibstoffen ist, dass er dabei nur genausoviel Kohlendioxid erzeugt, wie etwa der Raps beim Wachsen aus der Atmosphäre entnommen hat. Mineralölstämmige Kraftstoffe erzeugen dagegen Kohlendioxid in einer Menge, die vor hunderttausend Jahren der Atmosphäre entnommen wurde und jetzt gewissermaßen zusätzlich der Atmosphäre zugefügt wird (mit den bekannten Folgen des Treibhauseffektes).
Morgen gibt es eine neue Folge der “Schwarzwaldklinik” mit Klausjürgen Wussow. Soviel darf als gesichert gelten — da ist sich “Bild” sogar mit “Bild” einig. Ungefähr alle weitergehenden Fakten rund um das Thema sind blattintern umstritten.
… nur in drei Szenen zu sehen … schwach und gebrechlich … spricht gerade mal vierzehn Sätze … Mühe, das Pensum durchzustehen … Diabetes … Konzentrationsstörungen … konnte sich seine Texte kaum merken … geistesabwesend … Probleme … nur ganz kurze Szenen … Text in leichter zu sprechende Sätze umgeschrieben …
All das wäre nicht so erstaunlich, hätten vor gut drei Monaten nicht Christian Schommers und Tina Gaedt ebenfalls in “Bild” über die exakt selben Dreharbeiten geschrieben: “Schwarzwaldklinik macht Wussow gesund”. Weitere Stichworte aus ihrem Artikel lauteten:
… Wunder vom Glottertal … wie ausgewechselt … nach vielen privaten und gesundheitlichen Problemen … überglücklich … fühle mich wohl … Kummer, Sorgen um die Gesundheit wie weggewischt … total fit … blüht hier förmlich auf … Arbeit tut ihm gut … sieht blendend aus … prima gehalten … endlich hat er nur noch im Drehbuch große Probleme …
Bestimmt ist es eine Gnade, wenn man als Zeitung nicht nur an Realitätsverlust, sondern auch an Gedächtnisverlust leidet.
PS: Interessanterweise ist Wussow laut “Bild” in den letzten drei Monaten um ein Jahr jünger geworden.
“Die erstaunlichste Wissenslücke” der Woche war nach Ansicht von “Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß, dass “Fußballfan und SPD-Chef Müntefering” nicht wusste, dass “nächsten August die Welt-Reiterspiele in Aachen stattfinden”.
Ja, gut. Unserer Meinung nach wird diese Wissenslücke locker von der von Nayhauß getoppt, dem irgendwie entgangen ist, dass der SPD-Chef nicht mehr Müntefering, sondern Platzeck heißt.
“Die Bibel ist Grundlage unserer Kultur, unserer Normen, unserer Sicht auf die Welt. Sie bietet Halt und Trost in einer Zeit, in der die Sorge um unsere Zukunft zum bestimmenden Thema wird.”
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einer Pressemitteilung von heute zum Verkaufsstart der “Goldbibel” von “Bild” und “Weltbild”. Gesellschafter der Verlagsgruppe Weltbild sind 14 katholische deutsche Diözesen und die Soldatenseelsorge Berlin.
Es gibt Dinge, die nehmen sie bei der Axel Springer AG ganz genau. Interviews zum Beispiel. Die müssen vor der Veröffentlichung vom jeweiligen Gesprächspartner autorisiert werden, und zwar ausnahmslos, “auch im Falle besonderen Termindrucks”, wie es in den “journalistischen Leitlinien” des Verlages heißt. Deshalb kann man davon ausgehen, dass das, was von einer Springer-Publikation als Interview veröffentlicht wird, der Gesprächspartner nicht nur gesagt hat, sondern von ihm ausdrücklich zur Veröffentlichung freigegeben wurde.
Soweit die Theorie.
Praktisch hätte es deshalb gar nicht die Verwirrungen geben dürfen, die um ein “Bild”-Interview mit dem Fußballstar Zinédine Zidane entstanden sind. Laut “Bild”-Zeitung, die — ausweislich eines Fotos — Zidane in Madrid besucht hat, sagte er über Michael Ballack und Real Madrid unter anderem: “Er kann gerne kommen, aber meinen Platz gebe ich nicht her!” Für Kenner waren diese Äußerungen erstaunlich; sie wurden weltweit nachgedruckt.
Allerdings dementiert Zidane. Noch am selben Tag, an dem der Artikel in “Bild” erschien, erschien auf seiner offiziellen Internetseite folgendes Statement:
Zinédine Zidane hat sich auf Fragen deutscher “Bild”-Journalisten zu Michael Ballack geäußert, dessen Wechsel nach Madrid diskutiert wird. Seiner Gewohnheit treu bleibend hat sich Zizou nicht allzu lang mit dem Thema aufgehalten, ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, den der “Bild”-Artikel zu erwecken sucht.
Im Gegensatz zu dem, was die “Bild” am Montag, 28. November, schreibt, hat Zinédine Zidane nie bestätigt, dass er nie erklärt habe, dass er Michael Ballack “mit offenen Armen empfange”. Er bestreitet auch, folgende Aussage gemacht zu haben: “Es wird schwer, zusammen zu spielen. Ich werde nicht so leicht meinen Posten aufgeben.” Gegenüber Zidane.fr betonte Zinédine am Montagmorgen, er habe lediglich gesagt, dass es sich bei Ballack um einen “sehr guten Spieler” handele, dass Real immer sehr gute Spieler suche und dass Ballack die notwendigen Qualitäten haben könnte, um bei Real zu spielen. Mehr hat Zinédine zu dem Thema nicht gesagt.
(Übersetzung von uns.)
Und das ist ja nun merkwürdig*. Und es wird nicht weniger merkwürdig, wenn man versucht, mit den Betroffenen zu reden und den Widerspruch aufzuklären. Fragt man Olivier De Los Bueis, der Zidanes offizielle Website redaktionell verantwortet, erhält man zur Antwort: “Ich glaube dem, was Zidane mir gesagt hat. Ich habe keine Zweifel an dem, was er auf seiner Website sagt.”
Fragt man Tobias Fröhlich, den Pressesprecher von “Bild”, sagt der, es handele sich um ein Missverständnis, und das Dementi sei von Zidandes Website entfernt worden. Weist man ihn darauf hin, dass das nicht der Fall ist, sagt er, das müsse sehr bald passieren. Weist man ihn einen Tag später darauf hin, dass es immer noch nicht geschehen ist, sagt er, er könne das auch nicht erklären.
Die entscheidende Frage, ob das Interview von Zidane autorisiert wurde, beantwortet der “Bild”-Sprecher nicht. Auch nach vielmaligem Nachfragen über mehrere Tage sagt er nur, das Interview sei “völlig ok” und werde “von niemandem beanstandet”. Er verweist auf die “journalistischen Leitlinien”, weigert sich aber ausdrücklich, die Frage zu beantworten, ob das Interview, wie darin vorgeschrieben, autorisiert wurde.
Und wir haben es nicht geschafft herauszufinden, was Zidane nun tatsächlich gesagt hat und was er zur Veröffentlichung freigegeben hat, wenn überhaupt etwas. Eine Möglichkeit ist, dass die “journalistischen Leitlinien” von Axel Springer in diesem Punkt offenbar in der Praxis nicht die gleiche Bedeutung haben wie in der Theorie.
*) Merkwürdigerweise berichtete die Agentur sid am Montag über Zidanes Widerspruch in zwei verschiedenen Versionen. Zunächst sprach sie von einen “Dementi” Zidanes und schrieb:
Am Montag bestritt Zidane auf seiner eigenen Homepage (www.zidane.fr) jedoch, die Aussagen in dieser Form getätigt zu haben. Er habe lediglich gesagt, dass Ballack ein sehr guter Spieler sei und Real immer sehr gute Spieler brauchen könne. Alles andere entspreche nicht der Wahrheit.
Drei Stunden später veröffentlichte sid die Meldung erneut, sprach diesmal aber von einer “Präzisierung” statt von einem “Dementi” und formulierte:
Am Montag relativierte Zidane auf seiner eigenen Homepage (www.zidane.fr) jedoch zwei seiner Aussagen. Er haben zum einen nicht von einem Empfang mit “offenen Armen” gesprochen. Zudem könne er nicht ausschließen, vielleicht zusammen mit Ballack auf dem Platz zu stehen.
An den Aussagen Zidanes hatte sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
Ingrid Hala, die Mutter der im Irak entführten Susanne Osthoff, hat den “Wird sie geköpft?”-Titel der “Bild”-Zeitung scharf kritisiert: “Das ist das Letzte”, sagte sie nach Agenturberichten. Sie warf den Verantwortlichen des Blattes vor, durch die “blutrünstige und brutale” Schlagzeile den Verkauf ankurbeln zu wollen.
…dass also ausgerechnet diese Zeitung in ihrem Online-Auftritt gestern fälschlicherweise behauptet, der “kleine Sohnemann” von Heidi Klum sei jetzt “sechs Wochen alt”, ist wirklich dumm.
Vielen Dank an Christine D. für den sachdienlichen Hinweis!
“Nee, lassma”, rief der “Bild”-Redakteur, als man ihm das Wörterbuch bringen wollte, “ich kann das auch so.”
Bestimmt arbeiten auch bei “Bild” Leute, die des Englischen mächtig sind. In der Buchhaltung zum Beispiel. Oder im Layout. Vielleicht sogar in der Anzeigenabteilung. Aber es scheint ein ungeschriebenes (undsehrstrengbefolgtes) Gesetz zu geben, diese Menschen von allen Artikeln fernzuhalten, in denen “Bild” Englischkenntnisse gebrauchen könnte. Artikeln, zum Beispiel, in denen die Zeitung anderen die englische Sprache erklären will.
Wie heute Jan Ullrich. Angeblich muss der gerade einen Intensivkurs belegen, weil Englisch als Sprache seines Tour-de-France-Teams eingeführt wurde. Die “Bild”-Zeitung tut so, als könnte sie helfen, und hat deshalb diesen kleinen Kasten rechts gebaut, bei dem allerdings schon das große “Y” in der Überschrift nicht korrekt ist.
“Trennkost ist besser” übersetzt “Bild” mit “Seperation food is better”, und das ist falsch, denn auf Englisch heißt “Trennkost” verwirrenderweise “food combining”.
Der Satz “Ich habe ein Problem mit einem Reifen” lautet nach Ansicht von “Bild” auf englisch: “I have a problem with a wheel”, und das ist falsch, denn wheel ist nicht der Reifen, sondern das (Vorder- oder Hinter-) Rad. Das englische Wort für Reifen ist tyre (oder amerikanisch tire).
Und die beste Übersetzung für “Was für ein steiler Berg” soll — laut “Bild” — “What a cliffy mountain” sein, und auch das ist humbug. Denn cliffy heißt soviel wie felsig oder schroff, wo ein steiler Berg doch durchaus glatt sein kann, weshalb man ihn am besten einfach steep nennt, was alles sein kann, Hauptsache steil.
Danke an Armin S. für den Hinweis!
Nachtrag, 1. Dezember, 9.15 Uhr: Und selbst wenn “Trennkost” auf englisch so etwas wie “seperation food” hieße, was es nicht tut, schriebe es sich nicht “seperation”, sondern separation.