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Symbolfoto XXVIII

Wie bebildert ein so großes Internetangebot wie Bild.de eigentlich, sagen wir, das Verschwinden einer Cessna 501 im Irak?

Anscheinend so: Der Praktikant sucht bei Google nach Cessna 501, wählt das beste Bild von der ersten Ergebnisseite aus und packt es ohne Quellen- oder sonstige Angaben in den Artikel.

Und dass auf der vermeintlichen Luftaufnahme gar kein echtes Flugzeug zu sehen ist, sondern es sich um einen Screenshot der kostenpflichtigen Cessna-501-Software für den Flugsimulator X-Plane handelt, ist anscheinend egal.

Mit Dank an Valeri K. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.2.2006:
Bild.de hat die Illustration inzwischen ersatzlos aus der Meldung entfernt.

Pimp My Agenturmeldung

Es spricht alles dafür, dass kein eigener Mitarbeiter von Bild.de beim gestrigen Auftritt von Tokio Hotel in Trier war. Alle Zitate und Beschreibungen im Bild.de-Artikel über das Konzert stammen aus Meldungen von Nachrichtenagenturen. Bild.de hat die Geschichte nur ein bisschen ausgeschmückt. Um nicht zu sagen: Fehler eingebaut.

Denn richtig ist zwar, dass bei dem Konzert rund 240 Mädchen zusammengebrochen sind. Aber die Agenturen dpa und AP berichten übereinstimmend und in allen Meldungen, dass sich die meisten Kollapse “bereits vor dem Auftritt der Magdeburger Band”, “während noch Vorgruppen spielten”, “schon während des Vorprogramms” ereigneten: “Die Mehrzahl der Teenager habe anschließend das Konzert verfolgen können”. Das Deutschlandradio formulierte: “Die Jungs aus Magdeburg hatten noch gar [nicht] angefangen zu spielen, da waren die Mädels schon hysterisch zusammengebrochen.”

Aber das fand Bild.de wohl nicht so aufregend. Und ließ deshalb diesen Teil der Agenturmeldungen einfach weg, beschrieb die Vorgänge nicht in chronologischer Reihenfolge und erfand über Tokio Hotel lieber Zusammenhänge wie diesen:

Sie kamen, rockten — und ließen es richtig krachen… So sehr, daß bei ihrem Konzert in Trier 240 Mädchen umkippten!

Danke an Jadawin für den sachdienlichen Hinweis.

neu  

Siehst du das, Norbert!?

Neulich rief eine Freundin aus München an und sagte, dass dort heftiges Schneetreiben herrscht. Der hab ich aber die Meinung gesagt. Erst habe ich ihr ausführlich beschrieben, wie das war, als mir in München so richtig die Sonne auf den Pelz brannte, der Himmel klar, die Luft mild. Und dann habe ich ihr, um sie vollends der Lüge zu überführen, Fotos geschickt von München im strahlenden Sonnenschein, Aufnahmen aus meinem letzten Sommerurlaub da unten. Die blöde Kuh.

Norbert Körzdörfer sieht das genauso. Der “Bild”-Kolumnist und offizielle “Berater des Chefredakteurs” widerlegte gestern in “Bild” einen aktuellen Bericht, wonach sich sein Freund Tom Cruise und dessen Freundin Katie Holmes getrennt hätten. Aber sowas von.

Die beiden können sich gar nicht getrennt haben, denn Körzdörfer hat sie getroffen. “Exklusiv für BILD”. In Shanghai. Am letzten Drehtag für “Mission Impossible III”.

Sein Sonnenbrillen-Blick streichelt über den schwangeren Bauch von Katie Holmes (…). “Siehst du das, Norbert!? Hab ich es dir nicht gesagt: Diese Frau lass’ ich nie mehr los!”

Na also. Norbert hat es gesehen. Alle Trennungs-Gerüchte: Lügen. Und dass dieser eindrucksvolle Sonnenbrillen-Blick, wenn er am letzten Drehtag von “Mission Impossible III” stattfand, immerhin schon zweieinhalb Monate zurückliegt — diese kleine Information hat Körzdörfer sicher nur vor lauter Rührung vergessen zu erwähnen.

Aber “Bild” hat noch andere Beweise.

Schein-Liebe? Ein Foto dementiert die Schlagzeilen: Tom Cruise (43) und Katie Holmes (27, im 7. Monat) küssen sich — öffentlich!

Das Foto, das die aktuellen Schlagzeilen “dementiert”, ist übrigens vor einem Monat aufgenommen worden: am 16. Januar am Rande eines Fußballspiels in Santa Monica. Das kann man auf der Homepage der Agentur nachlesen, aber leider nicht in “Bild”.

Mit der gleichen Methode könnte “Bild” auch beweisen, dass Jenny Elvers noch mit Heiner Lauterbach zusammen ist, Yvonne Wussow mit Klausjürgen Wussow und Adolf Hitler mit Eva Braun.

Wobei das Datum der Aufnahme fast egal ist, wenn man glaubt, mit einem öffentlichen Kuss beweisen zu können, dass zwei Menschen nicht nur zum Schein für die Öffentlichkeit zusammen sind. Norbert Körzdörfer glaubt das bestimmt. Norbert Körzdörfer beschreibt nämlich auch, wie sein Freund Tom Cruise seine Freundin Katie Holmes küsst, “so schön, daß ich wegschaue”, und weiß:

Körpersprache lügt nicht.

Außer vielleicht, wenn man das wirklich lange trainiert. Was macht Tom Cruise eigentlich nochmal beruflich?

Danke an Christoph A. für den Hinweis!

Gericht verurteilt “Bild” zum Widerruf

Seit Sommer 2004 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Corinna Werwigk-Hertneck. Sie soll als baden-württembergische Justizministerin ihrem FDP-Parteifreund und damaligen Ministerkollegen Walter Döring Details aus Ermittlungen gegen ihn verraten haben.

“Bild” veröffentlichte noch ganz andere Vorwürfe gegen Frau Werwigk-Hertneck. Sie soll Döring “vor einer Razzia der Staatsanwaltschaft gewarnt” haben, schrieb die Zeitung am 16. Februar 2005. Anscheinend zu unrecht. Die Staatsanwaltschaft wirft der Politikerin dies jedenfalls laut der Nachrichtenagentur dpa nicht vor. “Bild” hat bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben, diese Behauptung nicht zu wiederholen. Öffentlich widerrufen wollte das Blatt seine Meldung allerdings nicht.

Nun hat das Landgericht Stuttgart die Zeitung am Dienstag genau dazu verurteilt. Danach muss “Bild” den Widerruf im gleichen Teil der Zeitung und in gleicher Aufmachung und Schriftgröße wie den ursprünglichen Bericht abdrucken. Die Axel Springer AG will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor sie über eine mögliche Berufung entscheidet.

Heute anonym

Bei Bild.de gibt es einen Artikel, in dem ein mutmaßlicher Betrüger nur gepixelt abgebildet ist. Klickt man auf den Link unter dem gepixelten Foto kommt man auf einen Artikel vom Vortag — und dasselbe Foto, ungepixelt.

Und jetzt fragen Sie uns nicht, ob die Anonymisierung von Menschen für Bild.de nur ein Witz oder ein Glücksspiel ist, ob sie von der Tagesform des zuständigen Redakteurs abhängt oder die Pixel bei Bild.de rationiert sind — und ob niemand bei Bild.de mal auf den eigenen Link klickt, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Wir wissen es nicht, und Antworten auf Fragen bekommen wir von “Bild” seit einiger Zeit nicht.

Danke für die vielen Hinweise!

Nachtrag, 15. Februar. Bei Bild.de liest man anscheinend nicht Bild.de, aber BILDblog: Auch im älteren Artikel ist das Gesicht nun unkenntlich gemacht.

“Bild” macht Bohlen-Witze

Heute steht einer der lustigsten Sätze seit langem in der “Bild”-Zeitung. Er lautet:

RTL glaubt so fest an den Erfolg von Dieter Bohlen, daß der Sender den [Zeichentrick-Film über Bohlen] sogar als Gegenprogramm zu “Wetten, dass..?” mit Thomas Gottschalk (55) im ZDF zeigt.

Der ist gut.

Wenn “Wetten dass” läuft, guckt kein Schwein RTL. Deshalb lässt der Sender an diesen Samstagen sein Erfolgsprogramm “Wer wird Millionär” ausfallen. Deshalb lässt der Sender an diesen Samstagen sein Erfolgsprogramm “Deutschland sucht den Superstar” ausfallen. Deshalb wiederholt der Sender an diesen Samstagen fast immer irgendwelche alten Spielfilme.

Die naheliegende Erklärung, warum RTL “Dieter – der Film” gegen “Wetten dass” zeigt, wäre diese: Der Sender hält ihn für einen hoffnungslosen Fall.

Aber Dieter Bohlen ist ein Freund der “Bild”-Zeitung, und für Freunde tut man schon mal etwas. Man schreibt über einen der unmöglichsten Sendeplätze (nämlich parallel zur meistgesehenen Sendung im deutschen Fernsehen), es handele sich um die “beste Sendezeit”. Man zitiert Bohlen mit den Worten “Ich bin echt froh, daß der Film endlich fertig ist” und verschweigt, dass das Werk schon im Herbst 2004 ins Kino hätte kommen sollen, erst verschoben und schließlich, wie “Bild am Sonntag” im Juli 2005 schrieb, “von den Kinobossen” aus dem Programm geworfen wurde. Man jubelt: “Pop-Titan ist er schon. Jetzt wird er auch noch Filmstar!”, obwohl der Film doch gerade (trotz gegenteiliger Prognosen von “Bild”) das vorläufige Ende des Traums von einer Leinwandkarriere bedeutete.

Exklusiv: Bohlen als ComicSogar auf die Seite 1 hat die “Bild”-Zeitung ihren Freund gehoben (siehe Ausriss), und das Wort “exklusiv” darin ist vielleicht der zweitbeste Witz in “Bild” seit langem. Die Zeitung hat die Bilder nämlich einfach von der RTL-Presseseite heruntergeladen, wo sie ganz offiziell und genau für diesen Zweck seit zwei Tagen herumliegen. Anderswo im Netz waren die Screenshots schon vorher zu finden. Und dass die Bilder trotzdem halbwegs “exklusiv” wirken, liegt nur daran, dass andere Medien kein Interesse hatten, auf einen Film, der offensichtlich zu schlecht fürs Kino war, drei Wochen vor der Ausstrahlung im Fernsehen groß hinzuweisen.

Kurz korrigiert (59)

Es gibt Fragen in “Bild”-Überschriften, die lassen sich ganz leicht beantworten. Diese hier heute gehört dazu:

Öhm – nein.

Denn anders als Christiane “Ich weiß es” Hoffmann heute schreibt, ist Michael Ohoven keineswegs für fünf Oscars nominiert, sondern nur für einen. Die anderen vier Oscars müsste er schon dem Hauptdarsteller, einer Nebendarstellerin, dem Regisseur und dem Drehbuchautor des Films “Capote” gewaltsam entreißen.

Danke an Ron für den sachdienlichen Hinweis!

Antworten für Franz Josef Wagner

Franz Josef Wagner fragt sich heute in seiner “Bild”-Kolumne, ob “wir in Deutschland unter Gedächtsnisschwund” leiden. Er schreibt den “Eltern der Geiseln”:

Ihre im Irak entführten Söhne waren auch in den Medien verschwunden. Keine Meldung auf Seite 1, nichts in der Tagesschau. Ein Grund kann die Osthoff-Ermüdung sein, die menschliche Mitleidseele hat sich ausgeweint. Wiederholungen im Fernsehen sind außerdem langweilig. (…)

Ich frage mich, warum die Eltern dieser Söhne alleine weinen müssen.

Und der Rest Deutschlands Angst vor der sich anbahnenden Grippe hat.

Auf manche Fragen Wagners gibt es Antworten. Einige stehen heute in der “Süddeutschen Zeitung”:

“Je höher die Medienpräsenz einer Geisel, desto höher wird der Preis für sie.” (…)

Der Auftritt bekannter Politiker und der Familie im Fernsehen habe die Summe für Osthoffs Freilassung klar nach oben getrieben, heißt es (…). Deshalb agiert der Krisenstab im neuen Geiseldrama völlig anders. Diesmal gibt es keine Videoaufnahmen von den Familien der Entführten. (…) Diesmal treten keine bekannten Politiker auf, diesmal schwört der Krisenstab auf Ruhe; insbesondere gegenüber den Medien.

Über Details der Entführung sollten Zeitungen, Fernseh- und Radiosender nicht berichten, appellierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. “Nehmen Sie bitte Rücksicht.”

Danke an Andreas S. für den Hinweis!

Verleumdungen, Falschmeldungen, Kampagnen

Es hat sich zudem herausgestellt, dass die Bild-Zeitung, der größte Profitbringer des Verlages, auch sein größtes Problem ist. In erster Linie liegt das an der hohen millionenfachen Auflage und der dominanten Stellung auf dem Anzeigenmarkt. Es liegt aber auch an dem außergewöhnlich miserablen Ruf der Zeitung, die mit ihren Verleumdungen, Falschmeldungen und Kampagnen weit über das hinausgeht, was man von einer Boulevardzeitung zu tolerieren bereit ist. Da darf es Springer nicht wundern, dass die Behörden in diesem Fall besonders penibel sind. Der Gefahr entgegenzutreten, dass sich diese Abart des Journalismus auf weitere Medien ausdehnt, ist die Pflicht verantwortungsbewusster Kontrolleure.

Die “Berliner Zeitung” über die von den Medienkontrolleuren verhinderte Fusion von Axel Springer mit ProSiebenSat.1.

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