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“Bild” erfindet Fuchsberger-Rücktritt (2)

Gestern kündigte Joachim Fuchsberger gegenüber BILDblog an, sich mit “Bild” trotz der falschen Schlagzeile “Nie wieder TV!” arrangieren zu wollen — zum eigenen Nutzen. Heute sieht man, wie das geht.

Fuchsberger und der in der “Bild”-Chefredaktion für Unterhaltung zuständige Martin Heidemanns veröffentlichten eine “gemeinsame Erklärung” mit folgendem Wortlaut:

Die in BILD vom 5. April veröffentlichte Kritik am Niveau einiger Sendungen des deutschen Fernsehens entspricht dem zwischen Herrn Fuchsberger und BILD geführten Gespräch.

Lediglich im Zusammenhang mit der Aussage, künftig nie mehr TV machen zu wollen, ist es zu einem bedauerlichen Mißverständnis gekommen. Er hat betont, daß er nie mehr eine große Samstag-Abend-Unterhaltungs-Serie machen werde.

Herr Fuchsberger war, ist und bleibt selbstverständlich immer bereit, seinem Alter entsprechende Rollen und andere Verpflichtungen im deutschen Fernsehen zu akzeptieren.

Na, also. “Bild” ist nur ein kleines (allerdings schlagzeilengroßes) Missverständnis unterlaufen, und Fuchsberger hat öffentlich daran erinnert, dass er für Angebote zur Verfügung steht.

Wer wollte da noch das Happy End stören und darauf hinweisen, dass Fuchsberger laut “Bild”-Artikel von gestern keineswegs das Niveau “einiger Sendungen” kritisiert hatte, sondern pauschal das Fernsehen insgesamt: “Es geht alles nur noch um Quote, nicht mehr um Qualität. Frei nach dem Motto: Millionen Fliegen können nicht irren — also schmeißen sie den Leuten Scheiße vor.”

Und wer wollte noch fragen, ob dieses Interview (wie bei Axel-Springer-Medien angeblich vorgeschrieben) autorisiert war. Dann hätte es ein Zitat wie “Auch ich werde mich aus dem TV zurückziehen!” nie in den Artikel schaffen dürfen, weil ja “selbstverständlich” das Gegenteil der Fall ist.

Die gute Botschaft ist: “Bild” und “Blacky” haben sich wieder lieb. Dafür kann man schon mal ein paar Tatsachen unter die Räder kommen lassen.

Weder wörtlich noch sinngemäß

Schon vor dem Beginn der Leipziger Buchmesse hatte “Bild” den ersten “Buchmesse-Skandal” ausgemacht. Der Gryphon-Verlag hatte eine Lesung mit Suzanne von Borsody und Karsten Speck abgesagt, und “Bild” glaubte auch zu wissen, warum: Weil Speck wegen Betrugs im Gefängnis sitzt (allerdings als Freigänger tagsüber raus darf). Die Zeitung zitierte die Verlagsmitarbeiterin Angelika Ruge am 16. März 2006 mit den Worten:

“(…) Herr Speck ist in der letzten Zeit nicht gerade positiv in Erscheinung getreten. Das paßt einfach nicht in unser Konzept.”

Frau Ruge sagt allerdings, sie habe sich nie so geäußert, weder wörtlich noch sinngemäß. Speck sei auch “nicht ausgeladen worden”. Die Hörbuch-Präsentation sei “in gegenseitigem Einvernehmen abgesagt” worden, und das habe “nichts mit der aktuellen persönlichen Situation” von Herrn Speck zu tun.

All das sagt nicht nur Frau Ruge, es bestätigen auch Kurt Stellfeld, der Inhaber des Gryphon-Verlages, und Karsten Speck selbst. Und so steht es auch in einer Gegendarstellung in der heutigen “Bild”, die alle gemeinsam durchgesetzt haben.

neu  

“Bild” erfindet Fuchsberger-Rücktritt

Ziemlich gute Schlagzeile, das:

BLACKY FUCHSBERGER: Nie wieder TV!

Nur: Sie stimmt nicht.

“Das ist in dieser Form reiner Schwachsinn”, sagt Joachim Fuchsberger gegenüber BILDblog. “Das ist eine ‘Bild’-typische Übertreibung für eine gute Schlagzeile.” Und auch die markigen Sätze, mit denen er im Artikel von “Bild” zitiert wird, habe er nicht alle in dieser Form gesagt. Autorisiert habe er keinen einzigen davon.

Aber überrascht klingt er nicht. Vielleicht ist also das, was Fuchsberger einem so alles erzählt, wenn man ihn anruft, eine ganz normale Geschichte aus dem Alltag von “Bild”:

Fuchsberger sagt, er sei von “Bild” angesprochen worden, nachdem sein Freund Vicco von Bülow angekündigt hatte, nur dann noch einmal ins Fernsehen zurückzukehren, wenn Fuchsberger “noch einmal eine große Gala macht”. Der “Bild”-Reporter Malte Biss habe ihn daraufhin gefragt, ob denn eine solche Show geplant sei. Er habe geantwortet, was er seit vielen Jahren schon antwortet: Dass er ausschließt, im deutschen Fernsehen je wieder eine Samstagabend-Show zu machen. Von einem Rückzug darüber hinaus sei keine Rede gewesen, sagt Fuchsberger, im Gegenteil: Es gebe einige Pläne für neue Sendungen. Wenn aus diesen Projekten etwas werde, sei es ihm “eine große Freude”, weiter Fernsehen zu machen.

Gestern abend um halb zehn habe ihn Malte Biss dann angerufen und ein “sehr schlechtes Gewissen” gehabt, sagt Fuchsberger — offenbar wegen der sehr abwegigen Schlagzeile. Er habe das noch nie erlebt, dass ein Journalist ihn quasi vorab vor seinem eigenen Artikel gewarnt habe. Biss habe gefragt, ob Fuchsberger nun mit dem Anwalt gegen den Bericht vorgehen werde. Fuchsberger ließ das zunächst offen.

Gerade weil er mit verschiedenen Leuten über neue Fernseh-Projekte im Gespräch sei, hätte die falsche “Bild”-Schlagzeile geschäftsschädigend wirken können. Er habe dann heute erleichtert festgestellt, dass die meisten Menschen aus der Branche ohnehin nicht glaubten, was in “Bild” steht.

(Die “Nachricht” wurde dennoch weiterverbreitet. Die Agentur AP veröffentlichte heute nachmittag zwei Meldungen, in denen sie die “Bild”-Behauptungen ungeprüft übernahm. Überschrift: “Fuchsberger will kein Fernsehen mehr machen.”)

Fuchsberger ist überzeugt, dass “Bild” der Fehler nicht versehentlich unterlaufen ist. Dennoch will er nicht gegen die Zeitung vorgehen. Was könne ein Anwalt schon erreichen? “Eine Gegendarstellung? Who the hell cares!” Stattdessen habe er lieber einen “Deal” mit “Bild” gemacht, die nun bei ihm etwas gut zu machen habe.

Vermutlich wird also in den nächsten Tagen ein sehr freundlicher Artikel in “Bild” erscheinen, der ein neues Projekt von Fuchsberger vorstellt und ganz nebenbei den möglicherweise entstandenen Eindruck geraderückt, er könne sich für immer aus dem Fernsehen zurückziehen.

Zur Erinnerung: Chefredakteur Kai Diekmann rief vor eineinhalb Jahren eine neue “Null-Toleranz”-Politik gegenüber Verstößen gegen “unsere journalistische Standards” aus und gab vor, “übergeigte Überschriften” hätten in “Bild” “nichts zu suchen”. Ebenso behaupten Diekmann und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, dass für alle Medien des Konzerns “journalistische Leitlinien” gälten, wonach Journalisten bei Axel Springer Interviews ohne Ausnahme vom Gesprächspartner autorisieren lassen müssen.

Danke an Jan K.!

[Fortsetzung hier.]

“Ich lese die ja nur wegen des Sportteils”

Wenn wir noch einmal kurz auf den vergangenen Bundesliga-Spieltag zurückkommen dürfen…

Es war dann nicht nur ein haarsträubender Bild.de-Artikel. Auch die beiden Kollegen von der gedruckten “Bild am Sonntag” haben beim Spiel Gladbach — Dortmund Erstaunliches notiert:

Kehl bekommt die Kugel nicht aus dem 16er, Rafael hält aus 12 Metern drauf. Brzenska fälscht ab — 2:1 (35.).

Nur stand Brzenska gar nicht auf dem Platz. Er war nach der fünften Gelben Karte gesperrt.

Danke an Christian W. für den Hinweis!

1,3 Prozent mehr Milch für Mädchen

Am Dienstag vergangener Woche kündigte Bundestagspräsident Norbert Lammert an, den Fraktionen vorzuschlagen, dass die Diäten der Bundestagsabgeordneten in den nächsten Jahren um den gleichen Prozentsatz steigen sollen wie die Einkommen der übrigen Erwerbstätigen.

Gestern machte er diese Ankündigung wahr. Weil die Einkommen in Deutschland im vergangenen Jahr im Schnitt um 1,3 Prozent gestiegen sind, sollen auch die Abgeordneten 1,3 Prozent mehr bekommen.

Und Bild.de schafft es, einen Artikel über diese Umsetzung einer Ankündigung mit den Worten einzuleiten:

Schlechtes Gewissen oder Rückbesinnung zur Bescheidenheit?

Eine Frage, die schlicht keinen Sinn ergibt. Sie suggeriert, dass sich die Abgeordneten in den vergangenen Jahren sehr viel mehr “gegönnt” haben. Tatsächlich haben die Abgeordneten in den vergangenen beiden Jahren auf eine Diätenerhöhung verzichtet (“Nullrunde”).

Mit anderen Worten: Die “Bild”-Zeitung ist immer noch nicht bereit, den von ihr seit Jahren geführten und seit einigen Wochen intensivierten Kampf für eine grundsätzliche Neuregelung von Politiker-Diäten und -Alterversorgung mit fairen Mitteln zu führen.

Bild.de schreibt:

Allerdings sind 1,3 Prozent von 7000 Euro immer noch deutlich mehr Geld als 1,3 Prozent eines durchschnittlichen Angestellten-Einkommens von 1800 Euro.

Der Satz beschreibt nicht nur bedeutungsschwanger, was doch nur grundlegendes Prinzip der Prozentrechnung ist. Er ist auch falsch. Denn das durchschnittliche Angestellten-Einkommen betrug im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3452 Euro.

Woher Bild.de die Zahl 1800 Euro hat, wissen wir nicht. Von der Größenordnung her könnte es sich allenfalls um das Nettoeinkommen handeln. Aber ist es denkbar, dass “Bild” einfach das Brutto-Einkommen eines Abgeordneten mit dem Netto-Einkommen eines Angestellten vergleicht, um besonders krasse Unterschiede zu produzieren?

Aber ja.

Danke auch an Holger R.

Kurz korrigiert (88)

In seiner beliebten VersuchsReihe “Wie viele Fehler passen in einen einzigen Artikel” widmet sich Bild.de aktuell einer wilden Geburtstagsparty, die die Tochter von “Fergie” laut “Sun” veranstaltet haben soll.

  • Bild.de nennt die Mutter “Sarah Fergusen“, richtig schreibt sich der Nachname: Ferguson.
  • Bild.de nennt die Tochter “Prinzessin Eugenie Fergusen”, richtig lautet ihr Name: Prinzessin Eugenie von York. Ferguson ist der Mädchenname ihrer Mutter.
  • Bild.de nennt das Anwesen “Sunnhill Park”, richtig heißt es: “Sunninghill Park”.
  • Bild.de nennt das Thema der Party “Piraten der Karibik”, richtig übersetzt hätte es im konkreten Fall wohl “Fluch der Karibik” lauten müssen.

Danke an Veronika S. und Valeri K. für die Hinweise!

Nachtrag, 11.05 Uhr. Und, schwupps, sind alle Fehler korrigiert.

Nachtrag, 3. Januar 2007. …bis auf den zentralen.

0:4

Wir unterbrechen unser Programm für eine Warnmeldung: Im Bundesliga-Spielbericht von Bild.de kommt Ihnen eine Reihe von Falschmeldungen entgegen. Bitte weichen Sie nach Möglichkeit auf andere Informationsquellen aus. Wir informieren Sie, sobald die Gefahr gebannt ist.

Bayern – Köln. Bei Bild.de heißt es:

Poldi flankt – Feulner köpft das Leder aus abseitsverdächtiger Position ins Tor.

Richtig ist: Scherz köpft, Feulner schießt.

Bayern – Köln. Bei Bild.de heißt es:

Makaay bedankt sich, macht endlich mal wieder ein Tor.

“Endlich mal wieder”? Roy Makaay hat auch am letzten Spieltag ein Tor gemacht. Und am Spieltag davor.

Gladbach – Dortmund. Bei Bild.de heißt es:

Nach einer Ecke von Oliver Neuville kommt Nando Rafael in der 6. Minute völlig frei zum Schuß, zieht aus 10 Metern ab!

Richtig ist: Es war kein Schuss, sondern ein Kopfballtor.

Gladbach – Dortmund. Bei Bild.de heißt es:

Nach einem Gladbacher Elfmeter kriegen die Dortmunder den Ball einfach nicht unter Kontrolle. Am Ende macht Rafael sein zweites Tor.

Richtig ist: Es war kein Elfmeter, sondern eine Ecke.

Vielen Dank an Thomas H. für den Hinweis!

Nachtrag, 3. April. Am Sonntagnachmittag hat Bild.de die Fehler korrigiert.

“Bild” missversteht Ältestenrat

Was macht eine Zeitung wie “Bild” mit unliebsamen Tatsachen? Ignorieren? Muss nicht. Ins Gegenteil verdrehen geht auch.

Der Ältestenrat des Bundestags hat gestern einstimmig (ohne den Namen der Zeitung zu nennen) die “Bild”-Kampagne gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert gerügt. Die Überschrift der Erklärung lautet: “Ältestenrat weist Angriffe auf den Bundestagspräsidenten zurück.” Diese Angriffe seien “im Ton verletzend und sachlich unbegründet”. Und weiter:

Das Verfahren [mit dem die Diäten festgesetzt werden] ist grundsätzlich öffentlich, nachvollziehbar und für jedermann transparent. Die öffentliche Auseinandersetzung und Begleitung der Debatte über verschiedene Lösungsmöglichkeiten ist ausdrücklich erwünscht.

Respekt vor demokratischen Entscheidungen — und dieser schließt die Achtung demokratischer Verfahrenswege und Zuständigkeiten ein — ist unerlässlich für das Funktionieren und die Akzeptanz einer Demokratie. Diese leidet, wenn Parlamentariern unter Aufbietung fragwürdiger publizistischer Methoden Festlegungen aufgenötigt werden sollen, bevor ihnen überhaupt die notwendige Entscheidungsgrundlage vorliegt. Der “publizistische Pranger” ist kein Instrument demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.

Der Ältestenrat bittet daher um Mäßigung im Ton, Sachlichkeit in der Auseinandersetzung und konstruktive Begleitung des demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses.

(Hervorhebungen von uns.)

Und so “berichten” die “Bild”-Redakteure Stefan Ernst und Dirk Hoeren heute über diese einstimmige Kritik an der “Bild”-Berichterstattung:

Der Bundestags-Ältestenrat begrüßte die öffentliche Diäten-Diskussion. Eine Begleitung der Debatte sei “ausdrücklich erwünscht”, hieß es gestern in einer einstimmig gefaßten Erklärung. Zugleich wies der Ältestenrat eine angebliche Presse-Kampagne zurück: “Der ‘publizistische Pranger’ ist kein Instrument demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.”

Stefan Ernst und Dirk Hoeren. Inoffizielle Mitarbeiter im Ministerium für Wahrheit.

Danke für die sachdienlichen Hinweise!

Nachtrag, 18.00 Uhr. Nobert Lammert begann die heutige Plenarsitzung damit, dass er die Kernsätze des Ältestenrates zitierte, und fügte hinzu:

Da die betroffene Zeitung heute aus dieser Stellungnahme des Ältestenrates die Mitteilung macht, der Ältestenrat begrüße die öffentliche Debatte, dachte ich, es wäre sowohl zur Information der Öffentlichkeit wie zur Urteilsbildung des Hauses angemessen, auf den vollständigen Zusammenhang hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Patchworken mit Christiane Hoffmann

Christiane Hoffmanns “Bild”-Kolumne heißt jeden Tag “Ich weiß es!”. Vermutlich weil es den Grafikern zu mühsam ist, das Logo je nach Bedarf gegen “Könnte ungefähr hinkommen!”, “Ziemlich grob geraten!” und “Frei erfunden!” auszutauschen.

Gestern hat die “Bild”-Kolumnistin den Weg gewählt, aus drei Ereignissen, die zu unterschiedlicher Zeit an unterschiedlichen Orten stattgefunden haben, ein einziges zu machen.

Christiane Hoffmanns Patchwork-Geschichte geht so:

So toben sich Kate Moss und ihr Drogenfreund nach dem Sex aus

(…) Heimlich trafen sich die beiden zu einer “Sauf- und Sexnacht”, wie die britische Zeitung “News of the World” berichtete.

Im Abstand von 90 Minuten verließen Pete [Doherty] und Kate das konspirative Haus eines befreundeten Künstlers. Tja, wurden dabei natürlich erwischt. Und zum Dank setzte es Prügel!

Pete ging mit Regenschirm auf das Auto eines Paparazzo los, zertrümmerte seine Scheibe. Kate schlug wie eine Furie mit ihrer Handtasche auf Fotografen ein. (…)

Richtig ist, dass laut “News of the World” Moss und Doherty eine gemeinsame Nacht mit “WILDEM SEX” verbrachten und das Haus im Abstand von 90 Minuten verließen, wobei sie von Fotografen erwischt wurden. Nur: von irgendeiner Schlägerei ist da nicht die Rede. Und die angebliche Wilde-Sex-Nacht fand schon von Freitag auf Samstag vergangener Woche stand.

Zum Handtaschen-Angriff von Kate Moss kam es erst drei Tage später, am Dienstag. Er hatte deshalb natürlich auch nichts mit der Sex-Nacht zu tun. Und er ereignete sich auch nicht vor dem Haus, in dem Doherty und Moss die Nacht verbracht haben sollen, sondern vor einem anderen Haus.

Dienstag war ebenfalls der Tag, an dem Pete Doherty einen Paparazzo mit einem Regenschirm angriff. Nicht vor dem Haus mit dem wilden Sex, auch nicht vor dem Haus mit dem Handtaschen-Zwischenfall, sondern auf offener Straße. Zwei Fotografen sollen ihn verfolgt haben, als er mit seinem frisch gekauften, angeblich achten Jaguar herumfuhr.

Und wenn man, wie Christiane Hoffmann, einfach nach Gutdünken Orte, Zeitangaben und Zusammenhänge verändert, sieht das so aus:

(Überschrift: Wilde-Sex-Geschichte, Foto rechts unten: Handtaschen-Geschichte, Fotoleiste oben: Regenschirm-Geschichte.)

Und als sei das noch nicht schlimm genug, vermischt Bild.de das alles unauffällig mit einer vierten Geschichte und illustriert Hoffmanns Kolumne mit Fotos, die Doherty bei einem wiederum ganz anderen Ausraster zeigen: vor einer Woche nach einer gerichtlichen Anhörung.

Danke an Michael K.!

Wie “Bild” viel Wind produziert

Im Hintergrund ein Wirbelsturm, im Vordergrund ein lachender Umweltminister Sigmar Gabriel und darunter die gewaltige Schlagzeile: “Minister verhöhnt Hamburger Tornado-Opfer”. So machte die “Bild”-Zeitung gestern in Hamburg auf.

Und behauptete:

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in Berlin macht Späße über den Tornado! (…) In der gestrigen Haushaltsdebatte im Bundestag (es ging um den Klimawandel) witzelte er über den Tornado, der durch Hamburgs Süden fegte: “Das wird wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.”

“Bild” nannte das im Stabreim eine “peinliche Politiker-Panne” — und hätte, wenn es so gewesen wäre, womöglich recht.

Heute greift “Bild” das Thema auch bundesweit auf und macht Gabriel zum “Verlierer des Tages”:

(…) Im Bundestag sagte er, die Katastrophe werde “wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.”

BILD meint: Ganz schnell entschuldigen!

Und hätte, wenn es so gewesen wäre, womöglich recht.

Aber die Sache war ein bisschen anders. Gabriel hatte sehr ernsthaft über die Bedeutung des Klimaschutzes und die Gefahren des Klimawandels geredet und dann gesagt:

Letztens hatten wir in Hamburg einen Tornado. Ich weiß nicht, ob es so etwas schon einmal gab und ob das etwas mit dem Klimawandel zu tun hat.

An dieser Stelle wurde er von mehreren Zwischenrufen unterbrochen, die er nicht verstand. Er fragte nach, und der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter machte eine vermutlich witzig gemeinte Bemerkung:

Die Frage ist, ob das etwas mit den Mehrheitsverhältnissen in Hamburg zu tun hat!

Auf diesen Zwischenruf hin antwortete Gabriel:

Das wird wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.

Was genau Kampeter und Gabriel meinten, wie Kampeter vom Tornado auf die “Hamburger Mehrheitsverhältnisse” kam und Gabriel von den Hamburger Mehrheitsverhältnissen auf die Entlassung des Justizsenators am Montag, bleibt auch nach Lektüre des stenografischen Berichts schleierhaft.

Aber die “Bild”-Zeitung verschweigt ihren Lesern den Zusammenhang: dass sich Gabriel nicht direkt auf den Tornado bezog, sondern auf eine Bemerkung über die “Hamburger Mehrheitsverhältnisse”. Dabei muss ihr der tatsächliche Ablauf bekannt gewesen sein. Denn Gabriels Satz lautete wörtlich (wie auf dem Video von der Sitzung zu sehen ist) etwas anders. “Bild” zitiert aus der redigierten Version im stenografischen Bundestags-Protokoll. Und in diesem Protokoll ist auch der vorhergehende Zwischenruf dokumentiert.

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