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Außer- und Unterirdisches

1995 machte eine Dokumentation Furore, die angeblich zeigte, wie 1947 in Roswell ein Außerirdischer obduziert wird. Vor einigen Tagen hat der Brite John Humphreys zugegeben, dass der vermeintliche Außerirdische eine von ihm gebastelte Puppe war.

Die “Bild”-Zeitung nimmt das zum Anlass, ihre eigene Experimentreihe fortzusetzen, auf kleinstmöglichem Raum eine überirdisch große Zahl von Fehlern unterzubringen. Sie schreibt über den Alien-Film:

Erst 1995 hat ihn der englische Webdesigner John Humphreys in seiner Wohnung in London produziert. Der Mann hat u. a. “Max Headroom” erfunden, die erste computeranimierte Werbefigur (u. a. für T-Mobile).

1. John Humphreys ist kein “Webdesigner”, sondern ein Bildhauer und Special-Effect-Experte bei Film und Fernsehen.

2. Max Headroom ist nicht “computeranimiert”. Die Figur wurde von dem Schauspieler Matt Frewer gespielt, der eine Maske trug.

3. Max Headroom war eigentlich keine Werbefigur, sondern Moderator einer Chart-Show und Protagonist eines britischen Fernsehfilms und einer amerikanischen Science-Fiction-Serie. Aber wie viele erfolgreiche Fernsehstars bekam er in der Folge auch Werbeaufträge, u.a. für Coca Cola.

4. Max Headroom war nie die Werbefigur für ein deutsches Telekommunikations-Unternehmen. “Bild” verwechselt ihn mit Robert T-Online — angesichts der Ähnlichkeit der beiden ein naheliegender Fehler, aber doch ein Fehler.

5. Weder Max Headroom noch Robert T-Online haben je für T-Mobile geworben. “Bild” meint T-Online.

Und als Bonusfehler nennt “Bild” den Bildhauer und Spezialeffektmann John Humphreys im Bildtext “Werber”.

Vielen Dank an Alex Z., Michael S. und Andreas N.!

SPD-Politiker nennt Kakerlaken “Kakerlaken”

Die Sorgfaltspflicht des Journalisten im Umgang mit Quellen ist für die journalistische Arbeit und das Ansehen der Presse in der Öffentlichkeit von höchster Bedeutung.

(Aus den “journalistischen Leitlinien” der Axel-Springer-AG.)

Martin S. Lambeck schreibt heute in seiner “Bild am Sonntag”-Kolumne:

Tiernamen haben in der Politik Konjunktur! Arbeitsminister Franz Müntefering prägte in seiner Zeit als SPD-Chef für bestimmte Investmentfonds den Begriff “Heuschrecken”. Doch am Mittwoch kam es noch schlimmer! Hamburgs Ex-Bürgermeister und Bundestagsabgeordnete Ortwin Runde (SPD) bezeichnet Geldanleger neuerdings als “Kakerlaken”! Es geht dabei um Investoren, die mit Immobilienbesitz an die Börse wollen (sogenannte REITs). Runde meint, das seien “Kakerlaken in den Wohnungen”.

Klingt nach einem Verstoß gegen das Gebot “Du sollst Menschen keine Tiernamen geben”. Ist aber ein Verstoß gegen das Gebot “Du sollst Zitate nicht sinnentstellend aus dem Zusammenhang reißen”.

Gesagt hat Runde der “taz” am Mittwoch* nämlich dies:

Bei REITs besteht die Gefahr von Immobilienblasen. Deutschlands Mietwohnungen könnten zum Zielgebiet von internationalen Finanzstrategen werden, die maximale Renditen erzielen wollen. Wohnumfeld oder soziale Mischung interessieren dann nicht mehr. Wir müssen aufpassen, dass wir nach den Heuschrecken nicht die Kakerlaken in die Wohnungen lassen.

Der Politiker bezeichnet als “Kakerlaken” also nicht die Investoren, sondern die Kakerlaken. Er meint, ähnlich wie der Deutsche Mieterbund: Die “Heuschrecken” (also die Investoren) könnten durch ihre Fixierung auf maximale Gewinne dafür sorgen, dass Wohngebiete verwahrlosen.

War das wirklich für Martin S. Lambeck zu schwer zu verstehen?

*) Nachtrag/Korrektur, 17. April. Das “taz”-Interview mit Runde ist nicht an diesem Mittwoch erschienen, sondern bereits am 25. Januar. Seitdem ist es u.a. von der REITs-Lobby auf die gleiche, unzulässige Art verkürzt worden wie von Lambeck. Die Zeitung “Euro am Sonntag” behauptet, Runde habe von “Kakerlaken vor der Tür” gesprochen. Das ist vermutlich schlicht falsch: Ein Papier Rundes zum Thema [pdf] trägt den Titel “Heuschrecken vor der Tür?” Wie “Bild am Sonntag”-Kolumnist Lambeck darauf kommt, Runde habe konkret am Mittwoch der vergangenen Woche von “Heuschrecken in den Wohnungen” gesprochen, wissen wir nicht.

Eine Lüge und eine Retourkutsche

SENTA BERGER: O. W. Fischer wollte sie vergewaltigen!Am 30. März war die Schauspielerin Senta Berger groß in der “Bild”-Zeitung (siehe Ausrisse, ähnlich bei Bild.de), unter anderem auf Seite 1. Aus ihrer Autobiographie “Ich habe ja gewußt, daß ich fliegen kann” hatte sich “Bild” die besten Stellen herausgesucht. Im Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” beschreibt Frau Berger diese “Reduzierung” als “Kränkung” — und erzählt die Vorgeschichte dazu:

Wir hatten in der “Bild am Sonntag” ein Interview, und dieses Gespräch war sehr reich und hat auch sehr lange gedauert, und als es mir dann zugesandt wurde, habe ich schon erkannt, in welche Richtung dieses Gespräch reduziert werden soll. Nachdem wir ausgemacht hatten, daß ich es korrigieren darf, habe ich das getan, ich habe die Themen nicht geändert, aber die Wortwahl vorsichtiger gemacht. Sie haben dann aber das unkorrigierte Interview abgedruckt und haben, als ich mich dann am Montag gewehrt habe, gesagt, ich hätte ihnen die E-Mail zu spät geschickt, was einfach eine Lüge war. Daraufhin hat mein Verlag den Vorabdruck gestoppt.

Senta Berger als junge Schauspielerin, nur mit einem Handtuch. Dieser Körper machte die Männer verrückt.Und dann, quasi als kleine Retourkutsche, kam dieser Aufmacher “Vergewaltigung von O. W. Fischer” und so. Es hat mich gekränkt, weil ich die Vorgeschichte kenne und weil mir der zuständige Redakteur Blumen geschickt hatte im Vorfeld und sich dann hat aber doch seinen Regeln unterwerfen müssen. Ich glaube, daß die Zwänge dort unglaublich sind.

Nachtrag, 23. April. In einem Leserbrief in der heutigen “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” ergänzt Senta Berger:

In meinem Gespräch mit der F.A.S. ist offenbar der Eindruck entstanden, die “Bild am Sonntag” habe absichtlich ein von mir nicht autorisiertes Interview gedruckt. Inzwischen weiß ich, daß dies nicht der Fall war. Vielmehr handelte es sich um eine Panne, die von der Redaktion noch während der Produktion der Zeitung, so gut es ging, behoben wurde.

“Bild” nimmt Karfreitag die Spannung

Natürlich hätte alles viel schlimmer kommen können. “Bild” hätte titeln können:

Geheimes Karfreitags-Gebet gefunden!

Norbert Körzdörfer hätte als “Bild”-Sonderkorrespondent nach Rom geschickt werden können für die Schlagzeile:

Welt-exklusiv! BILD trifft Super-Karfreitagsgedicht

Oder “Bild” hätte, nie auszuschließen, Hitler irgendwie ins Spiel bringen können:

(Keine Abbildung.)

So gesehen muss man froh sein, dass die “Bild”-Zeitung daraus, dass sie “vom Vatikan exklusiv die Genehmigung erhielt, bereits am heutigen Gründonnerstag das Gebet zu drucken, das der Heilige Vater morgen sprechen wird, bevor er der Kreuzigung Jesu gedenkt”, nur folgende Schlagzeile gemacht hat:

EXKLUSIV: Das Papst-Gebet in BILD

Und das stimmt ja auch zweifellos — vielleicht bis auf die Wörter “exklusiv” und “Papst-Gebet”. Denn die Gebete und Meditationen, die der Papst morgen sprechen wird und die “heute schon in BILD” stehen, wurden nicht nur am Dienstag schon in einem Buch auf deutsch veröffentlicht, sondern stehen auch mindestens seit Montag schon auf der offiziellen Internetseite des Vatikan. Und das, was “Bild” “das Karfreitags-Gebet von Papst Benedikt XVI.” nennt, ist gut zur Hälfte nicht einmal ein Gebet, sondern nur eine “Betrachtung”. Die “Bild”-Zeitung hat aus zwei verschiedenen Arten von Kreuzweg-Texten einfach ein eigenes Papst-Gebet montiert.

Das hat sie dafür aber nun tatsächlich exklusiv.

Danke an Martin R. und Jason M. für die Hinweise!

Allgemein  

Schal und Lauch

Diese Geschichte ist schon fast zwei Wochen alt. Aber vielleicht können wir aus ihr etwas lernen. Über die Abläufe in der Redaktion von Europas größter Tageszeitung. Konkret darüber, wie dort Überschriften gemacht werden.

Wir müssen uns das nämlich etwa so vorstellen, dass da kurz vor Redaktionsschluss ein eigens ausgebildeter Überschriftenmacher ins Büro kommt. Er setzt sich schnaufend an seinen Platz, lässt sich die Augen verbinden, und dann hat jeder Autor etwa zehn Sekunden Zeit, ihm ausführlich den Inhalt seinen Artikels zu schildern. Der Überschriftenmacher, ein Profi, formuliert daraus eine griffige Headline und tippt sie blind in den Computer, bevor der nächste an die Reihe kommt.

So könnte es sein. Jedenfalls ist das nicht die abwegigste Erklärung für das, was da am 31. März in “Bild” (Halle) stand.

Es ging in dem Artikel um zwei Männer: Karl-Heinz Paqué und Veit Wolpert. Beide sitzen für die FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt. Der eine, Wolpert, war Fraktionsvorsitzender, der andere, Paqué Finanzminister. In einer Kampfabstimmung um den Posten des Fraktionschefs wurde nun Wolpert von Paqué geschlagen.

Und die “Bild”-Zeitung berichtet über diesen Kampf zwischen den Männern, die sie im Artikel naheliegenderweise Paqué und Wolpert nennt, unter der Überschrift:

Paquet schlägt Volpert k.o.

Vielen Dank an Thomas R. für Hinweis und Scan!

Noch ein Radler für “Bild”, bitte!

Wenigstens kann man der “Bild”-Zeitung nicht vorwerfen, in ihrem heutigen Bericht über das “Team Gerolsteiner” nicht genügend Mineralwasser-Wortspiele gemacht zu haben: “Volle Pulle … kann keiner das Wasser reichen … volle Pulle … naß machen … spritzig … erfrischende Erfolge …”

Vielleicht aber hätte es sich gelohnt, den Artikel von jemandem schreiben zu lassen, der sich nicht nur mit Kalauern, sondern auch mit, sagen wir, Radsport auskennt. Denn anders als “Bild” schreibt, hat Levi Leipheimer nicht die Kalifornien-Rundfahrt gewonnen, sondern nur die Bergwertung. Und anders als “Bild” schreibt, war Leipheimer nicht “einer der wichtigsten Helfer bei den Tour-Siegen von Rad-Gigant Lance Armstrong” — Leipheimer selbst sagt: “Ich habe nie zu seiner Gruppe gehört.” Und fraglich ist auch, ob man von einem “Team aus jungen, spritzigen Nobodys” sprechen kann, wenn dazu zum Beispiel Fabian Wegmann gehört, der unter anderem 2004 das Grüne Trikot beim Giro d’Italia gewonnen hat.

Vielen Dank an Pascal E. und radsport-forum.de, auch für die in Bezug auf “Bild” rührend naive Aussage: “soviele Fehler in einem Artikel kann es doch gar nicht geben”.

Befreiung vom Pranger

“Stern”-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges kommentiert die Kampagne von “Bild” gegen Norbert Lammert:

Seit Jahresbeginn hat das Blatt eine immer schrillere, drückendere, mitunter verächtlich tönende Kampagne gegen “Luxus-Pensionen” und “Schrumpf-Renten”, “Politiker- Lügen” und “Renten-Lügner” entfaltet — bis sich die Stimme überschlug, bis alle Instrumente gezeigt waren, bis Strafanzeige gegen die “Renten-Lügner” erstattet und Lammert ins Fadenkreuz gerückt worden war. Aber weder schlugen andere Medien solche Töne an, noch ließ sich die Politik nachhaltig erschrecken.

(…) Nun zeichnet sich ab: Das Blatt, das in rot-grüner Ära mit einer einzigen lässigen Schlagzeile (“Zwangsrente”) die Riester-Rente als Pflicht zu kippen vermochte, kann in Zeiten der Großen Koalition selbst unter Aufbietung aller Kräfte nicht mehr unmittelbar in die Politik eingreifen. Weil ihm der mächtige Partner in der Opposition fehlt, weil sich die öffentliche Debatte beruhigt hat, weil die Politik ihre Würde verteidigt und ihre Autonomie zurückerobert. Die “Bild”-Kampagne war eine Kampagne in eigener Sache, zur Behauptung publizistischer Macht. Ihr Scheitern, die Umkehrung früherer Verhältnisse fasst ein prominenter Konservativer trotzig in die Worte: “70 Millionen Deutsche lesen die ‘Bild’-Zeitung nicht.”

(Nur kostenpflichtig online.)

Kurz korrigiert (94)

Manchmal könnte man meinen, so eine Star-Klatschreporterin wie Christiane Hoffmann*, die weiß es nicht nur, die ist sogar dabei. Dagegen spricht allerdings, dass sie ihrem Bericht über die Sat.1-Show “Jetzt geht’s um die Eier” die Ortsmarke “Dortmund” vorangestellt hat. Die Sendung kam aus Halle/Westfalen. Das ist, anders als man meinen könnte, eine richtige Stadt und nicht nur ein Kosename für die Westfalen-Halle.

Danke an Henrik W. für den Hinweis.

*) Nachtrag, 16.30 Uhr. Anders als es bei Bild.de scheint, hat heute Patricia Dreyer die Kolumne von Christiane Hoffmann geschrieben.

Nachtrag, 21.30 Uhr. Bild.de hat sich entschieden, das Wort “Dortmund” zu streichen — sicherheitshalber ersatzlos.

Das läuft mit den Ausländern falsch

Die “Bild am Sonntag” veröffentlicht heute folgenden Leserbrief:

Randalierende ausländische Schüler ohne Deutschkenntnisse und ohne Integrationswillen sollten mit den Eltern ausgewiesen werden, da die Eltern den ihnen erteilten Erziehungsauftrag laut Artikel 6 des Grundgesetzes nicht erfüllt haben.

Ein abwegiger Gedanke? Nicht wenn man in den letzten Tagen “Bild” gelesen hat.

Die “Bild”-Zeitung glaubt nämlich, dass in den vergangenen Jahren in Deutschland nicht ehrlich genug darüber diskutiert wurde, was “mit den Ausländern falsch läuft”. Sie hat das in dieser Woche mal geändert und aufgeschrieben, was Ausländer für unser Land wirklich bedeuten:

(Repräsentative Ausrisse aus den “Bild”-Artikeln “Multi-Kulti ist gescheitert”, “Jeder 5. Tatverdächtige ist Ausländer”, “7 Wahrheiten über Ausländer-Politik”, “2010 so viele Ausländer wie junge Deutsche”, “Stoiber: Wer nicht Deutsch spricht, kommt auf die Sonderschule!” und “Sie nennen deutsche Mädchen ‘Hurentöchter'”. Wir haben die positiven Begriffe nicht weggelassen, das hat “Bild” getan. Der Gedanke, dass es Millionen Ausländer gibt, die “friedlich” und “freundlich” in Deutschland leben, fand sich immerhin in einem “Bild”-Kommentar am 1. April.)

Computerspiel, auch für Papis geeignet

Schon erstaunlich: Eine Zeitung, die glaubt, dass Menschen Computerspiele nutzen, um reale Morde zu üben, empfiehlt ein Computerspiel, in dem man die Rolle eines Mafiaboss übernimmt:

Spielen Sie doch mal Mafia-Pate!

Der “Bild”-Artikel vom Dienstag vergangener Woche beginnt mit den treuherzigen Worten:

Eigentlich spielen ja hauptsächlich Kids Videospiele, dieses könnte auch eins für die Papis sein!

Und am Ende steht:

Freigeben ab 14 Jahren

Gemeint ist sicher: Freigegeben ab 14.

Dabei ist 14 gar keine Altersgrenze. 14 ist der Paragraph im Jugendschutzgesetz, in dem es um Altersfreigaben geht.

Und “The Godfather — Der Pate” hat nach diesem Paragraphen von der Unterhaltungssoftware SelbstKontrolle (USK) keine Jugendfreigabe erhalten und darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht verkauft werden. Das Urteil der USK bedeutet:

Der Inhalt ist geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Danke an Raymond für den Hinweis!

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