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Kurz korrigiert (419)

Hach, Catherine Deneuve! Norbert Körzdörfer ist für “Bild” in Cannes, scheint ganz hingerissen von der Schauspielerin, nennt sie einen Oldie und schwärmt abschließend:

Die Franzosen meißelten ihren Kopf als Madeleine-Büste in jedes Rathaus.

Madeleine ist als Name eines in Portugal verschwundenen vierjährigen Mädchens gerade groß in den Medien. Körzdörfer meint bestimmt Marianne.

Danke an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 24. Mai. Bild.de hat aus Körzdörfers “Madeleine” nun eine “Marianne” gemacht.

Al-Masri: “Bild” gießt Benzin ins Feuer

“Bild” ist mit Khaled al-Masri noch nicht fertig. Heute fasst die Zeitung die Vorgeschichte des Mannes, der vermutlich von der CIA nach Afghanistan entführt und dort monatelang festgehalten wurde und der in der vergangenen Woche einen Brandanschlag auf einen Großmarkt verübt hat, in einem einzigen Satz zusammen. Er lautet:

Mit seiner widerlegten Behauptung, ein Deutscher namens “Sam” — angeblich BKA-Beamter — habe ihn während der Haft in Afghanistan vernommen, löste er eine Regierungskrise aus.

Es ist ein außerordentlich perfider Satz. Einerseits korrigiert “Bild” darin unauffällig einen eigenen Fehler: Vergangenen Samstag hatte sie noch geschrieben, dass al-Masri behaupte, bei “Sam” handele es sich um einen BND-Mann. In Wahrheit behauptet al-Masri nur, er sei von einem Deutschen namens “Sam” in Afghanistan vernommen worden. Er hatte allerdings geglaubt, in einem BKA-Beamten diesen “Sam” wiederzuerkennen.

Aber “Bild” verbindet die kleine, heimliche Korrektur mit einer noch größeren Lüge. Denn “widerlegt” ist al-Masris Behauptung, von einem Deutschen in Afghanistan verhört worden zu sein, keineswegs. Richtig ist nur, dass der BKA-Beamte, den Masri mit großer Wahrscheinlichkeit als “Sam” identifiziert hatte, für die fragliche Zeit anscheinend ein Alibi hat. Die Münchner Staatsanwaltschaft aber sucht bei ihren Ermittlungen im Fall al-Masri weiterhin nach einem Deutschen.

Knallhart recherchiert (4)

“Bild” hat heute eine Rüge durch den Presserat wegen Schleichwerbung abgedruckt — obwohl sie sie nach wie vor “nicht nachvollziehen” kann.

Die Zeitung hatte am 4. Januar über die neuen Reise-Angebote von Aldi berichtet, detailliert Preise und Bestellmöglichkeiten genannt und behauptet:

Ab morgen gibt’s beim Lebensmittel-Discounter ALDI auch Urlaub! BILD hat die besten Angebote jetzt schon recherchiert.

Die “besten Angebote” waren dabei sämtliche Angebote, und die “Recherche” bestand mutmaßlich daraus, sie aus einer für den kommenden Tag gebuchten Aldi-Anzeige abzuschreiben. Über die Tatsache, dass Aldi Billigreisen anbieten wird, hatte “Bild” übrigens bereits Ende 2006 zweimal berichtet und zwei Tage nach der gerügten Meldung anhand falscher Zahlen gejubelt: “Deutschland fliegt auf ALDI-Urlaub”. (Dies ist nicht Bestandteil der Rüge.)

Gegen die Entscheidung des Presserates hatte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann heftig protestiert, und im Blatt heute ist die Erwiderung von “Bild” länger als die Rüge selbst (siehe Ausriss). “Bild” bleibt dabei:

Wir glauben, dass BILD-Leser sich für diese Informationen interessieren und dass es zur Aufgabe einer Zeitung gehört, darüber zu berichten.

Übrigens: In der vergangenen Woche wurde durch Recherchen der “Lebensmittelzeitung” bekannt, dass Aldi seine “Preisgarantie” aus dem vergangenen Herbst aufgegeben hat, die Preise von rund 200 Produkten einzufrieren (“Bild” berichtete). Darüber berichteten in den vergangenen Tagen u.a. “Spiegel Online”, “Welt”, manager-magazin.de, “Hamburger Abendblatt”, “Süddeutsche Zeitung”, “Frankfurter Allgemeine Zeitung” und “Berliner Zeitung” sowie die Nachrichtenagenturen AFP und ddp.

“Bild”-Leser dagegen scheinen sich für diese Art von Informationen nach Ansicht der “Bild”-Zeitung nicht zu interessieren. Wir konnten keinen noch so kleinen Hinweis auf die Aldi-Preiserhöhungen in der “Bild”-Zeitung entdecken.

Aus dem Newsletter Nr. 12 des Deutschen Presserates

Die Rechtsabteilung der [“Bild”-]Zeitung weist den Vorwurf zurück, dem großen Anzeigenkunden [Aldi] sei eine Gefälligkeit erwiesen worden. Für den Artikel habe es einen publizistischen Anlass gegeben. Erstmals sei ein Discounter ins Reisegeschäft eingestiegen; alle Medien hätten darüber berichtet.

Und noch etwas: Nach Angaben des Presserates (siehe rechts) begründete die Rechtsabteilung von “Bild” die Zulässigkeit des freundlichen Aldi-Werbe-Berichts ihm gegenüber damit, dass es für den Artikel einen publizistischen Anlass gegeben habe: Erstmals sei ein Discounter ins Reisegeschäft eingestiegen. Das ist falsch, und “Bild” weiß es. Am 14. Dezember 2006 schrieb das Blatt:

Nachdem die Supermarktkette “Lidl” am 6. Dezember mit einem Online-Reisebüro gestartet ist, zieht der Marktführer nach: Ab dem 5.1.2007 können Sie auch bei “Aldi” Urlaub buchen!

Danke auch an Antonio und Sylvio!

Allgemein  

Noch eine Umfrage-Sensation aus der “BamS”

Überhaupt wären wir gerne einmal dabei, wenn bei der “Bild am Sonntag” die allwöchentlichen “Umfrage-Sensationen” interpretiert oder visualisiert werden — schon um herauszufinden, welche Drogen dabei gereicht werden.

In der Woche, bevor “BamS”-Politikchef Jochen Gaugele vermeldete, dass Deutschland “nach links kippt” bzw. “rot wird”, hatte er schon mithilfe einer Forsa-Umfrage herausgefunden, dass Arbeiter angeblich Gerhard Schröder als SPD-Kanzlerkandidat wollen. Die Ergebnisse im Detail stellte “BamS” in einer Grafik dar, in die wir schon mal behelfsweise in Grün ein paar Markierungen eingetragen haben, die sich grob an den 15-Prozent-Säulen orientieren:

Und wir merken uns:

  • 20 Prozent für Beck sind mehr als 20 Prozent für Steinmeier.
  • 20 Prozent für Steinmeier sind weniger als 18 Prozent für Schröder.
  • 7 Prozent sind höchstens ein Drittel von 15 Prozent.
  • 9 Prozent sind nicht mal die Hälfte von 15 Prozent.

Nicht auszuschließen ist natürlich die Möglichkeit, dass es sich bei der Darstellung um ein ausgeklügeltes, aber versehentlich falsch gefaltetes 3D-Modell handelt, auf das wir aus einer ganz ungünstigen Perspektive blicken.

Vielen Dank an Benjamin!

Wenn Umfragen auf die schiefe Bahn geraten

Die “Bild am Sonntag” war ganz außer sich vor Aufregung:

UMFRAGE-SENSATION: Deutschland kippt nach links

Das (aus Sicht der Zeitung) alarmierende Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage:

Deutschland färbt sich rot!

Die “BamS” macht das an Meinungsumfragen für drei Landtage und den Bundestag fest, und sie übertreibt maßlos. Die CDU würde zwar im Saarland, in Hessen und in Thüringen heftig verlieren. Die “BamS” verschweigt aber, dass es sowohl im Saarland als auch in Hessen weiterhin eine bürgerliche Mehrheit aus CDU und FDP geben würde.

Und im Bundestag? Würden die Regierungsparteien an die Oppositionsparteien verlieren, ohne dass sich an den Mehrheiten etwas änderte.

Bedeutungsschwanger schreibt die “BamS” dennoch:

Die Emnid-Zahlen belegen: Einen Linkstrend gibt es bundesweit! Eine rot-rot-grüne Regierungskoalition aus SPD (30%), Linkspartei (11%) und Grünen (11%) hätte gegenwärtig eine rechnerische Mehrheit von 52 Prozent — ein Punkt mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl. Die Union liegt bei 34, die FDP bei elf Prozent (2005: 35,2% beziehungsweise 9,8%). Von einer schwarz-gelben Mehrheit keine Spur!

Da kann man ja fast von einem Erdrutsch sprechen: Rot-rot-grün liegt in der sensationellen Umfrage um genau einen Prozentpunkt über dem Wahlergebnis vor eineinhalb Jahren!

Oder um die “BamS”-Aussage “Deutschland färbt sich rot” mal anhand der Umfrageergebnisse anschaulich zu machen:

Ja. Und die “rechnerische Mehrheit” für rot-rot-grün, die die “BamS” so elektrisiert, gibt es im Bundestag nun schon seit neun Jahren: seit der Wahl 1998.

Die “Bild am Sonntag” hat also den Lautstärkeregler ein bisschen überdreht — aus politischem Kalkül, um sich wichtig zu tun oder einfach: weil es die “BamS” ist. Erstaunlicherweise aber scheinen andere Medien sich nicht daran gestört zu haben, wie verzerrt die Interpretation der “BamS” ist.

“Spiegel Online” berichtet über die Emnid-“BamS”-Umfrage unter der Überschrift:

Die Republik rückt nach links

Und staunt ebenfalls über die Prognose längst schon bestehender Realitäten:

Bundesweit ermittelte Emnid eine rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis.

Genau wie der Chefredakteur der “Rheinischen Post”, Sven Gösmann (ein ehemaliger “Bild”-Mann), der zudem ein ganzes Essay verfasste. Titel:

Der Links-Ruck

Keine Frage, es gibt ihn, den “Links-Ruck”. Maßstabsgetreu sieht er ungefähr so aus:

Kurz korrigiert (417)

“Bild am Sonntag”-Kolumnistin Carolin Dendler berichtet aus Cannes:

Eine Love-Story, die das Drehbuch (“Control”) schrieb, macht gerade Schlagzeilen bei uns: Alexandra Maria Lara (“Der Untergang”) outete ihre Liebe zu Filmpartner Sam Riley, früher Sänger der Brit-Band “Joy Division”.

Dendler hält das “für gelungene Film-PR” — hat aber an entscheidender Stelle den Unterschied zwischen Film und Realität übersehen. Sam Riley war wenige Monate alt, als sich die Band Joy Division im Mai 1980 auflöste. Und aufgelöst hat sie sich, weil ihr Sänger Ian Curtis Selbstmord beging. In dem Film “Control” spielt Frau Laras angeblicher neuer Freund den Joy-Division-Sänger.

Danke an Kate B. und Phillipp S. für die Hinweise!

“Bild” fühlt sich von Entführungsopfer terrorisiert

Man muss das kurz rekapitulieren: Khaled al-Masri ist nach eigenen Angaben Silvester 2003 in Mazedonien verhaftet, mehrere Wochen verhört, von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort misshandelt, gefoltert und monatelang festgehalten worden. Zeugenaussagen und Dokumente bestätigen zentrale Aussagen al-Masris; das Amtsgericht München hat im Januar Haftbefehl gegen 13 Agenten der CIA wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Die Rolle der deutschen Bundesregierung und der deutschen Geheimdienste ist umstritten, ungeklärt ist vor allem, wer der Deutsche gewesen ist, der sich nach al-Masris Angaben als “Sam” vorstellte und ihn in Afghanistan vernahm. Der Fall beschäftigt Gerichte und Untersuchungsausschüsse.

Man muss das kurz rekapitulieren. Und dann muss man sich den Satz durchlesen, mit dem die “Bild”-Zeitung die Versuche al-Masris beschreibt, die Wahrheit herauszufinden und Recht zu bekommen. Er lautet so:

Monatelang terrorisierte der Islamist als angebliches CIA-Folteropfer die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit!

Wenn ein Entführungsopfer, dem nach Meinung von Regierung und Opposition schweres Unrecht geschehen ist, von rechtlichen und publizistischen Mitteln Gebrauch macht, ist das “Terror”? Für “Bild” ja:

Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?

Anlass für den Bericht ist, dass al-Masri in dieser Woche einen Großmarkt anzündete und in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Die “Bild”-Redakteure Ulrike Brendlin und Hans-Jörg Vehlewald fassen es so zusammen:

Nun stellt sich raus: Al-Masri ist ein durchgeknallter Schläger, Querulant und Brandstifter. Auch ein Lügner?

Dass al-Masris psychische Probleme und wiederholte Ausfälle eine Folge seiner traumatischen Erfahrungen gewesen sein könnten, kommt bei “Bild” nicht einmal als nicht ganz auszuschließende Möglichkeit vor. Systematisch diskreditiert sie seine Aussagen und spielt seine Qualen herunter. “Bild” schreibt:

Fest steht bis heute nur, dass al-Masri Silvester 2003 versehentlich in Mazedonien verschleppt und für fünf Monate inhaftiert wurde.

Die wochenlang vorbereitete Entführung von al-Masri durch Agenten der CIA in Mazedonien wird fast zu einer Lappalie heruntergeschrieben, “versehentlich”, kann ja mal passieren. “Bild” weiter:

Zum Skandal wurde seine Geschichte erst, als Masri behauptete, während der Haft misshandelt und auch von deutschen BND-Agenten (“Sam”) verhört worden zu sein.

So spielt “Bild” die monatelange Peinigung in einem afghanischen Gefängnis herunter, Hungerstreik und Todesangst inklusive. Und ein “Skandal” war al-Masris “Geschichte” natürlich ohnehin schon: Amerikanische Medien fanden es — anders als offenbar “Bild” — durchaus bemerkenswert, dass im Krieg gegen den Terror irgendwelche Leute von der CIA entführt und in Länder wie Afghanistan verbracht werden, insbesondere wenn es sich nicht einmal um die richtigen Leute handelte.

Bei “Bild” ist al-Masri nicht Opfer, sondern (auch ohne die Brandstiftung) in vielfacher Weise Täter. Die Zeitung nennt ihn zum Beispiel den “Verursacher des ganzen Chaos” und meint damit den Streit in der Bundesregierung und die Untersuchungsausschüsse. Als Indiz dafür, dass al-Masri “auch ein Lügner” sein könnte, schreibt “Bild”:

Gleich mehrere Ausschüsse, sogar ein eigener “BND-Ausschuss” nahmen die ehemaligen und amtierenden Bundesminister (u. a. Otto Schily, Joschka Fischer) ins Kreuzverhör — ohne greifbare Ergebnisse.

“Bild” suggeriert in einem logischen Kurzschluss: Wenn den politischen Verantwortlichen kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde, muss wohl der “Verursacher des ganzen Chaos” im Unrecht sein.

Hans Leyendecker, Leitender Redakteur der “Süddeutschen Zeitung” und für seine Recherchen im Fall al-Masri gerade mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet, nennt die “Bild”-Berichterstattung gegenüber BILDblog “niederträchtig und verworfen”. Er widerspricht auch der “Bild”-Formulierung, al-Masri habe behauptet, “von deutschen BND-Agenten (‘Sam’) verhört worden” zu sein:

Al-Masri hat nicht von mehreren deutschen Vernehmern gesprochen, sondern nur von einem Mann, der sich Sam genannt habe. Dass es sich, wie “Bild” bedeutet, um einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes gehandelt habe, hat Al-Masri nie gesagt. Er weiß nicht, ob der Mann von einer deutschen Behörde kam und deshalb behauptet er es nicht.

Er hat ein anderes Verhältnis zur Wahrheit als “Bild”.

Nachtrag, 15.30 Uhr. Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” nennt den “Bild”-Artikel über al-Masri heute ein “publizistisches Eintreten auf einen, der am Boden liegt” und findet die “Entgleisung selbst für ‘Bild’-Standards beachtlich”. “FAS”-Redakteur Nils Minkmar schreibt:

“Noch nie aber hat mich ein Artikel in irgendeiner Zeitung so alarmiert und beunruhigt wie der Text des Blattes über Khaled El Masri (…). Offenbar hält man dort die Spannung nicht aus, die sich daraus ergibt, dass eine offene Gesellschaft eben auch ihre Verfehlungen offen und ehrlich diskutiert. (…) ‘Bild’ ist das wohl alles zu komplex. Daher verfällt man dort in eine regressive, eine Kinderreaktion: Das Opfer ist selber schuld. Für ‘so einen’ gilt auch kein Grundgesetz.”

Nachtrag, 21. Mai. Hans Leyendecker schreibt in der heutigen Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung” über den “Bild”-Bericht:

“Die immer noch vorhandene hetzerische Gewalt des Blattes, die von Heinrich Böll meisterlich beschrieben wurde, bekommt wieder einen neuen Namen. Die Erklärungen von Springer-Spitzenleuten über sauberen Journalismus, über Qualität erweisen sich angesichts dieses Falles als Konfetti.”

Mehr dazu hier, hier, hier, hier und hier.

“Warum mag uns eigentlich keiner?”

Für die “Bild”-Zeitung ist der Eurovision Song Contest traditionell ein Anlass, nationalistische Töne anzuschlagen. Vor zwei Jahren kommentierte die Zeitung das schlechte Abschneiden Deutschlands unter anderem mit der Feststellung:

Wir haben keine Freunde.

Und jammerte:

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey. (…)

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Auch heute verwechselt die “Bild”-Zeitung den Schlager- mit einem nationalen Sympathiewettbewerb und fragt in ihrem Online-Auftritt:

Warum mag uns eigentlich keiner?

Und jammert:

Statt unseren Swing-König mit Punkten zu belohnen, schacherten sich die osteuropäischen Staaten wieder gegenseitig die Punkte zu. (…)

Grand-Prix-Wut auf die Stimmen-Mafia aus dem Osten!

Nun ist es schon erstaunlich, dass eine so harmlose Veranstaltung die “Bild”-Zeitung immer wieder dazu veranlasst, Ressentiments gegen andere Nationen zu pflegen und zu bedienen. Doch der Versuch, das schlechte Abschneiden Deutschlands und anderer westlicher Länder mit einer “Mafia” zu erklären, ist auch sachlich haltlos. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn man sich das Ergebnis ansieht, wenn man nur die Stimmen der 21 westeuropäisch oder westlich orientierten Länder** berücksichtigt:

Ohne die “Mafia” aus dem Osten würde sich also auf den vorderen Plätzen fast nichts ändern, und Deutschland wäre statt auf einem sehr traurigen 19. auf einem traurigen 14. Platz gelandet. Tja.

Der Ausdruck “Mafia” bezeichnet übrigens eine “verbrecherische Geheimorganisation”.

Vielen Dank an Amin N. für die Anregung!

**) Andorra, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Israel, Malta Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei, Zypern.

Nachtrag, 14. Mai. Der Aufmacher der heutigen “Bild”-Zeitung sieht so aus:

Ungeachtet der Fakten spricht die “Bild”-Zeitung in ihrem Artikel vom “Schummel-Grand-Prix”, der “Stimmen-Mafia aus Ost-Europa”, einer “Riesen-Schummelei” und der “Stimmen-Schacherei der Ost-Europäer”.

Fette Schlagzeile gesucht, Alter egal

FORSCHER FINDEN NEUE BEWEISE: Dicke sind in Wahrheit glücklicher!

Die gute Nachricht für alle Übergewichtigen und Gutgläubigen: Die fette Schlagzeile, mit der “Bild” heute aufmacht, ist nicht ganz falsch. Und es könnte sogar stimmen, wenn “Bild” im Artikel selbst schreibt:

Nach dem geplanten Schlank-Programm der Bundesregierung (“Fit statt fett”) sagen Forscher: Schlank allein macht nicht froh — oft sind Dicke sogar glücklicher!
(Hervorhebung von uns.)

Denn vielleicht hat Professor Finn Rasmussen vom Stockholmer Karolinska-Institut das Ergebnis seiner Studie, wonach das Selbstmordrisiko bei Männern mit steigendem Gewicht sinkt, gegenüber “Bild” tatsächlich gestern noch einmal bestätigt. Womöglich, wir wissen es nicht, mit einer Formulierung wie: “Ach, Sie meinen unsere alte Untersuchung, die wir Januar 2006 im ‘American Journal of Epidemiology’ veröffentlicht haben und über deutsche Medien wie die ‘Süddeutsche Zeitung’ oder ‘Focus’ schon vor 16 Monaten berichtet haben? Ja, nee, da hat sich seit damals nichts verändert, da können Sie ruhig noch einmal drüber schreiben.”

Warum “Bild” diese alten Beweise “neue Beweise” nennt? Vermutlich einfach, weil es sonst komisch ausgesehen hätte, mit dem Ausrufezeichen und als Schlagzeile einer Tageszeitung. Dass Rasmussen damals ausdrücklich formulierte, sein für Dicke positives Ergebnis gelte nur für Männer, bei Frauen sei es laut anderer Studien genau umgekehrt, dass die “Bild”-Schlagzeile also auch insofern in die Irre führt, fand die Zeitung offenbar nicht entscheidend.

Die gute Laune der Übergewichtigen trübt sie aber noch im selben Artikel wieder, wenn sie behauptet, ab einem Body-Mass-Index von 25 leide man an “extremen Übergewicht” und brauche “professionelle Hilfe”. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO endet bei 25 gerade erst der Bereich des “Normalgewichts”, auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung spricht erst bei einem BMI von 29 bis 30 von “deutlichem Übergewicht”.

Danke an Ralph und Thomas D.!

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