Autoren-Archiv

Bild.de noch nicht EM-reif

Ja, Oliver Neuville hat beim Testspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Serbien ein Tor geschossen, und gejubelt hat er auch. Aber nicht so, wie es bei Bild.de aussieht:

Denn das ist, unschwer am Trikot zu erkennen, Neuvilles Jubel von der Fußball-WM 2006, und zwar nach seinem 1:0 gegen Polen.

Es geht übrigens auch nicht, wie Bild.de schreibt, “am 8. Juni gegen Österreich in die EM”, sondern gegen Polen. Das Spiel Deutschland gegen Österreich findet am 16. Juni statt.

Naja, ist ja noch eine Woche bis zum Beginn der Europameisterschaft. Vielleicht schickt Bild.de sein Team vorher noch ins Trainingscamp.

Mit Dank an Sebastian D., Marco F., Nico D., Casey J. und Frederic S..

Nachtrag, 1. Juni. Bild.de hat das Foto entfernt und Österreich durch Polen ersetzt.

Moreno hält sich nicht an “Bild”-Wissen

Die “Bild”-Reporter Christoph Sonnenberg und Alexander Holzapfel haben gestern zwei Artikel über den bolivianischen Fußballstürmer Marcelo Moreno geschrieben. Der erste bekam die Überschrift:

Werder hat Moreno

Der zweite:

Moreno sagt bei Werder ab

Und wie zur Erklärung steht im zweiten der Satz:

Der Deal war so gut wie perfekt…

…aber eben nicht ganz!

Und nun kann man natürlich fragen, warum man bei “Bild” diesen Unterschied nur dann kennt, wenn man — mal wieder — einen Deal als perfekt beschrieben hat, der noch gar nicht perfekt war. Aber vermutlich ist das einfach Kalkül: Hätten sich die voreiligen Tatsachenbehauptungen im Nachhinein als zutreffend herausgestellt, hätte “Bild” sich wieder damit brüsten können, solche Nachrichten als erstes zu wissen.

Aber vielleicht hatten die “Bild”-Reporter Christoph Sonnenberg und Alexander Holzapfel in den vergangenen neun Tagen auch einfach ihr Kontingent an Spekulationen aufgebraucht, und es waren nur noch Tatsachenbehauptungen im Angebot.

Kurz korrigiert

Bild.de behauptete auch, Moreno werde nicht zum ebenfalls diskutierten Verein Tottenham wechseln, denn: “Tottenham spielt nicht international.” In Wahrheit ist Tottenham für den UEFA-Cup qualifiziert.

Um 18.01 Uhr veröffentlichte Bild.de gestern (wie berichtet) die Meldung, dass der Wechsel von Moreno zu Werder Bremen so gut wie perfekt sei, aus der in der Überschrift und in den Teasern schon eine Tatsache wurde. Das war nicht nur falsch, sondern auch der ungefähr dümmstmögliche Zeitpunkt. Mindestens eine Stunde zuvor hatte nämlich Morenos aktueller Verein, Cruzeiro EC, auf seiner Homepage bestätigt, dass Moreno in die Ukraine wechselt. Und während “Bild” noch halbblind auf Werder tippte, berichteten brasilianische Online-Medien längst das zutreffende Gegenteil.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

neu  

“Bild” zieht Kontaktanzeige für Meret Becker zurück

Nein, das ist kein Sehtest, den die “Bild”-Zeitung heute ihren Lesern in Berlin und Brandenburg auf Seite 8 als Service anbietet. Es handelt sich um eine Gegendarstellung.

Und vermutlich muss Meret Becker schon froh sein, dass “Bild” diese Klarstellung nur über den Stellenmarkt und nicht über die Kontaktanzeigen gestellt hat. Jedenfalls steht da, in Groß- und Kleinschreibung übersetzt:

Gegendarstellung zu “Ich suche einen Mann” vom 20.5.2008: Ich suche keinen Mann. Ich habe auch nicht gesagt: “Ich bin reif für eine neue Beziehung” oder “Aber ich bin leider schon lange wieder Single!”
Berlin, den 20.5.2008
RA Eisenberg für Meret Becker.

Und dahinter hat die Redaktion geschrieben:

Meret Becker hat Recht.

“Bild” muss die Gegendarstellung sogar auf den sogenannten Händlerschürzen vor den Kiosken bewerben:


Foto: kress.de/C. Meier

Am vergangenen Dienstag hatte “Bild” in großer Aufmachung und exklusiv berichtet:

Single-Männer, diese Zeilen könnten euch brennend interessieren…

Berlins schöne Chansonsängerin und Schauspielerin Meret Becker (39) verrät in BILD: “Ich bin reif für eine neue Beziehung.”

[etc. pp.]

Wie “Bild”-Klatschreporterin Esther Hofmann vergangene Woche darauf kam, Meret Becker habe “in BILD” etwas gesagt, was sie laut “Bild” heute gar nicht gesagt hat, wissen wir nicht. Aber in einer “Stern-TV-Reportage” gab Hofmann vor zwei Jahren Einblicke in ihre Arbeit. Angekündigt wurde sie damals so:

Um knackige Storys aus der Welt der Reichen und Schönen zu bekommen, braucht es schon Know-How und spezielle Kniffe. Esther kennt sie alle nach 15 Jahren Berufserfahrung, in denen sich die 40-Jährige nicht immer beliebt gemacht hat. Die Frau, die weiß: “Wenn ich eine Geschichte haben will, dann kriege ich sie”, gilt allgemein als gefürchtet.

Vielen Dank an Tommi R. und Nina H. für die Hinweise!

“Bild” und Grand-Prix: War schon schlimmer

Man muss dankbar sein.

Als Gracia vor drei Jahren beim Eurovision Song Contest auf den letzten Platz kam, schrieb “Bild”-Autor Hauke Brost einen langen Text über die Frage “Warum mag uns keiner mehr?”, in dem Sätze standen wie:

NEHMEN WIR MAL DIE POLEN. Wer sich da drüben einen gebrauchten Skoda leisten kann, wo hat der denn die Kohle her? Auf deutschen Baustellen Fliesen verlegt oder in deutschen Schlachthöfen Rinder zerlegt. Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Polen).

ODER DIE HOLLÄNDER. Jetzt legen sie mit ihren Käse-Wohnwagen wieder die deutschen Überholspuren lahm, ohne Maut natürlich. Wir stehen dafür im Stau. Aber Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Holland). (…)

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey.

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Man muss dankbar sein. Nachdem in diesem Jahr auch die No Angels beim Eurovision Song Contest sehr schlecht abgeschnitten haben, schreibt “Bild” zwar auf der Titelseite “Wir zahlen und die anderen schieben sich die Punkte zu”, aber die Berichterstattung ist vergleichsweise anständig.

Vergleichsweise.

Unerklärlich bleibt, wie Mark Pittelkau, ein kleiner Veteran der “Bild”-Grand-Prix-Berichterstattung, zu dem Urteil kommt:

Es ist das schlimmste Desaster der deutschen Grand-Prix-Geschichte!

Genau genommen ist es höchstens das schlimmste Desaster der deutschen Grand-Prix-Geschichte der letzten zwei Jahre.

Jetzt kamen die No Angels mit 14 Punkten auf den drittletzten Platz. 2005 kam Gracia mit 4 Punkten auf den letzten Platz. 1995 kam Stone & Stone mit einem Punkt auf den letzten Platz. Und 1996 schaffte es Deutschland gar nicht erst ins Finale.

Auch nur sehr, sehr ungefähr stimmen Pittelkaus Aussagen über das gegenseitige “Zuschachern” von Stimmen osteuropäischer Staaten:

Wie jedes Jahr bekam zum Beispiel Bosnien von Kroatien 12 Punkte, Länder wie Armenien, Aserbaidschan und Russland schoben sich die Punkte gegenseitig zu (…).

Bosnien hat bisher 14-mal am Grand-Prix teilgenommen. Vor diesem Jahr bekam das Land erst einmal zwölf Punkte aus Kroatien (2006). Und wer etwas über das Verhältnis zwischen Armenien und Aserbaidschan weiß, wird nicht erstaunt sein, dass beide Länder einander jeweils exakt null Punkte gaben.

Aber, wie gesagt: Man muss schon dankbar sein.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

Trauzeugenjournalismus

Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.

“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”

Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.

Mit Dank an Stefan W. für die Idee!

Schlimm & schlimmer

Es ist eine erschreckende Zahl und ein hochemotionales Thema, aber der “Bild”-Bericht dazu ist geradezu vorbildlich:

Die Gewalt an Berlins Schulen reißt nicht ab. Körperverletzung, Bedrohung, Mobbing. Die Opfer: Schüler und immer mehr Lehrer.

Allein im vergangenen Schuljahr wurden 1735 Gewaltvorfälle gezählt. Zehn Prozent mehr als 2005/2006 (1573 Fälle). Schlimm! (…)

Dennoch sieht Bildungssenator Jürgen Zöllner (62, SPD) eine Besserung der Situation: “Die Zunahme der Meldungen ist nicht mehr so stark.” Im Schuljahr 2005/2006 wurden 76 Prozent (!) mehr Gewalttaten gemeldet. (…)

Seit 1992 sind Berlins Schulleiter verpflichtet, Gewaltdelikte zu melden — deutschlandweit einmalig. Doch kaum ein Direktor hielt sich daran, aus Angst, seine Schule könnte in ein schlechtes Licht geraten. Das hat sich offenbar geändert.

Schwer zu sagen, ob dieser “Bild”-Artikel vom 28. März 2008 journalistisch so unangreifbar war, dass er im Nachheinein durch die interne “Bild”-Qualitätskontrolle fiel. Jedenfalls vermeldet “Bild” heute, sechs Wochen später, dieselbe Entwicklung einfach noch einmal…

…diesmal allerdings nach den üblichen journalistischen Standards des Blattes.

Von “Bild” gestrichen:

“Die Zahlen spiegelten aber nicht die Gewaltentwicklung an den Schulen wider, sondern das Meldeverhalten der Schulen, betonte Staatssekretär Eckart Schlemm.”

Aus einer aktuellen Meldung der Nachrichtenagentur dpa (wo man offenbar auch nicht gemerkt hat, dass die Zahlen längst bekannt sind [pdf]), die “Bild” als Grundlage diente, hat das Blatt zum Beispiel die Information gestrichen, dass nach Angaben des Senats die Zunahme damit zusammenhängt, dass ein höherer Anteil der Gewaltdelikte gemeldet wird. Überhaupt hat “Bild” die wichtige Unterscheidung entfernt, dass es sich um die Zahl der gemeldeten, nicht der tatsächlichen Fälle handelt.

Von “Bild” gestrichen:

“Die Zahl von 2007 liege aber immer noch deutlich unter den Steigerungsraten von 1998 bis 2004.”

In derselben Meldung verbreitet dpa auch noch einmal einige Zahlen aus der (vor neun Wochen veröffentlichten) Polizeistatistik über die Kinder- und Jugendkriminalität insgesamt. Auch dabei gibt es einen leichten Anstieg. Allerdings liegen die Zahlen immer noch weit unter den Werten früherer Jahre. Diese Information hat “Bild” ebenfalls säuberlich aus der dpa-Meldung entfernt.

Wenn man sich die Entwicklung im Überblick ansieht, versteht man auch die besondere Form selektiver Wahrnehmung bei “Bild”. Hätte “Bild” auch bei der Polizeistatistik einen Fünf-Jahres-Vergleich gemacht wie bei der Gewalt an Schulen (Grafik links oben), hätte das Blatt nämlich einen deutlichen Rückgang von Jugendgewalt feststellen müssen (Grafik links unten).

Aber wie unrealistisch wäre das denn?

Killerargumente

Kleiner Test: Welches Computerspiel wird hier von “Bild” beschrieben?

Lustigerweise ist die Antwort leicht, obwohl die Beschreibung fast vollständig falsch ist.

Genau:

Vermutlich wäre es schwerer gewesen, darauf zu kommen, wenn “Bild” wenigstens einmal die Wahrheit über “Counterstrike” geschrieben hätte: Dass das Computerspiel an Brutalität durchaus zu überbieten ist. Dass in der deutschen Version kein Blut fließt. Dass es das Ziel nicht ist, so viele Gegner wie möglich zu töten — ja, dass man sogar gewinnen kann, ohne überhaupt zu töten. Und dass das Spiel in Deutschland nicht indiziert, sondern ab 16 Jahren freigegeben ist.

Aber so ist das bei den sogenannten Killerspielen: Man muss sie nicht kennen oder auch nur das Elementarste über sie wissen, um sich zum Beispiel darüber zu empören, dass sie in einem “Haus der Jugend” in Hamburg angeschafft wurden.

Und wie zum Beweis für die Gefährlichkeit solcher Spiele schreibt “Bild” noch:

Zur Erinnerung: Robert Steinhäuser († 19), der am 24. April 2002 in Erfurt an einer Schule zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst erschoss, war begeisterter Spieler von solchen Killerspielen.

Angesichts dieser Logik kann man nur hoffen, dass Steinhäuser nicht auch begeisterter Jeansträger oder “Bild”-Leser war. (Und, zur Erinnerung: Es war der 26. April 2002.)

Mit Dank an Dominic G., David K., Jan Marco S., Benjamin B., Herbert F., Sebastian T., Patrick B., Lukas B., Sascha K., Jan-Henning S., Sascha S., Florian S. und andere.

Allgemein  

Es ist nicht alles Öl, was glänzt

Fast 121 Dollar kostete ein Barrel Rohöl gestern, und wenn die Experten von Goldman Sachs Recht behalten, könnte der Preis für das “Schwarze Gold” (!) in den nächsten zwei Jahren auf bis zu 200 Dollar (120 Euro) steigen. Kein Wunder, dass Bild.de angesichts dieser dramatischen Entwicklung fragt:

Ist Öl bald so wertvoll wie Gold?

Eine konkrete Antwort bleibt Bild.de den Lesern schuldig, aber wir übernehmen das gerne.

Ein Barrel sind rund 159 Liter. Bei einer durchschnittlichen Dichte von 0,85 Kilogramm pro Liter wiegt ein Barrel Rohöl also ungefähr 135 Kilogramm. Bei einem Preis von 120 Euro pro Barrel würde ein Kilo Rohöl rund 88 Cent kosten.

Der Goldpreis wird in Dollar pro Feinunze angegeben. Aktuell beträgt er 865,30 Dollar, umgerechnet 562,35 Euro. Eine Feinunze sind 31,1 Gramm, also beträgt der Kilopreis für Gold gerade 18079,97 Euro.

Anders gesagt: Selbst wenn der Ölpreis wie prognostiziert explodiert, ist Goldenes Gold noch schlappe zwanzigtausendmal wertvoller als Schwarzes Gold.

Aber wie wertvoll wäre Öl wirklich? So wertvoll wie ein kleines Auto? Nein: Der neue Fiat 500 kostet rund 11,17 Euro das Kilo. Selbst die “Bild”-Volksbibel wäre mit einem Kilopreis von 3,98 Euro noch deutlich wertvoller als Öl. Nicht einmal mit dem anderen “schwarzen Gold”, dem Kaffee, könnte es Rohöl an Wert aufnehmen: der wird gerade für 1,36 Euro das Kilo gehandelt. (Von Bananen ganz zu schweigen.)

Machen wir es kurz: Mit etwas Pech wird Öl bald teurer sein als Apfelsaftschorle*.

*) 50 Prozent Fruchtsaftgehalt

Mit großem Dank an Jan W. für den Hinweis und Thomas S. fürs Nachrechnen!

Blättern:  1 ... 10 11 12 ... 115