Der Hammer, was die investigativen Journalisten von “Bild” immer ausgraben. Jetzt haben sie von der RTL-“Bachelorette” etwas entdeckt:
Von Monica (27), heute wieder in der Kuppelshow zu bewundern, tauchten ganz plötzlich heimliche Nacktfotos auf.
Wow. Wo haben sie die entdeckt? In irgendeinem Privatporno? In der untersten Schublade bei einem Ex-Freund? In einem Briefumschlag, der der “Bild”-Redaktion auf mysteriöse Art zugespielt wurde?
Fast. Monica hatte die geheimen Nacktfotos in der italienischen Männerzeitschrift “Fox Uomo” und in der deutschen Männerzeitschrift “Maxim”, einem Schwesterblatt von “Bild”, vor der Öffentlichkeit versteckt.
Und wieder einmal hat die “Bild”-Zeitung eine ganz besonders exklusive Meldung. Sie steht auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe und beginnt so:
Telekom kassiert Strafgebühren
Berlin — Telekomkunden müssen ab 1. Mai 2005 eine Strafgebühr zahlen, wenn sie bei Kunden von Konkurrenz-Anbietern wie City Carrier oder Arcor anrufen.
Das ist — wer hätte das gedacht — falsch. Die Zuschläge bekommt nicht die Telekom, sondern ihre Konkurrenz: Das Geld geht an den jeweiligen regionalen Anbieter. Die Telekom “kassiert” nur in dem Sinne, dass sie die Gebühren ihren Kunden in Rechnung stellt und sie dann an die Ortsnetzbetreiber weiterleitet. Der Begriff “Strafgebühr” ist komplett irreführend: Die Telekom will ihre Kunden keineswegs dafür “bestrafen”, bei dem Kunden eines Konkurrenz-Anbieters anzurufen. Im Gegenteil: Sie hatte gegen diese Gebühren gekämpft, da mit ihnen die kleinen Konkurrenten gezielt gefördert werden. Die Ortsnetzbetreiber waren es, die eigentlich noch höhere Aufschläge nehmen wollten. Die Regulierungsbehörde musste deshalb entscheiden.
Ja, das ist kompliziert. Vereinfacht kann man sagen, dass das Gegenteil von dem stimmt, was in der “Bild”-Überschrift steht. Und weil “Bild” auch diese “Exklusiv”-Meldung an die Agenturen gegeben hat, und weil die Agenturen “Bild”-Meldungen immer noch für glaubwürdig halten, kann man jetzt an manchen Stellen zwei Meldungen zum Thema finden.
Bei langen Interviews kann es schon einmal schwer sein, eine knappe Überschrift zu finden, die dem ausführlichen Gespräch gerecht wird. Bei einem Kurz-Interview, das genau drei Fragen und Antworten umfasst, sollte das dagegen sogar ein “Bild”-Redakteur hinbekommen.
Testen wir das mal in der Praxis. Nehmen wir ein Interview, das “Bild” mit dem Finanzminister geführt hat.
BILD: Italien will eine SMS-Steuer einführen, um den Haushalt zu sanieren. Ein Modell für Deutschland?
Hans Eichel: Kommt nicht in Frage – wir wollen keine neue Steuer. Wo wir aber genauer hinsehen werden, ist der Internethandel. Da läuft zuviel an der Umsatzsteuer vorbei. Die Besteuerung des Internethandels muß auf europäischer Ebene geregelt und dann schärfer kontrolliert werden.
So, jetzt konzentrieren. Welche Überschrift würde passen?
(a) Eichel will neue Internet-Steuer (b) Eichel will keine neue Internet-Steuer
Na? Okay, und hier ist die Antwort, die “Bild” gegeben hat:
Zum Hintergrund: Es geht darum, dass viele Händler im Internet keine Umsatz- oder Gewerbesteuer zahlen, obwohl dies ab einem gewissen Professionalisierungsgrad Pflicht wäre. Diese Grauzone will Eichel schließen — es geht aber keineswegs um eine “neue Steuer”, sondern um die klare Regelung und Durchsetzung längst bestehender Steuern. Das Finanzministerium hat inzwischen dementiert: “Bild” habe die Aussagen Eichels “verzerrt” wiedergegeben. Oder “übergeigt”, wie Kai Diekmann sagen würde.
Weil “Bild” die falsche Nachricht an die Agenturen gegeben hat, taucht die Meldung mit Quelle “Bild” auch in anderen Medien auf. Mit solchen Enten erhöht die “Bild”-Zeitung also ihren Status als meist zitierte und daher “mit Abstand wichtigste deutsche Tageszeitung”.
Danke an diverse Hinweisgeber! Mehr zum Thema auch bei “Spiegel Online”.
Früher gab es von jedem “Bild”-Kommentator zwei Fotos: Eines, auf dem er lacht. Und eines, auf dem er ernst guckt. Sie fanden Verwendung je nach Anlass und Tenor des Kommentars.
Entweder ist das internen Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Oder man ist bei “Bild” wirklich außerordentlich glücklich darüber, dass Jassir Arafat nicht mehr lebt. Neben dem Kommentar mit der Überschrift “Tod im Bett” steht dieses Foto von Autor Claus Jacobi:
Nachtrag, 17:10: Mittlerweile wurde das Foto bei Bild.de gegen ein weniger erheitertes ausgetauscht.
Nachtrag, 21:00: In der gedruckten “Bild” guckt Jacobi angemessen staatstragend.
Es sind kleine Floskeln, mit denen Zeitungen ihren Lesern suggerieren, dass sie toll und wichtig sind und nicht einfach nur Agenturmeldungen oder Pressetexte irgendwo abschreiben; Floskeln wie “… sagte er gegenüber der XY-Zeitung …”.
Die meisten Zeitungen benutzen solche Formulierungen nur, wenn einer ihrer Mitarbeiter tatsächlich selbst mit jemandem gesprochen hat, der es lohnt, zitiert zu werden. Die “Bild”-Zeitung sieht das nicht so eng. In einem Artikel über den Fund von möglichen Kokain-Spuren auf der Toilette des “Musikantenstadel” heißt es.
RTL-Redaktionsleiter Frank Biernat zu BILD: „Wir können ausschließen, daß das weiße Pulver bei einer anderen Veranstaltung konsumiert wurde. Die Toilette wurde vor der Veranstaltung peinlich genau gereinigt“.
Es wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn Herr Biernat es geschafft hätte, im persönlichen Gespräch mit Herrn Posselt von der “Bild”-Zeitung exakt das gleiche zu sagen, was er in einer Pressemitteilung sagte, die RTL am Donnerstagnachmittag an alle Redaktionen und jeden, der es haben wollte, verschickte, nur etwas kürzer. Nämlich:
Stellvertretender Redaktionsleiter Frank Biernat: “Rückschlüsse auf bestimmte Künstler sind nicht möglich. Wir können aber ausschließen, dass das weiße Pulver bei einer anderen Veranstaltung konsumiert worden ist. Die Proben wurden an Waschbecken und Toilettenspülungen genommen, und die wurden vor der Veranstaltung peinlich genau gereinigt.”
Na, womöglich kann man schon froh sein, dass “Bild” die an die Welt versandte Meldung nicht “exklusiv” genannt hat.
Man hätte es sich auch als Laie der Seismologie denken können: Wenn die “Bild”-Zeitung schreibt, dass die Zahl der Erdbeben zunimmt, ist sie in Wahrheit konstant, Tendenz: fallend.
Aber der Reihe nach.
Auch bei uns bebt die Erde immer öfter
lautet die Überschrift über der heutigen Folge der aktuellen Erduntergangs-Serie von “Bild”. Diese Behauptung wird im zugehörigen Artikel allerdings nicht wiederholt, geschweige denn belegt, also vergessen wir sie einfach. (Okay, nach der neuen “Null Toleranz”-Politik von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann wäre das ein klassischer Fall von “übergeigter” Überschrift, die vom Text nicht gehalten wird, und es müssten Köpfe rollen, aber wir wollen da mal nicht so sein.)
Tatsächlich behauptet Dr. Paul C. Martin in seinem “Bild”-Artikel allerdings, dass die Zahl der Beben weltweit steigt:
Heute ist unser Planet von ca. 8000 Meß-Stationen überzogen. Sie melden täglich mindestens 50 Beben.
Tendenz? Leider steigend! (…)
Ist das zunehmende Rumpeln ein Alarmsignal?
Klare Antwort: Nö. Bzw.: Welches zunehmende Rumpeln?
“Bild” belegt seine These, dass “unser Planet aus dem Gleichgewicht” sei, mit einer Statistik, die eindeutig scheint: Danach hat sich die Zahl der aufgezeichneten Erdbeben 2003 gegenüber 1990 fast verdoppelt. Als Quelle gibt “Bild” das US-Erdbebenüberwachungszentrum NEIC an.
Auf dessen Internetseite finden sich zwar die von “Bild” verwendeten Daten. Dort findet sich aber auch ein Satz, der die Zunahme erklärt:
As more and more seismographs are installed in the world, more earthquakes can be and have been located. However, the number of large earthquakes (magnitude 6.0 and greater) have stayed relatively constant.
Mit anderen Worten: Es werden mehr Erdbeben gemessen, weil es mehr Erdbebenmessgeräte gibt. Die Zahl der schweren Erdbeben aber hat sich kaum verändert. Betrachtet man Erdbeben von mindestens der Stärke 5, hat die Zahl sogar eher abgenommen als zugenommen.
Der Bund der Steuerzahler NRW hat seine Journalistenpreise verliehen. Sie gingen an Mitarbeiter von “Sport Bild”, Deutschlandfunk, WDR Fernsehen und “Lemgoer Zeitung/Lippische Rundschau”. Und jetzt dürfen Sie einmal raten, welches dieser Medien es dafür in die “Bild”-Rubrik “Gewinner des Tages” geschafft hat.
Endlich tut einmal jemand was gegen den Skandal, dass sogar Schwule, die ihre Perversion demonstrativ zur Schau stellen, einfach unsere Kinder unterrichten dürfen! Abnormale Lehrer können jetzt der “Bild”-Zeitung gemeldet werden, die sich dann um die Sache kümmert.
Ganz so unverblümt ist die neue Aktion Pranger von “Bild” natürlich nicht organisiert. Vorgeblicher Anlass ist der Auftritt eines Berliner Lehrers in der ARD-Show “Das Quiz”, in der er die Frage “Was wird mithilfe von Lackmus-Papier bestimmt?” falsch mit “Cholesterinwert” beantwortete, was ihn in den Augen der “Bild”-Zeitung von gestern zum “total blamierten” “Depp-Lehrer”, zum “Ahnungslosen” und zum “Skandal-Lehrer” macht. Wobei in dem Artikel dezent die Grenzen verwischen, worin genau der Skandal besteht: In der falschen Antwort oder in der Tatsache, dass der Lehrer schwul ist, eine Punk-Frisur trägt und sich geschminkt hat, bevor er ins Fernsehen gegangen ist.
Das ist ein Berliner Lehrer
steht in großen, fassungslosen Buchstaben über dem androgynen Gesicht des Kandidaten. Immer wieder betont der Artikel, dass der Referendar Alexander G. einen Freund hat und Augen und Lippen geschminkt sind.
Der junge Mann ist Berliner Lehrer! Er darf Kinder unterrichten!
In der Druckausgabe wird ihm auch noch Schwänzen vorgeworfen:
Unfaßbar, daß so ein Ahnungsloser unsere Kinder unterrichtet. Eigentlich — wie BILD erfuhr — ist er seit vier Wochen krank geschrieben!
Später “erfuhr” “Bild” noch eine Information, die es allerdings nur in die Online-Version der Geschichte geschafft hat:
Immerhin: Die Sendung wurde vorher aufgezeichnet.
“Immerhin”: Irgendwer bei “Bild” hat gemerkt, dass das in diesem Zusammenhang kein ganz unwesentliches Detail ist.
Heute dreht “Bild” die Geschichte weiter, und die Sache mit der falschen Antwort taucht nur noch in einem einzigen Satz am Rande auf. Wohin die Reise geht, macht die Überschrift neben einem weiteren Bild des Lehrers klar:
Kein Wunder, daß wir bei der PISA-Studie ganz hinten liegen… Warum darf so ein Lehrer unsere Kinder unterrichten?
Weiter im Text:
Wie BILD erfuhr, tritt der Punk-Lehrer in seiner Freizeit bundesweit auch als Travestiekünstler “Loulou La Rouge” in Frauenkleidern auf! Warum darf so ein schriller Typ Kinder unterrichten?
Warum nicht, könnte man zurückfragen, aber das haben die Beschützer “unserer” Kinder, die “Bild” zitiert, natürlich nicht getan:
“In diesem speziellen Fall ist es ein schlechtes Image für die Schule, die Grenze der Individualität scheint hier überschritten.”
“Durch dieses Auftreten wird der Schulfrieden massiv gestört. In jeder Firma würde dieser Mann umgehend gefeuert!”
“Ein Lehrer muß nicht täglich im Anzug zum Unterricht kommen. Aber eine saubere Jeans und ein gebügeltes Hemd sollten schon sein.”
(Dass der Referendar seine Hemden nicht bügelt oder die Jeans nicht wäscht, hatte bislang nicht einmal “Bild” behauptet.)
Also, klar ist: Solche Lehrer gehören ins Kino, aber nicht in die Schulen. Und deshalb endet der Artikel mit dem folgenden Aufruf:
Haben Sie auch so einen schrillen Typen an der Schule? Kennen Sie Lehrer, die sich gehen lassen?
Und wenn einer von den so Vorgeführten dann seine Existenz verliert oder sich etwas antut, wird “Bild” in seiner ausführlichen Nachberichterstattung zu mehr Toleranz aufrufen. Versprochen!
Was meint die “Bild”-Zeitung eigentlich, wenn sie “geheim” schreibt? Was versteht man unter einem “Nippel-Alarm”? Wie gefährlich ist ein “Balkon-Monster”? Wer ist “Klümchen”? Und welche “Hupen” machen kein Geräusch?
Solch elementare Fragen für den “Bild”-Zeitungsleser beantwortet jetzt das große, kontinuierlich aktualisierte BILDblog-“Bild”-Wörterbuch.
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann greift hart durch: Er will bei der Beachtung der “journalistischen Standards” des Blattes in Zukunft kein Auge mehr zudrücken. Das sagte er anlässlich der Neubesetzung mehrerer Stellen in der Chefredaktion, die er als “Zäsur” bezeichnete. Seine “grundsätzlichen Überlegungen” waren ihm “so wichtig”, dass er sie zusätzlich per E-Mail an die “Bild”-Mitarbeiter schickte. In dem Brief, den die Fachzeitschrift “werben & verkaufen” veröffentlichte, lobt er die Bedeutung des Blattes, fährt aber fort:
Wo Licht ist, ist Schatten. Wo gearbeitet wird, da werden Fehler gemacht. Das heißt nicht, daß wo mit besonders großen Buchstaben gearbeitet wird, deshalb auch besonders große Fehler gemacht würden. Aber: In großen Buchstaben sind Fehler eben besonders eindrucksvoll und tun uns besonders weh. Gerade weil wir journalistischer Schrittmacher und Marktführer sind, werden wir sehr genau und kritisch beobachtet. Und deshalb müssen wir uns selbst und unsere Performance jeden Tag kritisch überprüfen.
Jeder Fehler ist ein Fehler zuviel! Lassen Sie mich ein paar Dinge unsortiert herausgreifen:
Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. Übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, haben in BILD nichts zu suchen. Texte, die man nicht versteht, Bildunterschriften, die lieblos hingerotzt werden, machen unsere Zeitung kaputt. Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!
Was ich Ihnen hier beispielhaft sage, sind eigentlich selbstverständliche Standards. … Deshalb gilt bei der Beachtung unserer journalistischen Standards künftig: Null Toleranz! Qualität kommt von quälen. Und das erwarte ich von uns. Jeden Tag, immer wieder.
Wem die Bereitschaft fehlt, mit Lust, mit Liebe und mit Leidenschaft für BILD zu arbeiten, jeden Tag für das gesamte Blatt mitzudenken, der sollte sich prüfen, ob er bei uns wirklich richtig ist. In diese Kritik schließe ich jeden, der Führungsverantwortung trägt, vor allem und zu allererst mich, ein.
Der Antritt der neuen Mitglieder der Chefredaktion, fast vier Jahre, nachdem Diekmann “Bild”-Chefredakteur wurde, solle als ein “Neuanfang” begriffen werden, schrieb Diekmann:
Wenn alle mitmachen, werden die nächsten vier Jahre ganz sicher so erfolgreich wie die vergangenen vier Jahre.
Wir begrüßen den “Neuanfang”, weisen aber darauf hin, dass die verkaufte Auflage von “Bild” in den vergangenen vier Jahren um elf Prozent oder eine halbe Million Exemplare gesunken ist.