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Bomben-Story mit Happy End

Was die Polizei am 28. Oktober in Block N des Cottbusser Fußballstadions fand, war keine Bombe und hat, so die Polizei Cottbus, “objektiv nichts mit einer solchen zu tun”.

Aber zurück zu “Bild”, obwohl Überschriften wie “Chemobombe in Fanblock” (Blick Online) oder gar “Sprengstoff in Cottbusser Stadion gefunden – (…) Für einen Anschlag hätte die Menge gereicht” (Netzeitung) sicherlich auch nicht besser sind als die “Giftbombe im Bundesliga-Stadion” oder die “8-Kilo-Bombe im Fan-Block” die Bild.de und “Bild” gestern über diese “Horror-Meldung” schrieben.

Schlimm genug auch, dass man von “Bild” nicht erwartet, darüber so sachlich wie der betroffene Verein Energie Cottbus (siehe “News” vom 08.11.04) zu berichten oder, wie etwa Spiegel Online, komplett auf das missverständliche Wort “Bombe” zu verzichten. Natürlich schrieb “Bild” es wiederholt (“Giftbombe”, “8-Kilo-Bombe”, “Bombe”, “Bomben-Schock”, “Bombe”, “Gift-Bombe”) in ihre Meldung, bevor ihr zuletzt doch noch die vergleichsweise treffene “Rauchbombe” einfiel. Gewiss, die Sache wurde erst am Sonntagnachmittag, zehn Tage nach dem Fund, bekannt. Da blieb wenig Zeit, um daraus eine Schlagzeile zu machen. Und “Rauchsatz in Zweitligisten-Stadion vor elf Tagen frühzeitig entdeckt” wäre keine gewesen, weshalb auch “Bild” fix über “Giftsubstanzen” schrieb, “die vor allem Leber und Nieren schädigen”, und weiter:

“Die Folgen (…) wären dramatisch gewesen. Zwar hätte die Bombe keinen Krater gerissen, aber giftige Dämpfe hätten zu schweren Verätzungen und Vergiftungen geführt.”

Und abgesehen davon, dass es “hätten dramatisch sein können” und “hätten (…) führen können” hätte heißen müssen, ist es nach der überzogenen Meldung vom Vortag um so erfreulicher, dass “Bild” die Sache heute, also 12 Tage nach dem Fund, weiterverfolgt und nachfragt:

Wie gefährlich war das 40×30 Zentimeter große Paket wirklich (…)?”

Ja, “BILD sprach mit Experten“, schreibt “Bild” – auch wenn’s nur zwei Mitarbeiter von Pyrotechnikfirmen sind, von denen der eine sagt: “(…) Es wäre ein mächtiges bengalisches Feuer geworden, der Rauch hätte das ganze Stadion vernebelt. Furchtbar.” Und der andere fügt hinzu: “(…) Theatergruppen und Feuerwehren nutzen zum Beispiel diese Mittel.”

Und siehe da: Anschließend heißt die “Bombe” aus der Überschrift tatsächlich nur noch:

“das Paket”

Mit Dank an Götz G. für den Anstoß.

Die tägliche Trinkmenge

Na sowas: Am 2. August meldete “Bild” auf Seite 1: “Bewiesen! Alkohol macht schlau” – und unter Verweis auf eine britische Studie hieß es, dass regelmäßige Trinker bei Intelligenztests “deutlich besser als Abstinenzler” abgeschnitten hätten. “Die besten Resultate”, so “Bild” weiter, “erreichten diejenigen, die eine halbe Flasche Wein oder rund einen Liter Bier pro Tag trinken”. Die Meldung begann mit dem Satz: “Na denn: Prost!”

Am 8. September wiederum meldete “Bild” auf Seite 1: “1 Liter Bier täglich ist gesund” – und unter Verweis auf eine österreichische Studie hieß es: “Männer können täglich 1 Liter Bier trinken, Frauen die Hälfte.” Denn Bier, so “Bild” weiter, beuge Schlaganfälle, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Knochenschwund vor und “mache nicht dick”. Die Meldung begann mit dem Satz: “Na dann Prost!”

Zwischendurch, am 30. August, hieß es auf Seite 1 sogar: “Ein ganzes Leben ohne Alkohol kann tödlich sein!” Und jetzt das:

Da meldet “Bild” doch tatsächlich mit Datum vom 5. November 2004, “daß die tägliche Trinkmenge, bei der langfristig keine Schäden drohen, viel niedriger liegt als zumeist angenommen”! Nachdem nämlich die “Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen” (DHS) und die Barmer Ersatzkasse vorgestern eine Pressekonferenz zum “Umgang mit Alkohol” abhielten, ist Schluss mit lustig. Denn “Bild” hat nicht nur mit einem “Alkoholforscher” gesprochen (“Problematisch ist, daß sich Alkoholkranke durch Meldungen über die Schutzwirkungen bestätigt fühlen könnten.”), sondern auch einen DHS-Experten. Der sagt:

“Der Risikokonsum beginnt bei Frauen mit ca. 20 Gramm und bei Männern mit ca. 30 Gramm reinen Alkohols täglich. Ein Glas Rotwein (0,2 Liter) enthält circa 19 Gramm Alkohol, dieselbe Menge Weißwein nur 18 Gramm. Eine Flasche Bier (0,5 Liter) enthält 20 Gramm reinen Alkohol.”

Bekannt ist das schon lange – der “Berliner Morgenpost” immerhin seit 2003, der “Welt” natürlich auch, der “Ärzte-Zeitung” schon seit 1999, der “Berliner Zeitung” sogar mindestens seit 1998 usw. Und jetzt klicken sie bitte hier.

“Dumm gelaufen”

“Bild” macht heute den Schriftsteller Andreas Maier in 28 schmalen Zeilen zum “Verlierer” des Tages und bezieht sich dabei auf eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom gestrigen Donnerstag um 14.02 Uhr.

Es geht darin um ein neues Literaturstipendium der Stadt Potsdam, das nicht zuletzt darin besteht, dass einem von einer Jury ausgewählten Autor eine Zeit lang “ein angemessener Wohnraum” zur Verfügung gestellt wird. Darüber, dass sich der Wohnraum indes in einem Plattenbau befinden soll, hatte sich die Jury beschwert, woraufhin dann die Wohnungsunternehmen, die den Wohnraum zur Verfügung stellen wollten, ihr Angebot zurückzogen. Stipendiat für das Jahr 2004 ist übrigens besagter Andreas Maier, der laut dpa “äußerte, dass man Stipendiaten in der Regel in einem Schloss, einer Villa an der Ostsee oder einem aufgearbeiteten Bauernhaus, nicht aber in der ‘Platte’ wohnen lasse”. Und ganz ähnlich steht’s heute auch in “Bild”:

“Doch der Autor meckerte laut dpa: Stipendiaten lasse man in der Regel in einem Schloß oder einer Villa wohnen, nicht aber in der ‘Platte’. Da zogen die Wohnungsunternehmen ihr Angebot zurück.”

Dass dpa gestern bereits um 17.45 Uhr meldete, die Wohnungsunternehmen hätten “die der Stadt gegebene Zusage erneuert”, steht (anders als Oliver Kahns “Amoklauf” gegen 22.33 Uhr) nicht in “Bild”. Erstens. Zweitens “meckerte” Maier nicht. Wie bereits vor einer Woche in den “Potsdamer Neusten Nachrichten” nachzulesen war, reagierte er vielmehr “durchaus noch sehr humorvoll” bzw. “freundlich, mit allenfalls leicht ironischer Note” (“FAZ”) oder “zurückhaltend” (FAZ.net): Dem Potsdamer Blatt (auf das sich übrigens auch dpa bezog) sagte Maier nämlich auch, das umstrittene Wohnraum-Angebot habe ihn “erstaunt”. Nachdem aber selbst ein Schloss für Stipendiaten “nicht immer das Ideale” sei, sehe er “schon die Möglichkeit, sich auf die Platte am Stadtrand einzulassen”, denn:

Vielleicht leide ich da, vielleicht auch nicht. Aber es könnte ebenso gut auch sein, dass ich eine geräumige Altbauwohnung in der Innenstadt habe (…) und ich mich dort auch nicht wohl fühle.“

Dass das alles nicht in 28 schmale “Verlierer”-Zeilen passt, ist klar. Dass “Bild” die ganze Sache ja ohnehin bloß mit dem Hinweis “laut dpa” verbreitet hatte, auch. Nur schrieb doch “Bild”-Chef Kai Diekmann kürzlich an seine Mitarbeiter:

“Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. (…) Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!”

Bleibt also die Frage, weswegen Maier überhaupt zum “Verlierer” wurde – und der Anfang des “Verlierer”-Textes. Er lautet:

“Dumm gelaufen”

Sehtest

Prinz Philip ist ein Malheur passiert: Im Oreanda Hotel in Jalta ist er offiziellen Angaben zufolge in der Badewanne ausgerutscht und hat dabei ein blaues Auge bekommen.

Viele Medien in Großbritannien (aber auch beispielsweise in Deutschland) berichteten darüber. Und weil Prinz Philip am Montag nach seinem Missgeschick in der Ukraine noch einen öffentlichen Auftritt hatte, gibt es davon natürlich auch Fotos.

Die “Kronenzeitung” aus Österreich etwa entschied sich für dieses Bild:
 
 
 
 
 
Der Schweizer “Blick” druckte dasselbe Foto. Da sah’s dann so aus:
 
 
 
 
 
Aber natürlich mochte auch Bild.de auf die Meldung vom blauen Auge nicht verzichten und illustrierte die offenbar witzig gemeinten (und nach dem Vorbild des “Blick” bzw. der britischen “Sun” verfassten) Zeilen am Mittwoch ebenfalls mit nämlichem Foto, nur dass hier das Gesicht von Prinz Philip eigenartigerweise irgendwie käsiger und das “Veilchen” irgendwie viel, viel schlimmer aussieht…
 
 
 
 

We are the Champions XIII

06.09.: Christian Kracht, “Der Freund” (Axel Springer)
10.09.: “Welt kompakt” (Axel Springer)
15.09.: “Auto Bild.de Automarkt” (Axel Springer)
17.09.: “Welt” (Axel Springer)
18.09.: Dieter Stolte (Axel Springer)
21.09.: Claus Strunz (Axel Springer)
28.09.: Hans-Olaf Henkel (Axel-Springer-Autor)
30.09.: Volker Koop (Axel Springer)
05.10.: Georg Kofler (Axel-Springer-Geschäftspartner)
08.10.: “Rolling Stone” (Axel Springer)
18.10.: Dietrich Grönemeyer (Axel Springer-Autor)
22.10.: “Bild”-Bestseller-Bibliothek (Axel Springer)
Aktueller Neuzugang als “Gewinner des Tages”:
26.10.: Peter Hahne (Axel Springer-Autor, schreibt jede Woche in der “BamS” die Kolumne “Gedanken am Sonntag”)

Nachtrag, 0:46: So gesehen wird’s allmählich Zeit, dass sich auch Hellmuth Karasek in die illustre “Gewinner”-Schar einreiht; “Literatur-Papst”, “TV-Star” und “Buch-Papst Deutschlands” ist er laut “Bild” von heute schließlich schon – und bekanntlich nicht nur das…

“Bild” berichtet über Lidl

Ach ja, und dann ist da ja noch dieser Artikel auf Seite 8 der “Bild” (Berlin-Ausgabe), den man auch online nachlesen kann. “Bild” berichtet darin über die Billigsupermarkt-Kette Lidl, deren Filialen neuerdings auch eine Tageszeitung im Sortiment haben. Den beispielhaften Kundenreaktionen zufolge, anhand derer “Bild” seine Berichterstattung veranschaulicht, handelt es sich dabei um “eine Supersache”. Ja, man kann sagen: “Bild” zufolge sind die drei befragten Frauen ausnahmslos begeistert. Und “Bild” ist’s auch, was wenig verwundert, weil es sich bei der bei Lidl verkauften Tageszeitung, über die “Bild” berichtet, selbstverständlich um “Bild” selbst handelt, wie sich bei der “Bild”-Lektüre schnell herausstellt, weil “Bild” in dem “Bild”-Artikel sieben Mal erwähnt und drei Mal abgebildet wird.

Und weil das, wie gesagt, so eine “Supersache” ist, so “klasse” und, laut “Bild”, so eine “große Freude an den Kassen des Lebensmitteldiscounters LIDL”, zitieren wir zum Schluss auch nur ganz kurz aus dem Pressekodex:

“Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.”

Kein Kommentar


Nur, damit das keiner verwechselt: Linkerhand, das sind die sog. “Top-Themen”, anhand derer Bild.de seit geraumer Zeit auf ausgewählte redaktionelle Inhalte (Exklusiv-Storys etc.) aufmerksam macht. Das rechts hingegen sind die neuen “Shop-Tips”, also Hinweise auf das kommerzielle Online-Shopping-Angebot von Bild.de.

Warum lassen so viele Fans “Bild” im Stich?

“Warum lassen so viele Fans Raab total im Stich?” fragt “Bild” heute in einer Schlagzeile auf Seite 4 und schreibt:

“TV-Lästermaul Stefan Raab (38) laufen die Zuschauer weg.”

Und vielleicht ist es sinnvoll, an dieser Stelle zunächst an einen “Bild”-Artikel vom April diesen Jahres zu erinnern, der mit dem Satz begann:

“TV-Lästermaul Stefan Raab (37) leidet mit seiner Pro7-Show ‘TV total’ an akutem Quotenschwund.”

Ja, und vielleicht sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die “Bild”-Berichterstattung damals von ProSieben als “Quatsch” bezeichnet wurde. (Womöglich schadet es auch nicht, jetzt mal eben einen “FAS”-Text vom Mai diesen Jahres – Überschrift: “Raab gegen ‘Bild'” – zu verlinken.)

Aber zurück zur heutigen “Bild”-Ausgabe:

“Droht ihm das gleiche Schicksal wie seiner TV-Kollegin Anke Engelke (38), die wegen schlechter Quoten vergangene Woche aus dem Programm gekippt wurde? (…) Läuten die bedrohlich niedrigen Zahlen sein TV-Ende ein?”

Solche Fragen stellt “Bild” sich und ihren Lesern. Stellt man sie einer ProSieben-Sprecherin, lautet die Antwort (wie im April) schlicht: “Nein.”

Und mag sein, das heißt noch gar nichts. Es mag auch sein, dass “TV total” am “vergangenen Mittwoch”, wie “Bild” schreibt, tatsächlich “nur 1,15 Millionen” Zuschauer fand (jedenfalls ungefähr: ProSieben sagt “1,2 Millionen”). Dass die Quoten nach Senderangaben jedoch am vergangenen Montag mit 1,47 Millionen oder am Donnerstag mit 1,57 Millionen (und am Dienstag trotz “Chamions League” bei 1,25 Millonen) zum Teil deutlich über dem Mittwochswert lagen, bleibt bei “Bild” unerwähnt. Und dass für ProSieben letztlich sowieso nicht alle, nur die 14- bis 49-jährigen Zuschauer zählen, auch.

Suggestiver und sinnentstellender ist da wohl nur noch die “Bild”-Grafik zum angeblichen “Quotensturz bei ‘TV total'”. Denn – mal abgesehen davon, dass die dort fürs Jahr 2000 verzeichnete Zuschauerzahl von 3,71 Millionen keine relevante Größe ist, weil “TV total” damals nicht vier- sondern nur einmal wöchentlich ausgestrahlt wurde – zeigt die Kurve mitnichten einen “Quotensturz”, sondern, nun ja, eine Konsolidierung. Schließlich hat sich der Zuschauerschwund von vormals jährlich weit über 200.000 auf zuletzt gerade mal 30.000 reduziert, so dass es durchaus angebracht wäre zu schreiben:

TV-Lästermaul Stefan Raab (38) laufen immer weniger Zuschauer weg.

Wie hingegen ein wirklicher “Quotensturz” aussähe, veranschaulicht die von uns angefertigte Vergleichsgrafik zur Auflagenentwickung der “Bild” im selben Zeitraum.
 
 
 

Alles nur Zufall?

Da ist der Entdecker der sog. “Ötzi”-Mumie ausgerechnet bei einer Bergtour tödlich verunglückt. Und “Bild” fragt:

“Ist der Mann, der Ötzi fand, jetzt einem Fluch der Eis-Mumie erlegen?” Bzw.: “War es der unheimliche Fluch?”

Unheimlich, oder? Außerdem hatten drei inzwischen verstorbene Fußballer vor über zehn Jahren mal beim selben Verein gespielt. Ausgerechnet! Und “Bild” fragt:

“Liegt ein Fluch auf dieser Mannschaft?”

Anders gesagt: Ausgerechnet seit Kai Diekmann Chefredakteur der “Bild”-Zeitung wurde, ist deren täglich verkaufte Auflage um ungefähr eine halbe Million gesunken. Und wir?

Haben keine weiteren Fragen, nur weitere Links

Mit Dank an Matthias A. für den Hinweis.

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