Bild.de (bzw. laut Bild.de auch “Bild”) berichtet ja heute, die “Big Brother”-Kandidatin Michelle Littbarski sei, nachdem die Zuschauer sie jüngst per Televoting aus der RTL2-Show gewählt haben, “am Ende”:
“Vom Papa verstoßen, kein Job, kein Geld!
Pierre Littbarskis (45) schöne Tochter Michelle (18) steht seit gestern Abend vor dem Nichts. (…)”
Desweiteren erinnert der Bericht daran, dass ihr Vater die Unterhaltszahlungen von monatlich 766,94 Euro eingestellt habe, und schreibt: “Auch Mama Monika wird kaum helfen können.”
Und wir wissen nicht, wie Bild.de (oder “Bild”?) darauf kommt, dass “Mama Monika” ihrer Tochter “kaum helfen können” wird. (Schließlich hat Monika Littbarski die Frage nach “finanziellen Schwierigkeiten” noch gestern in der “Bild am Sonntag” ausdrücklich und unwidersprochen verneinen dürfen). Aber dafür wissen wir jetzt, was man im Hause “Bild” unter “Nichts” bzw. “kein Geld” versteht:
9166,80 Euro nämlich.
Denn eben diese auf der offiziellen “Big Brother”-Website (siehe Ausriss) unter dem Stichwort “Konto” vermerkte Summe, die immerhin knapp zwölf der o.g. monatlichen “Unterhaltszahlungen” entspricht, darf Littbarski nach ihrer Teilnahme an der Show behalten.
BILDblog-Leser wissen mehr. Anders als die durchschnittlich über elf Millionen “Bild”– und abertausend Bild.de-Leser wissen sie nämlich nicht nur, dass Charlotte Roche am Mittwochabend als Gast in der “Harald Schmidt”-Show “vor 920 000 Zuschauern plötzlich mit klaffender Zahnlücke in die Kamera” schaute, sondern beispielsweise auch, was über Roches Auftritt bei Schmidt im “Berliner Kurier” steht. Dort heißt es heute nämlich in einer kleinen Meldung:
“Ex-Viva-Girl und TV-Moderatorin Charlotte Roche (…) war ARD-Talkgast bei Harald Schmidt. Dabei glänzte sie nicht nur durch ihre freche Klappe, sondern auch mit ihrer Aufschrift am T-Shirt: BILDblog.de – einem Internet-Forum, das der Bild-Zeitung Paroli bietet.”
Was weder in “Bild” noch im “Kurier” steht, ist, wie überrascht wir selber von Roches Auftritt waren – und wie sehr wir uns darüber gefreut haben. Das steht nämlich nur hier.
Anders als in der ausländischen Presse gibt es in den Medien des deutschsprachigen Raums offenbar eine stillschweigende Übereinkunft, zum Schutz der Persönlichkeit die Mutter der neun toten Babys aus dem brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd in der Berichterstattung nicht mit vollem Namen, sondern nur “Sabine H.” zu nennen. Die Nachrichtenagenturen tun das, die Zeitungen und Zeitschriften, die Fernseh- und Radiosender, Internetnachrichtenangebote – und eigentlich auch “Bild” und Bild.de.
Um so unverständlicher also, dass Bild.de in der vergangenen Nacht einen Text aus der heutigen “Bild” mit einem Foto von Sabine H. illustrierte und bis heute gegen 10 Uhr mit einer Bildunterschrift veröffentlichte, in der u.a. zwei Mal der komplette Nachname zu lesen war (siehe Ausriss).
Nachdem wir Bild.de darauf aufmerksam gemacht haben, lautet die Bildunterschrift nun:
Mit Dank auch an Thomas B., Joachim S., T.W., Maike S., Andie, Norbert B., Manfred J., Reinhard L., Christian R., Landei, Sylvie, Stefan H., Stephan D., Christoph S., Alexandra W., Nico U., Kai B., Christian R., Jörg-Stefan S. und Marius M. für den Hinweis.
Offenbar mag die Berliner “Bild”-Redaktion nebenstehendes Fahndungsfoto eines (seit heute übrigens nicht mehr unbekannten) Jugendlichen, der Ende Januar in der Berliner U-Bahnlinie 8 einen Fahrgast durch einen Messerstich verletzt hatte und dabei von einer Überwachungskamera in der U-Bahn gefilmt wurde.
In der Berlin-Brandenburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung erschien das obige Foto am 4. und 6. Februar sowie abermals am gestrigen Dienstag unter der Überschrift: “Warum verpfeift niemand den Berliner Messerstecher?”
Aber auch heute hat die Berliner “Bild” das Foto aus der U-Bahn wieder im Blatt. Zwar berichtet “Bild” dieses Mal über eine andere Polizeimeldung, bei der zwei Fahrgäste der Berliner Buslinie 148 von zwei Jugendlichen beleidigt und angegriffen wurden, was “Bild” im Übrigen mit den sinnentstellenden Worten wiedergibt: “Im Bus 148 (…) attackieren fünf Jugendliche andere Fahrgäste.” Aber zur Erläuterung dessen, was auf dem Foto zu sehen sei, hat “Bild” nun geschrieben:
“Messer-Attacke auf der Linie 148. In so einem älteren Bus ohne Kamera passierte es”
Und diese Sätze ergeben bei genauerer Betrachtung nicht nur keinen Sinn, sie sind abgesehen davon auch schlicht falsch.
Berlin – Der Berliner “Tagesspiegel” hat aus der Affäre um die angebliche Nominierung der ehemaligen Irak-Geisel Susanne Osthoff für den Grimme-Preis Konsequenzen gezogen: Laut ‘Süddeutsche Zeitung’ wurde dem Politik-Redakteur, der Osthoff beim Grimme-Institut vorgeschlagen hatte, gekündigt. Der Medien-Ressortleiter, der über den Vorschlag des Kollegen berichten ließ, und zugleich Mitglied der Grimme-Jury war, legte sein Amt nieder.”
So berichtet “Bild” – und hat es noch immer nicht begriffen:
Deshalb noch einmal zum Mitschreiben:Susanne Osthoff ist niemals für den Grimme-Preis no-mi-niert gewesen – und “angeblich” nur insofern, als auch “Bild” selbst im Gegensatz zum “Tagesspiegel”, der öfter mal kritisch über “Bild” zu berichten wusste, wiederholt den falschen Eindruck erweckt hatte, sie wäre. Osthoff war lediglich für einen Grimme-Preis vor-ge-schla-gen worden, was einen Unterschied macht, weil quasi jeder jeden vorschlagen kann. (Und vielleicht sollte man an dieser Stelle auch nochmals erwähnen, dass die Berufung des Medien-Ressortleiters in die Grimme-Jury mit dem Vorschlag des Kollegen wenig zu tun hat: Die Grimme-Jury berät über die Nominierten, nicht über die Vorschläge.) Wie “Bild” darüber hinaus darauf kommt, dass der Medien-Ressortleiter über den Vorschlag “berichten ließ”, ist schleierhaft: Unter der Meldung im “Tagesspiegel” steht für jedermann sichtbar sein persönliches Kürzel “jbh”. Und das wusste bislang sogar “Bild” besser.
Die “Süddeutsche Zeitung” übrigens, auf die sich “Bild” bezieht, berichtet über der Sachverhalt hingegen völlig korrekt.
“Bild” berichtet ja heute über “Gotteslästerung in Deutschland” und “erklärt” ihren über elf Millionen Lesern, “was deutsche Gerichte als ‘Blasphemie’ (…) beurteilen”. Und heute mittag hatten wir ja schon darauf hingewiesen, dass ein Fall, in dem jemand in Griechenland angeklagt und freigesprochen wurde, nicht dazuzählt.
Das ist aber leider noch nicht alles. Denn unter der Zwischenüberschrift “Das ist verboten” heißt es außerdem:
“Christliche Kirchen dürfen nicht als ‘Verbrecherorganisation’ bezeichnet werden, so ein Urteil des Landgerichts Göttingen von 1985.”
Doch auch das ist falsch*. Christliche Kirchen dürfen sehr wohl als “Verbrecherorganisation” bezeichnet werden, sogar als “größte Verbrecherorganisation aller Zeiten”, und ein entsprechendes Urteil stammt zwar aus dem Jahr 1985, jedoch nicht vom Landgericht Göttingen, sondern vom Amtsgericht Bochum.
Und für alle, die das jetzt noch genauer wissen wollen, war’s nämlich so: Im November 1984 wurde in ein paar deutschen Städten ein Flugblatt verteilt, das ein Bochumer Medizinstudent verantwortete und in dem sich das “Kommitee zur Abschaffung von §166 StGB” kritisch damit auseinandersetzte, dass ein Mitglied des “Internationalen Vereins zur Verbreitung der Lebensfreude e.V.” wegen des Verteilens von Aufklebern mit den Aufschriften “Lieber eine befleckte Verhütung als eine unbefleckte Empfängnis” sowie “Masochismus ist heilbar” in Göttingen zu einer Geldstrafe von 400 D-Mark verurteilt worden war. In dem Flugblatt hieß es u.a. dazu: “(…) wer über die Machtpolitik der Kirche aufklärt und beim Namen nennt, daß sie die größte Verbrecherorganisation aller Zeiten ist, die einen in der Geschichte einmaligen Rekord an Folter und Mordopfern aufweist – 22 Millionen allein während der Kreuzzüge – (…) muss mit hohen vom Staat verhängten Strafen rechnen.” Im Zuge der Ermittlungen gegen den Studenten fanden drei Hausdurchsuchungen bei ihm statt. Doch nachdem es dem Kirchenkritiker Karlheinz Deschner mit einem 30-seitigen Gutachten offenbar gelungen war, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass es sich bei der christlichen Kirche tatsächlich um die größte Verbrecherorganisation aller Zeiten handeln könnte, endete die mündliche Verhandlung im Oktober 1985 nach wenigen Stunden mit einem Freispruch.
Und eigentlich sollte eine Zeitung wie “Bild”, die immer wieder die Nähe zur Katholischen Kirche sucht und deren Chefredakteur und Herausgeber selbst bekennender Katholik ist, sowas wissen (oder in einem Buch nachlesen), statt ihren über elf Millionen Lesern die Unwahrheit zu erzählen* nur die halbe Wahrheit zu erzählen.
Mit Dank auch an Zeljko K. für den Hinweis!
*) Nachtrag, 8.2.2006:
Wir müssen uns korrigieren: Auch im Fall der in Göttingen zu 400 D-Mark Strafe verurteilten Birgit Römermann ging es nicht nur um die oben erwähnten Aufkleber, sondern ebenfalls um ein Flugblatt mit der Äußerung: “Sieht man sich die Geschichte der Kirchen an, ist man Mitglied einer der größten Verbrecherorganisationen der Welt. Hexenverfolgungen, 6 Millionen Frauen verbrannt, Völkermorde, Religionskriege, Kreuzzüge, Unterdrückung und Verarschung des Volkes durch alle Jahrhunderte, Judenverfolgung, Segnung von Waffen, Verteufelung der Lust und und und, um nur einige Beispiele zu nennen.” Und auch in der Bezeichnung “Verbrecherorganisation” erkannte das Landgericht Göttingen 1984 (!) einen Verstoß gegen § 166 StGB. Insofern stimmt, was “Bild” behauptet. Allerdings entschied ein anderes Gericht ein Jahr später in einem anderen Fall anders. Die Frage, ob die Bezeichnung “Verbrecherorganisation” verboten ist oder nicht, hängt also im Einzelfall u.a. davon ab, ob sie den öffentlichen Frieden stören kann oder nicht.
“Was wird bei uns bestraft?” fragt “Bild” – und berichtet heute in großer Aufmachung über “Gotteslästerung in Deutschland”(siehe Ausriss) und “erklärt, was deutsche Gerichte als ‘Blasphemie’ (griechisch: Schmähung, Verleumdung) beurteilten – und was nicht!”
Nach einem Zitat aus dem deutschen StGB und unter der Zwischenüberschrift “Das ist verboten” schreibt “Bild”:
“Ein Gericht verurteilte den Karikaturisten Gerhard Haderer in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft. Sein Comic ‘Das Leben des Jesus’ zeigte Gottes Sohn als ‘Weihrauchkiffer’, den Gang über den See Genezareth als ‘Surf-Trip’. Das Urteil wurde später aufgehoben.”
Und mal abgesehen davon, dass es einigermaßen verwunderlich ist, ein Urteil, das “später aufgehoben” wurde, in der Rubrik “Das ist verboten” unterzubringen: Der österreichische Karikaturist war im Januar 2005 in Griechenland (!) zu sechs Monaten Haft verurteilt und per Europäischem Haftbefehl zur Festnahme ausgeschrieben, ein Vierteljahr später aber im Berufungsverfahren von einer höheren Instanz in Athen freigesprochen worden. (Außerdem war gegen Haderer auch im österreichischen Wien ein Strafverfahren eröffnet, bald darauf aber wieder eingestellt worden.)
Quasi als Zusatzinformation für die Leser behauptet Bild.de seit gestern in einem Artikel über die “luder-lichsten Polizeifotos der Welt” (?), Prostitution sei “in den USA verboten, nur in der Spielerstadt Las Vegas erlaubt”.
Das ist nicht richtig. Prostitution ist fast überall in den USA verboten, außer in den meisten Bezirken von Nevada. Clark County, in dem auch Las Vegas liegt, gehört jedoch zu den wenigen Bezirken Nevadas, in denen Prostitution verbotenist.
Mit Dank an Peter R. für den Hinweis.
Nachtrag, 14:30:
Obige Bild.de-Meldung findet sich heute unter der Überschrift “Huren-Pranger” …ups, “Huren-Pranger” auch in der gedruckten “Bild”. Dort heißt es korrekt: “In den meisten Bundesstaaten der USA ist Prostitution verboten. Ausnahme: Teile von Nevada in der Umgebung der Sündenstadt Las Vegas.” (Und weil Bild.de wiederum die “Bild”-Meldung übernommen hat, steht’s dort nun zwei Mal, einmal richtig, einmal falsch.)
Ausriss aus der aktuellen “Nachrichten”-Seite von Bild.de:
Mit Dank an Claudia A. und Olaf K. für den Hinweis.
Nachtrag, 14:20:
Bild.de hat den “Lachen mit BILD”-Teaser inzwischen verändert. Nun heißt es dort: “Fragt die Lehrerin den kleinen Peter…” Klickt man drauf, kommt man nach wie vor zum Schiffbrüchigen-Witz.