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Wahrheitsgehalt im Promillebereich

Am 24. August 2005 stand (nur zur Erinnerung) folgende Exklusivmeldung in “Bild”:

"EU schafft Deutsch ab (...) Die EU-Kommission hat die Übersetzung von Dokumenten ins Deutsche gestoppt. (...)"

Heute nun steht in “Bild” wieder eine Exklusivmeldung zur EU-Kommission, diesmal sogar auf der Titelseite:

"EU-Kommission plant Alkohol erst ab 18!"

Ohne Quellenangabe heißt es weiter:

“Die EU-Kommission schlägt jetzt vor, das Mindestalter für den Kauf von Alkohol von 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen — eine entsprechende Verordnung ist in Vorbereitung!”

Schlägt sie nicht, ist sie nicht. In einer aktuellen Pressemitteilung der Kommission heißt es:

“Die Europäische Kommission plant keine EU-weit gültige Altersgrenze für den Alkoholverkauf. Medienberichte, dass die EU-Kommission das Verkaufsalter für Bier und Wein von 16 auf 18 Jahre anheben will, entbehren jeglicher Grundlage. (…)”

Außerdem heißt es in einer dpa-Meldung zum Thema unter Berufung auf den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou:

“Eine EU-weite Anhebung des Mindestalters für den Alkoholkauf von 16 auf 18 Jahre, von der die ‘Bild’-Zeitung am Donnerstag berichtete, sei aber nicht geplant.

Die Kommission wolle im Sommer Leitlinien zum Thema Alkohol und Gesundheit veröffentlichen, sagte Kyprianous Sprecher Philip Tod. Dabei handele es sich jedoch nur um Empfehlungen in Form einer so genannten Kommissionsmitteilung. ‘Bild’ hatte von einer Verordnung berichtet, die rechtlich bindend wäre. Kyprianou sehe keine Notwendigkeit für eine EU-Gesetzgebung, betonte Tod.”

In diesem Zusammenhang sei den “Bild”-Rechercheuren vor der Abfassung weiterer EU-Falschmeldungen ein Blick auf die Website eu-kommission.de empfohlen. Zum Thema “Alkohol erst ab 18!” etwa stand dort nämlich bereits im Januar:

“Was Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol an Minderjährige angeht, so hat die EU-Kommission hier keine Kompetenzen und strebt folglich auch keine EU-weite Regelung an.”

Kurzum: Wir sind gespannt, wann und wie “Bild” ihre heutige Falschmeldung “unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen” gedenkt, wie es der Pressekodex empfiehlt. Denn (nur zur Erinnerung) beim letzten Mal, als “Bild” falsch über die EU-Kommission berichtet hatte, sah die angemessene Richtigstellung in “Bild” so aus:

"Gegendarstellung (...) Die EU schafft Deutsch nicht ab."

Mit Dank an Oliver-Sven L. und Michael B. für die Anregungen.

Nachtrag, 17.40 Uhr: Mittlerweile habe wir auch die mutmaßliche Quelle für die mutmaßlich falschen “Bild”-Behauptungen ausfindig gemacht. So stand gestern im Handelsblatt, die EU-Kommission wolle “gegen den Alkoholmissbrauch vorgehen” und “dazu ein Bündel von Vorschlägen machen, etwa die Heraufsetzung des Mindestalters für den Verkauf von Bier und Wein auf 18 Jahre”. Und ein Sprecher der EU-Kommission sagt uns deshalb, die heutige Pressemitteilung beziehe sich durchaus auch auf den “Handelsblatt”-Artikel — in dem sich übrigens auch mehrfach das von “Bild” so fälschlich verwendete Wort Verordnung findet, allerdings, wie man vielleicht dazusagen sollte, in völlig anderem Zusammenhang (“Gestern verabschiedete das EU-Parlament eine Verordnung, welche die nährwert- und gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel stark einschränkt.”).

Begleiterscheinungen

“Beweist eine Gegendarstellung, dass eine Zeitung falsch berichtet hat? – ‘Nein.'”

So stand es mal in der “Bild am Sonntag”.

Vergangenen Sonntag allerdings stand dort dies:

“Ein schöner Beleg für die bekannte Reiselust unserer Politiker: Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn ist gerade von einer hochoffiziellen Dienstreise zum Amazonas aus Brasilien zurückgekommen. Einzige Begleitung: die Kuhn-Mitarbeiterin Marianne Tritz , eine ehemalige Bundestagsabgeordnete. Mittwoch gab’s dann ein streng vertrauliches Gipfeltreffen in einem Hinterzimmer der Pizzeria ‘Cinque’. (…) Doch um die Dienstreise an den Amazonas ging es dem Vernehmen aus der Grünen-Spitze nach mit keinem Wort. So wichtig kann die ja dann nicht gewesen sein…”

Und sagen wir’s so: Was auch immer uns “BamS”-Chefkolumnist Martin S. Lambeck mit diesem kleinen Textchen mitzuteilen gedachte über Fritz Kuhn — Kuhns “einzige Begleitung” war Marianne Tritz nicht. Mit dabei waren zumindest Kuhns Parteikollege Winfried Hermann und die Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig, die gemeinsam mit Kuhn am 4. Mai um 19 Uhr (und mehrere tausend Kilometer vom Amazonas entfernt) an einer Diskussionsveranstaltung im Goethe-Institut Sao Paulo teilnahmen.

Allein deshalb kann man durchaus nachvollziehen, dass Kuhn heute bekanntgeben ließ, “eine Gegendarstellung und eine Unterlassungserklärung” gegen die “BamS” durchsetzen zu wollen, deren Meldung, wie es in einer Pressemitteilung heißt, “offensichtlich mit gezielten Falschinformationen den Eindruck einer ‘Vergnügungsreise’ erwecken” sollte.

Mit anderen Worten: Eine Gegendarstellung beweist tatsächlich nicht, dass eine Zeitung falsch berichtet hat. Aber wozu gibt’s schließlich Fakten?

Nachtrag, 22.5.2006: Martin S. Lambeck hat sich nun, eine Woche später, in seiner “BamS”-Kolumne selbst korrigiert. Er schreibt:

“In Sachen Brasilien-Dienstreise des Grünen-Fraktionschefs Fritz Kuhn muß ich mich korrigieren: Kuhn war nicht nur mit der für Außenpolitik zuständigen Referentin Marianne Tritz nach Brasilien gereist, sondern der Delegation gehörten insgesamt sechs Personen, darunter auch der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann, an. Übrigens ging es auch nicht zum Amazonas, sondern in die Hauptstadt Brasilia, nach Rio de Janeiro und São Paulo, wo die Delegation unter Leitung von Kuhn intensive Gespräche über außen-, wirtschafts- und umweltpolitische Themen führte. Die Reise war also politisch doch wichtig.”

Ziehung der Luxuszahlen

"100 Millionen Luxuspensionen für Politiker"

Was obige Aussage heute zu einer Seite-1-Überschrift in der “Bild”-Zeitung macht, weiß “Bild” allein. Die Info selbst ist, seit sie die Bundesregierung vor zwei Monaten öffentlich machte, allseits bekannt — u.a. auch der “Bild am Sonntag”. O-Ton damals: “Bund und Länder haben im Jahr 2003 rund 106 Millionen Euro an Pensionen für Abgeordnete, Minister und ihre Hinterbliebenen aufgewendet.”

Das Schöne an dem Satz damals: Obwohl von Dirk Hoeren, war er in diesem Punkt vergleichsweise präzise — was man vom heutigen “Luxuspensionen”-Artikel nicht behaupten kann. Dort heißt es nämlich u.a.:

“Allein 30,5 Millionen Euro pro Jahr verschlingen die Pensionen ehemaliger Bundestagsabgeordneter (im Schnitt 3039 Euro pro Monat).”

Und, ja: Laut Alterssicherungsbericht (vgl. Tabelle A.3, Seite 235) erhielten 543 ehemalige Bundestagsabgeordnete im Jahr 2003 durchschnittlich 3039 Euro pro Monat (vgl. auch Dirk Hoeren/”BamS” vom 12.3.2006, Seite 11, wonach “an 543 ehemalige Bundestagsabgeordnete im Schnitt 3039 Euro Pension im Monat gezahlt” werde.) Laut Alterssicherungsbericht und unserem Taschenrechner zufolge ergibt das aber lediglich 19,8 Millionen.

Auf “30,5 Millionen Euro” kommt man indes nur, wenn man auch die “Entschädigung an Hinterbliebene” (im Schnitt 1866 Euro pro Monat bzw. 5,9 Millionen Euro insgesamt), die “Leistungen im Krankheits- und Pflegefall” (insgesamt 3,9 Millionen Euro) und “sonstige Leistungen” (0,9 Millionen Euro) hinzuzählt, aber genau das verschweigt.

Allerdings lautet ein weiterer Satz im selben Artikel:

“Weitere 26 Millionen kostet die Altersversorgung von Ex-Regierungsmitgliedern (…).”

Anders als bei den ehemaligen Bundestagsabgeordneten bleiben aber bei den Ex-Regierungsmitliedern die “Leistungen an deren Hinterbliebene” (laut Altersicherungsbericht immerhin weitere 5,4 Millionen Euro) unberücksichtigt. Kurzum: “Bild” desinformiert ihre Leser hier also offenbar nicht mal vorsätzlich, sondern aus blanker Dummheit, weshalb wir Gerhard G. aus Soltau (Niedersachsen) inständig bitten, seinen Antrag noch einmal gründlich zu überdenken.

Mit Dank an Benjamin P. für die Anregung.

Allgemein  

Symbolfoto XXXVII

In Nigeria ist heute eine Pipeline explodiert.

Und Bild.de zeigt dazu auch ein dpa-Foto:

Das dpa-Foto allerdings zeigt nicht etwa, wie Bild.de (auch in einem großen Teaser) vermuten lässt, die heutige Explosion der Pipeline, sondern, wie es z.B. korrekt bei Handelsblatt.com heißt, ein “Archivbild”. Noch genauer heißt es dort:

"Das Archivbild vom 17.9.2004 zeigt ein ähnliches Unglück in Nigeria."

Mit Dank an Marc B. für den Hinweis.

Nachtrag, 13. Mai. Es hat lange gedauert, aber inzwischen hat Bild.de das Foto gegen ein anderes ausgetauscht.

Kurz korrigiert (102)

Bild.de schreibt über die aktuelle Charts-Platzierung des deutschen Beitrags für den Eurovision Song Contest:

“Und schon gibt es den ersten Eintrag in die Geschichtsbücher der Hitparade. Noch nie stand ein deutscher Grand-Prix-Beitrag vor der internationalen Endrunde an der Spitze der deutschen Charts!”
(Hervorhebung von uns.)

Und weil Bild.de das offenbar bemerkenswert findet, steht’s als “Grand-Prix-Rekord” sogar in Überschrift und Teaser. Doch auch, wenn man das bei “Bild” vielleicht nicht wahrhaben will: Die “Texas Lightning”-Platzierung ist kein “Grand-Prix-Rekord”. Im Frühjahr 2004 schon stand Max Mutzke mit seinem Beitrag “Can’t wait until tonight” an der Spitze der deutschen Charts: vom 22. März bis 11. April 2004 (KW 13 bis 15) und damit ebenfalls “vor der internationalen Endrunde” am 15. Mai 2004 — sogar von Null auf Platz 1.

Mit Dank an Peter K. für den Hinweis.

Nachtrag, 20.35 Uhr: Zurückzuführen ist der Bild.de-Fehler vermutlich auf eine (gelinde gesagt) irreführende Formulierung in einer Pressemitteilung des NDR eine Woche vor dem Finale. Dort heißt es nämlich: “Damit geht beim Eurovision Song Contest zum ersten Mal ein Titel für Deutschland ins Rennen, der hierzulande an der Spitze steht.”

“Bild” verhöhnt österreichischen Finanzminister (3)

Unter der Überschrift “Aaaaaah! Grasser gegen Bild – das Medienrecht ist zahnlos” berichtet heute auch die “Zeit” über die Paparazzi-Fotos vom österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seiner Gattin Fiona, die “Bild”, wie berichtet, am vergangenen Freitag (teilweise verpixelt) abgedruckt hatte und gegen deren Veröffentlichung Grasser juristisch vorgeht.

Eine “Bild”-Sprecherin hatte ja bereits versucht, die Veröffentlichung damit zu rechtfertigen, dass Grasser und seine Frau “ganz klar als Society-Paar” aufträten, “bereits seit geraumer Zeit die Spalten der Yellow-Presse” füllten. Die Berichterstattung stünde deshalb “auch auf einer anderen Basis” als etwa der von “Bild” scharf kritisierte Abdruck vergleichbarer Fotos von Angela Merkel in anderen Medien. Die “Zeit” zitiert nun nicht nur aus dem suggestiven “Bild”-Text (“Hier sucht die Kristallerbin die Kronjuwelen des Finanzministers. Da liegt ER! Und genießt. Ihr Verwöhnprogramm. Ihre Küsse. Ihre Liebkosungen. Herzen, busseln, tasten, suchen. Nach Kronjuwelen? Mozartkugeln? Aaaaaah! (…) Fiona (…) und ihr Minister arbeiten nach einer Fehlgeburt an einem Baby. Kleiner Tipp, verehrte Liebende: DAS geht irgendwie anders.”), sondern auch den stellvertretenden “Bild”-Chefredakteur Alfred Draxler mit den rätselhaften Worten:

“Wir haben ja nicht behauptet, dass der Sex vollzogen wurde.”

Weiter heißt es in der “Zeit”:

“Das Foto sei im Übrigen gar nicht von Bild-Reportern geknipst worden, sondern von italienischen Paparazzi. Als britische Boulevard-Kollegen ein Foto mit nacktem Po der deutschen Kanzlerin Angela Merkel druckten, schäumte Bild und schwor Rache. Der Fall des österreichischen Finanzministers liege hingegen anders, beteuert nun Draxler. Der zähle halt zum ‘Jetset'”.

Aha.

Mit Dank an Tina F. für den Hinweis!

Noch ‘ne Torte (Wiedervorlage)

Da hatte der Zuckerbäcker von Bild.de vor einem Monat so ein schönes Tortendiagramm gebacken, und uns wollte es trotzdem nicht so recht schmecken. Kein Wunder eigentlich. Doch nachdem wir uns öffentlich über den Pfusch beschwert hatten, wurde die Tortengrafik nicht etwa entsorgt, sondern — husch-husch — umdekoriert und erneut in die Auslage gestellt. Enttäuscht haben wir den Bild.de-Backshop seitdem gemieden und erst jetzt, als wir geschäftlich mal wieder in der Gegend waren, festgestellt, dass der Konditor offenbar eine neue Torte gebacken und sie stickum gegen das ungenießbare Teil ausgetauscht hat.

Schön sieht sie aus, die neue. Pfusch ist es trotzdem: Aus einem 20-Prozent-Anteil sind nun “18 %” geworden (siehe Ausriss) — so dass die Umfrageergebnisse in der aktuellen Fassung nicht mehr nur falsch dargestellt, sondern auch erstmalig falsch sind.

Mit Dank an Sine W. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.6.2006: Um’s mit unserem Leser Frederik B. zu sagen: Offenbar haben sie’s gebacken gekriegt.

Unglaublich, aber unwahr

Nachdem die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” am Dienstag vergangener Woche vorab hatte verbreiten lassen, was anderntags Titelschlagzeile werden sollte (siehe Ausriss), stand die Sache, wie berichtet, natürlich auch in “Bild”. Unter Verweis auf die “B.Z.”-Meldung hieß es dort am Mittwoch auf der Titelseite:

"Grüner will Nationalhymne auf Türkisch"

“Der Grüne Hans-Christian Ströbele schockte Deutschland gestern mit einem unglaublichen Vorstoß: Er will, daß es von der dritten Strophe unserer Nationalhymne eine türkische Version gibt.”

Und “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner schrieb (an Ströbele):

“Sie fordern eine offizielle türkische Version der deutschen Nationalhymne.”

Außerdem hatte “Bild” bei verschiedenen Politikern nachgefragt, was sie von dem “Vorstoß” hielten, woraufhin sie ihn als “völlig absurde Idee” (Frank Henkel) oder “absolut durchgeknallt” (Markus Söder) bezeichneten. Nur auf die Idee, vielleicht doch noch mal bei Ströbele selbst nachzufragen, ob’s überhaupt stimmt, was die Schwesterzeitung über ihn zu berichten wusste, kam bei “Europas größter Tageszeitung” offenbar niemand.

Ein Fehler. Denn laut Ströbele stammt die “völlig absurde Idee” gar nicht von ihm. Vielmehr habe die “B.Z.” bei ihm nachgefragt, “ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne”: “Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK”, so Ströbele in einer Stellungnahme.

Wie wenig Ströbeles lapidares “OK” mit einem “unglaublichen Vorstoß” gemein hat (und wenig offenbar “Bild” — wie vielen anderen Medien — an einer sachdienlichen Berichterstattung gelegen war), zeigt jedoch eine weiterer Absatz in Ströbeles Stellungnahme. Dort heißt es nämlich:

“Nachträglich habe ich erfahren, dass es bereits seit dem Jahr 2000 ein Taschenbuch des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz in deutscher und türkischer Sprache gibt. Und auf der Umschlagseite findet sich die dritte Strophe des Deutschlandliedes mit Noten in deutscher Sprache — und mit einer Übersetzung in die türkische Sprache.”

Eigentlich lustig. Lustiger jedenfalls als die “590 Hassbriefe von beleidigten Deutschen”, die Ströbele seither offenbar zugeschickt bekam.

“BILD-Informationen” frei erfunden

Zwei Tage nach der Freilassung der “deutschen Irak-Geiseln” René Bräunlich und Thomas Nitzschke stand auf der “Bild”-Titelseite:

"Nach der Befreiung verlangten sie ein Bier. Sie fragten: Wie hat die Bundesliga gespielt?"

“Nach BILD-Informationen” hieß es dann zudem:

“Als sie um 17.29 Uhr unserer Zeit dort ankamen, war ihr erster Wunsch an Botschafter Bernd Erbel: ‘Haben Sie ein kühles Bier, bitte?’ (…) Dann wollten die Sachsen den Stand der Fußball-Bundesliga (…) wissen.”

Soweit “Bild”. Doch was sagt der Entführte René Bräunlich selbst zu Bier und Bundesliga?

“Das Letztere ist eine freie Erfindung. Als wir in der Botschaft waren, hatten wir zunächst das tiefe große Gefühl der Dankbarkeit, vor allem auch für die vielen jungen Sicherheitskräfte aus Deutschland, die da waren, für den Botschafter und für all die anderen Leute. Die begrüßten uns so herzlich, das war richtig wohlig-warm. Als erstes wollten wir sofort mit unseren Familien in Kontakt treten. Das war aber ein wenig schwierig, weil die Verbindung nicht gleich zustande kam. Und dann war es, so glaube ich, der Botschafter Erbel, der meinte, Mensch, jetzt stoßen wir aber mit einem kühlen Bier auf ihre Freiheit an. So war das mit dem Bier. Und nach der Bundesliga haben wir uns überhaupt nicht erkundigt.”

(Zitiert aus einem Interview mit Bräunlich und Nitzschke in der “Leipziger Volkszeitung” vom vergangenen Samstag.)

Mit Dank an den Hinweisgeber.

“Bild” verhöhnt österreichischen Finanzminister (2)

Sorry, aber wir müssen dann doch noch einmal auf die Paparazzi-Fotos vom österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser zurückkommen, die “Bild” heute abdruckt und unter der Überschrift “Hier sucht die Kristall-Erbin die Kronjuwelen beim Finanzminister” anzüglich betextet.

ORF.at weist nämlich darauf hin, dass “Bild” heute nicht zum ersten Mal Fotos aus der Privatsphäre Grassers veröffentlicht. Im Gegenteil:

Vor fast genau einem Jahr, am 10. Mai 2005, betextete “Bild” unter der Überschrift “Dieser Finanzminister hat alles im Griff” einige Paparazzifotos von Grasser und seiner Freundin u.a. mit Sätzen wie:

Capri. Sie knutschen. Sie züngeln. Sie spielen neckische Hoppe-hoppe-Reiter-Spielchen. Verknalltheit total. Amore Caprese …

(…) Münder auf! Zungen raus! Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (36) hat sexy Kristall-Erbin Fiona Swarovski (40) fest im Griff”

Und knapp einen Monat später, am 6. Juni 2005, zeigte “Bild” weitere Paparazzi-Fotos und schrieb unter der Überschrift “Hier befummelt ein Finanzminister seinen größten Schatz”:

Sardinien. Erinnern sie sich noch? Erst Anfang Mai zeigten wir Ihnen Urlaubsfotos von Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (36) mit seiner Geliebten. Knapp vier Wochen später ist der Herr Minister schon wieder im Urlaub. Grasser noch krasser: (…) Die beiden busselten und fummelten das ganze Repertoire an Schmuse-Stellungen durch. Mal herzte er sie (nicht mehr ganz jugendfrei) von hinten, mal beschlabberte sie ihn von vorne. Danach ging’s zur feucht-fröhlichen Abkühlung ins Meer. Den Rest überlasse ich ganz Ihrer blühend-blumigen Phantasie, liebe Leser …”

(Wobei hier vielleicht anzumerken ist, dass “Bild” heute der “blühend-blumigen Phantasie” ihrer Leser sogar noch etwas nachhilft, indem Teile eines Paparazzifotos von “Bild” derart verpixelt wurden, dass für den Leser gar nicht zu erkennen ist, ob darauf tatsächlich sexuelle Handlungen zu sehen sind, wie “Bild” suggeriert. Was auf den Fotos zu sehen ist, wird von “Bild” durch Verzicht auf einen Hinweis zum Ursprung der Fotos zusätzlich verschleiert.)

Laut ORF.at hat Grasser übrigens im vergangenen Jahr öffentlich erklärt, “er würde sich mehr Respekt vor der Privatsphäre wünschen. Es sei ihm unangenehm, von Fotografen verfolgt zu werden.” Außerdem sei eine Klage gegen “Bild” in Erwägung gezogen worden. Das ist nun anders. Verschiedene österreichische Medien melden, Grassers Anwalt sei bereits damit beauftragt, rechtliche Schritte gegen “Bild” in die Wege zu leiten und werde seinen Mandanten “sicher eine Klage empfehlen”.

Und eine faule Ausrede offizielle Erklärung, warum die “Bild”-Zeitung die Persönlichkeitsrechte des österreichischen Finanzministers und dessen Ehefrau anders beurteilt als unlängst jene der deutschen Bundeskanzlerin, gibt es inzwischen auch. Eine “Bild”-Sprecherin teilte der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit:

“Anders als Angela Merkel treten Herr Grasser und Frau Swarovski ganz klar als Society-Paar auf und füllen bereits seit geraumer Zeit die Spalten der Yellow-Presse. Deshalb steht die Berichterstattung über das Paar auch auf einer anderen Basis als die über die deutsche Bundeskanzlerin.”

Aha.

Mit Dank auch an Thorsten F. für die Hinweise.

Nachtrag, 8.5.2006: Laut ORF.at hat der Anwalt von Grasser und Swarovski am Straflandesgericht Wien nach Paragraf 7 Mediengesetz eine Klage wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches eingebracht. Am Wiener Handelsgericht sei zudem eine Klage nach dem Urhebergesetz anhängig. Beide Klagen seinen auf Schadenersatz gerichtet. Daneben habe der Anwalt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt, die jede weitere Veröffentlichung bzw. Verbreitung des inkriminierten Artikels verhindern soll.

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