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Blöde Frage

Heute zeigt “Bild” im Raum Berlin-Brandenburg mal wieder große Fotos zweier Angeklagter “auf dem Weg ins Gericht”. “Bild” hatte über die beiden bereits im April berichtet und sich damals vorverurteilende Sätze ausgedacht wie “Baby von den Eltern halbtot gefoltert!” oder “(…) ein so junges Leben, geprägt von "Was haben diese Eltern zu verbergen?"
Schlägen, Tritten, Folter!”
— obwohl inzwischen (nicht nur, aber) auch “Bild” weiß: “Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden keine Quälerei vor.” Dennoch fragt “Bild” heute scheinheilig naiv:

“Was haben diese Eltern zu verbergen?”

Denn: “Sie verstecken ihre Gesichter (…). Was haben sie jetzt zu verbergen?” Ja, was nur? Ihr Gesicht etwa? “Mutter Janine E. (17) versteckt sich hinter einer Zeitung”, schreibt “Bild”, “Vater Thomas P. (19) zieht sich voller Scham seinen Pullover über den Kopf.”

Voller Scham? Vielleicht. Auf die Idee, dass E. und P. andernfalls ihr Gesicht womöglich ohne jede Unkenntlichmachung in der Zeitung wiedergefunden hätten, ist “Bild” offensichtlich nicht gekommen. Wieso auch? Schließlich wäre das ja wohl laut Pressekodex mit Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen “nicht gerechtfertigt”, oder?

Erwischt! (Nachtrag)

Wie berichtet, druckte “Bild” ja kürzlich (und damit bereits zum zweiten Mal) ein “BILD-Leser-Reporter”-Foto von Gerhard Schröder am Strand, zu dessen Veröffentlichung er keine Einwilligung gegeben hatte, obwohl es doch in den “So werden Sie Leser-Reporter”-Hinweisen ausdrücklich hieß, dass die Fotografierten mit einer Veröffentlichung einverstanden sein müssen. Das ZDF-Magazin “Frontal21” hat den 12-jährigen “Leser-Reporter” ausfindig gemacht und lässt ihn erzählen, wie es zu dem Foto kam:

“Dann bin ich da hingegangen, und dann war’n da auch schon welche, und dann hat er da auch’n Autogramm gegeben. Und dann hab’ ich das sogar von weiter hinten gesehen: Der ist so genervt, der will ja auch Urlaub haben, dass ich das dann lieber lasse. Und dann bin ich nochmal zurück gegangen, hab’ meinen Fotoapparat geholt, und dann hab’ ich mir gedacht: Na, wenigstens noch’n Foto — weil, der Mann hat ja auch Urlaub. Ja, und dann hab’ ich mich hinter so’n Klettergerüst gestellt, und ja, dann hab ich’n Foto geschossen.”

Mehr dazu bei “drehscheibe deutschland” bzw. “Frontal21”.

Kurz korrigiert (260/261 — 262)

Ja, ja, nachdem die “Bild”-Zeitung vor ein paar Wochen auf einen “Liebes-Schwindler” hereingefallen war, zeigte sie Verena und Oliver Kahn kürzlich als glückliches Paar. Fraglich allerdings, ob das für Bild.de wirklich Grund genug ist, “Verena Pooth” statt “Verona Pooth” und “Farah Kahn” statt “Farah Khan” zu schreiben.

Und wo wir gerade schon beim Fußball beim Korrigieren sind: Anders als “Bild” heute behauptet, ist Jens Lehmann offenbar nicht, “der einzige Torwart, der in der Bundesliga aus dem Spiel heraus getroffen hat (1997 für Schalke beim 2:2 in Dortmund)”. Denn das gelang auch Frank Rost 2002 für Werder Bremen beim zwischenzeitlichen 3:3-Ausgleichtreffer gegen Hansa Rostock.

Mit Dank an Christiane B. und Lars sowie Sascha M., Sascha G., Stefan L. und Martin F. für die Hinweise.

Nachtrag, 6.9.2006: Fehler 260 wurde korrigiert, 261 auch, Fehler 262 nicht.

Lammert und der Boy von Seite 2

Dieter Bohlen (52) ist für die “Bild”-Zeitung vielseitig verwendbar: als Motiv für “BILD-Leser-Reporter”, als “Bild”-Schlagzeile — aber auch für ihre tolle “Korrekturspalte”. Heute findet er sich dort bereits zum vierten Mal in vier Wochen wieder. Denn nachdem “Bild” nicht nur Bohlens Alter, sondern auch das seines jüngsten Kindes aus erster Ehe und zuletzt gar den angeblichen Anfangsbuchstaben des angeblichen Vornamen seiner angeblichen neuen Freundin berichtigte, schafft es Bohlen auch heute auf Seite 2 der “Bild”:

Weil Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann am Samstag zu berichten wusste, dass die Trennung von Dieter Bohlen und seiner bisherigen Lebensgefährtin Estefania (eigentlich Stefanie Küster) “schon neun Monate” zurückliege, heißt es nun:

“Richtig ist: Die Trennung erfolgte am 9. Juni.”

P.S. Falls “Bild” für die morgige Ausgabe nichts Besseres einauffällt, hätten wir da noch einen Vorschlag:

“Bild” behauptet heute nämlich, Bundestagspräsident Norbert Lammert (57) habe “einen Brief an Polens Parlamentspräsident Marek Jurek” geschrieben. In einer längeren Fassung heißt es sogar stolz, es handle sich dabei um einen “offenen Brief”, “der BILD vorliegt”.

Nach Angaben des Deutschen Bundestages handelt es sich dabei aber peinlicherweise lediglich um einen Artikel Lammerts für die größte polnische Tageszeitung “Fakt” (mehr dazu z.B. hier und hier), wo der angebliche Lammert-“Brief”, der “Bild” vorliegt, bereits am vergangenen Freitag in einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren erschienen ist.

Mit Dank an Hyp Nom für den Hinweis.
Danke auch an Matthäus W. für die Unterstützung!

Nachtrag, 5.9.2006: Was Millionen “Fakt”-Leser schon seit vergangenem Freitag wissen, erfahren heute nun auch Millionen “Bild”-Leser.

Kurz korrigiert (259)

Wenn, sagen wir, das ehemalige Kindermädchen Friede Springer, inzwischen Mehrheitseignerin (!) der “Axel Springer AG”, den Vorstandsvorsitzenden des Medienkonzerns, Mathias Döpfner, heiraten würde, was wäre dann die passende Überschrift? Etwa:

Warum heiratet Friede ihren Chef?
(Hervorhebung von uns.)

Wohl kaum.

Wenn aber stattdessen die ehemalige Catering-Aushilfe Lisa Plenske, inzwischen Mehrheitseignerin (!) von “Kerima Moda”, den Geschäftsführer des Modekonzerns, David Seidel, heiratet, entscheidet sich “Bild” für:

"

Mit Dank an Florian Z., Willibald K. und Jan für den Hinweis.

Erwischt!

“Es ist ganz einfach: Sie machen ‘klick’ und wir zahlen!”
(Hinweis für “BILD-Leser-Reporter”)

Gestern noch, als “Bild” u.a. ein Foto von “Altkanzler Gerhard Schröder auf Borkum im Liegestuhl” veröffentlichte (siehe Ausriss), stand bei Bild.de zum Thema “So werden Sie Leser-Reporter bei BILD und Bild.t-online” folgender Hinweis:

Wichtig! Teilnehmen können nur Fotos, dessen Urheber Sie auch sind, das bedeutet, Sie selbst haben das Foto gemacht. Die abgebildeten Personen müssen mit der Veröffentlichung in BILD und unter www.bild.t-online.de einverstanden sein.

Heute nun ist dieser berechtigte Hinweis bei Bild.de (ähnlich wie unlängst schon der Hinweis, dass die Einsendungen der “Leser-Reporter” “überprüft und journalistisch nachrecherchiert” würden) spurlos verschwunden.

Doch was bedeutet das? Entweder möchten “Bild” und Bild.de ihre “Leser-Reporter” plötzlich einfach nur nicht mehr darauf hinweisen, dass die fotografierten Personen mit der Veröffentlichung in “Bild” und auf Bild.de einverstanden sein müssen. Oder “Bild” und Bild.de ist das für solche Veröffentlichungen notwendige* Einverständnis völlig egal.

Für letzteres spricht beispielsweise das eingangs erwähnte Schröder-Foto. Denn nach BILDblog-Informationen war Gerhard Schröder mit einer Veröffentlichung des Liegestuhl-Fotos in “Bild” und auf Bild.de nicht einverstanden.

*) Entsprechend dem sog. “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (von “Bild” schlicht “Maulkorb-Urteil” genannt) können Fotos aus dem Alltagsleben, die Prominente bei rein privaten Tätigkeiten zeigen bzw. ausschließlich Einzelheiten ihres Privatlebens betreffen und ohne ihre Einwilligung, zuweilen auch heimlich aufgenommen wurden, nicht als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichem Interesse angesehen werden. Deshalb verletze eine Veröffentlichung das in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene “Recht auf Achtung des Privatlebens”.

Nachtrag, 19.22 Uhr: Seltsam, aber wer seine Fotos nicht als “BILD-Leser-Reporter” anbietet, sondern als Teilnehmer beim aktuellen “Foto- und Videowettbewerb: Die peinlichsten Urlaubs-Pannen” von Bild.de, wird ausdrücklich auf die Teilnahmebedingungen hingewiesen…

Sind immer die andern IV

Ihre tolle “Korrekturspalte” hat “Bild” heute nicht wie üblich irgendwo auf Seite 2 versteckt, sondern in einem Artikel. Darin heißt es über “die Neue” von Boris Becker:

Vor einer Woche wurde bekannt, dass die alleinerziehende Mutter eines 4-jährigen Sohnes von Hartz IV lebt.

Doch das bestritt Michelle im Interview mit BILD, behauptete wörtlich: “Das stimmt nicht. (…)”
(Link von uns.)

Eine Antwort, die “Bild”-Interviewer Rolf Hausschild (“Wer ist diese Frau? … Jetzt spricht sie — exklusiv in BILD.”) offenbar nicht weiter hinterfragt hatte — und “Bild” nun, drei Tage später, unter der Überschrift “Berichtigung” “Ist die Neue von Boris eine Lügnerin?” korrigiert, denn:

Jetzt wird Michelle der Lüge überführt.

In Wirklichkeit wurde sie als Hartz-IV-Empfängerin im Berliner Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf geführt.

Das berichtet die BZ [ebenfalls eine Springersche Boulevardzeitung] und veröffentlichte als Beweis sogar Michelles sogenannte Vorgangsnummer.
(Link von uns.)

Allgemein  

Zitat-Anschlag auf Nena?

Am Montag berichtete “Bild” über einen angeblichen “Terroranschlag” bzw. “Feuer-Anschlag auf Nena” (siehe Ausriss) und schrieb: “Türkischstämmige Männer (…) wollten angeblich ein Tankschiff auf dem Rhein-Herne-Kanal kapern und am Gelsenkirchener Amphitheater in die Luft jagen – während eines Nena-Konzerts!” Die Polizei hatte die Sache indes (wie berichtet) als “Fehlalarm” bezeichnet, das zeitgleich stattfindende Nena-Konzert als “Zufall” und den von “Bild” hergestellten Nena-Zusammenhang als “Spekulation”. Unbeirrt schrieb “Bild” tags drauf nochmals über den “Nena-Anschlag!”, ließ ihre Leser über die deutlichen Polizeidementis jedoch weiter im Unklaren.

Wenn man so will, blieb “Bild” von der ganzen Story letztlich aber nur der exklusive O-Ton, mit dem “Bild” Nena zitiert hatte:

Sie sagte zu BILD: “Ich habe nachmittags von der Bombendrohung erfahren, hatte ein mulmiges Gefühl. Aber ich lasse mir von Terroristen den Auftritt nicht kaputt machen.”

Auf Nenas Website allerdings gibt Nenas Management bekannt:

“Die Behauptung angeblicher Äußerungen von Nena gegenüber der BILD ist von der BILD frei erfunden. NENA hat kein Gespräch mit BILD-Redakteuren zu diesem Thema geführt. Nena distanziert sich von dieser unwahren Berichterstattung der BILD.”

Mit Dank an Michael P.

Ceci n’est pas une Presseausweis.

Bezüglich der “BILD-Leser-Reporter” teilt der Deutsche Journalisten-Verband DJV mit:

Wie der DJV jetzt erfuhr, sollen die Hobbyjournalisten von BILD einen eigens für sie bestimmten Presseausweis erhalten, sobald sie das erste Foto eingeschickt haben. Auf die Vorderseite schreiben sie ihren Namen und ihre Adresse und kleben ein Foto auf. Auf der Rückseite steht in kleiner Schrift, “dass dies kein Presseausweis i.S.d. Vereinbarung der Innenministerkonferenz, der Journalistengewerkschaft und der Verlegerverbände ist”. Ferner wird der Ausweisinhaber aufgefordert, nicht die Arbeit von Polizei oder Rettungsdiensten zu behindern.
(Link von uns.)

Der Warnhinweis sei “ein Feigenblatt, mit dem Springer juristische Auseinandersetzungen vermeiden will”, so der DJV weiter, der zugleich an die Verantwortlichen des Springer-Konzerns appelliert, den “Leser-Reportern” keine eigenen Presseausweise auszustellen.

PS: Nach BILDblog-Informationen hat “Bild” in Hamburg eine eigene “BILD-Leser-Reporter”-Redaktion mit dem Namen “1414” gegründet. Geleitet wird sie von Ralf Pörner, Leiter des “Bild”-Unterhaltungsressorts.

Nachtrag, 18.30 Uhr:
Die Idee kommt unserem Leser Florian P. bekannt vor.

Nachtrag, 31.8.2006:
Laut jetzt.de wurden die “BILD-Presseausweise” angeblich auch in einer Auflage von zwei Millionen an Zeitungskioske u.ä. verteilt.

Geschehen ist (fast) nichts

In der gestrigen “Bild” erschien ein (vergleichsweise großer) Artikel, dessen Überschrift seinen Inhalt schon ganz gut zusammenfasst:

“Vor der Wahl versprach Angela Merkel Reform der Altersbezüge für Politiker — geschehen ist (fast) nichts.

Wann kürzt die Kanzlerin endlich die Minister-Pensionen?”

Genauer hieß es dann:

“Im zuständigen Innenministerium rührt sich so gut wie gar nichts. ‘Die Planungen werden weiter verfolgt und nach und nach umgesetzt’, erklärt die Bundesregierung auf Anfrage von BILD. Wann und wie die Neuregelung kommt, sei ‘noch offen’.”

Und heute? Heute berichtet “Bild” in einem (vergleichsweise kleinen) Artikel:

"Regierung will nun doch Minister-Pensionen kürzen!"

Genauer heißt es dazu:

“Die Große Koalition hat gestern angekündigt, dass die Pensionen (…) gekürzt werden! (…) Der genaue Termin der Neuregelung ist weiterhin offen.”

Was ist zwischen diesen beiden “Bild”-Meldungen passiert? (Fast) nichts. “Es ist nicht so, dass die ‘Bild’ irgendwas angestoßen hat”, erklärt die Bundesregierung auf Anfrage von BILDblog — und verweist auf ihre gestrige Pressekonferenz, in der Regierungssprecher Thomas Steg (vergleichsweise ausführlich) darlegte, was “Bild” doch schon zuvor, also gestern, mit den Worten “Die Planungen werden weiter verfolgt und nach und nach ungesetzt” zusammengefasst hatte und was “Bild” hernach, also heute, mit zum Teil denselben Worten noch einmal aufschreibt.

Wirklich neu ist an der ganzen Sache nur das “nun doch” in der heutigen “Bild”-Überschrift — als hätte die “Bild”-Zeitung mit ihrer gestrigen Geschichte irgendwas bewirkt.

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