Die Sommerferien sind vorbei und ich begrüße Sie ganz herzlich zur ersten Stunde unseres Englisch-Leistungskurses! Es sind noch zwei Jahre bis zum Abitur, deswegen wollen wir es heute erst mal etwas ruhiger angehen lassen – hart wird’s noch früh genug – und gucken zum Einstieg erst mal ein Video:
Sie haben es natürlich schon gemerkt (bis auf den Kollegen da am Fenster, der schon – HALLO! – eingeschlafen war): Wir haben das Video nicht nur zum Vergnügen gesehen. Zum einen machen wir gleich ein paar kleine Übersetzungsübungen, zum anderen werden wir uns in diesem Herbst zunächst intensiv mit dem Thema “Wahlkampf in den USA” beschäftigen. Also, wer hat den Mann erkannt?
Richtig, Mitt Romney war das, der republikanische Präsidentschaftskandidat und Herausforderer von Barack Obama.
Und jetzt lesen wir gemeinsam diesen Text von der Deutschen Presse-Agentur dpa, wenn Sie den mal eben rumgeben, danke!
Dann lesen wir doch mal:
Der republikanische Präsidentenkandidat Mitt Romney hat sich in einem heimlich aufgenommenen Video abfällig über Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama geäußert. Romney beschrieb 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker, die keine Einkommenssteuer zahlten und glaubten, sie seien Opfer und die Regierung müsse für sie sorgen.
Wem ist was aufgefallen? Ja, Sie da in dem Ringelpulli!
Genau, dpa schreibt, Romney beschreibe 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker. Da fragt man sich natürlich, was mit den anderen 53 Prozent ist, nicht wahr? In Wirklichkeit hat er ja aber gesagt:
There are 47 percent of the people who will vote for the president no matter what. All right, there are 47 percent who are with him, who are dependent upon government, who believe that they are victims, who believe the government has a responsibility to care for them, who believe that they are entitled to health care, to food, to housing, to you-name-it. That that’s an entitlement. And the government should give it to them. And they will vote for this president no matter what…These are people who pay no income tax.
Der einzelne Satz ist ein bisschen schwer zu verstehen, aber es wird dann schnell klar, dass es um 47 Prozent aller Wähler geht. Also, Romney meint: 47 Prozent stimmen eh für Obama. Er sagt dann später, er muss die fünf bis zehn Prozent in der Mitte überzeugen, die vorher noch nicht festgelegt sind.
Ich hab hier auch noch einen Text von der Nachrichtenagentur dapd, ich les den grad mal vor:
Mitt Romney hat sich im US-Präsidentschaftswahlkampf mal wieder selbst ein Bein gestellt. Vor wohlhabenden Spendern bezeichnete der republikanische Präsidentschaftskandidat Anhänger von Amtsinhaber Barack Obama als Opfer. Fast die Hälfte aller Amerikaner glaubten, sie seien Opfer und hätten Anspruch auf finanzielle Unterstützung.
Wem fällt was auf? Ja, Sie hier vorne? Genau: Im zweiten Satz heißt es, Romney bezeichne die Leute als “Opfer”, im dritten heißt es – richtig – er sagt, sie sähen sich selber als welche. Die Überschrift der Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Anhänger als Opfer”, die der dpa-Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Wähler als Abzocker und Opfer”.
Und das ist ja wohl ein Unterschied, ob ich sage “Du Opfer” (sagt man das noch unter jungen Leuten?) oder “Ooooch, der Arme: sieht sich als Opfer”. Man könnte sagen: Mitt Romney spricht diesen Menschen ab, sich rechtmäßig als Opfer fühlen zu dürfen.
Und jetzt gucken Sie sich mal an, was die deutschen Online-Medien so schreiben:
So, das war’s für die erste Stunde. Wir machen fünf Minuten Pause und dann fangen wir richtig an. Damit Sie nach dem Abi was Vernünftiges studieren können und nicht Journalist werden müssen.
Mit Dank auch an Wolfgang.
Nachtrag, 17.10 Uhr: dpa hat eine Berichtigung des Artikels verschickt:
## Berichtigung
– Im zweiten Satz wurde klargestellt, dass Romney alle Obama-Wähler meinte. Es heißt richtig “die 47 Prozent Obama-Wähler”, nicht: “47 Prozent der Obama-Wähler”)
– In der Überschrift wurden die Worte “und Opfer” gestrichen