Franz Josef Wagner ist 68 Jahre alt und damit im besten Rentenalter. Doch der legendäre “Bild”-Kolumnist denkt offenbar noch nicht ans Aufhören, wie seine heutige “Post von Wagner” nahelegt:
Liebe Rente mit 67, 69 …
was für ein schwieriger Brief, aber ich versuch’s mal.
Wer heute zehn Jahre ist, wird vielleicht so alt wie Jopie Heesters. 108. Stellen wir uns vor, Jopie wäre mit 65 in Rente gegangen. 43 Jahre hätte er Rente bekommen.
Wagner stellt sich nun die Frage, wer “uns” bezahlen kann oder soll, wenn “wir so alt werden wie Jopie Heesters”. Das haben sich schon viele vor ihm gefragt und Wagner kommt ungefähr zur selben Antwort:
Wir haben keine Enkel. Wir werden so viele Alte sein ohne Enkel. Weil wir keine Enkel haben, müssen wir weiterarbeiten.
Ein 70-jähriger Tischler macht einen Tisch. Ein 80-jähriger Klempner mit Glatze reinigt die Toilette. Ein 90-jähriger Gärtner schneidet die Hecken. Ein 100-jähriger Koch wirft die Bratkartoffeln in der Pfanne hoch.
Was ist daran so schlecht, wenn die Alten arbeiten?
Das alles ist – zumindest nach Wagners Maßstäben – noch nicht wirklich merkwürdig. Gut: Wie soll der 80-jährige Klempner wieder auf die Beine kommen, nachdem er die Toilette gereinigt hat? Was bedeutet es für die Rentenkasse, wenn der 90-jährige Gärtner dem 30-jährigen Gärtner den Arbeitsplatz wegnimmt? Aber, wie gesagt: Alles noch im Rahmen.
Selbst Wagners beherzter Sprung in den Aphorismenbrunnen verstört kaum:
Arbeiten ist Glück.
Ich jedenfalls kann mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen. Das Leben ist für mich ein Fahrrad, man trampelt und trampelt, und wenn man nicht mehr trampelt, fällt das Fahrrad um.
Ich liebe die Arbeit.
Nein, bemerkenswert wird Wagners heutiger Brief nur, wenn man ihn mit dem vergleicht, den er vor etwa vier Wochen an den Philosophen Richard David Precht geschrieben hatte. Precht hatte damals (übrigens zum wiederholten Male, aber zum ersten Mal zum Interesse von “Bild”) in einer Fernsehtalkshow gefordert, Rentner sollten ein “soziales Pflichtjahr” absolvieren.
Franz Josef Wagner fand diesen Vorschlag nicht so gut:
Wer 40 Jahre gearbeitet hat, hat das Recht, müde zu sein. Ich mag die alten Leute, wenn sie zusammensitzen, ich mag ihre abgearbeiteten Hände. Ich mag, wenn die Alten nach Mallorca fliegen.
Ich glaube, sie haben genug gearbeitet für unsere Gesellschaft.
Mehr noch, er ging mit Precht hart ins Gericht, wobei er seine Verachtung in merkwürdige Schwärmerei kleidete:
Sie geschniegelter, hübscher Klugscheißer-Philosoph, glaube ich, haben niemals gearbeitet.
Man muss nur Ihre Hände anschauen, elegante, Klavier spielende Hände.
Ihr aufgeknöpftes, weißes Hemd. Ihr gepflegtes, auf die Schultern gefallenes Haar.
Die Art, wie Sie die Beine übereinander verschränken. Ich denke, Sie haben kein Recht, über Rentner zu sprechen.
Sie sind Bestseller-Millionär. Sie sind reich. Sie haben keine Ahnung, wie es Rentnern geht.
Das ist dann natürlich der Nachteil, wenn 68- bis 108-jährige noch für die Zeitung schreiben: Sie wissen nicht mehr, was sie noch vor kurzem geschrieben haben.
Mit Dank an erwinwa.