Die “Bild am Sonntag” war ganz außer sich vor Aufregung:
Das (aus Sicht der Zeitung) alarmierende Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage:
Deutschland färbt sich rot!
Die “BamS” macht das an Meinungsumfragen für drei Landtage und den Bundestag fest, und sie übertreibt maßlos. Die CDU würde zwar im Saarland, in Hessen und in Thüringen heftig verlieren. Die “BamS” verschweigt aber, dass es sowohl im Saarland als auch in Hessen weiterhin eine bürgerliche Mehrheit aus CDU und FDP geben würde.
Und im Bundestag? Würden die Regierungsparteien an die Oppositionsparteien verlieren, ohne dass sich an den Mehrheiten etwas änderte.
Bedeutungsschwanger schreibt die “BamS” dennoch:
Die Emnid-Zahlen belegen: Einen Linkstrend gibt es bundesweit! Eine rot-rot-grüne Regierungskoalition aus SPD (30%), Linkspartei (11%) und Grünen (11%) hätte gegenwärtig eine rechnerische Mehrheit von 52 Prozent — ein Punkt mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl. Die Union liegt bei 34, die FDP bei elf Prozent (2005: 35,2% beziehungsweise 9,8%). Von einer schwarz-gelben Mehrheit keine Spur!
Da kann man ja fast von einem Erdrutsch sprechen: Rot-rot-grün liegt in der sensationellen Umfrage um genau einen Prozentpunkt über dem Wahlergebnis vor eineinhalb Jahren!
Oder um die “BamS”-Aussage “Deutschland färbt sich rot” mal anhand der Umfrageergebnisse anschaulich zu machen:
Ja. Und die “rechnerische Mehrheit” für rot-rot-grün, die die “BamS” so elektrisiert, gibt es im Bundestag nun schon seit neun Jahren: seit der Wahl 1998.
Die “Bild am Sonntag” hat also den Lautstärkeregler ein bisschen überdreht — aus politischem Kalkül, um sich wichtig zu tun oder einfach: weil es die “BamS” ist. Erstaunlicherweise aber scheinen andere Medien sich nicht daran gestört zu haben, wie verzerrt die Interpretation der “BamS” ist.
“Spiegel Online” berichtet über die Emnid-“BamS”-Umfrage unter der Überschrift:
Die Republik rückt nach links
Und staunt ebenfalls über die Prognose längst schon bestehender Realitäten:
Bundesweit ermittelte Emnid eine rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis.
Genau wie der Chefredakteur der “Rheinischen Post”, Sven Gösmann (ein ehemaliger “Bild”-Mann), der zudem ein ganzes Essay verfasste. Titel:
Der Links-Ruck
Keine Frage, es gibt ihn, den “Links-Ruck”. Maßstabsgetreu sieht er ungefähr so aus: