Heute Abend wird es eine große Feier im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin geben, Amazon-Chef Jeff Bezos kommt und soll im Journalisten-Club einen Preis verliehen bekommen. Mit dem “Axel Springer Award” wolle man “herausragende Persönlichkeiten” auszeichnen, “die in besonderer Weise innovativ sind, Märkte schaffen und verändern, die Kultur prägen und sich gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.”
“In besonderer Weise innovativ” — okay. “Märkte schaffen und verändern” — ja. Aber im positiven Sinne “die Kultur prägen” und sich einer “gesellschaftlichen Verantwortung stellen”? Jeff Bezos?
Klar, Amazon ist wahnsinnig erfolgreich, Bezos wahnsinnig reich. Und ohne Zweifel hat sein Kauf der “Washington Post” dazu geführt, dass aus einer angeschlagenen Traditionsmarke ein hervorragendes Medienunternehmen wurde.
Doch gibt es nicht genug gute Gründe, Jeff Bezos nicht zu ehren?
Einen lieferte Bild.de bereits im Mai 2014:
Diese Frage stellte das Springer-Medium wenige Tage, nachdem Bezos vom “Internationalen Gewerkschaftsbund” zum “schlimmsten Chef des Planeten” gewählt wurde. Einige Gründe dafür: Mitarbeiter, deren Bewegungen überwacht werden, fehlende Zeit für Mittagspausen, Gängelung, Druck, das systematische Vorenthalten von Urlaubsgeldern, Einschüchterung mit “Inaktivitätsprotokollen” und viele weitere Schweinereien. Den Mann, der das letztlich verantwortet, will der Springer-Verlag heute für seine “gesellschaftliche Verantwortung” ehren.
In Deutschland weigert sich Amazon schon lange, die Mitarbeiter in den Logistikzentren nach dem Tarifvertrag für den Versand- und Einzelhandel zu bezahlen. Den Mann, der das letztlich verantwortet, will der Springer-Verlag heute für seine “gesellschaftliche Verantwortung” ehren.
Jeff Bezos gehört mit Amazon zu den größten Experten in Sachen Steuervermeidung. Erst im Oktober vergangenen Jahres forderte die EU-Kommission von Amazon eine Steuernachzahlung in Höhe von 250 Millionen Euro. Den Mann, der das letztlich verantwortet, will der Springer-Verlag heute für seine “gesellschaftliche Verantwortung” ehren.
Seit Jahren setzt Amazon Buchverlage unter Druck, fordert höhere Rabatte und blockiert auch schon mal die Auslieferung von Büchern einzelner Verlage, die nicht spuren wollen. Den Mann, der das letztlich verantwortet, will der Springer-Verlag heute dafür ehren, dass er auf positive Weise “die Kultur prägt”.
Man kann es als zynisch bezeichnen, dass Springer ausgerechnet einen Steuervermeider, Tarifvertragsverweigerer, Angestelltenüberwacher und Preisdrücker wie Jeff Bezos mit einem Award ehrt, in dem es auch um die Prägung der Kultur und gesellschaftliche Verantwortung geht. Dementsprechend gibt es auch Protest: Am Logistikzentrum in Bad Hersfeld wird seit gestern gestreikt. In Berlin protestiert die Initiative “Make Amazon Pay” gemeinsam mit Amazon-Angestellten aus Deutschland und Polen, erst am Oranienplatz (ab 16 Uhr) und später vor dem Axel-Springer-Hochhaus (ab 18 Uhr). EBuch, ein genossenschaftlicher Zusammenschluss aus kleinen und mittleren Buchhandlungen, hält die Ehrung Bezos’ für einen “Fauxpas erster Güte”.
Vor zwei Jahren bekam übrigens Facebook-Chef Mark Zuckerberg den “Axel Springer Award” verliehen, auch weil er laut Springer zu denjenigen gehört, die sich “ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen”. In Anbetracht des aktuellen Datenskandals hätte die Wahl nicht viel peinlicher sein können.