Es war ein historisches Ereignis, das da gestern im Amtssitz des britischen Premierministers David Cameron stattfand, da sind sich die deutschen Medien sicher.
Nur was genau war daran so historisch? “Spiegel Online” erklärt es in einem Video so:
Es ist ein Jahrhundertbesuch: Mit Queen Elizabeth II. setzt erstmals seit mindestens einhundert Jahren eine Monarchin ihren Fuß in 10 Downing Street.
Im dazugehörigen Artikel heißt es etwas anderes:
Es war das erste Mal seit mindestens 100 Jahren, dass ein britischer Monarch an einem Kabinettstreffen teilnahm: Königin Elizabeth II. wohnte einer Sitzung in der Downing Street 10 bei.
Ja, was denn nun? Der erste Besuch eines Monarchen in 10 Downing Street seit mehr als hundert Jahren oder der erste Monarch, der seit mindestens hundert Jahren an einer Kabinettssitzung teilnimmt? Beides? Nichts davon?
“Spiegel Online” erklärt das mit dem Kabinettstreffen so:
Cameron erklärte, es sei das erste Mal seit König George III. im Jahr 1781, dass ein Monarch an einer Kabinettssitzung teilnehme. Anderen Berichten zufolge hatte jedoch auch die 1901 verstorbene Queen Victoria dieses Recht wahrgenommen.
Und dpa weiß noch von einem späteren Treffen:
Auch Elizabeths Vater, König George VI., hatte sich mit den Ministerin [sic!] getroffen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er sich über die Lage informieren lassen – jedoch nicht in der Downing Street.
Na gut. Und das mit dem Besuch?
Nun, zuletzt war die Queen am 24. Juli dieses Jahres zum Lunch mit vier Premierministern (davon drei ehemalige) im Regierungssitz. Davor am 21. Juni 2011 anlässlich des 90. Geburtstags von Prinz Philip, was der “Daily Telegraph” als einen “seltenen Besuch” bezeichnete und hinzufügte, der vorherige habe wohl im April 2002 stattgefunden.
Seitdem sind die Besuche der Queen beim Premierminister wohl etwas häufiger geworden.
Neben diversen Detailfragen, über die sich auch die britischen Medien uneins sind, bleibt dann vor allem eine zentrale Frage offen: Wenn ein Ereignis in Großbritannien offenbar nur dann für die deutschen Leser interessant genug ist, wenn man es zum Jahrhundertereignis überjazzt — könnte man dann nicht stattdessen besser einfach auf eine Berichterstattung verzichten?
Mit Dank an Thomas U.