Der Presserat hat die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung über eine junge Frau missbilligt, die ihr neugeborenes Kind in einer Plastiktüte im Gebüsch vor einem Krankenhaus abgelegt haben soll, wo es kurz darauf verstarb. Nach der Mutter war gefahndet worden; “Bild” zeigte jedoch auch noch, nachdem sie sich gestellt hatte, mehrmals Fotos von ihr, auf denen sie trotz eines winzigen Augenbalkens leicht zu identifizieren war (wir berichteten).
Auf unsere Beschwerde beim Presserat erwiderte die Rechtsabteilung der Axel-Springer-AG, es handele sich bei der Frau um eine “relative Person der Zeitgeschichte”, daher sei eine identifizierende Berichterstattung möglich gewesen. Die Erkennbarkeit habe sich nicht aus der Berichterstattung der Zeitung, sondern “bereits aus dem Fahndungsaufruf der Polizei” ergeben, erklärte Springer laut Presserat. Außerdem sei der Sachverhalt im Ort Stadtgespräch gewesen.
Der Beschwerdeausschuss widersprach:
Der Ausschuss erkennt kein öffentliches Interesse, das die Persönlichkeitsrechte der Frau überlagert hätte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach der Betroffenen mit Hilfe einer Kameraaufnahme gefahndet wurde. Mit dem Auffinden der jungen Frau erlosch jedenfalls das Fahndungsinteresse der Polizei (…). Danach hätte die Zeitung auf eine erkennbare Darstellung der Betroffenen verzichten müssen.
Die Artikel in “Bild” (Rhein-Neckar) vom 2., 3. und 5. März verstießen gegen Ziffer 8 und Richtlinie 8.1 des Pressekodex, befand der Presserat und sprach eine Missbilligung* aus. Auch den Einwand der Axel-Springer-AG, unsere Beschwerde sei “gewerblich motiviert” und “rechtsmissbräuchlich”, wies er zurück.