In einer Weiterentwicklung ihrer umstrittenen “Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht”-Kampagne, hat die “Bild”-Zeitung derzeit überall Plakate mit Zitaten großer Persönlichkeiten aufgehängt — unter anderem dieses:
Der “Bild”-Zeitung (die sich zwar jedes Zitat vorab autorisieren lassen muss, in ihrer Berichterstattung aber auch gern aufs Hörensagen setzt) ist obiges Plakat durchaus angemessen.
Denn es ist wahr: Der italienische Sternen-Experte Galileo G. (77†) war — kurz gesagt — überzeugt: Es kreist nicht etwa die Sonne um die Erde, sondern die Erde selbst bewegt sich. Allerdings musste G. am 22. Juni 1633 in einem Gerichtsprozess, nun ja, eine Art Unterlassungserklärung abgeben, in der er sich verpflichtete, seine Ansichten nicht weiter zu verbreiten.
Dass G. jedoch im Anschluss an das Skandal-Urteil den berühmten Satz “Eppur si muove” (dt.: “Und sie [die Erde] bewegt sich doch”) genuschelt habe, der nun als Ausdruck mutiger Unbeirrbarkeit das “Bild”-Plakat ziert, ist…
…eine Ente.
Nach heutigem Forschungsstand hat G. den Satz nie gesagt. (Nachdem die Wissenschaft zunächst angenommen hatte, es handele sich dabei um eine Erfindung der Aufklärung, erwähnt erstmals 17571, geht man heute davon aus, dass die “Eppur si muove”-Legende womöglich schon zu G.s Lebzeiten verbreitet wurde.2)* Und wenn man einem ebenso kenntnisreichen wie verschmitzten Artikel des norwegischen Schriftstellers Erik Fosnes Hansen glauben schenken will, der 1997 in der “FAZ” unter dem Titel “Und sie bewegt sich doch” aufschrieb, “weshalb Galileo Galilei wirklich widerrufen mußte”, dann sagte G. nach dem Urteil der Inquisition “etwas Ähnliches” wie:
Mit Dank an Gunnar W. und Michael H. für den Hinweis.
1 A. Rupert Hall, “Galileo nel XVIII secolo,” Rivista di filosofia, 15 (Turin, 1979), S. 375ff, 383.
2 Stillman Drake, Galileo at Work: His Scientific Biography, (Dover Publications, Mineola, NY, 2003), S. 357.
*) Siehe auch: Thomas Schirrmacher, “‘Und sie bewegt sich doch!’ & andere Galilei-Legenden”, Professorenforum, Vol. 1, No. 1 (Asslar-Bermoll, 2000), S. 2f. Oder (der Einfachheit halber): Wikipedia.