Nein, “Bild” bleibt dabei: Eine Reise von Abgeordneten des Europaparlamentes in die
muss eine Lustreise sein. Was denn sonst?
Ein Kamerateam von RTL hat zwei deutsche Politiker gefilmt, wie sie in Barbados in Badehose am Strand liegen, und wenn das nicht Beweis genug ist, dass die Reise zur parlamentarischen Versammlung von EU und afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-EU) nur eine Ausrede für einen lustigen Badeurlaub ist, was dann?
“Bild”-Zahlenexperte Dirk Hoeren hat sich trotzdem Mühe gegeben, noch weitere Beweise über den wahren Charakter der Reise (“Eine Woche Reden, Reggae und Rum”) zusammenzutragen.
“Schon freitags”, schreibt er, sei “ein Großteil der insgesamt acht deutschen Teilnehmer” angereist. “Erster offizieller Punkt” der Tagesordnung sei aber erst am Sonntag gewesen. Das ist falsch. Erster offizieller Punkt war laut “Tagesordnung und Arbeitsprogramm” das “Frauenforum” am Samstag um 10.30 Uhr. Und dann waren da noch die Sitzungen von drei Komitees am Samstagnachmittag. Rolf Berend, einer der von RTL und “Bild” unter Palmen gezeigten Politiker, ist zum Beispiel Mitglied eines Komitees, das am Samstag um 14.30 Uhr tagte.
Am Dienstagnachmittag, staunt “Bild”, “besuchte eine Arbeitsgruppe die örtliche Rum-Industrie”. Und, zugegeben: Wir wissen nicht, wieviel Gratisproben bei der Gelegenheit ausgeschenkt wurden. Wir wissen nur, dass die Teilnehmer sich als Preis dafür mindestens diesen vergleichsweise trockenen Vortrag [pdf] über die Probleme bei der Liberalisierung des EU-Rum-Marktes anhören mussten. Dass andere Arbeitsgruppen sich zu dieser Zeit über die Probleme bei der Bekämpfung von HIV und Aids und den Umweltschutz informierten, fand “Bild” übrigens nicht berichtenswert.
Schließlich rechnet “Bild” vor:
“Ganze 19 Stunden tagte die AKP-EU-Versammlung laut offiziellen Protokollen und Tagesordnungen — in fünf Tagen”.
Das ist, wenn man davon absieht, dass es nur vier Tage waren, nicht komplett falsch. Aber “Bild” zählt hier anscheinend ausschließlich die Tagungen des Plenums — sämtliche Präsidiums- und Kommitteesitzungen, Projektbesuche und Workshops, die ungefähr die Hälfte des Arbeitsprogramms ausmachten, rechnet “Bild” einfach nicht mit.
Wobei sich die Frage stellt, warum Herr Hoeren überhaupt noch mit Gewalt Beweise für den lotterhaften Charakter der Dienstreise herbeirechnen musste. Wir sagen nur:
Danke an Wolfgang W. für den sachdienlichen Hinweis!