Was da heute in “Bild” über eine “geheime Kraft im All” steht (siehe Ausriss), ist immerhin kein kompletter Unsinn. Denn diese “Kraft” existiert wirklich und ihre Ursache ist bisher ungeklärt. Im Allgemeinen wird das Phänomen als Pioneer-Anomalie bezeichnet, und es existieren zahlreiche Erklärungsansätze dafür. Die meisten davon findet man in einem Text in der aktuellen Ausgabe von “Astronomie heute” (pdf), worauf “Bild” sich ausdrücklich bezieht, und seit gestern auf Spiegel-Online.
“Bild” fügt den Hypothesen heute allerdings eine weitere hinzu:
Sind möglicherweise sogar Aliens im Spiel? (…) Haben Aliens diese Nachricht verstanden und die Sonden vom Kurs gelenkt?
Nun ja, man weiß es nicht, aber dazu später.
So ganz scheint “Bild” nämlich nicht begriffen zu haben, was die Pioneer-Anomalie eigentlich ausmacht. Im Text heißt es:
Doch der Kurswechsel [der Sonden] wurde immer größer. Rund 400 000 Kilometer auf einer Strecke von 14 Milliarden Kilometern. Gleichzeitig verlangsamte sich die Geschwindigkeit.
Tatsächlich sind Verlangsamung und Kurswechsel keine zwei unterschiedlichen Phänomene, sondern die Verlangsamung ist der “Kurswechsel” bzw. die Ursache dafür. Deshalb sind die Pioneer-Sonden heute rund 400.000 Kilometer von dem Punkt entfernt, an dem sie eigentlich sein sollten. Der Bremseffekt ist allerdings, anders als “Bild” suggeriert, konstant.
Das war’s im Grunde schon*, und es ist für die Wissenschaft tatsächlich überaus interessant, weil die Möglichkeit besteht, dass sich die Pioneer-Anomalie nicht allein mit den bislang gültigen physikalischen Gesetzen erklären lässt.
Die Möglichkeit aber, dass diese Anomalie sich mit Aliens erklären lässt, die hat noch kein seriöser Wissenschaftler erwähnt. Auch nicht Prof. Hans Jörg Fahr, Astrophysiker der Uni Bonn, den “Bild” Hans Jürgen Fahr nennt und dreimal korrekt zitiert, wie er uns bestätigte. Zur Alien-Hypothese sagt er allerdings:
Das ist natürlich Unfug.
*) So ganz war es das, was den Artikel in “Bild” angeht, eigentlich nicht. Der Vollständigkeit halber seien hier deshalb noch weiter Ungenauigkeiten erwähnt: Die “Kraft im All” ist natürlich nicht “geheim”, und sie wurde bereits 1980 “entdeckt”. “Astronomie heute” schreibt, anders als “Bild” behauptet, nicht, dass der Pioneer-Effekt “das größte Rätsel der Weltraumforschung” sei. Außerdem konnten wir keinen Hinweis darauf finden, dass Forscher vermuten, die wahrscheinlichste Erklärung für die Anomalie sei “die Schwerkraft unbekannter Objekte außerhalb unseres Sonnensystems”.
Mit Dank an Dietmar H., Thorsten L., Philip K., Benedikt H., Stephan K., Ereglam und Daniel K. für die sachdienlichen Hinweise.