In Abwandlung der beliebten Volksweisheit “der Ehrliche ist der Dumme”, schrieb “Bild”-Kolumnist und -Kommentator Hugo Müller-Vogg gestern:
Müller-Vogg arbeitet. Er arbeitet sich daran ab, dass die Preise für Öl und Benzin, Strom und Gas “nur noch eine Richtung” kennen würden, worunter besonders die fleißigen Arbeitnehmer litten. Anders als Sozialschmarotzer Hartz-IV-Empfänger:
Wer dagegen von Hartz IV oder Sozialhilfe lebt, der muss sich wegen der höheren Strom- und Gasrechnung keine Sorgen zu machen. Die übernimmt ja der Staat.
Schrieb Hugo Müller-Vogg, und das war quasi der zentrale Satz in seinem Kommentar.
Nun hat man aber bei der “Bild”-Zeitung herausgefunden, dass Stromkosten in der ALG-II-Regelleistung (347 Euro) nach Paragraph 20 Absatz 1 SGB II eigentlich schon enthalten sind und berichtigt das heute sogar:
Im Klartext: Müller-Voggs Kommentar fällt mit dieser unscheinbaren Berichtigung eigentlich in sich zusammen. Eigentlich.
Leider ist die Berichtigung so jedoch nicht ganz richtig. Denn Müller-Vogg hatte, offenbar ohne es zu wissen, gar nicht mal so Unrecht. Immerhin entschied das Sozialgericht Frankfurt/Main im Dezember 2006, dass die Stromkosten nur bis zu einer Höhe von 20,74 Euro im Regelsatz enthalten sind. Angemessene, darüber hinausgehende Kosten hingegen können nach Paragraph 22 Absatz 1 SGB II zusätzlich von den Sozialleistungsempfängern eingefordert werden.*
Allerdings weiß das kaum jemand.
Weshalb wir gestern noch dachten, Müller-Voggs Kommentar sei im Grunde eine von vorweihnachtlicher Nächstenliebe für sozial Schwache geprägte Service-Kolumne für Hartz-IV-Empfänger — und die populistische Stimmungsmache gegen vermeintliche Sozialschmarotzer drumrum nur Tarnung.
Aber da haben wir uns offenbar geirrt.
*) Zur Präzisierung (20.12.2007): Es ist natürlich keineswegs gesagt, dass die Sozialleistungsträger Überprüfungsanträgen von Hartz-IV-Empfängern stattgeben. Tatsächlich sollen sich laut Berichten von Betroffenen viele trotz Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt weigern, höhere Stromkosten zu gewähren. Wie sich bereits aus dem oben verlinkten Eintrag im hartz.blogg entnehmen lässt, bedeutet das nach Einschätzung des Vorsitzenden der LINKEN Pirmasens, Frank Eschrich, dass “wohl jeder Betroffene letztlich den Gang zum Sozialgericht” wird antreten müssen.