Suchergebnisse für ‘Asyl’

Kritik an Mariupol-Beitrag, Berichte über Demos, Walulis-Comeback

1. Heftige Kritik an Beitrag aus Mariupol: “Was zum Teufel soll das, ZDF?”
(ksta.de, David Schmitz)
Ein ZDF-Bericht aus der von Russland besetzten ukrainischen Stadt Mariupol hat heftige Kritik ausgelöst. Korrespondent Armin Coerper berichtete über den Wiederaufbau Mariupols durch Russland und erwähnte Infrastrukturmaßnahmen wie neue Schulen und ein Krankenhaus, was zu den Vorwürfen führte, der Beitrag normalisiere die russische Besatzung. Kritiker bemängelten auch, dass der Bericht wichtige Kontextinformationen wie die brutale Unterdrückung pro-ukrainischer Äußerungen und die ethnischen Säuberungen durch Russland ausgespart habe.

2. Werden “Tagesschau” und “Heute” der Größe der Demos gegen Rechts gerecht?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Medienkritiker Stefan Niggemeier geht der Frage nach, ob die Nachrichtensendungen “Tagesschau” und “Heute” angemessen über die aktuellen Großdemonstrationen gegen Rechts berichten. Es gebe Kritik, dass diese Proteste, an denen Hunderttausende teilnehmen, in den Nachrichten nicht die ihnen gebührende Priorität erhalten, und Forderungen nach einer intensiveren und prominenteren Berichterstattung. Niggemeiers Fazit: “ARD und ZDF dürfen, sollen und müssen demokratische Werte verteidigen. Die Frage, wie sie das am besten tun, ist in diesem Jahr dringlicher denn je.”

3. Ich hatte einen Traum
(journalist.de, Sebastian Esser)
In der aktuellen Folge von “Mein Blick auf den Journalismus” erzählt Sebastian Esser von seinem Weg in den Journalismus, der in seinem Fall auch ein Weg ins Unternehmertum war: Esser ist Mitgründer der “Krautreporter” und der Bezahlplattform “Steady” (Transparenzhinweis: Wir vom BILDblog nutzen Steady).

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4. Die Rückführung verbessern?
(verdi.de, Günter Herkel)
Das “Rückführungsverbesserungsgesetz” sieht Maßnahmen wie verschärfte Abschiebehaft und Kürzungen von Leistungen für Asylbewerberinnen und -bewerber vor, was von einigen Fachleuten als verfassungswidrig angesehen werde. Günter Herkel kritisiert die Verwendung beschönigender Begriffe in der Politik, die unangenehme Maßnahmen verharmlosen sollen, und zeigt auf, wie Medien diese Begriffe oft unkritisch übernehmen.

5. Neue Clickbait-Opfer
(taz.de, Martin Seng)
Die renommierten Gaming-Magazine “Games Aktuell” und “GamePro” werden eingestellt, was die Krise der gedruckten Spielemagazine in Zeiten des dominierenden Online-Journalismus widerspiegele. Martin Seng macht sich Sorgen um das gesamte Genre: “Die große Herausforderung an den Spielejournalismus ist, dass er sich in den kommenden Jahren nicht weiter verwässert. Er muss sein Sichtfeld erweitern, investigativer und seriöser werden. Sonst läuft er Gefahr, sich nur auf Tech-News zu beschränken. Im schlimmsten Falle wird er sich so selbst abschaffen.”

6. Wendler Comeback – so plant er “Die Rückkehr des Königs”
(youtube.com, Walulis, Video: 47:26 Minuten)
Mediensatiriker Philipp Walulis und dessen Co-Host Marcus Müller melden sich nach einer mehrmonatigen Pause wieder mit einem Video zurück. Nicht mehr unter dem Dach des öffentlich-rechtlichen Netzwerks “Funk”, sondern offenbar eigenständig. In der ersten Sendung geht es um das eigene Comeback, aber auch um das Comeback des Schlagersängers und Verschwörungsverbreiters Michael Wendler.

Bei Opferbildern abwägen, Digital-Orakel, Stimmungsmache bei “Nius”

1. Presserat: Bei Opferbildern abwägen
(verdi.de)
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel fordert der Presserat die Redaktionen auf, bei der Veröffentlichung von Fotos und Videos von Terroropfern sorgfältig abzuwägen und die Wirkung solcher Bilder zu berücksichtigen. “An der Berichterstattung über den beispiellosen Angriff der Hamas und die jetzt folgenden Kampfhandlungen besteht zweifellos ein überragendes öffentliches Interesse”, so Presserats-Sprecherin Kirsten von Hutten: “Dennoch müssen Redaktionen vor der Veröffentlichung von Fotos und Videos die Menschenwürde der Opfer und die Gefühle der Angehörigen im Blick behalten”.

2. BR und Arte beenden Zusammenarbeit mit Malcolm Ohanwe
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Bayerische Rundfunk (BR) und Arte haben die Zusammenarbeit mit dem Journalisten Malcolm Ohanwe beendet, nachdem dieser in einem Tweet Verständnis für den Angriff der Hamas auf Israel gezeigt habe. Der BR kritisierte Ohanwes Äußerungen als “menschenverachtend” und betonte, sie entsprächen nicht dem journalistischen Selbstverständnis des Senders. Ohanwe wiederum erklärte, er habe den Terror nicht relativiert oder gerechtfertigt.

3. Verhetzen, verunglimpfen, verachten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kritisiert bei “Übermedien” die rechte Medienplattform “Nius”. Dort wurde kürzlich eine propagandistisch zugespitzte Bildcollage veröffentlicht, in der eine Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz aufgegriffen wurde, der zuvor behauptet hatte, Asylbewerber würden sich auf Kosten der Steuerzahler “die Zähne neu machen” lassen. Niggemeier kommentiert: “Es geht nur darum, Stimmung zu machen gegen all die Horden, die es sich angeblich auf Kosten der Deutschen, der Mehrheit, gut gehen lassen. Und es geht darum, diese Menschen zu benutzen, um Stimmung zu machen gegen Leute, die der fremdenfeindlichen Rhetorik von Merz widersprechen, die nicht den Reflex haben, dass man jetzt darüber nachdenken sollte, ob Asylbewerber eigentlich überhaupt zum Zahnarzt gehen müssen oder dürfen oder nicht die Schmerzen einfach aushalten sollten, irgendwo hört’s mit der Humanität ja auch mal auf.”

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4. Reporter ohne Grenzen auf Distanz
(taz.de, Florian Bayer)
Der Konflikt um den ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz spitzt sich offenbar zu. Der Rechtsanwalt Gabriel Lansky, der Wehrschütz vertritt, soll Reporter ohne Grenzen (ROG) Österreich verlassen haben, bevor er möglicherweise aus dem Vorstand ausgeschlossen werden konnte. Der Grund: Ein Interessenkonflikt, weil Lansky Wehrschütz vertrete und ihn gleichzeitig innerhalb von ROG unterstütze. Wehrschütz, dessen Akkreditierung als Journalist in der Ukraine bereits abgelaufen sei, war zuvor in die Kritik geraten, weil er die ukrainische Luftabwehr gefilmt und seine Beiträge mit prorussischen Propagandavideos versehen habe.

5. BDZV einigt sich mit DJV auf Inflationsausgleichsprämie
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, hat sich der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) auf eine Inflationsausgleichsprämie von 120 Euro monatlich geeinigt, die Redakteurinnen und Redakteuren von Tageszeitungen bis Ende des kommenden Jahres gezahlt werde. Die Vereinbarung verlängere jedoch den Gehaltstarifvertrag bis Ende 2024, was die Gewerkschaft dju kritisiere und als “tarifpolitische Bankrotterklärung” bezeichne.

6. Philipp Klöckner: Das Digital-Orakel von Ostvorpommern
(n-joy.de, Norbert Grundei, Audio: 1:28:54 Stunden)
Digital-Experte und Investor Philipp Klöckner ist einer der beiden Köpfe des hörenswerten “Doppelgänger-Tech-Talk”-Podcasts und profunder Kenner der Start-up-Szene. Norbert Grundei diskutiert mit Klöckner über dessen Karriereanfänge in Greifswald, den Streamingmarkt und gesellschaftliche Veränderungen.

Medien und AfD, Faktenchecks, “ehemalig” und “damalig”

1. Medien und AfD: Extrem normal
(journalist.de, Michael Kraske)
Seit den Rekordumfragen der AfD steht die Partei wieder im Fokus des medialen Interesses. Michael Kraske diskutiert den journalistischen Umgang mit der AfD, ob im Lokalen auf kleiner oder im Fernsehen auf großer Bühne. Kraskes Beitrag ist ein Interview mit Uwe Vetterick, Chefredakteur der “Sächsischen Zeitung”, angefügt. Vetterick berichtet darin über den redaktionellen Umgang mit der AfD und weist auf ein aus seiner Sicht gefährliches Vorgehen hin: “Ein häufiger Fehler sind undifferenzierte Etikettierungen der AfD-Wähler. Natürlich sind etliche von ihnen Nazis, aber gewiss nicht alle. Solche Pauschalisierungen bewirken nach meiner Beobachtung nicht Reflexion und Einsicht, sondern eher Trotzigkeit.”

2. Gutachten nennt RBB-Wahl rechtswidrig
(verdi.de)
Laut einem Rechtsgutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam, sei die Wahl der RBB-Intendanz im Frühjahr 2023 rechtswidrig, da sie an zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern leide. Der Gutachter empfehle eine Neuwahl und spreche der seit 1. September amtierenden Intendantin Ulrike Demmer die Eignung für das Amt ab. Schladebach kritisiere zudem den Vorsitzenden des Rundfunkrats Oliver Bürgel und den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke wegen des Wahlverfahrens.
Weiterer Lesehinweis: Stefan Niggemeier hat eine recht klare Meinung zu den Einschätzungen und Aussagen Schladebachs und kommentiert bei “Übermedien”: “Das ‘Gutachten’ zur rbb-Intendantenwahl ist eine bizarre, entglittene Auftragsarbeit” (nur mit Abo komplett lesbar).

3. Jubiläumsausgabe mit 50 Erkenntnissen nach 100 Folgen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Die netzpolitik.org-Reihe “Neues aus dem Fernsehrat” reflektiert seit 2016 den digitalen Wandel der öffentlich-rechtlichen Medien. In der 100. Ausgabe blickt Leonhard Dobusch, ehemaliges Mitglied im ZDF-Fernsehrat und aktuelles Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat, zurück und hebt hervor, dass Themen wie öffentlich-rechtliche Plattformen, Transparenz in der Rundfunkaufsicht und freie Lizenzen für öffentlich-rechtliche Inhalte dominierten. Insgesamt 50 seiner “Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse” hat Dobusch kurz und prägnant zusammengetragen.

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4. So war das mit den Faktenchecks nicht gedacht
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Der Beitrag von Frederik von Castell bei “Übermedien” thematisiert die aktuelle Praxis von Faktenchecks in Medien. Er kritisiert, dass viele der sogenannte Faktenchecks nicht mehr nur die Fakten prüfen, sondern auch Kommentare und Wertungen enthalten, wie etwa bei den Überprüfungen von Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz über Asylbewerber. Von Castell argumentiert, dass durch solche Praktiken der Begriff “Faktencheck” immer mehr an Bedeutung verliere.

5. Warum wir oft fälschlicherweise von der “ehemaligen DDR” sprechen
(deutschlandfunk.de, Henry Bernhard)
Henry Bernhard weist in der Sprachkolumne “Sagen & Meinen” darauf hin, dass das Wort “ehemalig” von vielen Redaktionen, insbesondere im Bezug auf die DDR, oft falsch verwendet werde. Während es korrekt sei, von der DDR als “ehemalig” zu sprechen, wenn man die fünf “jetzt auch nicht mehr so neuen Bundesländer” meine, sollte man bei historischen Bezügen schlicht “DDR” und nicht “ehemalige DDR” verwenden. Außerdem erläutert Bernhard den Unterschied zwischen “ehemalig” und “damalig”, wobei sich “damalig” auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit beziehe, während “ehemalig” einen früheren Zustand beschreibe.

6. Sendung mit der Maus: Türen auf für Pseudowissenschaft?
(volksverpetzer.de, Oliver Rautenberg)
Die “Sendung mit der Maus” ist für ihre Entscheidung kritisiert worden, im Rahmen ihrer Aktion “Türen auf mit der Maus” Kindern einen Besuch in einem Homöopathie-Labor zu ermöglichen. Viele Fans der Sendung hätten sich enttäuscht über diese Entscheidung geäußert, da Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke, so Oliver Rautenberg beim “Volksverpetzer”. Sein Fazit: “Die Maus genießt einen riesigen Vertrauensvorschuss, bei mir und bei den meisten anderen Maus-Fans. Den sollte sie nicht derart leichtfertig verspielen.”

Über Merz reden?, Schweizer Medien auf SVP-Kurs?, “Netzkulturcharts”

0. Achtung, es gibt etwas Neues: Das BILDblog ist jetzt auch bei TikTok und Instagram
(tiktok.com)
In eigener Sache, daher als zusätzlicher Link: Uns gibt es ab sofort auch bei TikTok und bei Instagram. Heute am Nachmittag und in den nächsten Tagen wird es dort die ersten Videos zu sehen geben. Wir würden – völlig unvoreingenommen, versteht sich – sagen: Folgen lohnt sich!

1. Merz, Migration, Medien
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Pia Behme)
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz steht wegen seiner Äußerungen in einer Talkrunde zur Asylpolitik im Mittelpunkt einer Debatte. Über Asylsuchende sagte er dort unter anderem: “Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.” Diese Äußerung wurde in den Sozialen Medien teils heftig kritisiert, da sie nicht zutreffend sei und es sich um populistische und rassistische Hetze handele. Der Deutschlandfunk fragt sich: “Müssen Medien wiedergeben, was der Chef der größten deutschen Oppositionspartei sagt? Und wenn, reicht es, das dann entsprechend zu kommentieren?”
Weiterer Lesetipp: Bei “Legal Tribune Online” gibt es “Asylrecht zum Mitreden”. Tanja Podolski führt dort unter anderem aus, welche Leistungsansprüche Asylsuchende wirklich haben.

2. “Hamburger Morgenpost” ab 2024 nur noch zum Wochenende
(dwdl.de, Manuel Weis)
Wie “DWDL” unter Berufung auf Informationen der “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) meldet, werde die “Hamburger Morgenpost” künftig nur noch einmal pro Woche erscheinen, am Wochenende. Das bedeute gleichzeitig den Abbau von 15 Arbeitsplätzen. Verleger Arist von Harpe sehe sich in seiner düsteren These bestätigt: “Die Zeit der gedruckten Tageszeitung nähert sich dem Ende.”

3. Wie die Schweizer Medien auf SVP-Kurs geraten sind
(republik.ch, Dennis Bühler)
Dennis Bühler schreibt beim Schweizer Onlinemagazin “Republik” über den Einfluss der nationalkonservativen SVP auf die Schweizer Medien, analysiert die Gründe für diese Entwicklung und macht sich Gedanken über mögliche Auswirkungen auf die öffentliche Meinung und die Demokratie in der Schweiz. Der ehemalige SVP-Bundesrat Christoph Blocher habe eins seiner Ziele erreicht: “SVP-Positionen sind heute journalistischer Mainstream.”

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4. Dein liebster Star und Chatbot
(zeit.de, Eike Kühl)
Wie Eike Kühl bei “Zeit Online” berichtet, hat die Facebook-Mutter Meta auf einer Konferenz eine Reihe neuer KI-Funktionen vorgestellt, darunter einen KI-Assistenten namens Meta AI für WhatsApp, den Facebook Messenger und Instagram sowie 28 personalisierte Chatbots mit eigenen “Persönlichkeiten, Meinungen und Interessen”. Diese Chatbots sollen mit Bildern von US-Prominenten wie dem Rapper Snoop Dogg, dem Ex-Footballspieler Tom Brady und dem Youtuber Mr. Beast beworben werden, um die Interaktion spielerischer zu gestalten. Kühls Fazit: “Es könnte der nächste Schritt sein, um generative KI in den Alltag der größeren Bevölkerung zu bringen.”

5. Jella Haase als Beste Schauspielerin für »Kleo« ausgezeichnet
(spiegel.de)
Beim Deutschen Fernsehpreis wurden vorgestern und gestern verschiedene Fernsehproduktionen und -persönlichkeiten prämiert. Als beste Schauspielerin wurde Jella Haase für ihre Rolle in “Kleo” ausgezeichnet. Weitere Preisträger sind die RTL-Reality-Show “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus” in der Kategorie “Beste Unterhaltungsreality” und die (vielfach kritisierte) ZDF-Verfilmung des Bestsellers “Der Schwarm” als bester Mehrteiler. Im Bereich Information wurden unter anderem Arndt Ginzel für dessen Ukraine-Berichterstattung sowie die “Tagesthemen”-Ausgabe aus Kiew sechs Monate nach Kriegsbeginn ausgezeichnet.

6. Olaf Meme Scholz, viral Hooks, das römische Reich, Edgar, Taylor & Travis
(dirkvongehlen.de)
Die “Netzkulturcharts” von Dirk von Gehlen für den September stellen verschiedene, aus seiner Sicht bemerkenswerte Online-Phänomene vor. An erster Stelle steht Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem “Augenklappen-Meme”, das von Gehlen als beeindruckende Social-Media-Aktion wahrnimmt. Weitere Themen sind “Viral Hooks”, der virale Trend rund um das Römische Reich auf TikTok, eine besondere Männerfrisur namens Edgar und ein TikTok-Spezial der Bundeszentrale für politische Bildung.

“Zuruf-Journalismus”, Falsche Debatte, Daubners Lachanfall

1. Die falsche Debatte
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband)
Marina Weisband setzt sich im Deutschlandfunk mit der aktuellen Berichterstattung über Migration auseinander. Sie stellt fest, dass die Art der Berichterstattung Ängste in der Bevölkerung schüre, obwohl die Anzahl der Asylanträge in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen sei. Viele Alltagsprobleme in Deutschland hätten nichts mit Migranten zu tun, sondern mit anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen.

2. Artikel auf Zuruf: Wenn Lokaljournalismus sich als Beschwerde-Verstärker missversteht
(uebermedien.de, Felix Zimmermann)
Bei “Übermedien” kritisiert Felix Zimmermann die Arbeitsweise der Oldenburger “Nordwest-Zeitung”, die er als “Zuruf-Journalismus” bezeichnet. Sein Vorwurf: Die Redaktion veröffentliche viele Geschichten nur aufgrund von Beschwerden einzelner Personen und ohne ausreichende eigene Recherche oder Hintergrundinformationen. Und sie neige dazu, sich auf die Seite der Beschwerdeführer zu stellen, auch wenn die Beschwerden nicht repräsentativ für ein größeres Problem seien. Dieser “Zuruf-Journalismus” gebe “Wutbürgern Raum und hinterfragt deren Wut nur selten oder deckt Hintergründe auf, die die Wut vielleicht ein wenig relativieren könnten. Manchmal macht er sich deren Wut auch zu eigen”.

3. “Leute heute”-Abschied: Roter Teppich, blaues Blut, jetzt ist’s gut
(dwdl.de, Peer Schader)
Das ZDF-Promimagazin “Leute heute” wird nach 26 Jahren eingestellt. Es habe sich von anderen Boulevardformaten dadurch unterschieden, dass es vor allem auf “Positives, Glanz und Glamour” gesetzt habe. Peer Schader blickt ironisch zurück – und dankbar: “Weil mich kaum etwas anderes so sehr davon hätte überzeugen können, professioneller Medienkritiker zu werden, wie als ZDF-Praktikant eine zeitlang täglich die Botschaften eines Werbepartners mit Meldungen von ‘Leute heute’ im Netz zusammenzuparfümieren, damit durch ‘solche Verwertungserlöse (…) die Rundfunkgebühren einigermaßen erträglich gehalten werden’ können, wie man sich in Mainz auf Anfrage zu erklären wusste.”

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4. Auf die ganze Welt neugierig
taz.de, Dominic Johnson & Sven Hansen)
Der Journalist Willi Germund, ehemaliger Korrespondent der “taz”, ist im Alter von 68 Jahren gestorben. In einem Nachruf würdigt die Redaktion die Lebensleistung des weit gereisten Reporters, der mehr als 40 Jahre lang aus Lateinamerika, Afrika und Asien berichtet hat: “Er war einer der letzten Auslandskorrespondenten alten Schlages, ein Abenteurer, der immer neugierig blieb und stets Offenheit für andere Menschen zeigte.”

5. Zeitschriften-Umschau (September 2023)
(medienbildungshub.de)
Die “Zeitschriften-Umschau” für September auf medienbildungshub.de präsentiert Artikel aus aktuellen Fachzeitschriften zum Thema Medienbildung, Medienpädagogik und Medienkompetenz. Den Anfang macht die Zeitschrift “Medienimpulse”, die sich unter anderem mit der “medialen Materialität von Handys” in Filmen beschäftigt. Weitere besprochene Publikationen thematisieren den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die Verbindung von Ökonomie und Medien, die Medienkompetenz in der digitalen Welt und die Rolle von Social Media in der heutigen Gesellschaft.

6. Daubner bekommt Lachanfall in der tagesschau
(tagesschau.de, Video: 1:15 Minuten)
“Tagesschau”-Sprecherin Susanne Daubner ist selbst zum Berichtsgegenstand der “Tagesschau” geworden: durch einen Lachanfall – natürlich während der Aufzeichnung einer “Tagesschau”.

Geheimsache Nord Stream, Flüchtlings-Cover, X-Propaganda

1. Geheimsache Nord Stream: Wird die Aufklärung blockiert?
(ndr.de, Fritz Lüders, Video: 29:31 Minuten)
Vor einem Jahr wurde ein Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines verübt, bei dem drei der vier Pipelinerohre zerstört wurden. Seitdem recherchieren Journalisten und unabhängige Experten weltweit, um die Hintergründe des Anschlags aufzudecken. Dabei würden sie auf zahlreiche Hindernisse stoßen, darunter politischen Druck und Geheimhaltung seitens der Regierung. Das NDR-Medienmagazin “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat mit Journalistinnen und Journalisten gesprochen, die den Fall als einen der schwierigsten ihrer Karriere bezeichnen.

2. Wie der “Spiegel” sich aus einem Foto sein bedrohliches Flüchtlings-Cover bastelte
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Das aktuelle Titelbild des “Spiegel” zur deutschen Asylpolitik wurde vielfach kritisiert, unter anderem auch vom “6-vor-9”-Kurator (“Es ist für mich schwer nachvollziehbar, wie ein renommiertes Leitmedium wie der Spiegel, das für Qualitätsjournalismus stehen will, ein Titelbild veröffentlichen kann, das in Aufmachung und Bildsprache an die Angstmache und Hetze rechter Parteien und Verschwörungsblätter erinnert.”) Bei “Übermedien” hat Frederik von Castell die Bildquelle, die dem vom “Spiegel” verwendeten Ausschnitt zugrunde liegt, recherchiert und mit der Fotografin gesprochen. Es liege der Verdacht nahe, dass “das ‘Spiegel’-Cover mit dem Bild in der Realität nicht allzu viel gemein hat”.
Weiterer Hörtipp: Im NDR kommentiert Nadia Zaboura das Cover: “Man sieht nicht die Personen und die Lebensgeschichten, die damit verbunden sind, sondern es baut eine Art Bedrohungs-Szenario auf: Werden wir überrollt?” Neben ihrer Kritik macht Zaboura aber auch konkrete Vorschläge, was Medien in der Migrations-Berichterstattung aus ihrer Sicht verändern und besser machen können (ndr.de, Audio: 7:34 Minuten).

3. Lust auf die Zukunft
(journalist.de, Jeanne Wellnitz & Anna Faber)
Jeanne Wellnitz und Anna Faber beschäftigen sich im “journalist” mit Gegenwart und Zukunft des Klimajournalismus. Das Schweizer Onlinemagazin “Republik” habe beispielsweise ein “Klimalabor” ins Leben gerufen, in dem es gemeinsam mit seiner Leserschaft journalistische Inhalte entwickelt. Drei zentrale Erkenntnisse aus diesem Projekt seien: Die Mehrheit der Leserinnen und Leser wünsche sich konstruktive Berichte über mögliche Maßnahmen, sie möchten Dialogformate, die den Austausch mit Aktiven ermöglichen, und sie suchen nach Tipps, um Menschen in ihrem Umfeld für Klimathemen zu sensibilisieren.

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4. Investition in die Demokratie
(epd.de, Björn Staschen)
Die deutschen Printmedien leiden unter sinkenden Auflagen und wegbrechenden Werbeeinnahmen. Der Journalist und Medienberater Björn Staschen schlägt in einem Gastbeitrag alternative Fördermodelle vor, um das Mediensystem und die Demokratie zu stärken. Er nennt beispielsweise die Idee eines “Demokratiepasses”, mit dem Bürgerinnen und Bürger ein Jahresbudget für den Zugang zu Informations- und Meinungsbildungsmedien erhalten, und schlägt vor, Qualitätsstandards für Medienangebote festzulegen, die zur demokratischen Meinungsbildung beitragen.

5. Streit mit ARD & ZDF: BDZV wendet sich an EU-Kommission
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, scheint die ursprüngliche Einigung zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendern aus dem Jahr 2018 gescheitert zu sein. Der Verlegerverband BDZV habe sich an die EU-Kommission gewandt und um Unterstützung im Streit mit ARD und ZDF um deren Textangebote im Internet gebeten. Der BDZV kritisiere, dass die Öffentlich-Rechtlichen online ein “presseähnliches Angebot” bereitstellen und damit den Verlagen Konkurrenz machen würden.

6. Einfluss von Propaganda-Accounts steigt
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 6:11 Minuten)
Im Deutschlandfunk hat sich Michael Borgers mit Roberta Schmid vom Faktencheck-Dienst “Newsguard” unterhalten. In dem Gespräch geht es vor allem um den wachsenden Einfluss von staatlichen Propaganda-Accounts auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Interaktionsrate staatsnaher chinesischer, iranischer und russischer Medien sei in der Elon-Musk-Ära laut “Newsguard” um 70 Prozent gestiegen.

Kein Spitzen(steuersatz)-Journalismus

Bei der Ursachenforschung zur Frage, warum namhafte Politiker und Politikerinnen so gern den “Bild”-Medien Interviews geben, wird meist die Reichweite als zentraler Aspekt identifiziert: Mit “Klartext”-Parolen in “Bild”, “Bild am Sonntag” und Bild.de kann man nach wie vor eine Menge Leute erreichen. Aber vielleicht spielt noch etwas anderes eine wichtige Rolle: Dass man beim Interview Leuten gegenübersitzt, die einen jeden Unsinn ohne Faktencheck erzählen lassen.

In “Bild am Sonntag” erschien gestern ein großes Interview mit CDU-Politiker Jens Spahn:

Ausriss Bild am Sonntag - Spahn fordert Pause bei völlig ungesteuerter Asyl-Migration

Spahn erklärt darin unter anderem seine Idee von einer im Grundgesetz verankerten “Belastungsbremse” für die Sozialabgaben. “Bild am Sonntag” will daraufhin wissen: “Braucht es darüber hinaus auch eine Steuerreform?” Antwort Spahn:

Leistung muss sich wieder mehr lohnen. Überstunden sollten steuerfrei sein. Zudem zahlt ein Facharbeiter mit 62.000 Euro Jahresgehalt schon den Spitzensteuersatz. Der sollte künftig erst ab 80.000 Euro greifen.

Da könnte man als Redaktion natürlich erstmal nachfragen, nachforschen und die Info nachliefern, wie viele “Facharbeiter mit 62.000 Euro Jahresgehalt” es in Deutschland denn so gibt. Sicher, in der richtigen Branche und/oder mit vielen Jahren Berufserfahrung gibt es die bestimmt. Aber Jens Spahn kann beim nächsten Besuch in der Kita oder im Seniorenheim oder in der Kantine des Bundestags ja mal eine Erzieherin, einen Pfleger oder eine Köchin fragen, was die so mit ihren 62.000 Euro Jahresgehalt anstellen. Wenn er Glück hat, wird er von den Fachkräften nur ausgelacht und nicht wütend rausgejagt.

Das aber nur nebenbei. Eigentlich soll es um Spahns Behauptung gehen, dass man “mit 62.000 Euro Jahresgehalt schon den Spitzensteuersatz” zahle. Das ist nämlich Unsinn. Und die “Bild”-Medien verbreiten diesen Unsinn unhinterfragt.

Richtig ist, dass der Spitzensteuersatz von 42 Prozent für das Jahr 2023 ab 62.810 Euro gilt (2022 lag diese Grenze bei 58.597 Euro). Aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem von Spahn genannten Jahresgehalt und dem zu versteuernden Einkommen. Letzteres ist für die Berechnung des Steuersatzes entscheidend. Und auf dem Weg vom Jahresgehalt zum zu versteuernden Einkommen gibt es verschiedene, individuelle Möglichkeiten, Ausgaben geltend zu machen und damit die Summe zu reduzieren: Den wichtigste Posten dürften die Sozialversicherungsbeiträge bilden, beispielsweise die Beiträge zur Krankenversicherung. Dazu kommen noch weitere Vorsorgeaufwendungen, die die Summe drücken können, Freibeträge wie der Kinderfreibetrag oder der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, außergewöhnliche Belastungen wie Krankheitskosten oder Pflegekosten für die eigenen Eltern und Sonderausgaben wie Spenden oder Kinder­betreuungs­kosten.

Nur wer nach all diesen Abzügen ein zu versteuerndes Einkommen von über 62.810 Euro hat, zahlt 2023 den Spitzensteuersatz (aber natürlich nicht auf die gesamte Summe, sondern nur auf den Betrag, der über dieser Grenze liegt; der Durchschnittssteuersatz liegt deutlich darunter: bei einem zu versteuernden Einkommen von exakt 62.810 Euro beträgt er laut Rechner des Bundesfinanzministeriums 26,12 Prozent). Oder anders gesagt: Wer “62.000 Euro Jahresgehalt” bekommt, zahlt nicht den Spitzensteuersatz.

Die Leserschaft von “Bild am Sonntag” und Bild.de erfährt von all dem nichts. Wer sich selbst mit dem Thema nicht so auskennt, wird einfach glauben, was der CDU-Politiker da erzählt.

Jens Spahn war Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er ist als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter anderem zuständig für das Thema Wirtschaft. Es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass er den Unterschied zwischen Jahresgehalt und zu versteuerndem Einkommen nicht kennt. In den “Bild”-Medien kann Jens Spahn unwidersprochen seine falsche Botschaft verbreiten.

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Rammstein hü und hott, Radio Dreyeckland, Fox warnt Carlson

1. Mal hü, mal hott
(taz.de, Johannes Eisenberg)
Die “taz” habe am 11. Juni eine “presserechtliche Abmahnung” von Hamburger Anwälten erhalten, die der Redaktion im Namen der Band Rammstein bestimmte Aussagen verbieten wollen, berichtet Medienrechtler Johannes Eisenberg, der auch für die “taz” juristisch tätig ist. In seiner Rekonstruktion der bisherigen Ereignisse zeigt er sich überrascht über das seiner Meinung nach inkonsequente Vorgehen der Band: “Dass die Rammsteins und ihr Sänger mal hü, mal hott schreien, spricht nicht für eine schlüssige Verteidigungsstrategie. Mal sagen sie, alle hätten ein Recht auf ihre Meinung – gehen dann aber doch gegen unliebsame Äußerungen juristisch vor.” (Ein Widerspruch, den der “6-vor-9”-Kurator vor wenigen Tagen in ähnlicher Weise festgestellt hatte: “Wenn Du in Deinem Statement darauf hinweist, dass die betroffenen Frauen “ein Recht auf ihre Sicht der Dinge haben”, es ihnen aber durch den Aufbau einer gigantischen juristischen Drohkulisse schwer machst, sie zu äußern.”)

2. Unzweifelhaft unklar: Der “Tagesspiegel” und sein Favorit für die rbb-Intendanz
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier greift bei “Übermedien” eine Meldung des “Tagesspiegel” auf, wonach Jan Weyrauch, derzeit Programmdirektor von Radio Bremen, “unzweifelhaft als Favorit” in die für Freitag vorgesehene Wahl zum RBB-Intendanten gehe. Der “Tagesspiegel” berufe sich dabei auf eine RBB-interne Abstimmung, die laut Niggemeier aus verschiedenen Gründen nicht herangezogen werden könne.
Weiterer Lesehinweis: “Rückzug: Juliane Leopold wird nicht neue RBB-Intendantin”: “Dem [RBB]-Rundfunkrat stehen am Freitag nun doch nur drei Personen zur Wahl des nächsten Intendanten oder der nächsten Intendantin. Juliane Leopold hat ihre Kandidatur am Dienstag zurückgezogen. Und sie hat Gründe genannt.” (dwdl.de, Manuel Weis)

3. Freiburger Journalist soll jetzt doch vor Gericht
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Am 19. Mai hatten wir in den “6 vor 9” noch darüber berichtet, dass das Landgericht Karlsruhe die Anklage gegen einen Redakteur des unabhängigen Senders Radio Dreyeckland nicht zugelassen hat. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, in einem Beitrag auf die Archivseite der verbotenen Plattform linksunten.indymedia verlinkt und damit eine verbotene Organisation unterstützt zu haben. Nun hat das Oberlandesgericht Stuttgart in nächsthöherer Instanz den Beschluss des Landgerichts aufgehoben. Sebastian Meineck fasst den aktuellen Sachstand samt seiner möglichen Entwicklungen zusammen.

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4. ChatGPT im Journalismus: 10 Prompt-Ideen für Redaktionen
(vitlif.de)
Oskar Vitlif stellt in seinem Artikel verschiedene Anwendungsszenarien vor, in denen KI-Chatbots Redaktionen effektiv unterstützen können. Von der Themenfindung über die Textgenerierung bis hin zur Suchmaschinenoptimierung und der Erstellung von Social-Media-Posts gebe es zahlreiche Möglichkeiten, wie ChatGPT, Bing Chat und Co. die redaktionelle Arbeit bereichern könnten. Vitlif veröffentlicht auch den jeweils verwendeten Prompt und die dazugehörige Antwort der Künstlichen Intelligenz.

5. Fluchtforschung gegen Mythen 8
(fluchtforschung.net, Ulrike Krause)
Das Netzwerk Flüchtlingsforschung stellt regelmäßig Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte auf den Prüfstand, seien es Talkshow-Aussagen, Tweets oder Stammtischparolen. Das Besondere an dieser Form des Faktenchecks: Nicht Journalistinnen und Journalisten, sondern Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft nehmen Stellung. In der achten Ausgabe setzt sich ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Krause mit der kürzlich beschlossenen Neuordnung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auseinander.

6. Fox News warnt Tucker Carlson vor Fortsetzung seiner Twitter-Show
(spiegel.de)
Zwischen dem US-Fernsehsender Fox News und seinem ehemaligen Star-Moderator Tucker Carlson tobt nach der Trennung ein erbitterter Rosenkrieg. Fox News habe Carlson darauf hingewiesen, dass er trotz seines Ausscheidens an einen bis 2025 laufenden Exklusivvertrag gebunden sei. Der Sender habe ihn davor gewarnt, seine jüngst gestartete Twitter-Show fortzusetzen.

Zur Rückkehr von Marion Horn

Im November 2019, als klar war, dass Marion Horn den Axel-Springer-Verlag verlassen wird, hatten wir hier im BILDblog einen kritischen Blick auf Horns Schaffen als Chefredakteurin der “Bild am Sonntag” veröffentlicht: Zum Abschied von Marion Horn.

Was von uns als Rückschau auf die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme gedacht war, könnte nun als Vorschau dienen: Gestern wurde bekannt, dass Marion Horn zum Springer-Verlag zurückkehrt, als Vorsitzende der Chefredaktionen der “Bild”-Gruppe. Daher veröffentlichen wir unseren Beitrag von damals unverändert hier noch einmal: Zur Rückkehr von Marion Horn.

***

Marion Horn war nicht mal ein halbes Jahr im Amt, da zeigten sich selbst hartgesottene Islamhasser beeindruckt. So schrieb das Hetzportal “Politically Incorrect” im März 2014 verblüfft:

Ja was ist denn in die BILD am SONNTAG (BamS) gefahren? (…) Gleich zwei mal packt das Springer-Blatt das heiße Thema Islam an – und zwar in einer Deutlichkeit, die es in sich hat.

Schon auf dem Titelblatt prangt die unmissverständliche Headline: “Islam-Rabatt für Jolins Mörder”. Ohne Fragezeichen!

Tatsächlich behauptete die “Bild am Sonntag” gemeinsam mit den anderen “Bild”-Medien ohne Fragezeichen, in Deutschland gebe es einen “Islam-Rabatt”, also mildere Strafen vor Gericht, wenn es sich bei den Straftätern um Muslime handelt.

Titelseite BILD am Sonntag: Islam-Rabatt für Jolns Mörder

In Wahrheit kam eine Studie, die die “Bild”-Medien als vermeintlichen Beleg für den in Deutschland vorherrschenden “Islam-Rabatt” anführten, sogar zum genau gegenteiligen Schluss: Deutsche Strafgerichte würden sogenannte Ehrenmörder “nicht milder als andere Beziehungstäter” behandeln, “sondern sogar strenger.”

Der zweite Artikel in der “Bild am Sonntag”, über den sich “Politically Incorrect” damals so freute, war ein Interview mit einem deutsch-türkischen Schriftsteller – große “BamS”-Überschrift: “‘Islam gehört zu uns wie die Reeperbahn nach Mekka'”.

Fazit der Fremdenfeinde:

“Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze”, sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren. Wenn die oben erwähnten Artikel eine intensive und schnörkellose Debatte über die Gefahren des Islam in Deutschland auslösen, könnte die BamS vom heutigen 30. März 2014 eine nicht zu unterschätzende Katalysator-Funktion gehabt haben.

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So ging sie also los, Marion Horns Karriere als Chefredakteurin der “BamS”. Und nun, gut sechs Jahre später, geht sie zu Ende: Wie der Axel-Springer-Verlag in dieser Woche mitteilte, verlässt Horn die “Bild am Sonntag”.

Mit “Kompetenz und Leidenschaft” habe sie als Chefredakteurin “insbesondere die investigative und politische Relevanz von BILD am SONNTAG geprägt”, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner.

Werfen wir zum Abschied also einen Blick zurück auf ihr glorreiches Werk.

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Als erste Frau an der Spitze der “BamS”, als bekennende “schlimme Feministin” ging es ihr immer auch darum, ein Zeichen zu setzen: für Frauen, gegen Sexismus. Klischees und stereotype Rollenbilder seien ihr zuwider, sagte sie mal, und dagegen kämpfe sie an:

Wir versuchen bei “BamS”, andere Frauenbilder zu zeigen.

Zum Beispiel solche:

Ein großes Foto in der

Herzogin Kate war im Mai 2014 “dem Wind sei Dank” das Kleid hochgerutscht, wodurch ihr Po entblößt wurde.

Der Windhauch des royalen Helikopters bei der Landung in den australischen Blue Mountains sorgte für diesen kurzen, aber magischen Moment.

Diesem “magischen Moment” widmete die “Bild am Sonntag” unter Feministin Horn fast die ganze letzte Seite.

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Im Juli 2014 veröffentlichte die “BamS” neben den anderen “Bild”-Medien zahlreiche Fotos und persönliche Informationen von Menschen, die beim Abschuss eines Flugzeuges über der Ukraine ums Leben gekommen waren.

Eine Erlaubnis der Angehörigen hatte die Redaktion nicht eingeholt. Die Veröffentlichung wurde später auch vom Presserat kritisiert.

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Wenige Tage später entschied sich Marion Horn für den Abdruck eines islamfeindlichen Kommentars ihres damaligen Stellvertreters Nicolaus Fest. “Der Islam stört mich immer mehr”, schrieb er darin, ihn störe “die weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund”, “die totschlagbereite Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle” und vieles mehr. Der Islam sei wohl “ein Integrationshindernis”, was man “bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigen” solle.

Ich brauche keinen importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht, brauche ich auch nicht.

Nach massiver Kritik verließ Fest die “Bild am Sonntag”. Horn entschuldigte sich mehr oder weniger – und blieb.

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Im Monat darauf verkündete die “Bild am Sonntag” exklusiv, Schauspieler Henning Baum habe das Ende seiner Serie “Der letzte Bulle” bestätigt. Noch am selben Tag teilte sein Management mit, das Zitat in der “BamS” sei frei erfunden.

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Zwei Wochen später berichtete die “Bild am Sonntag” über den Mord an einem 14-jährigen Mädchen und druckte im Artikel ein Foto des vermeintlichen Täters, das die Redaktion bei Facebook geklaut hatte:

Tatsächlich hatte der Abgebildete überhaupt nichts mit der Tat zu tun.

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Im Dezember 2014 fragte die “Bild am Sonntag” empört:

Haben wir nicht alle Lichter am Baum?

Denn in Berlin-Kreuzberg, so die Behauptung der “BamS”, müsse der Weihnachtsmarkt neuerdings “Winterfest” heißen. Auf “dem Altar der politischen Korrektheit” werde “die christliche Tradition geopfert”, insinuierte das Blatt.

In Wahrheit stimmte die Geschichte gar nicht: “Wie die Märkte sich nennen, ist uns total egal”, erklärte das zuständige Bezirksamt auf unsere Nachfrage. Die “Bild am Sonntag” hatte sich das Weihnachtsmarktverbot ausgedacht – und lieferte den besorgten Bürgern und Islamhassern einmal mehr neue Munition.

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Im darauffolgenden Frühjahr berichtete die “BamS”, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft Franz Beckenbauer wegen der WM-Vergabe an Russland und Katar als Zeugen befragen wolle. Die Schweizer Bundesanwaltschaft teilte auf unsere Nachfrage mit, dass das Quatsch sei. Die Geschichte in der “Bild am Sonntag” sei sogar “mehrfach falsch”. Die Redaktion habe nicht mal bei ihr nachgefragt.

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Im Monat darauf schrieb die “BamS” auf ihrer Titelseite, Angela Merkel habe in Bayreuth einen “Kollaps” erlitten.

Angela Merkel - Kollaps in Bayreuth
Zwei Stunden nach diesen Fotos kippte Merkel um

Die Meldung des angeblichen Schwächeanfalls verbreitete sich rasend schnell, doch kurz darauf brachte die Nachrichtenagentur AFP folgende (wortwörtliche) Breaking News:

Regierungssprecher: Merkel bei Wagner-Festspielen nicht kollabiert – Kein Schwächefall – Stuhl der Kanzlerin brach zusammen

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Im August 2015 wurde in Schleswig-Holstein die Leiche eines Mannes gefunden, der Suizid begangen hatte. Daraufhin bat die Polizei die Medien darum, die Fotos, die sie zur Fahndung veröffentlicht hatte, “aus der Berichterstattung zu nehmen”.

Die “Bild am Sonntag” ignorierte nicht nur die Bitte der Polizei, sondern lieferte möglichen Nachahmern auch gleich noch den genauen Ort des Suizids:

Von dieser Brücke sprang ein Vater in den Tod

(Wenn du selber Probleme hast, depressiv bist oder über Suizid nachdenkst, kansst du dich jederzeit unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 an die TelefonSeelsorge wenden.)

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Anfang 2016 druckte die “Bild am Sonntag” zahlreiche Fotos und persönliche Informationen von Menschen, die bei einem Zugunglück in Bad Aibling gestorben waren.

Diesen 11 Opfern schuldet ihr die Wahrheit! (dazu 11 Porträtfotos)

Eine Zustimmung der Angehörigen lag wieder nicht vor, und wieder wurde die Veröffentlichung vom Presserat kritisiert.

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Wenige Monate später druckte die “Bild am Sonntag” zahlreiche Fotos und persönliche Informationen von Menschen, die bei einem Anschlag auf ein Einkaufszentrum in München getötet worden waren.

Titelseite der

Eine Zustimmung der Angehörigen lag wieder nicht vor, und wieder wurde die Veröffentlichung vom Presserat kritisiert.

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Im September 2016 druckte die “Bild am Sonntag” einen Gastkommentar des Fußballers Arne Friedrich. Der meldete sich kurz darauf bei Twitter zu Wort und erklärte, die Redaktion habe in seinem Kommentar rumgepfuscht. Als Beweis schickte er einen Screenshot seines Originaltextes mit:

Negative Überschrift eingesetzt, Textteile weggelassen, so wird aus positiv plötzlich negativ. @HerthaBSC @bild Daumen-nach-unten-Emoji

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An Ostern 2017, nachdem ein Mann einen Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübt hatte, titelte die “Bild am Sonntag”:

Gott sei Dank -BVB-Bomben zündeten eine Sekunde zu spät

Wie sich später herausstellte, war auch diese Geschichte Unsinn. Die Bundesanwaltschaft teilte in einer Pressemitteilung mit, die Sprengsätze seien “zeitlich optimal gezündet” worden.

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Anfang 2018 behauptete die “Bild am Sonntag”:

4 von 5 Flüchtlingen fallen bei Deutsch-Test durch

Doch auch diese Schlagzeile war falsch. Tatsächlich ergab die Statistik, dass nicht “4 von 5 Flüchtlingen” bei ihrem Deutsch-Test durchfallen, sondern dass vier von fünf Flüchtlingen, die Analphabeten sind, nicht das Sprachniveau B1 erreichen. Insgesamt schafften nicht nur 20 Prozent einen Abschluss, wie von “BamS” behauptet, sondern 76 Prozent.

Auch diese falsche Schlagzeile war eine willkommene Vorlage – nicht nur für andere Medien, sondern vor allem für rechte Hetzer.

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Wenige Wochen später schrieb die “Bild am Sonntag”:

Weil Behörde Asylantrag zu spät bearbeitete - 7300 Euro im Monat für Flüchtlingsfamilie

Was in der Überschrift schon mal nicht klar wurde: Dabei handelte es sich nicht um eine drei- oder vierköpfige Familie, sondern um eine Mutter mit neun Kindern. Zudem wurden die 7300 Euro für die zehnköpfige Familie nicht bar ausgezahlt, sondern ein Großteil wurde schon vorher abgezogen, um die Kosten für die Unterbringung in einem Asylwohnheim inklusive aller Nebenkosten zu begleichen. Auch die Dauer der Bearbeitung war entgegen der “BamS”-Behauptung komplett irrelevant. Und auch sonst gab sich die “Bild am Sonntag” große Mühe, in dem Artikel möglichst viel Irreführendes und Falsches unterzubringen.

Tatsächlich hätte jede deutsche Mutter mit neun Kindern im selben Alter als Sozialhilfeempfängerin genauso viel und dieselben Leistungen bekommen wie die Flüchtlingsfamilie. Davon war in der “Bild am Sonntag” allerdings nichts zu lesen.

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Als im Dezember 2018 über die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU abgestimmt werden sollte, veröffentlichte die “Bild am Sonntag” eine Liste von 1001 Delegierten und verriet, für welchen Kandidaten/welche Kandidatin sie jeweils stimmen würden. Allerdings erklärten daraufhin etliche der angeblich Befragten, sie hätten überhaupt nicht mit der “Bild am Sonntag” gesprochen.



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Sechs Jahre war Marion Horn Chefredakteurin der “Bild am Sonntag”. Sechs Jahre, in denen ihr Blatt Unwahrheiten in die Welt setzte, Persönlichkeitsrechte verletzte und den Hass gegen den Islam befeuerte. Die Liste ließe sich noch viel weiter fortsetzen, mit Schleichwerbung, geheuchelter Selbstkritik oder politischen Kampagnen.

Oder wie man beim Axel-Springer-Verlag sagt: “Kompetenz und Leidenschaft”.

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“Bild” packt auch die Bundespolizei-Zahlen auf den Tisch, die laut Bundespolizei gar nicht von der Bundespolizei stammen

“Alle Zahlen auf den Tisch!”, forderte gestern “Bild”-Autor Frank Schneider in seinem Kommentar. Es geht ihm um die Zahlen der illegalen Einreisen nach Deutschland, und Schneider meint, dass das Bundesinnenministerium und Ministerin Nancy Faeser versuchen, “Zahlen zu schönen, zu verschleiern. Oder kleinzurechnen.”

Ja, “alle Zahlen auf den Tisch” ist tatsächlich eine gute Idee im Sinne der Transparenz und Aufklärung, wenn man vorher nicht Statistiken durcheinander mischt, die nicht vergleichbar sind, unergründliche Zahlen dazwischenwirft und das fehlerhafte Ergebnis dann der eigenen Leserschaft als potenziellen Skandal verkauft:

Ausriss Bild-Titelseite - Rund 40000 illegale Einreisende weggeschummelt? Frau Faeser, erklären Sie uns das bitte mal!
Ausriss Bild-Zeitung - Statistik der Ministerin weist zehntausende Migranten zu wenig aus - Schummelt Faeser sich die Flüchtlings-Zahlen schön?

Das ist die “Bild”-Berichterstattung, die gestern neben Schneiders Kommentar erschienen ist. Zusammen mit Zara Riffler und Peter Tiede schreibt Schneider:

Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, rast seit Monaten rauf! […]

Doch die zuständige Innenministerin ignoriert die hohen Zahlen der Bundespolizei offenbar. BILD erfuhr: Nancy Faeser (52, SPD) weist intern viel weniger aufgegriffene illegal-eingereiste Migranten aus.

► Laut “Migrationsanalyse-Bericht” ihres Ressorts wurden im September 12 701 illegal Eingereiste von Bundespolizisten aufgegriffen. Die Bundespolizei hat dagegen andere Zahlen: 20 000. […]

Fest steht: Seit Januar sind laut Faeser-Statistik insgesamt rund 57 000 Migranten eingereist. Laut Bundespolizei gut 100 000. Beim zuständigen Flüchtlingsamt BAMF stellten bis Ende September offiziell sogar 154 557 Personen einen Asylantrag.

Es handelt sich also um drei verschiedene Statistiken, die “Bild” nennt: Da wäre einmal eine aus Nancy Faesers Innenministerium, eine, die von der Bundespolizei stammen soll, und eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). “Bild” verrührt alle zu einem schnaubenden Aufreger.

Am ehesten passen noch die Statistiken zusammen, die “Bild” dem Innenministerium und der Bundespolizei zuschreibt. In beiden soll es um von der Bundespolizei aufgegriffene illegal Eingereiste gehen. Schneider, Riffler und Tiede nehmen sich schlicht die eine und die andere Zahl und rechnen sie gegeneinander auf: Statistik der Bundespolizei (“gut 100 000”) minus Statistik des Innenministeriums (“57 000”) gleich “Bild”-Schlagzeile (“Rund 40 000 illegale Einreisende weggeschummelt?”).

Das Problem dabei: Die Zahlen, die “Bild” der Bundespolizei zuschreibt, sollen nicht von der Bundespolizei stammen. Eine Sprecherin des Innenministeriums, dem die Bundespolizei untergeordnet ist, teilte uns gestern auf Nachfrage mit:

Die heute von der BILD-Zeitung genannten Zahlen, welche dort der Bundespolizei zugeordnet werden, stammen nicht von der Bundespolizei und sind nicht nachvollziehbar. Wir können diese Zahlen ausdrücklich nicht bestätigen.

57.647 sei die korrekte von der Bundespolizei festgestellte Gesamtzahl unerlaubter Einreisen von Januar bis einschließlich September 2022, so die Sprecherin.

Die Bundespolizei sah sich gestern genötigt, eine Pressemitteilung mit der Überschrift “Unerlaubte Einreisen – Bundespolizei ordnet öffentlich kursierende Zahlenangaben ein” zu veröffentlichten. Auch sie nennt 57.647 illegale Einreisen von Januar bis September 2022 (beziehungsweise 71.011, wenn man die gerade veröffentlichte, aber noch nicht qualitätsgesicherte Zahl aus dem Oktober dieses Jahres hinzunimmt). Bundespolizeipräsident Dieter Romann sagt in der Mitteilung mit Blick auf die Arbeit der Beamtinnen und Beamten:

Nicht dienlich ist dabei, die Lauterkeit und Transparenz ihrer Arbeit in Zweifel zu ziehen. Auch die Zahlentransparenz bleibt selbstverständlich unverändert bestehen.

Nur, um das noch einmal zu verdeutlichen: “Die hohen Zahlen der Bundespolizei”, die Innenministerin Nancy Faeser laut “Bild”-Artikel “offenbar” ignoriere und die sie laut “Bild”-Kommentator Frank Schneider schöne, verschleiere oder kleinrechne, stammen laut Bundespolizei gar nicht von der Bundpolizei.

Aber woher dann? Woher haben Schneider, Riffler und Tiede die Zahlen? Unsere Anfrage dazu beim “Bild”-Sprecher blieb bislang unbeantwortet.*

Was im Zusammenhang mit den Zahlen zu illegal Eingereisten übrigens nicht unwesentlich ist: 1. Menschen können illegal nach Deutschland einreisen, von der Polizei aufgegriffen werden und damit in die Statistik eingehen, ohne die Absicht zu haben, einen Asylantrag zu stellen. 2. Kann es zu einer Mehrfachersfassung derselben illegal eingereisten Person kommen, weil die entsprechende Polizei-Statistik keine personenbezogenen Daten umfasst. Aber das nur nebenbei.

Es gibt dann ja noch eine weitere Statistik, die der “Bild”-Artikel ins Verwirrspiel bringt:

Beim zuständigen Flüchtlingsamt BAMF stellten bis Ende September offiziell sogar 154 557 Personen einen Asylantrag.

Diese Zahl ist im Zusammenhang mit der illegalen Einreise nach Deutschland ziemlich ungeeignet. Zuallererst ist sie zu hoch, wenn es um Personen gehen soll, die dieses Jahr nach Deutschland gekommen sind: Bei den 154.557 Anträgen 2022 handelt es sich nämlich um Erst- und Folgeanträge. Nimmt man nur die Erstanträge in diesem Jahr (bis einschließlich September), sind es laut BAMF 134.908 (PDF). Was “Bild” darüber hinaus nicht erläutert: Auch Menschen, die legal nach Deutschland eingereist sind, können einen Asylantrag stellen und damit in der Statistik landen. Und: Bekommt eine Asylbewerberin in Deutschland ein Kind, landet auch dieses mit einem Asylantrag in der Statistik – ganz ohne legale oder illegale Einreise. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt dazu:

Reist ein minderjähriges lediges Kind nachträglich ins Bundesgebiet ein oder wird es nach der Asylantragstellung der Eltern hier geboren, haben die Eltern, von denen noch mindestens ein Elternteil im Asylverfahren ist, oder die Ausländerbehörde das Bundesamt von der Geburt zu informieren. Damit gilt der Asylantrag des Kindes ebenfalls als gestellt. […]

Ist der Antrag der Eltern bereits entschieden, wenn ihr Kind geboren wird oder nachträglich einreist, müssen sie für das Kind einen gesonderten Asylantrag stellen.

Das Durcheinanderwerfen von Statistiken, das Hinzuziehen von Zahlen, bei denen niemand weiß, woher sie stammen, das falsche Skandalisieren zeigt Wirkung. Gestern Nachmittag schrieb die AfD bei Twitter:

#Faeser rechnet sich die alarmierenden Zahlen der nach #Deutschland strömenden #Zuwanderer schön. So gibt ihr Ministerium viel geringere Zahlen an, als tatsächlich gezählt werden.

Die “Bild”-Redaktion hat mit ihrem Artikel offenbar die Zielgruppe erreicht.

*Nachtrag, 18:40 Uhr: Der “Bild”-Sprecher hat inzwischen auf unsere Anfrage, woher die Zahlen stammen, geantwortet:

Es handelt sich bei den von BILD genannten Vergleichszahlen um Daten der Bundespolizei. Diese hat BILD unter Beachtung des Quellenschutzes öffentlich gemacht. Diese beinhalten nicht nur die offiziell genannten Zahlen der Bundespolizeiinspektionen direkt an der Grenze, sondern auch die illegalen Migranten, die später in den Zügen und/oder im Inland aufgegriffen werden. Die offizielle Meldung der Bundespolizei wie auch die offiziellen Zahlen des BAMF bestätigen diese kleingerechnete Diskrepanz nur.

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