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Kai Mustermanns Ausweiskontrolle

Ab dem 1. November 2010 gibt es einen neuen elektronischen Personalausweis, der einen elektronischen Chip enthält, auf dem die Daten des Besitzers sowie optional sein Fingerabdruck und eine sichere Kennung für den Internetgebrauch gespeichert werden.

“Bild” “erklärt” heute den neuen Ausweis und zeigt, wie er aussehen wird — natürlich “BILD-Exklusiv”:

BILD-EXKLUSIV: So sieht der neue Personalausweis aus.

Aufmerksame BILDblog-Leser ahnen natürlich längst: Den Ausweis gab es schon lange vorher zu sehen.

Als er im März auf der Computermesse CeBIT vorgestellt wurde, gab es Prototypen zum Anfassen. Bilder des Ausweises konnte man damals zum Beispiel bei heise.de, “Focus Online” und dem Bundesinnenministerium sehen.

Aber selbst, wenn “BILD-exklusiv” im Sinne von “erstmalig in ‘Bild'” gemeint gewesen sein sollte, befindet sich die Zeitung mit der Behauptung auf dünnem Eis: Vor mehr als fünf Monaten hat sie ihn bereits in ihrem Online-Auftritt präsentiert.

Der E-Perso kommt: Das bringt der elektronische Ausweis im Internet

Immerhin: “Bild” scheint das erste Foto vom neuen Ausweis zu haben, auf dem nicht “Test” steht.

Mit Dank an Peter G.

Rave, Donsbach, Musikantenstadl

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Getestet: BILD App auf dem iPhone / iPod touch”
(pottblog.de, Jens Matheuszik)
Jens hat die “Bild”-iPhone-App getestet und hält sie technisch für “nicht schlecht” – inhaltlich fehle die Regionalität. Die App sei zwar einfach zu bedienen, allerdings vergesse sie Einstellungen und sei “nicht wirklich stabil, diverse Abstürze zeugen davon”.

2. Interview mit Carsten Rave
(dwdl.de, Kai Blasberg)
Carsten Rave von der Nachrichtenagentur dpa hält die Autorisierung von Zitaten für eine direkte Einflussnahme. Der “Irrsinn” nehme “einen richtig schönen Verlauf, wenn der Journalist vor oder während des Gesprächs einen Passus zu unterschreiben hat, dass die Zitate schriftlich einzureichen sind. In solch einem Augenblick rutscht Deutschland im Ranking der Pressefreiheit knapp hinter Nordkorea.”

3. Interview mit Wolfgang Donsbach
(detektor.fm, Marcus Engert, Audio, 12:52 Minuten)
Medienwissenschaftler Wolfgang Donsbach glaubt, dass Titel, die vermehrt Boulevard machen, sich ins eigene Fleisch schneiden: “Langfristig machen sie sich ihre eigene Marke kaputt.”

4. “Kreuzer wirft journalistische Standards über Bord”
(felixhuegel.posterous.com, Felix Elias Hügel)
“Radio Blau muss womöglich den Sendebetrieb einstellen – und wir müssen uns noch weitere Sorgen um Leipzigs Medienlandschaft machen: Das Stadtmagazin Kreuzer wirft in seiner Berichterstattung darüber alle journalistischen Prinzipien über Bord und macht mephisto 97.6, das Lokalradio der Universität Leipzig, in einem tendenziösen und stellenweise falschen Artikel zum moralischen Sündenbock für das mögliche Aus von Radio Blau.”

5. “Medienhype um Minarette”
(carta.info, Stephan Russ-Mohl)
Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl hält die breite Diskussion um das Minarett-Verbot für einen Medienhype: “Vor ein paar Jahren ging es den Österreichern ähnlich, als Jörg Haider seine grossen Wahlerfolge erzielte. Damals konnte Putin in Tschetschenien ziemlich ungestört seinen brutalen Krieg führen und ein ganzes Land in Schutt und Asche legen. Die Medien waren vollauf damit beschäftigt, Österreich zu diskreditieren. Heute ist Putin noch immer an der Macht.” Eine andere Meinung dazu vertritt David Pachali in einer Replik auf den Beitrag.

6. “Stadlzeit 2”
(nomnomnom.de, Herm)
Herm sieht sich die Übertragung der TV-Sendung Musikantenstadl aus der Dreiländerhalle in Passau an und versteht “kein Wort von dem was der Spitzbua da singt. Ich zitiere mal 3 Sätze so wie ich sie verstehe: ‘Wiri binni woudie oüssigemma. Hobsa woin ma bippihände nehma. Göhhhhh bipipipipi gehtsuwtzeh!'”.

Bild, ZDF  

Der Zorn einer Mutter

Vergangene Woche ist in Brandenburg der 14-jährige Gymnasiast Jacob K. ums Leben gekommen, als er sich versehentlich mit einem Strick strangulierte. Weil der Junge einer Internet-Anleitung zu einem sogenannten “Würgespiel” gefolgt war, bei dem es darum geht, durch Reduktion der Luftzufuhr in einen Rauschzustand zu kommen, hat sich seine Familie entschlossen, mit den Hintergründen des Unglücksfalls an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie will damit auf die Gefahren dieses vermeintlichen Spiels aufmerksam machen, dem in Frankreich allein in diesem Jahr 13 Schüler zum Opfer gefallen sein sollen.

Unter dem Artikel, den der Berliner “Tagesspiegel” dem Thema gewidmet hat, hat am Donnerstag jemand kommentiert, bei dem es sich offenbar um die Mutter des Verstorbenen handelt. Sie dankt für das Mitgefühl, aber ihr liegt noch etwas anderes am Herzen:

Und ich möchte diese Stelle auch nutzen, um über das widerliche Verhalten eines Bildreporters zu berichten: Er betrat unser Grundstück, klingelte an der Tür und fragte frech nach einem Foto von Jacob, wie denn mein Vorname sei und wo ich arbeite – ich bat ihn um Respekt, habe ihm erklärt, dass Jacob das nicht wolle – im Nachhinhein erfuhr ich, dass er wohl auch bei den Nachbarn geklingelt hatte. Er ging mit den Worten: er ist vielleicht der Erste aber garantiert nicht der Letzte!

1 Stunde später standen 2 Männer vom ZDF vorm Grundstück, auch hier baten wir höflich, uns nicht zu filmen, haben ihnen das erklärt, auch hier um Respekt gebeten, auch zum Schutz für Jacobs kleine Schwester – sie haben sich hingestellt und uns trotzdem gefilmt.

Wir mussten also einen Rechtsanwalt einschalten, diese Bildveröffentlichungen zu verhindern.

Nun weiß man weder mit letzter Sicherheit, ob der Kommentar tatsächlich von Jacobs Mutter stammt, noch, ob die Schilderungen über den “Bild”-Reporter Mann, der sich als “Bild”-Reporter ausgegeben hat, zutreffend sind.

Andererseits wären wir, nach allem, was wir über die Recherchemethoden von “Bild” wissen, auch nicht sonderlich überrascht, wenn sich das Geschilderte genau so zugetragen haben sollte.

Der “Bild”-Artikel über die Trauerfeier kommt dann interessanterweise ganz ohne Fotos des Verstorbenen aus. Dafür offenbart sich die ganze Merkwürdigkeit von “Bild” darin, dass die sonst so Anonymisierungs-scheue Zeitung den Vornamen des Jungen geändert hat — also den Namen nicht nennt, den die Familie selbst an die Öffentlichkeit gegeben hatte.

Wir haben das ZDF, bei dem wir auch nur mäßig überrascht wären, wenn sich die Vorwürfe als zutreffend erweisen sollten, um eine Stellungnahme gebeten.

Die Pressestelle des Senders erklärt, dass “ein erhebliches öffentliches Interesse an dem Fall” bestanden habe und neben dem Team der vom ZDF beauftragten Firma “Reportnet24” auch noch “zahlreiche andere Journalisten zugegen” gewesen seien. Das Kamerateam habe aber “ausschließlich auf der öffentlich zugänglichen Straße” gefilmt und dabei “Aufnahmen von den Blumen und Kerzen vor dem Haus sowie einige Einstellungen der Straße” angefertigt.

Eine Interviewanfrage lehnten die Eltern ab. Diese Ablehnung hat das Filmteam selbstverständlich berücksichtigt.

Indirekt bestätigt das Zweite Deutsche Fernsehen allerdings, dass die Eltern ihre Anwälte eingeschaltet haben:

Zu keinem Zeitpunkt waren identifizierende Filmaufnahmen der Eltern oder des Wohnhauses zur Ausstrahlung vorgesehen. Das hat das ZDF dem Anwalt der Eltern von Jacob K. daher auch am Mittwoch in vollem Umfang zugesichert.

Mit Dank an Dieter.

Blöde aller Länder, vereinigt euch!

Wenn eine Boulevardzeitung bei einer Boulevardzeitung abschreibt, die ihre Informationen aus einer Boulevardzeitung entnimmt, kann dabei nur Grütze herauskommen — Grütze, die inzwischen einen Großteil der Journalismus-Ersatz-Portale im Internet ausmacht.

So schreibt der Online-Ausleger von “Bild” unter Berufung auf den “Daily Mirror” (und der wiederum unter Berufung auf ein Blog der spanischen “20 Minutos”) über den Sänger der rumänischen Popband Jukebox, der bei einem Auftritt im rumänische Fernsehen sein Mikrofon falsch herum gehalten hat.

“Wie blöd ist das denn?”, fragt Bild.de und findet den Auftritt “einfach nur mega-peinlich”.

Ja ja, die Rumänen. Nur: Der Sänger kann nach mehr als 1000 Live-Konzerten mit Mikrofonen umgehen und hat sich einfach einen Spaß erlaubt, wie er der rumänischen Presse (leider auf rumänisch) erklärt hat. Das übrigens nicht zum ersten Mal: Bereits einige Wochen vor seinem Auftritt in der Sendung “Stele sub lupa” hielt er sich in einer Show des Fernsehsenders TVR1 das falsche Mikrofonende an den Mund.

Das “20 Minutos”-Blog hat inzwischen erkannt, dass seine Einschätzung des Auftritts vermutlich falsch war.

Und jetzt könnte man natürlich fragen: “Wie blöd ist Bild.de denn?” und den Daily Mirror einfach nur mega-peinlich finden … aber lassen wir das.

Den Sänger jedenfalls freut es: Nachdem unter anderem MSN sowie die “Sun” auf den Zug aufgesprungen sind, wurde sein Video schon über 700.000 Mal angeklickt.

Mit Dank an Andreas N.!

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Chaotsein oder Nichtchaotsein?

Gestern berichtete die “Bild” über zwei Berliner Jugendliche, die seit sieben Monaten in U-Haft sitzen, weil sie eine Brandflasche gegen Polizisten geschleudert haben sollen. Der Prozess gegen die beiden Schüler ist umstritten; sogar “Bild” fragte Anfang September:

Doch stehen die Falschen als Mai-Randalierer vor Gericht?

Gestern zeigte die “Bild” wieder ungewohnte Zweifel an der Schuld der Angeklagten:

Die Indizien sind dünn, die Verteidigung sicher: Es liegt eine Verwechslung vor.

Um aber keine Zweifel an der poltiischen Positionierung der Zeitung aufkommen zu lassen, erhielt der Artikel sicherheitshalber folgende Überschrift:

Gnade für Mai-Chaoten

Was immerhin eine gewisse Konsequenz hat, denn auch vor drei Wochen hatte “Bild” die Schuld der Täter in der Schlagzeile schon festgestellt:

Mai-Randalierer vor Gericht

“Bild”-Routine halt.

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Mit Rummenigge im Irrland

Die Beziehung zwischen Karl-Heinz Rummenigge und “Bild” war auch schon mal besser. Vielleicht liegt es daran, dass die Zeitung dem Vorstandsvorsitzenden von Bayern München vorgeworfen hat, sich zu irren. Vielleicht aber auch bloß daran, dass sie sich geirrt hat.

Am 9. November berichtete “Bild” in großer Aufmachung über einen “Aufstand bei Bayern”. Rummenigge hatte angekündigt, Philipp Lahm wegen eines kritischen Interviews zu einer Geldstrafe zu verurteilen, “wie es sie in dieser Höhe beim FC Bayern München noch nie gegeben hat”.

Aufstand bei Bayern

“Bild” verwies auf selbst erfundene recherchierte Zahlen, wonach Lahm “maximal 25.000 Euro” und Luca Toni 15.000 Euro zahlen müssen, “Bild” schlaumeierte, dass Oliver Kahn ebenfalls schon mit einer Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro belegt worden sei, und folgerte:

Rummenigge irrt bei der Höhe der Strafe.*

Rummenigge aber widersprach den “BILD-Informationen” über Lahm und Toni und setzte eine Gegendarstellung durch, die gestern in “Bild” erschien:

Richtig ist, dass beide Spieler wesentlich höhere Geldstrafen zahlen müssen.

Der “Bild”-Bericht zum angeblichen “Aufstand bei Bayern” resultierte aber noch in einer weiteren Gegendarstellung von Karl-Heinz-Rummenigge. Zu einem angeblichen Gespräch des Bayern-Trainers mit dem Stürmer Luca Toni stellte er fest:

Der mich betreffende Teil dieser Behauptung ist unwahr. Ich war bei diesem Gespräch nicht dabei, weder als Vermittler noch als Dolmetscher.

Die “Bild”-Redaktion war offensichtlich auch nicht dabei und fügte in dieser Gegendarstellung, die bereits am 16. November erschien, hinzu:

Karl-Heinz Rummenigge hat recht.

*) aus unbekannten Gründen steht dieser Satz nur in der Online-Version des Artikels.

Deutschlands Nachrichtenmedium Nummer 1

Wenn es im “Bild”-Universum heißt, dass etwas zum 1. Mal oder “erstmals” passiert, dann handelt der dazugehörige Artikel in der Regel von irgendetwas, das zum zweiten bis sechsmilliardensten Mal stattfindet.

Wenn “Bild” also heute über Comeback-Gerüchte von Michael Schumacher fragt:

Dann lautet die Antwort natürlich: “Nein!”, egal ob Schumacher nochmal antritt oder nicht.

Giuseppe Farina, der erste Formel-1-Weltmeister überhaupt, gewann seinen Titel knapp zwei Monate vor seinem 44. Geburtstag im Herbst 1950, Jack Brabham gewann seinen dritten WM-Titel im Alter von 40 Jahren und Juan Manuel Fangio, bis zu Schumachers fünftem Titel Rekord-Weltmeister in der Formel 1, holte seinen ersten WM-Titel 1951 im Alter von 40 Jahren und 4 Monaten.

Aber gut, da haben die “Bild”-Leute nur drei Personen übersehen — deutlich weniger als im Artikel über die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Herta Müller:

Nach Günter Grass 1999 und der Österreicherin Elfriede Jelinek 2004 wurde damit der bedeutendste Literaturpreis der Welt zum dritten Mal an einen Autor aus dem deutschsprachigen Raum vergeben.

Dass “Bild” den letzten deutschsprachigen Preisträger vor Grass unter den Teppich kehren will, ist verständlich: Hatte Heinrich Böll doch in seinem Roman “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” einigermaßen unverhohlen mit den Methoden der Zeitung abgerechnet und in seinen Vorbemerkungen geschrieben:

Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.

Aber selbst wenn man Böll wegließe, blieben noch semi-prominente Preisträger übrig wie Hermann Hesse, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann oder Theodor Mommsen, der 1902 mit dem zweiten Nobelpreis für Literatur überhaupt ausgezeichnet wurde. Beim Zusammenzählen kommt man leicht auf mehr als zehn deutschsprachige Preisträger.

Mit Dank an Matthias H. und und Ellen L.

Nachtrag, 15.20 Uhr: Bild.de hat sich bei den Nobelpreisträgern “korrigiert”:

Herta Müller ist Deutschlands 10. Literatur-Nobelpreisträger(in).

Ihre Vorgänger waren: Theodor Mommsen (1902), Rudolf Eucken (1908), Paul Heyse (1910), Gerhart Hauptmann (1912), Thomas Mann (1929), Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972) und Günter Grass (1999).

Bei Hermann Hesse hat Bild.de uns möglicherweise falsch verstanden: Der war zwar deutschsprachig und wurde auch in Deutschland geboren, gilt dem Nobel-Komitee aber als Schweizer. Auch Nelly Sachs wurde in Deutschland geboren, wird aber im offiziellen Preisträger-Archiv als Schwedin geführt.

Der Schumacher-Text ist noch unverändert.

2. Nachtrag, 16.20 Uhr: Puh, es waren gar nicht wir, die Bild.de verwirrt haben! Die Korrektur ist einfach eine Liste der deutschen Preisträger, die aus der Printausgabe übernommen wurde:

Herta Müller ist Deutschlands 10. Literatur-Nobelpreisträger(in). Ihre Vorgänger waren: Theodor Mommsen (1902), Rudolf Eucken (1908), Paul Heyse (1910), Gerhart Hauptmann (1912), Thomas Mann (1929), Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972) und Günter Grass (1999).

Mit Dank an Daniel W.

Brender, Buhrow, Simpsons

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie gaga ist ‘Bild’ Bremen denn?”
(taz.de, Benno Schirrmeister)
“Eine halbe Seite muss die Bremer Lokalausgabe der Bild für eine Gegendarstellung räumen – in 100-Punkt-Schrift, also 3,5 Zentimeter großen Buchstaben.”

2. “Selbstkontrolle: Der Presserat lebt wieder”
(diepresse.com)
Österreich hat wieder einen Presserat: “Der ‘Verein der Selbstkontrolle der österreichischen Presse’ soll künftig zwei Senate mit je sechs Journalistenmitgliedern stellen, ein siebentes rechtskundiges Mitglied hat den Vorsitz.”

3. Interview mit Michael Sohn
(zeit.de, Julia Mayer)
AP-Fotograf Michael Sohn: “Inzwischen habe ich das Gefühl, dass auch vermeintliche Paparazzi-Fotos inszeniert sind. Zum Beispiel die Bilder der Politiker, die während der Opelverhandlungen oben am Fenster des Kanzleramts standen. Damit schien man den Eindruck erwecken zu wollen: Wir arbeiten bis tief in die Nacht für euch.”

4. “Aufregung um Brender bleibt wohl ohne Folgen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath glaubt, dass der Fall Brender mit der Wahl von Peter Frey zum neuen ZDF-Chefredakteur “höchstwahrscheinlich und bedauernswerterweise beendet” ist. “Im Grunde also ist deshalb bei allen Beteiligten die antrainierte Empörung über die politische Konkurrenz deutlich größer als die Empörung über die Organisationsstruktur des ZDF.”

5. Interview mit Tom Buhrow
(cafeterra.de, Sabrina Gundert)
Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow sagt, was ein Journalist haben muss: “Leidenschaft. Neugier. Liebe zur Sprache. (…) Weiterhin ist Sorgfalt bedeutsam. Es geht nicht darum, irgendwas in den Medien zu sehen, was einen fasziniert, und dann einfach mal was darüber zu schreiben. Gründliche Recherche muss sein.”

6. “Newspaper Headlines from The Simpsons”
(youtube.com, Video, 8:15 Minuten, englisch)
Eine Sammlung von Zeitungsschlagzeilen bei den Simpsons.

Popstars, Mascolo, Climategate

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Popstars Du & Ich – Die Halbfinalentscheidung”
(youtube.com, Video, 6:34 Minuten)
Ab 4:30 Minuten verkünden die zwei Moderatoren von “Popstars”, was zuerst stilles Entsetzen, dann Buh-Rufe auslöst (vgl. “Wie Pro Sieben sein Publikum betrügt”): “Ihr müsst nicht weinen, denn wir haben eine grosse Überraschung für Euch. Heute abend fliegt niemand raus. Auf gar keinen Fall. Das Voting geht weiter.”

2. “Ich kann es nicht mehr hören”
(dondahlmann.de)
Don Dahlmann langweilt “dieses Blogger vs. Journalisten Getue”: “Den Kampf ‘der’ Blogger gegen ‘die’ Journalisten hat es nie gegeben. Es war und ist eine Auseinandersetzung über die Wahl des Publikations- und Distributionskanals (‘….aber die Haptik!’). Und ein Versuch der Verlage, von denen eigenen Schwierigkeiten beim Shift des Geschäftsmodelles abzulenken.”

3. Rede von Georg Mascolo
(netzwerkrecherche.de, Georg Mascolo)
Der “Spiegel”-Chefredakteur hält die Laudatio anlässlich der Verleihung des “Leuchtturms” an NDR Info und sagt, wie ein Journalist sein muss: “Der Journalist muss neugierig, er muss gründlich und ehrgeizig sein. Er darf die wahre Aufgabe seines Berufes nicht vernachlässigen – und das ist, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir bekommen unser Geld für unsere Neugierde. (…) Die Fleißigen, die Hartnäckigen, die Unerbittlichen sind es, die den Erfolg unserer Unternehmungen ausmachen.”

4. “Nun reicht es mit der Symbolik”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Bettina Röhl spricht bei der Auszeichnung von Nikolaus Brender zum “Journalist des Jahres” auf debatte.welt.de von einem “Gesinnungspreis”. Horst Müller stellt fest, dass sich Brender dieses Jahr nicht “journalistischen Leistungen” hervorgetan hat: “Vielmehr sind die Mainzer in den vergangenen Monaten wiederholt mit journalistischen Fehlleistungen und peinlichen Pannen in ihren Informationssendungen aufgefallen.”

5. “Climategate und die Achse des Blöden”
(blogs.taz.de/reptilienfonds, Heiko Werning)
Heiko Werning beleuchtet, was bei Wikipedia “Hackerzwischenfall am Klimaforschungszentrum der University of East Anglia” und kürzer “Climategate” genannt wird, insbesondere die Rolle der “FAZ” und der “Welt”-Journalisten Dirk Maxeiner, Michael Miersch und Gideon Böss. Interessant auch die Kommentare, in denen sich der im Text erwähnte Hans von Storch zu Wort meldet.

6. “Schweinegrippe, war da was?”
(weltwoche.ch, Alex Reichmuth)
Alex Reichmuth schreibt zur grassierenden Schweinegrippe: “Für die übersteigerte Alarmstimmung waren vor allem auch die Medien verantwortlich: Mit einer Berichterstattung, deren Umfang jedes vernünftige Mass überstieg, haben Fernsehstationen, Radiosender und Zeitungen in den letzten Monaten jedes Detail zur Schweinegrippe in die Schlagzeilen gehoben.”

Will the real Kai Diekmann please stand up?

Nach wie vor ungeklärt ist, wer unter dem Namen “Kai Diekmann” in dem Blog Kai-Diekmann.de der Axel Springer AG schreibt. Zunehmend deutlicher wird allerdings, dass es sich nicht um den bekannten Chefredakteur gleichen Namens handeln kann.

Der Blogger “Kai Diekmann” macht sich heute wieder einmal über den Anwalt Johannes (“Jony”) Eisenberg lustig, der für viele Mandanten erfolgreich gegen Lügen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen der “Bild”-Zeitung vorgegangen ist. Vor einigen Tagen hatte “Diekmann” in seinem Blog ein Interview veröffentlicht, das den spektakulären Eindruck erwecken sollte, mit eben diesem gegnerischen Anwalt geführt worden zu sein. Eisenberg hat nun vorhersehbar auf die Provokation reagiert und “Diekmann” aufgefordert, das zu unterlassen. “Diekmann” hat daraufhin ebenso vorhersehbar enthüllt, dass es ein ganz anderer Johannes Eisenberg war, mit dem er gesprochen hatte, und arbeitet weiter an seinem Image als coole Sau inmitten einer Welt voller klagewütiger Spaßbremsen:

Nur zur Klarstellung: Es kann doch wohl keiner geglaubt haben, Johannes sei Jony. Am allerwenigsten Jony selbst! Sie, liebe Blog-Freunde, haben für diese Erkenntnis nur gefühlte zehn Minuten gebraucht!!!

Oder ist alles noch viel schlimmer? Schlägt sich Jonys Verfolgungswahn Empfindlichkeit jetzt schon darin nieder, dass er sogar Interviews mit Namensvettern verbieten will? (…)

Lieber Jony, ich kann Dir als Dein Freund und Genosse wirklich nur noch raten: Mach doch mal Urlaub (vielleicht sogar in Thüringen, Tschechien oder im Erzgebirge…). Das wirkt bei Überspannungen Wunder.

Wegen so eines Spaßes gleich den Rechtsweg beschreiten — das würde “Kai Diekmann”, der Blogger, nicht tun.

Im Gegensatz zu Kai Diekmann, dem Chefredakteur der “Bild”-Zeitung.

Vor einem Dreivierteljahr begann Stefan Sichermann*, der Chefredakteur der sympathischen, nicht-kommerziellen Satireseite “Der Postillon”, unter dem Namen “DerChefred” zu twittern. Sein erster Eintrag lautete: “So der Chefredakteur von Der
Postillon ist jetzt auch bei Twitter! Geil!” Als Homepage gab er den “Postillon” an. Aber als Profilfoto benutzte er ein Bild von Kai Diekmann. Was er schrieb, las sich so:

Nun würde man sagen: Es kann doch wohl keiner geglaubt haben, “DerChefred” sei Kai Diekmann. Selbst die Blog-Freunde von “Kai Diekmann” hätten für diese Erkenntnis nur gefühlte zehn Minuten gebraucht (!!!). Aber Diekmann sah da offensichtlich eine reale Verwechslungsgefahr …

… und schaltete, sicher geplagt von schlimmen Überspannungen, seinen Anwalt ein. Der hatte ebenfalls keine Mühe, den wahren Absender zu erkennen, und mahnte ihn ab:

(…) Der Betrieb dieses Profils und insbesondere die unerlaubte Veröffentlichung des Bildes meines Mandanten stellt einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht am eigenen Bild gemäß § 22 KUG dar. Die unerlaubte Bildveröffentlichung erfüllt außerdem den Straftatbestand des § 33 KUG. (…)

Stefan Sichermann hat daraufhin das Bild Diekmanns sofort aus seinem Twitter-Profil genommen, das zu diesem Zeitpunkt das Interesse von gerade einmal 13 Followern (regelmäßigen Lesern) erreicht hatte. Obwohl er sich — abgesehen von der Verwendung des urheberrechtsfreien Fotos — nie als Kai Diekmann ausgegeben hat, war die Sache damit nicht erledigt: Diekmanns Anwalt schickte ihm eine Rechnung. Er setzte den Streitwert auf 7500 Euro fest und errechnete daraus Gebühren in Höhe von 661,16 Euro — ein erheblicher Betrag für den 28-jährigen Volontär. Sichermann schaffte es mithilfe eines befreundeten Anwaltes immerhin, die Forderung unter Verweis auf den übertrieben hoch festgesetzten Streitwert auf einen “niedrigen dreistelligen Betrag” herunterzuhandeln.

Ein niedriger dreistelliger Betrag für die harmlose, weitgehend unbeachtete und erkennbar scherzhaft gemeinte Verwendung eines Fotos, in der ausgerechnet der “Bild”-Chefredakteur eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes sah.

Soviel zum Verfolgswahn des wahren Kai Diekmann.

*) Hinweis: Stefan Sichermann schreibt gelegentlich für BILDblog.

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