Produktlobhudelei, El Masrar, Hufelandstraße

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Nachrichtenjournalismus wie er nicht sein soll”
(medienbuerohamburg.wordpress.com, Nele Römer)
Nachdem auf den Websites von “Hamburger Abendblatt” und “Hamburger Morgenpost” vermeldet wird, der Hamburger Hauptbahnhof sei gesperrt, bzw. komplett gesperrt, fragt Nele Römer nach: “In einem Lagerraum für Blumen gab es ein Feuer. Der Hauptbahnhof war auch nicht komplett gesperrt, nur die U2 ist nicht gefahren.”

2. “WeTab-Enthüllung? Wir WeDeppen schreiben einfach ab”
(medialdigital.de, Ulrike Langer)
WeTab-Geschäftsführer Helmut Hoffer von Ankershoffen verfasst bei Amazon unter falschem Namen überschwängliche Rezensionen über sein eigenes Produkt. Ulrike Langer prüft bei elf Online-Portalen nach, wie sie die von Richard Gutjahr entdeckte Selbstbeweihräucherung verarbeiten.

3. “Waren die Chefredakteure wieder segeln”
(taz.de, Silke Burmester)
Silke Burmester gibt zur Aufregung über den Fall WeTab/Amazon (siehe 2.) zu bedenken: “Nicht, dass nicht wahrscheinlich jeder zweite Buchautor sein Buch bei Amazon bespricht, es sollte den sich jetzt Empörenden – so sie denn Profis sind – nicht unbekannt sein, dass etliche Freiberufler an den Rechnern sitzen und im Auftrag von PR-Firmen Produktnamen oder Produktlobhudelei in Blogs unterbringen.”

4. Interview mit Sineb El Masrar
(philibuster.de, Nadia Shehadeh)
Sineb El Masrar, Gründerin des Frauenmagazins “Gazelle”, fände es sinnvoller, wenn statt über die “Kopftuchfrage” über “die zukünftige wirtschaftliche Unabhängigkeit junger Menschen” geredet würde. “Außerdem nervt es, dass ständig Klischeewelten herbeigeredet werden, die nicht existieren. Dass Muslime eben keine homogene Gruppe sind – das müsste doch schon längst klar sein. Es wird aber ständig noch so dargestellt und befeuert somit zum Teil natürlich auch die Stigmatisierungsmaschinerie weiter. Man stilisiert eine Wahrheit, die gar nicht zutrifft.”

5. “Hunter S. Thompson’s brutally honest Canadian job request”
(ottawacitizen.com, Andrea Woo, englisch)
Hunter S. Thompson bewirbt sich 1958 bei der “Vancouver Sun”: “As far as I’m concerned, it’s a damned shame that a field as potentially dynamic and vital as journalism should be overrun with dullards, bums, and hacks, hag-ridden with myopia, apathy, and complacence, and generally stuck in a bog of stagnant mediocrity. If this is what you’re trying to get The Sun away from, then I think I’d like to work for you.”

6. “Eine deutsche Straße im Wandel”
(geo.de, Andreas Wenderoth, Harf Zimmermann)
Harf Zimmermann fotografiert in der Berliner Hufelandstraße nach 23 Jahren nochmals die gleichen Plätze. In einer Fotogalerie werden je 12 Fotos einander gegenübergestellt.

Und Galileo rotiert im Grab immer nach Süden

Manchmal testet das ProSieben-Vorabendmagazin “Galileo” nicht nur, wie viel Essen in einen Jumbo geht, sondern versucht auch, seinen Zuschauern die Welt zu erklären. Gestern überprüfte die Sendung in einem “Grundschulwissenstest”, was die Menschen noch von den elementaren Dingen behalten haben, die sie als Kind gelernt haben. “Jeder Deutsche sollte unseren Test mit Bravour bestehen”, sagte der “Galileo”-Sprecher, denn es handele sich um “absolutes Basiswissen”.

Und so sollten die Kandidaten zum Beispiel mithilfe einer Schale Wasser, eines Holzstückchens, einer Nadel und eines Magneten einen Kompass bauen, was den meisten misslang. “Jeder Grundschüler sollte diese Aufgabe meistern können”, sagte der Sprecher streng. “Ganz klar: Hier fehlt den Kandidaten Basiswissen.”

Freundlicherweise gab “Galileo” Nachhilfe, und zwar so:

 

 

“Das ist unsere Erde.

Am Nordpol lagern riesige Eisen-Vorkommen.

Magnete zieht das magisch an.

Nadeln auch.

Sofern sie magnetisch sind.”

Ganz klar: Hier fehlt “Galileo” Basiswissen.

Irgendwelche riesigen und offenbar magnetischen Eisen-Vorkommen am Nordpol sind nicht dafür verantwortlich, dass Kompassnadeln sich nach Norden ausrichten — diese Eisenmassen müssten zum Beispiel auch munter unter der Erde durch die Gegend wandern, um die wechselnden Positionen des magnetischen Nordpols und die sogar gelegentliche Umkehrung von Nord- und Südpol zu erklären.

In Wahrheit ist die Erde von einem Magnetfeld umgeben, das durch den sogenannten Geodynamo-Prozess entsteht: das sind Induktionsvorgänge im äußeren, flüssigen, elektrisch leitfähigen Erdkern.

Und morgen bei “Galileo” Jumbos großer Vergleichstest: Nordpol oder Nordpolen, wo gibt’s das beste Eis?

Mit Dank an Ronny R.!

Flattr, Gottschalk, Gerüchte

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1. “‘Bild’-Zeitung kämpft für ihre Chefs”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg glaubt, dass die Berichterstattung um ein Bauprojekt in Potsdam gefärbt sei von persönlichen Interessen der Führungsetage des Axel-Springer-Verlags: “Zwar dürfen sich im Artikel einige namentlich genannte Nachbarn Luft machen. Dass allerdings auch Springer-Vorstand Mathias Dö. und Bild-Chef Kai Di. gleich nebenan hausen, wird verschwiegen.”

2. “Flattr belohnt Meinung
vor Qualität und Aufwand”

(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert stellt fest, dass Nutzer des Mikrobezahldienstes Flattr häufig “Meinung und Kreativität, aber nicht notgedrungen Aufwand, Tiefe und Informationsgehalt” belohnen – “eine ernüchternde Erkenntnis für diejenigen, die in dem Service eine eventuelle Refinanzierungsform für ihren Content sahen, aber nicht in stark emotional besetzten Nischen aktiv sind”.

3. “Wenn Thomas Gottschalk die Welt nicht mehr versteht, warum erklärt er sie uns dann?”
(faz-community.faz.net, Peer Schader)
Peer Schader schreibt auf, was Thomas Gottschalk über “das Facebook” erzählt. “Manchmal wirkt Deutschlands größter Entertainer wie ein Mann, der im Dampfmaschinenzeitalter groß geworden ist und mit großem Staunen aus der Zeitmaschine steigt.”

4. “Medien auf Auto-Pilot”
(juliane-wiedemeier.de)
Juliane Wiedemeier fragt sich, warum verschiedene deutsche Zeitungsportale sich von der Automobilindustrie nicht mit Anzeigen bezahlen lassen. “Einfacher kann man es der finanziell gut aufgestellten PR-Maschinerie hinter der Automobilindustrie wirklich nicht machen. Über einen ‘unabhängigen Partner’ stellt man den Zeitungen für ihre Online-Präsenz ein paar Hochglanzvideos zur Verfügung; in den Redaktionen denkt man sich, dass der Ruf des Auto-Journalismus eh schon ruiniert ist, und so bauen die Verlage mit den Händen nach außen hin eine schöne glitzernde Multimedia-Fassade auf, und reißen zeitgleich mit dem Arsch das um, was einst der Kern des Journalismus war: Wir nennen es Glaubwürdigkeit.”

5. “Der Mann wurde geselbstmordet”
(tagesanzeiger.ch, Monica Fahmy)
Die “Kronen Zeitung” zitiert einen Historiker, der behauptet, in Schweizer Gefängnissen werde gefoltert. “Die abstrusen Aussagen des ‘Dr. Hross’, die an einen drittklassigen Agententhriller erinnern, druckte die ‘Kronen Zeitung’ ungeprüft ab. Dabei gibt es weder einen Historiker namens Sean Hross in Bern noch eine O2T-Foltermethode.”

6. “Gerüchte-Küche, ein unscharfes Dossier”
(derwesten.de, Bodo Hombach)
Bodo Hombach stellt in einem Essay fest, dass die gute Recherche der Tod des Gerüchts ist. “‘Es stand in der Zeitung’ – das könnte ein Gütesiegel sein, wenn das Blatt ordentlich arbeitet.” Könnte, wenn! Siehe dazu “Journalisten machen Kemnader See unsicher” (stefan-niggemeier.de, 29. April 2010).

Brandenburger Eigentor

Finden Sie es nicht auch unverschämt, dass das Brandenburger Tor ausgerechnet an dem Tag, an dem 20 Jahre Wiedervereinigung gefeiert wurden, so unglaublich klein war?

Zumindest muss man das annehmen, wenn man sich das Foto zu einem Artikel über die Feierlichkeiten auf Bild.de genauer anguckt:

Zehntausende Menschen kam zum Einheitsfest nach Berlin

Es mag stimmen, dass “Zehntausende Menschen zum Einheitsfest nach Berlin” kamen, mit dem Foto hat das jedoch nichts zu tun.

Die Aufnahme stammt von der “Ländermeile” in Bremen – oder wie es die “Kreiszeitung” elegant ausdrückt:

Das Brandenburger Tor, es steht jetzt in Bremen. In der Überseestadt. Im Regen. Es wirkt sonderbar klein, rundherum stehen weiße Pagodenzelte. (…) Aber so ist das eben auf der „Ländermeile“, die zu jedem Bürgerfest jeder zentralen Einheitsfeier gehört.

Mit Dank an chris und Michael H.

Nachtrag, 12.30 Uhr: Bild.de hat die Bildunterschrift inzwischen korrigiert. Jetzt steht da:

Zehntausende Menschen kam (sic) zum Einheitsfest nach Bremen – hier am Nachbau des Brandenburger Tores

David Simon, Webportale, Egon Krenz

6 vor 9

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1. Interview mit David Simon
(faz.net, Tobias Rüther)
David Simon, Erfinder und Produzent der Fernsehserien “The Wire” und “Treme”, sieht die Zukunft des Fernsehens als Leihbibliothek: “Die Leute werden ihre Serien schon finden. Zur Hölle mit den Quoten! Die eine Hälfte schaut ‘The Wire’ auf DVD oder on demand und die andere, wie es ihnen passt. Damit werden Quoten immer bedeutungsloser, egal ob die Leute von den Sendern das wollen oder nicht.” Ein zweites Gespräch mit Simon findet sich auf jetzt.sueddeutsche.de.

2. “Prominent inkonsequent”
(timklimes.de)
Ole von Beust und sein “knäbischer Freund” ist ein Thema, das “Die Zeit” nicht “prominent ignoriert”.

3. “Die Portale der Chinesen”
(scarlatti.de, Lorenz Lorenz-Meyer)
Lorenz Lorenz-Meyer vergleicht deutsche Webportale wie T-Online mit chinesischen Portalseiten: “Ob Nachrichten, Verbraucherinformationen, Marktberichte von der Börse oder die neuesten Gaming-Erfahrungen, die Portale bedienen alle Bedürfnisse, und sie bedienen sie exzellent. Immer noch dürfen die Portalredaktionen dabei in den meisten Themenfeldern nicht selbst journalistisch tätig werden (Wirtschaft, Lifestyle und Sport sind die Ausnahmen). Aber auch in der Auswahl aggregierter Inhalte aus anderen Quellen kann man sich publizistisches Profil erarbeiten. Und die Portale sind somit – auch dies anders als in Deutschland – zu einer wirklich relevanten Instanz in der chinesischen Öffentlichkeit geworden.”

4. “Abt. timeline – heute: eines mutmasslichen Mordes”
(infam.antville.org, patpatpat)
Patpatpat verfolgt, wie sich Meldungen über einen Mann, der tot in seiner Zelle aufgefunden wird, entwickeln.

5. “Aus dem Tagesablauf eines DDR-Spitzenpolitikers”
(dctp.tv, Video, 24:04 Minuten)
Alexander Kluge redet mit dem letzten SED-Generalsekretär, Egon Krenz, über seine damaligen Arbeitstage, die um 4.45 Uhr starteten und nach 23 Uhr endeten.

6. “Durchsageterror bei der Deutschen Bahn”
(heise.de/tp, Egon Müller)
“Die Älteren werden sich vielleicht noch dunkel erinnern: Es gab einmal eine Zeit, da konnte man in einen Zug steigen und stundenlang fahren, ohne auch nur ein einziges Mal von einer Durchsage belästigt zu werden.”

Dichter und Wahrheit

Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr’n befassen?

(Johann Wolfgang Goethe: Faust – Der Tragödie erster Teil, Mephistopheles)

Es gibt mittlerweile nichts mehr, was sich nicht auch als Quiz oder Straßenumfrage inszenieren ließe. Und weil der “Bild”-Familie mittlerweile die Ideen auszugehen drohten, wie man den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung noch begehen könnte (sogar ein Denkmal hatte die Axel Springer AG dieses Jahr schon gebaut), hieß es jetzt “Raus auf die Straße”:

20 Jahre Deutsche Einheit: Die DDR ist Geschichte, Ost und West sind seit zwei Jahrzehnten ein Land. Aber wie gut wissen die Deutschen mittlerweile übereinander Bescheid? Bild.de macht den Einheitstest.

Und los geht’s:

Wo wurde Goethe geboren?

Und noch bevor man sich fragen kann, was denn eigentlich Johann Wolfgang von Goethe, der starb, bevor das Deutsche Reich gegründet wurde, mit BRD und DDR am Hut haben soll, dürfen “die Deutschen” antworten:

“Frankfurt”, sagt ein Mann leicht fragend und aus dem Off ertönt ein Signal, das “Falsche Antwort” ausdrücken soll. Der Mann ist überrascht: “Nein?!”, ruft er aus, ehe er sich selbst eine “schwache Leistung” diagnostiziert.

Zwei junge Frauen rätseln länger (so lange, dass aus dem Hintergrund ein lustiges Uhrenticken erklingt): “Weimar? – “Nee.” – “Geboren? Hmmm.”

Ein junger Mann verwechselt Goethe offenbar mit Beethoven und schlägt “Bonn” vor.

Dann dürfen zwei weitere junge Frauen ran, von denen eine mit einiger Bestimmtheit “in Weimar” sagt und mit einem “Pling” belohnt wird: Richtige Antwort, die Frau freut sich.

Blöd nur, dass Goethe gar nicht in Weimar geboren wurde, sondern dort nur gestorben ist.

Aber das lassen wir ihn am Besten selbst erklären:

Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt.

Sein dortiges Geburtshaus kann man übrigens auch heute noch besichtigen.

Mit Dank an Björn B.

Nachtrag, 23.15 Uhr: Bild.de hat das Video offline genommen.

Bild  

Where the fuck is Alice?

Alice Schwarzer, Herausgeberin der Zeitschrift “Emma” und “Bild”-Gerichtsreportage-Praktikantin, werde den Prozess gegen Jörg Kachelmann “weiterhin aus der Nähe verfolgen”, so schreibt es ihre Redaktion.

In der heutigen “Bild” liest sich das beispielsweise so:

In dieser vierten Verhandlungswoche im Landgericht Mannheim ist Schluss mit Spekulationen und Interpretationen.

Knallharte Fakten wurden da am Mittwoch auf den Tisch gelegt. Beziehungsweise Zeugenaussagen:

Richter Siegfried B. tritt in den Zeugenstand. Er hatte nach der Verhaftung die Fortdauer der Untersuchungshaft für Jörg Kachelmann angeordnet, weil er dessen Schilderung zum Ablauf des Abends “nicht einleuchtend” fand.

Schwarzer erzählt von den “beiden erfahrenen Kriminalkommissarinnen”, die “da sind” und “berichten, dass das mutmaßliche Opfer am Boden zerstört gewesen sei”. Sie weiß, dass Hauptkommissarin Angelika S. als Erste aussagt, der Richter “nachhakt” und was die Polizisten darauf “erwidert”.

Auftritt der zweiten Kripobeamtin. Auch sie berichtet über das mutmaßliche Opfer: “Sie war fertig, völlig fertig.” Und auf Nachfrage: Nein, von einem “Verfolgungseifer” der Frau habe sie nichts bemerkt. Die habe nur gesagt: “Elf Jahre. Und jetzt ist alles aus.”

Schwarzer hat diese Gerichtsprosa gut verinnerlicht, sie beschreibt anschaulich, was da im Gerichtssaal vor sich ging. Auch der Angeklagte ist ihrem geschulten Auge nicht entgangen:

Und Jörg Kachelmann? Der schweigt, wie von seinem Verteidiger Birkenstock verordnet. Nur seine Gesten sprechen – aber welche Sprache? Mal cremt er sich die Lippen, mal fährt er sich durchs Haar, mal grinst er. Dabei gab es an diesem Tag wirklich nichts zu lachen für ihn.

Dem aufmerksamen “Bild”-Leser erzählt Alice Schwarzer damit nichts Neues, im Wesentlichen stand das gestern schon alles in der Zeitung.

Für Frau Schwarzer hingegen könnte es sich tatsächlich um Neuigkeiten gehandelt haben: Sie war nämlich am Mittwoch gar nicht im Mannheimer Landgericht, wie uns mehrere Leser berichteten, die selbst vor Ort waren.

Alice Schwarzers Büro erklärte uns auf Anfrage, Frau Schwarzer sei “zurzeit im Ausland und erst Anfang nächster Woche wieder erreichbar”.

Mit Dank auch an Boris K.

Nachtrag, 4. Oktober: Alice Schwarzer hat auf unsere Anfrage geantwortet:

Ich war in der vergangenen Woche nicht im Prozess zugegen – und habe das darum auch nicht suggeriert. Wenn Sie meine bisher sieben Bild-Beiträge genau lesen (oder auch das EMMA-Editorial und den Blog), wird deutlich bzw. schreibe ich explizit, wann ich dabei war und wann nicht.

Meine Quellen für den Verhandlungstag sind: ALLE Agenturen sowie ein minutiöses Protokoll. Es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, dass JournalistInnen manchmal auch über etwas schreiben, wo sie nicht daneben standen.

Im “Westen” nichts Neues

Seit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919 musste Deutschland Reparationszahlungen für den ersten Weltkrieg ableisten, die letzten Zinsen werden übermorgen fällig.

Nicht ganz so lange, sondern erst seit dem 28. September 2010 steht auf “Der Westen” ein Artikel aus der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung”, der wie folgt beginnt:

Essen. Reparationszahlungen belasten den Bundeshaushalt bis heute. Dieses Jahr überweist Berlin die letzten 70 Millionen. Beinahe hätte das auch John Babcock noch mitbekommen.

Der Kanadier John Babcock war der letzte Veteran des Ersten Weltkriegs. Er starb im Februar dieses Jahres.

Seit dem 29. September weist ein Kommentator darauf hin, dass diese Behauptung so falsch ist:

Nur eine Korrektur, John Babcock war der letzte KANADISCHE Veteran des ersten Weltkriegs! Es gibt aber noch drei lebendige – alles Briten.
#2 von Thomas , am 29.09.2010 um 07:47

Hier noch der Link dazu:

http://en.wikipedia.org/wiki/
Last_surviving_World_War_I_veteran_by_country
#3 von Thomas , am 29.09.2010 um 07:49

Mit seiner Einschätzung “alles Briten” liegt “Thomas” zwar falsch (es handelt sich um einen Briten, eine Britin und einen US-Amerikaner), aber die Drei leben eben noch. Erst wenn zwei von ihnen gestorben sind, wird man wissen, wer wirklich der letzte Veteran des Ersten Weltkriegs war.

Obwohl die Leserkommentare offensichtlich gelesen werden (einige von ihnen wurden nämlich gelöscht oder editiert), hat der “Westen” den Fehler bisher nicht korrigiert. Aber zwei Tage sind natürlich ziemlich wenig, verglichen mit mehr als 90 Jahren.

Mit Dank an Stefan M.

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Unehrlich, unbedarft und mysteriös

Es folgt: Eine ziemlich langweilige und konfuse Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Ulm und der Polizeidirektion Ulm. Lesen Sie sie bitte trotzdem genau, es könnte sich lohnen.

Ulm / Unehrlicher Finder meldete sich anonym

Der Finder eines hohen Geldbetrags konnte im April offenbar der unredlichen Versuchung nicht widerstehen. Er hat das Geld unterschlagen. Doch sein Gewissen trieb ihn offensichtlich dazu, sich beim Verlierer zu melden.

Verloren hat den Geldbetrag Anfang April ein 56-Jähriger. Mit 14.000 Euro in der Hosentasche radelte er durch das Stadtgebiet. Prompt fiel seine Geldbörse aus der Hose, ohne dass der Ulmer dies bemerkte. Erst bei der Ankunft in der Bank in der Ulmer Innenstadt bemerkte er den Verlust. Obwohl er sich sofort auf die Suche nach dem Geld machte, blieben die vielen 500-Euro-Scheine verschwunden.

Am nächsten Tag lag die Geldbörse samt Ausweisen und Bankkarten des Ulmers in seinem Briefkasten. Deshalb entschied er sich, an das Gewissen des Finders zu appellieren. Er gab eine Annonce in einer Ulmer Zeitung auf und bot einen ehrlichen Finderlohn an. Die Annonce blieb nicht unbemerkt: Der Finder wandte sich mit einem anonymen Brief an den 56-Jährigen, in dem er seine Tat zu rechtfertigen versuchte. Offenbar plagte den Findern doch das Gewissen. Daraufhin annoncierte der Ulmer erneut. Auch diese Anzeige blieb nicht unbemerkt. Zumindest erweckte sie beim unbedarften Leser einen dubiosen Eindruck. Sie wurde mittlerweile sogar mit einer Entführung im Kreis Heidenheim in Verbindung gebracht. Staatsanwaltschaft und Polizei stellen aber klar, dass diese Verbindung offensichtlich nicht besteht.

Der unehrliche Finder hat sich bislang nicht mehr gemeldet. Der 56-Jährige Ulmer hat noch im April Strafanzeige bei der Ulmer Polizei erstattet. Die ermittelt jetzt wegen der Fundunterschlagung.

“Unbedarfte Leser”, das ist doch mal eine schöne Umschreibung für die Mitarbeiter der “Bild”-Zeitung:

Mordfall Maria Bögerl: Rätsel um diese mysteriöse Anzeige

Mit Dank an Martin M.

Bei Ronald Schill ist wer im Busch

Wenn Sie mal schauen wollen: Hier sehen wir den Ex-Politiker Ronald Schill, wie er mit drei Personen durch Hamburg läuft, in der lokalen “Bild”-Ausgabe vom 28. September:

Schill feiert sich durch die Nacht

Dann aber muss jemand in der Redaktion die blonde Frau auf dem Foto wiedererkannt haben: Jessica Stockmann, Ex-Frau des Ex-Tennisspielers Michael Stich. Das ist natürlich eine sehr viel spannendere Geschichte, als wenn Schill “zwei Herren, eine Dame” trifft oder “zwei hübsche Frauen (eine blond, die andere brünett)” — und damit ein Fall für die Bundesausgabe und für Bild.de:

Was macht die Ex von Stich mit Richter Gnadenlos?

Diese Kombination wirft natürlich ganz neue Fragen auf:

 Reine Zufallsbegegnung? Ronald Barnabas Schill und Jessica Stockmann in Hamburg

Oder auch: Wie hat sich der Mann am rechten Bildrand innerhalb weniger Augenblicke in einen Busch verwandeln können?

Mit Dank an Carsten Z. und Thomas C.

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