Heute benutzen sie dafür den Fall des verurteilten Mustafa Y., der vor einem Jahr seinen Nachbarn erschossen hatte und nun wegen Mordes für zwölf Jahre ins Gefängnis muss. Bild.de schreibt:
Eigentlich steht auf Mord eine lebenslange Haftstrafe, man sei bei dem Angeklagten aber von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen, sagte der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer.
“Der Ramadan setzte ihm körperlich zu, er war dehydriert, aber es kam zu keiner Bewusstseinseintrübung.” Er stellte aber klar: “Der Ramadan hatte nicht allein Einfluss auf seine verminderte Schuldfähigkeit. Mustafa Y. war auch psychisch und physisch instabil, litt unter Depression, Angstzuständen und Schlafstörungen.”
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1. “Pitbulls der Demokratie” (blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
In einem langen Beitrag denkt Constantin Seibt nach über die Wirkungsweise von Journalisten und das Misstrauen in das “ausgelaugte Bürgertum”: “Misstrauen ist heute keine ausreichende Haltung mehr. Weder politisch noch künstlerisch. Das Problem ist, dass sich die Macht aufgespalten hat: In eine Elite, deren Verdienst nicht auf der Höhe ihres Gehalts ist. Und eine Anti-Elite, die versucht, klein zu machen, was zu kriegen ist. Zwei Lager, zu denen man nicht gehören will.”
2. “Willkommen in der Ära des selbstbewussten Digital-Journalismus” (upload-magazin.de, Jan Tißler)
Jan Tißler stellt neue Websites vor, die mit anspruchsvollen Inhalten bei den Lesern punkten wollen. “Das Internet bietet Platz für alle Formen der Berichterstattung – sensationsheischend oder bedacht, kurz oder lang, bebildert oder textlastig, interaktiv erzählt oder klassisch. Es wird Zeit, dass alle diese Möglichkeiten genutzt werden und nicht nur die, die viele Klicks bringen.”
5. “Nachrichtensites: Bild.de führt in (fast) allen Disziplinen” (netzoekonom.de, Holger Schmidt)
Holger Schmidt vergleicht Leserzahlen deutscher Nachrichtenportale: “Fast überall weist Bild.de die besten Werte auf: Die Nutzer bleiben besonders lange, sind besonders treu und klicken besonders viele Seiten an.”
Irrer Vorstoß von Wil van Megen (58), dem Anwalt der internationalen Gewerkschaft für Fußball-Profis, kurz Fifpro: “Marihuana muss von der Doping-Liste verschwinden.”
Der Holländer – woher auch sonst? – fordert: Kiff-Erlaubnis für Fußball-Stars!
Hihi, “woher auch sonst”. Verstehen Sie? Weil er ja Holländer ist, und Holländer sind ja bekannt d…
Egal. Diese flotten Sprüche kommen – woher auch sonst? – von Bild.de. Ein gefundenes Fressen, dieser “irre Plan” des bekloppten Holländers.
dass Cannabis entweder von der Dopingliste gestrichen wird oder dass – aufgrund eigener Forschungsergebnisse – der Meldegrenzwert durch das Labor erhöht wird.
Van Megen behauptet: “Cannabis ist als Substanz für Sportler nicht leistungsfördernd. Wir setzen uns ganz sicher nicht für den Konsum von Cannabis ein, aber der Stoff gehört nicht auf die Doping-Liste.”
Van Megen begründet: “Heutzutage kommen junge Spieler mit Marihuana genauso schnell in Kontakt wie mit Alkohol. Alkohol ist erlaubt, wegen Cannabis wird man verfolgt. Da stimmt die Relation nicht. Junge Sportler werden für etwas kriminalisiert, was mittlerweile fast normal ist.”
Oder anders:
Bis hierher typisch Bild.de.
Aber dann kommt Doping-Experte Prof. Fritz Sörgel:
Für Doping-Experte Prof. Fritz Sörgel eine “absurde Idee”: “Da könnte man auch gleich Ecstasy freigeben, das ist leider bei jungen Leuten auch verbreitet. Marihuana hat zwar eine Sonderstellung durch die Freigabe in einigen Staaten der USA – aber ist bei Dauergebrauch schädlich und führt zu Veränderungen im Gehirn.”
Es es hat allerdings auch niemand von schädlich gesprochen, sondern von leistungsfördernd. Alkohol, Koffein, Nikotin und andere Stoffe sind für Fußballer laut Dopingliste auch nicht verboten — obwohl auch sie “bei Dauergebrauch schädlich” und “bei jungen Leuten verbreitet” sind.
Aber der Experte ist noch nicht fertig.
Sörgel weiter: “Und wie sollte das überhaupt ablaufen? Bei uns ist der Handel ja strafbar. Wird das vom Mannschafts-Arzt verabreicht? Da hat einer nicht richtig nachgedacht, bevor er diese Idee in die Welt setzte.”
Na, vielleicht ja doch: Denn das wird natürlich nicht “vom Mannschafts-Arzt verabreicht”. Stattdessen geht’s vor jedem Spiel erst mal schön nach Holland. Alle Mann in den Bus und dann ab zum nächsten Coffeeshop. Die fegen ihre Gegner anschließend mit Leichtigkeit vom Platz, wetten? Und die niederländische Wirtschaft wird nebenbei auch noch angekurbelt. Ganz schön clever, dieser Holländer.
Aber ernsthaft: Wie kommt Sörgel eigentlich auf diese absurde Idee? Oder hat ihn Bild.de vielleicht einfach falsch zitiert? Nein, sagt er uns auf Nachfrage, die Zitate seien korrekt. Und er erklärt, das mit dem Cannabis sei im Prinzip so, als würde jemand fordern, das Tempolimit abzuschaffen. Das mache schließlich auch niemand, wenn er nicht das Ziel habe, schnell zu fahren.
Na ja. Nur weil man etwas machen darf, heißt das ja nicht, dass man es auch machen muss. Man darf auch “Schwiegertochter gesucht” gucken oder sich selbst eine reinhauen oder der “Bild”-Zeitung Experteninterviews geben — muss man aber nicht.
Wie “Bild” neulich berichtet hat, wird ab 1. September
die Wirtschaftsleistung in der gesamten EU auf einen Schlag um rd. 2,4 % [wachsen] — aber nur auf dem Papier. Denn künftig werden — und das ist kein vorweggenommener Aprilscherz — auch Einnahmen aus Verbrechen und der Prostitution in der EU-Wirtschaftsstatistik berücksichtigt.
Und wie wir daraufhin berichtet haben, ist das Quatsch. Es stimmt zwar, dass es ab September Änderungen bei der Berechnung des Bruttoinlandproduktes geben soll. Und es stimmt auch, dass daher EU-weit eine Wachstumssteigerung von 2,4 Prozent erwartet wird. Doch diese 2,4 Prozent kommen nicht etwa durch die Einnahmen aus Verbrechen und Prostitution zustande. Der weitaus größte Teil (1,9 Prozent) entsteht dadurch, dass in Zukunft erstmals auch Forschung und Entwicklung als Teil des BIP mitgezählt werden.
Das haben sie inzwischen auch bei “Bild” verstanden. Heute schreibt Bild.de:
Insgesamt erwirtschaftete Deutschland 2013 ein BIP von 2,738 Billionen Euro. Mit der neuen Berechnung wird es schlagartig um 3,0 Prozent steigen.
Dies liegt aber weniger an den illegalen Aktivitäten. Experten begründen das erwartete Plus vor allem damit, dass Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F+E) als Investitionen verbucht werden statt wie bisher als Vorleistung.
Die Einberechnung der illegalen Aktivitäten würde das BIP Deutschlands hingegen nur minimal steigern, “um etwa 0,1 Prozent”, schreibt Bild.de — und kommt zu dem Ergebnis:
Auch wenn das BIP-Niveau steigt: Kiffer und Kokser werden die deutsche Konjunktur – also die Wachstumsrate des BIP – nicht antreiben.
Die Überschrift des Artikels lautet allerdings: Mit Dank an Adrian B.
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1. “Eine offene Rechnung” (brandeins.de, Mathias Irle)
Journalist Mathias Irle wartet immer noch auf den Zahlungseingang eines Honorars, das ihm zusteht für einen Text, den er 2010 für das Magazin “Struktur” geschrieben hatte.
2. “Wie eine Schulstunde zur Staatsaffäre wurde” (faz.net, Regina Mönch)
Hintergründe über den “Nazi-Vergleich”, den Wolfgang Schäuble angeblich im Gespräch mit Schülern in Berlin gezogen hatte: “Er hatte sich, so die Schüler, im Kontext der historischen Erzählung bewegt, erklärt, welche historischen Erfahrungen Europa gemacht habe, und dann ausdrücklich hinzugefügt, man könne beides aber nicht vergleichen. Eine Analogie also, keine Gleichsetzung. Aber mit diesem Nichtvergleichssatz hätte der mediale Skandal nicht funktioniert, deshalb blieb er weg. Wie die Adressaten, die Schüler, das verstanden hatten, wollte offenbar niemand wissen. Das besonders empört die Schüler. Sie halten die Zuspitzung für eine Lüge und für eine Beleidigung. Sie haben es anders gehört und anders verstanden, was aber offenbar keine Rolle spielt.”
3. “Von selbsternannten Experten und schlafenden Medien” (batz.ch, Monika Bütler)
Die “NZZ am Sonntag” bezeichnet einen jungen Mann als Berater der UNO, der die UNO gar nicht berät: “Es ist schon bemerkenswert, wie weit es ein selbsternannter Experte bringen kann und noch mehr, dass niemandem die Täuschung auffallen will. Eine Woche später bezeichnet die NZZaS den Mann nämlich noch immer als UNO Berater.”
4. “Journalisten sind auch nur Fans” (zeit.de, Christian Spiller)
Die Nähe von Fußballjournalisten zu den Fußballvereinen: “Wer Vereinsreportler ist, also jeden Tag einen Text über seinen Verein abliefern muss, kommt dem unter Umständen zu nahe. Man steigt zusammen auf, zusammen ab, und wenn es gut läuft, fährt man nach Barcelona, Manchester oder Rom. Kritisches wird nur vorsichtig formuliert, weil man den Protagonisten schon am nächsten Tag wieder in die Augen schauen muss und am übernächsten einen Interviewtermin braucht.”
5. “Introducing the ACLU’s NSA Documents Database” (aclu.org, Emily Weinrebe, englisch)
Im neuen NSA Archive finden sich alle bisher von Edward Snowden geleakten Dokumente zur NSA: “This tool will be an up-to-date, complete collection of previously secret NSA documents made public since last June.”
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1. “Jürgen Klopp” (begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Fußball: Das ZDF-Interview mit Jürgen Klopp (youtube.com, Video, 1:51 Minuten) nach dem Spiel Real Madrid gegen Borussia Dortmund wird von vielen Medien als “Eklat” aufgefasst. “Das ist gängige Praxis: Kritik an ihrer eigenen Berichterstattung wenden Sportreporter immer gegen den Kritik Übenden. Sie wähnen sich dabei als Sprachrohr des Zuschauers oder des Fans. In Wahrheit sind sie auf der Suche nach dem Fettnäpfchen, dem Eklat, der einen Aussage, die eine Diskrepanz zwischen Mannschaft und Spieler X oder Kapitän Y dokumentiert. Kommt man ihnen auf die Schliche, argumentieren sie mit der Pflicht zur Berichterstattung.”
2. “Journalisten, die provozieren? Bäh!” (taz.de, Jürn Kruse)
Das Gespräch war später auch noch Thema bei “Markus Lanz”: “Nur dass Jürgen Klopp mittlerweile arge Schwierigkeiten hat, seinen GesprächspartnerInnen (Béla Réthy, Claudia Neumann, Oliver Kahn und nun Breyer) den nötigen Respekt entgegenzubringen, oder dass langweilige FragenstellerInnen, die überhaupt nichts beim Gegenüber provozieren, eine Zumutung für den Zuschauer sind, das findet niemand in der Runde perfide. Schade.”
3. “FCB verurteilt Berichterstattung in zwei englischen Medien” (fcbayern.de)
Der FC Bayern München meldet, die britischen Medien “Daily Mirror” und “The Sun” hätten “in respektloser, diskriminierender und persönlich beleidigender Form” über Bastian Schweinsteiger berichtet. Deshalb werde man ihren Vertretern “beim Rückspiel FC Bayern München gegen Manchester United (09.04.) in der Allianz Arena keine Medienakkreditierung zukommen lassen.”
4. “Hater, bleibt weg – hier immer nur lieb kommentieren!” (horstson.de)
“Leser sind Kunden!”, schreibt Horstson zur Auseinandersetzung zwischen Autor und Kommentierer. “Und wenn Diskussionen mal aus dem Ruder laufen, kann man immer noch bitten, den Dialog via Mail weiter zu führen. Mit einem Quäntchen Humor, dem Wille zur Selbsterkenntnis und -kritik, bekommt man das hin, auch sehr kritischen Kommentaren angemessen zu begegnen.”
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1. “Genau wie bei Prinz Friso (4)” (topfvollgold.de, Mats Schoenauer)
Wie die Klatschpresse mit dem im Koma liegenden Michael Schumacher umgeht: “Wenn Schumachers Managerin ein Statement zu Schumachers Zustand abgibt — Titelstory. Wenn jemand, der mal mit Schumacher gearbeitet hat, etwas über Schumacher erzählt — Titelstory. Wenn jemand, der vorgibt, mal mit Schumacher gearbeitet zu haben, vorgibt, etwas über Schumacher zu erzählen, oder wenn eine Imbissbudenbesitzerin, die weder mit Schumacher gearbeitet hat noch etwas über ihn erzählen kann, aber zufällig in der Nähe des Krankenhauses arbeitet, in dem Schumacher liegt, berichtet, wie ihr Tag so gelaufen ist — Titelstory.”
2. “Fall Jolin S.: Wegen eines medial erfundenen ‘Islam-Rabatts’ stehen Richter am Pranger” (wiesbadener-kurier.de, Wolfgang Degen)
Die Kontroverse über einen angeblichen “Islam-Rabatt” im Mordfall Jolin S. (BILDblog berichtete). “Der Fall ist alles andere als ein Armutszeugnis der deutschen Rechtssprechung: Die Religionszugehörigkeit des Angeklagten hat bei dessen Mordmotiven im gesamten Prozess einschließlich der mündlichen Urteilsbegründung überhaupt keine Rolle gespielt.”
3. “Fußball-Fans: Beschimpfungen gegen Reporter” (ndr.de, Video, 4:20 Minuten)
Fans des FC Hansa Rostock wenden sich mit “Scheiß-NDR”-Rufen und -Plakaten gegen eine aus ihrer Sicht ungerechte und einseitige Berichterstattung.
4. “Leser würden deutlich toleranter freischalten” (20min.ch, Eva Kamber)
20min.ch legt 18 200 Teilnehmern einer Umfrage problematische Leserkommentare vor und lässt sie darüber urteilen: “Aus den Resultaten geht aber auch hervor, dass die Leser eine lockerere Freischaltpolitik vertreten und mehr Kommentare freigeben würden, als 20 Minuten dies tut. Tatsächlich wären alle sieben vorgestellten Kommentare durch die Leser aufgeschaltet worden. Dennoch kristallisiert sich heraus, dass ein Grossteil der 20-Minuten-Community die Freischaltregeln nachvollziehen kann.”
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1. “‘Ein reines Schauspiel'” (taz.de, Lena Kaiser)
Ein Interview mit Jesko Gibs, der sich “Privatdozent des Hedonistischen Instituts für angewandte Populismusforschung in Hamburg” nennt und so in die Medien gelangt: “Ich glaube, es wäre geboten, dass sehr viele Menschen beginnen, die Medien gezielt in die Irre zu führen, um vollkommene Verwirrung zu stiften. Dass viele Menschen beim Lesen von Artikeln den Gedanken im Hinterkopf haben, dass hier vielleicht wieder eine Kommunikationsguerilla am Werk gewesen sein könnte.”
2. “Über das Imagetief der Journalisten und ihren Umgang damit” (abzv.de, Mario Müller-Dofel)
Journalisten gehen gelassen mit ihrem schlechten Image um, schreibt Mario Müller-Dofel: “Doch unser Image ist verheerend, weil es den Job und Erfolge erschwert. Besonders negativ wirkt sich das verbreitete Misstrauen bei Recherchegesprächen und Interviews aus. Und die gehören in allen Mediengattungen zur Jobgrundlage.”
3. “Hotel Ukraina” (journalist.de, Alexander Krex)
Ein Bericht aus dem Hotel Ukraina in Kiew, wo die Weltpresse während der Proteste auf dem Majdan untergebracht war: “Oben im Hotel wird beobachtet, berichtet und analysiert, unten auf dem Platz wird gekämpft, gefroren und gestorben.”
4. “Unterm Brennglas” (tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Markus Ehrenberg stellt das Projekt “24h Jerusalem” vor, das am 12. April 2014 auf arte und im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird.
5. “‘Die Frage, ob wir Rundfunk sind, steht im Raum'” (dwdl.de, Torsten Zarges)
Torsten Zarges konfrontiert den CEO von Mediakraft Networks, Spartacus Olsson, mit Schleichwerbe-Vorwürfen: “Ob wir damit künftig auch rechtlich wie Fernsehen zu behandeln sind, ist nicht unsere Entscheidung, sondern die des Gesetzgebers.”
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1. “Tabu spielen im Knast” (sueddeutsche.de, Stefan Mayr)
Mehr als 150 Journalisten drängen in die JVA Landsberg, um einen “Gefängnis-Rundgang mit anschließender Fragestunde” zu absolvieren. “Was folgt, ist ein einstündiger Frage-Antwort-Reigen, der an das lustige Gesellschaftsspiel ‘Tabu’ erinnert. Alle reden über Uli Hoeneß, aber keiner darf den Namen Uli Hoeneß nennen.”
2. “Facebook: Wenn dich die Kommentarflut überrollt…” (freiepressevolontaere.wordpress.com, Cornelia Hennersdorf)
Cornelia Hennersdorf schildert, wie die Redaktion der “Freien Presse” mit Facebook-Kommentaren umgeht und fragt: “Wie soll es eine kleine Online-Redaktion mit wenigen Mitarbeitern schaffen, die Posts aller spannenden, kontroversen Themen rund um die Uhr zu kontrollieren?”
3. “Mehr als eine Rabattkarte” (taz.de, Daniel Bouhs)
Presseausweise in Deutschland: “‘Jeder kann sich eine Karte drucken und darauf ‘Presseausweis’ schreiben’, skizziert Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) den Status quo, auch wenn in der Praxis noch immer eher die Ausweise akzeptiert werden, die sein DJV und fünf weitere Verbände ausgeben.”
4. “Konkurs von Radio 3fach: Mässiger Aprilscherz” (werbewoche.ch) Radio 3fach macht “in einer Medienmitteilung die Einstellung des Betriebs noch für den Montag” bekannt und stellt vorübergehend den Sendebetrieb ein. “Auf die ausdrückliche Frage, ob es sich um einen Aprilscherz handle, sagte Programmleiter Dani Glur gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, es handle sich um keinen Scherz.” Die Aktion stellt sich dennoch als Aprilscherz heraus, was die Verantwortlichen der Nachrichtenagentur erzürnt. Chefredakteur Bernard Maissen: “(…) in einer Zeit, in welcher der Journalismus ein grosses Glaubwürdigkeitsproblem hat, leistet ihr der Branche einen Bärendienst, wenn ihr Kollegen einfach anlügt.”
5. “Ulli Potofski: ‘Die Pöbler tun mir leid'” (dwdl.de, Manuel Schumann)
Fußball-Kommentator Ulrich Potofski glaubt die Fußballfans zu kennen: “Der gemeine Fußballfan kennt kein Grau, sondern nur Schwarz und Weiß. Daran orientieren sich folglich auch diejenigen, die die Konsumenten bedienen, also wir Sportjournalisten. Drei Punkte, Top-Tabellenplatz, alles geil, Trallala. Oder eben das Gegenteil: Derbypleite, Scheiß-Millionäre, Trainer raus! Profifußball ist nun mal ein stellvertretendes Element unserer Gesellschaft.”
6. “Schau! Mich! An!” (diepresse.com, Julia Ortner)
Julia Ortner denkt nach über das Angesehenwerden im Fernsehen: “Das Nichts überwinden. Größer als die Wirklichkeit – das macht das Fernsehen aus jenen, die öfter auf dem Schirm zu sehen sind. Oder anders gesagt: Wer auf dem Bildschirm zu sehen ist, der spürt das Sein so richtig und überwindet das Nichts.”
Das hessische Umweltministerium hat heute bekannt gegeben, wilde Tiere, die im Zoo keinen Platz mehr finden, im Land auswildern zu wollen. Ein erster Versuch mit einem Bären verlief erfolgreich: Eine einheimische Nachrichtenagentur ließ ihn sich widerstandslos aufbinden.
Die Meldung, die der hessische Landesdienst von dpa heute um 16:27 Uhr brachte, klang noch halbwegs harmlos:
Hessen plant Auswilderungsprogramm für Zoo-Tiere
Wiesbaden (dpa/lhe) – Hessen plant ein Auswilderungsprogramm für Zoo-Tiere. Es werde geprüft, ob die Kernzonen im Biosphärenreservat Rhön oder im Kellerwald für eine Auswilderung dieser schützenswerten Tiere geeignet sei, erklärte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) am Montag in Wiesbaden. “Wir möchten vermeiden, dass Tiere getötet werden, nur weil in den Zoos offensichtlich kein Platz mehr für sie ist und sie nicht in die europäischen Zuchtaustauschprogramme aufgenommen werden können.” Der Kopenhagener Zoo hatte vor wenigen Tagen zwei ausgewachsene Löwen und deren Junge eingeschläfert, um Platz für ein neues Zuchttier zu schaffen und Inzucht zu verhindern.
Ja, da blieben noch ein paar Fragen offen, aber die würde sicher die Zusammenfassung beantworten, die dpa für 17 Uhr ankündigte. Und tatsächlich, eine halbe Stunde später ergänzte dpa:
Giraffen, Löwen und Ozelots sollen künftig in hessischen Naturschutzgebieten zu sehen sein.
Der Löwe ist das hessische Wappentier, das passt schon. Und solche Attraktionen kurbeln ja auch die Wirtschaft in strukturschwachen Regionen an:
Das Auswilderungsprogramm für Zootiere diene auch nicht nur dem Tierwohl, sondern auch der Stärkung des ländlichen Tourismus, betonte Hinz. Das Biosphärenreservat Rhön und der Kellerwald würden damit künftig über ein Alleinstellungsmerkmal unter den deutschen Naturschutzgebieten verfügen.
Aber frieren die da nicht, die Giraffen und die Löwen, in der Steppe des Kellerwaldes? Aber nein:
Wegen des sich rapide ändernden Weltklimas dürften sich die ausgesiedelten Wildtiere ohne Anpassungsschwierigkeiten auch in hessischen Naturräumen heimisch fühlen, erklärte die Ministerin.
Und —
Alle ausgewilderten Tiere sollen nach ihren Worten vom allgemeinen Jagdrecht ausgeschlossen werden.
Okay…
Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis irgendjemand bei dpa scharf den Rückwärtsgang einlegte. Um 17:29 rief die Agentur beide Meldungen zurück:
Er handelt sich um einen Aprilscherz des hessischen Umweltministeriums.
Oder — angesichts der Tatsache, dass der 1. April erst morgen ist — womöglich auch um einen zeitlosen Test, ob diese Agenturleute wirklich alles glauben.