B.Z., Bild  

Die “Russen-Panzer” und der Schuss in den Ofen

Erinnern Sie sich an die große Petition, die “Bild” und “B.Z.” gestartet hatten, um die “Russen-Panzer” loszuwerden, die am sowjetischen Ehrenmal in der Nähe des Brandenburger Tors stehen?

Die “B.Z.” hatte dafür unter anderem auf ihrer Titelseite getrommelt; die “Bild”-Zeitung hatte ihre Seite 2 freigeräumt — und am nächsten Tag an derselben Stelle stolz über die “große Zustimmung” berichtet, die die Aktion erfahren habe: “Viele Bundesbürger” hätten unterschrieben.

Stolz wurden prominente und nicht-prominente Unterstützer gezeigt (Wolfgang Joop! Erika Steinbach!). “Bundesliga-Legende” Charly Körbel unterschrieb, weil er “solche Aktionen mit Panzern in Deutschland nicht sehen will”. Die “B.Z.” präsentierte den “ersten” (von mutmaßlich vielen noch zu erwartenden) Bundestags-Abgeordneten, der unterschrieben hatte.

Das war, wie gesagt, Mitte April. Was ist daraus eigentlich geworden? Wie groß wurde die Welle der Zustimmung noch? Welche Wucht entwickelt eine Petition, die in größter Aufmachung und inklusive eines fertigen Vordrucks von zwei Zeitungen angeschoben wird, die gemeinsam angeblich über 12 Millionen Leser täglich erreichen?

Die Antwort lautet: 4101.

4101 Menschen haben die Petition von “Bild” und “B.Z.” unterschrieben. 118 online, 3983 offline. Die Mitzeichnungsfrist endete schon am 21. Mai.

Ausweislich ihrer Online-Archive haben beide Blätter über den Fortgang und Ausgang ihrer Petition kein Wort mehr verloren.

Auf meine Nachfrage (für die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”), warum das so war und wie man sich die geringe Resonanz auf eine so große Aktion erklärt, antwortete die Pressestelle, mit Bitte um Verständnis:

Alles, was wir über eigene Aktionen zu berichten haben, verhandeln wir auch im eigenen Blatt.

Wenn eine politische Leser-Aktion misslingt, hat sie für “Bild” und “B.Z.” also einfach nicht stattgefunden. Aber immerhin hat man nun mal eine Ahnung, was “Bild” meint, wenn “Bild” von “vielen Bundesbürgern” und “großer Zustimmung” spricht. Konkret also: weniger als 0,35 Promille der Leserschaft.

Shitstorm, Stalin, Livejournalismus

1. “Mein erster Shitstorm”
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Sebastian Leber wertet Reaktionen auf einen Artikel von ihm aus: “Der Sturm dauerte etwa 36 Stunden, und was ich nicht für möglich gehalten hätte: Er flaute genau so schnell ab, wie er gekommen war. Mir völlig unbekannte Menschen, die gestern noch geschworen hatten, mich fertig zu machen, bis ich nicht mehr Piep sagen könne, waren plötzlich verstummt.”

2. “‘Heute’ gibt Blondine die Schuld an Amoklauf”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr befasst sich mit der “Heute”-Schlagzeile “Amoklauf: Weil ihm diese Blondine das Herz brach?”.

3. “Geschichte für Trottel”
(faz.net, Jörg Baberowski)
Geschichtsprofessor Jörg Baberowski schaut eine TV-Doku über Josef Stalin: “Fast alles, was über Ereignisse und Personen in dieser Dokumentation gesagt wird, ist falsch. Aus Stalins Geheimdienstchef Nikolai Jeschow wird ‘Nikolai Leschow’, aus Generalfeldmarschall Paulus – General von Paulus, aus Stalins Sekretär Poskrjobyschew – Poskrebischew. Unablässig spricht der Kommentator von Russland und den Russen. Der Zweite Weltkrieg sei ein Krieg der Russen gewesen. Haben die Dokumentarfilmer jemals davon gehört, dass die Sowjetunion ein Vielvölkerreich, Stalin ein Georgier, Trotzki ein Jude und Mikojan ein Armenier war?” Siehe dazu auch “Fernsehdokumentationen” (schmalenstroer.net).

4. “Ein Plädoyer für den Livejournalismus und gegen die Beleidigungen der Krautreporter”
(christoph-herwartz.blogspot.de)
“Der Livejournalismus ist angemessen, er wird gebraucht”, findet Onlinejournalist Christoph Herwartz, der seine Arbeit vom Projekt Krautreporter.de “ins Lächerliche” gezogen sieht: “Schnelligkeit ist anstrengend und hat ihren Preis. Jeder meiner Texte könnte besser sein, wenn ich die Zeit hätte, länger über die These nachzudenken und mehr Aspekte zu recherchieren. Dass ich schnell sein muss, hängt auch damit zusammen, dass wir mit wenigen Redakteuren viele Texte schreiben. Aber es liegt vor allem daran, dass die Aufmerksamkeit für aktuelle Themen exponentiell abfällt.”

5. “Das Recht auf private Suchmaschinenzensur am Beispiel von Bettina Wulff”
(blog.alvar-freude.de)
Alvar Freude schreibt über das vom EuGH zementierte Recht auf Vergessenwerden: “Wenn tatsächlich ein relevanter Anteil der Menschen in Deutschland Inhalte aus Suchmaschinen entfernt haben will, dann wird die Meinungs- und Informationsfreiheit deutlich eingeschränkt werden. Denn es geht ja explizit nicht um rechtswidrige Inhalte, die nicht mehr gefunden werden sollen, sondern um rechtmäßige, von denen aber die betroffene Person sich nicht richtig dargestellt sieht. Statt zu einem Ort der Meinungsfreiheit, der innerhalb des geltenden Rechts auch kritische und verrückteste Meinungen duldet, könnte das Internet im Extremfall ein Stückchen mehr zum unkritischen, lobhudelnden Konsummedium für das Klickvieh werden.”

6. “Woher die Leser der Nachrichten- und Click-Bait-Sites kommen”
(netzoekonom.de, Holger Schmidt)

Urheberrecht, Politpunks, Terrorgedanken

1. “Das ist heftig: Die Viralseiten-Macher und ihr Verhältnis zu Urheberrechten”
(http://www.rhein-zeitung.de, Lars Wienand)
“Die Wahrung der Urheberrechte hat bei uns Priorität”, behaupteten die Macher von heftig.co bei ihrem Gang an die Öffentlichkeit. Wienand fragt nach und bekommt im Detail eine ganz andere Antwort: “‘Beckmesserisch’ sei die Frage – also kleinlich und pedantisch. ‘Es ist doch für jedermann klar erkennbar, dass die meisten Inhalte bei Viralnova selbst von anderen Webseiten kopiert sind. Also verfügt Viranova offenbar selbst in der Regel gar nicht über die Rechte.'”

2. “Mehr Punk, weniger Hölle!”
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Die Bankenkrise spülte den Komiuker und Anarchisten Jon Gnarr in das Amt des Bürgermeisters von Reykjavik. Mit erstaunlichem Erfolg. “Jon ist wie eine gute Grossmutter: Er macht sehr viel aus sehr wenig. Wir zeigten, dass man viel Spass haben kann, auch ohne Geld. Das gilt auch für die Revolution: Jon und wir redeten grundsätzlich mit allen. Man kann auch das Klassensystem einreissen ohne Geld.”

3. “Der Terror und ich'”
(http://www.zeit.de/zeit-magazin/, Yassin Musharbash)
Der Journalist Yassin Musharbash reflektiert darüber, wie und wieso er die Geschichte der Anschläge vom 11. September 2001 ergründet: “Ich glaube, dass wir alle vorher mehr Grautöne akzeptiert haben. Ich glaube, dass 9/11 der Tag war, an dem das Graue starb. An dem wir uns, eher unwissentlich und kaum spürbar und manche eifriger als andere, zum Teil als Individuen, zum Teil als Staaten oder Gesellschaften, plötzlich ausgerichtet haben wie Eisenspäne unter dem Einfluss eines Magnetfeldes.”

4. “Vor dem Bildschirm lernen”
(sueddeutsche.de, Marion Neumann)
Die Süddeutsche Zeitung wirft einen Blick aufs Kinderprogramm im deutschen Fernsehen. “Doch auch, wenn genügend Angebot vorhanden ist – kommen Armins und Willis wirklich gegen Disney-Superhelden an? ‘Kinder müssen erst einmal erfahren, dass diese Art von Fernsehen attraktiv sein kann. Die Eltern müssen sie daran heranführen’, erklärt Götz.”

5. “Nö. Tschö.”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Dass die Generalbundesanwaltschaft nicht in der NSA-Affäre ermitteln will, stößt bei Strafverteidiger Udo Vetter – gelinde gesagt – auf Unverständnis: “Aber wenn der Generalbundesanwalt sich lächerlich machen und – leider – das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz weiter untergraben will, bitteschön. Möglicherweise haben wir ja ohnehin mit nichts anderem gerechnet.”

6. “Geheimwissen um Katzenbilder erreicht die Massenkultur”
(irights.info, Dirk von Gehlen)
Dirk von Gehlen sieht in dem Spiel mit Memen eine neue Art des Fernsehens, das von Moderatoren wie Jimmy Kimmel gepflegt wird. “Er hatte keine ahnungslosen Passanten in der Fußgängerzone in die Irre geführt, sondern mit den gängigen Mechanismen der Web-Öffentlichkeit gespielt. Das ist auch deshalb spannender, weil es das Risiko des Scheiterns in sich trägt.”

Bild  

Keine “Bild zur WM”

Nächste Woche, am 6. Juni, will der Axel-Springer-Verlag anlässlich der Fußball-WM wieder eine Sonderausgabe der “Bild”-Zeitung veröffentlichen und kostenlos “an alle deutschen Haushalte” verteilen. Warum? Na, entweder aus Liebe zu seinen Nächsten oder aus geschäftlichem Kalkül. Wir tippen auf Letzteres.

Die Aktion ist die dritte ihrer Art, im November (zum Jubiläum des Mauerfalls) soll die vierte folgen. Für den Verlag scheinen sich diese Gratis-“Bild”-Nummern also durchaus zu lohnen. Für eine ganzseitige Anzeige in der ersten Gratis-“Bild” verlangte der Verlag vier Millionen Euro, für eine halbseitige Anzeige 2,2 Millionen. Auch für die WM-Ausgabe hat Springer ordentlich getrommelt; eine Werbefläche auf der Titelseite wurde mit großem Tamtam versteigert, der Verlag zählt sie zu den “besonders begehrten Werbeformaten, die stets ausgebucht sind”.

Aber am meisten wirbt “Bild” mit dieser Aktion natürlich für sich selbst. Millionenfach wird das Blatt mitsamt seinen Ansichten unters Volk gebracht, flächendeckend und ungefragt. Eine gigantische PR-Aktion in eigener Sache, schon wieder.

Man kann die Aktion ignorieren und die Ausgabe einfach wegschmeißen. Man kann dem Verlag aber auch zeigen, dass man sein Blatt nicht haben will. Man kann ihm die Zustellung untersagen und ihm das Leben damit zumindest ein bisschen schwerer machen — weil man mit seinen Methoden und seiner Auffassung von Journalismus nicht einverstanden ist, weil man den Papiermüll vermeiden will oder weil man einfach keine Lust darauf hat, ungefragt eine “Bild”-Zeitung zu bekommen.

Wenn Sie die “Bild zur WM” nicht haben wollen, müssen Sie dem Verlag bis übermorgen (30. Mai) mit einer Mail an [email protected] widersprechen.

Die Mail sollte Ihren Namen, ihre vollständige Adresse und eine Widerspruchserklärung enthalten — etwa so:

Max Mustermann
Musterstraße 1
12345 Musterstadt

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben für Juni 2014 die bundesweite kostenlose Verteilung einer „BILD zur WM“ angekündigt. Hiermit untersage ich der Axel Springer SE, ihren Tochtergesellschaften, Beauftragten und anderen Vertragspartnern ausdrücklich, mir an die oben genannte Anschrift „BILD zur WM“ (auch nicht als Bestandteil einer anderen Publikation) zuzustellen oder in den Briefkasten einzulegen oder durch Dritte zustellen oder in den Briefkasten einlegen zu lassen. Ferner untersage ich Ihnen ausdrücklich, meine persönlichen Daten zu einem anderen Zwecke zu verwenden, als es für die logistische Umsetzung des hier ausgesprochenen Zustellverbotes sowie der Vermeidung von Missbrauch zwingend notwendig ist, und fordere Sie auf, anschließend sämtliche Daten umgehend und restlos zu löschen.

Sie können der Zustellung auch (kostenpflichtig) per Telefon widersprechen — unter 01806 00 87 41.

Laut der Deutschen Post sollen auch Hinweise am Briefkasten beachtet werden, aus denen ausdrücklich hervorgeht, dass man die “Bild” nicht erhalten möchte. Der Aufkleber, den der Cartoonist Ralph Ruthe vor zwei Jahren gebastelt hat (siehe ganz oben), ist ja ohnehin zeitlos verwendbar.

Nachtrag, 31. Mai: Viele Widersprecher haben heute folgende Antwort vom Axel-Springer-Verlag erhalten:

Leider haben Sie Ihren Widerspruch so spät versandt, dass er von unseren logistischen Prozessen, die einen organisatorischen Vorlauf erfordern, nicht mehr erfasst werden konnte.

Wir wissen nicht, ob das stimmt oder eine Ausrede ist. Die Deadline für die Widersprüche (30.5.) wurde uns von der Deutschen Post genannt (auch heute auf erneute Nachfrage) und geht auch aus einer internen Anweisung hervor, aber offenbar hat der Verlag sie kurzfristig geändert.

Diesmal gibt es also kein Entrinnen vor der Gratis-“Bild”. Zumindest nicht per Widerspruch. Nach wie vor gilt aber: Wer an seinem Briefkasten deutlich darauf hinweist, dass er kostenlose Zeitungen oder spezifisch die “Bild”-Zeitung nicht erhalten möchte, sollte (theoretisch) verschont bleiben. Ein “Keine Werbung”-Aufkleber reicht aber nicht aus, weil die Gratis-“Bild” als “Presseerzeugnis” gilt.

Und wenn die Druckerpatrone gerade leer ist: Bei dieser Druckerei erhält man gegen einen rückadressierten und frankierten Umschlag (0,60€) zehn Briefkasten-Aufkleber mit der Aufschrift “Bitte keine Bild einwerfen”.

Nachtrag, 4. Juni: Der Axel-Springer-Verlag hat jetzt den Grund für die Nichtbeachtung einiger Widersprüche genannt: Es habe an der “sehr späten, punktuellen Häufung” gelegen, heißt es in einer Mail an die Widersprecher:

Sehr geehrte […],

der 30.05.2014 war das letzte Datum, an welchem die bei uns eingegangenen Widersprüche in aufbereiteter Form an unseren Vertriebspartner, die Deutsche Post AG, übermittelt werden mussten, um für die komplexen, bundesweiten logistischen Prozesse berücksichtigt zu werden. Dies ist uns trotz sorgfältiger Vorbereitung wegen einer sehr späten, punktuellen Häufung für einige wenige Widersprüche nicht gelungen.
Sie gehören leider dazu und es tut uns leid, dass Ihr Widerspruch nicht auf diese Art und Weise verarbeitet werden konnte.

Sie haben aber die Möglichkeit, der Zustellung durch einen Hinweis („Bitte keine BILD zur WM“) an Ihrem Briefkasten zu widersprechen. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass ein einfacher Widerspruch gegen Werbung („Bitte keine Werbung einwerfen“) hierfür nicht ausreicht, da es sich bei dieser Sonderausgabe der BILD um ein Zeitungsprodukt handelt.

Kompakt, DS Ventures GmbH, BND

1. “Springers neue Nachrichten-App KOMPAKT ist ein Desaster”
(iphone-ticker.de, nicolas)
Die Nachrichten-App “Kompakt” liefere einen “sagenhaft gut bedienbaren News-Reader”, schreibt Nicolas Oestreich, “der nun unter den miserablen Inhalten seiner Schreiber bzw. seines Schreibers (der gebotene Umfang könnte auch von einer Person abgedeckt werden) zu leiden hat.”

2. “Wer hinter Heftig.co steckt, wird Sie überraschen”
(wiwo.de, Peter Steinkirchner und Michael Kroker)
Hinter der Website Heftig.co stehen Michael Glöß und Peter Schilling: “Das Webportal gehört der DS Ventures GmbH mit Sitz in Potsdam und stellt das jetzt auch in seinem Impressum klar. Das Unternehmen befindet sich im vollständigen Besitz der beiden Gesellschafter.”

3. “‘Mir droht Strafe wegen Spionage'”
(taz.de, Christian Rath)
Glenn Greenwald erklärt, warum er Dokumente aus den Snowden-Leaks nicht wahllos ausländischen Medien zur Verfügung stellt: “Es bestünde die Gefahr, dass die US-Regierung uns nicht mehr als Journalisten ansehen würde, sondern als Informationsverteiler. Wir könnten so den verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit verlieren und der Spionage beschuldigt werden.” Siehe dazu auch “‘Die Bürger sollen Reformen einfordern'” (nzz.ch, Thomas Schuler).

4. “‘Ich weiß, wann Sie ins Bett gegangen sind – und mit wem'”
(stern.de, Katja Gloger und Martin Knobbe)
“Über einen Mittelsmann und auf verschlüsseltem Weg” gewährt Edward Snowden dem “Stern” ein Interview: “Der Bundesnachrichtendienst BND arbeite mit ähnlichen Methoden wie die NSA, so Snowden. Er bestätigte auch, dass Mitarbeiter deutscher Dienste Zugang zum X-Keyscore Programm der NSA gehabt hätten, das unter anderem Milliarden deutscher Kommunikationsdaten durchsuche. ‘Die deutschen Dienste liegen mit den Amerikanern in einem Bett.'”

5. “Verschwörung gegen die Freiheit”
(zdf.de, Video, 43:36 Minuten)
Eine Dokumentation zur Überwachung – Teil 2, “Big Brother im Weißen Haus”, wird heute um 22:45 Uhr auf ZDF ausgestrahlt.

6. “Das beweist seine Unschuld! Leserbriefe 1994”
(vongestern.com)
Leserbriefe, die 1994 in der Zeitschrift “Bravo” erschienen.

Heftig, Strafzettel, Marie Antoinette

1. “‘Buzzfeed-Redakteure müssen verrückt sein'”
(horizont.at, Jakob Steinschaden)
Will Hayward, Vice President von Buzzfeed Europe, im Interview: “Ich finde es auch gefährlich, dass große Medienunternehmen in Großbritannien, Deutschland oder ­Österreich auf den Verfall der Werbepreise damit reagieren, Werbern Zugang zu ihren Redaktionen zu bieten. Bei BuzzFeed tun wir das nicht. Wir ­haben ein großes Redaktionsteam, bei dem Werber keine Chance haben. Dafür haben wir ein Team von Kreativen, die genau wissen, wie wertvoller Content für Marken aussehen muss, und mit diesen Leuten dürfen die Werber sprechen.”

2. “Schlagzeilenprosa”
(faz.net, Harald Staun)
Harald Staun beschäftigt sich mit “Heftig”: “Die Seite läuft auf einer kolumbianischen Domain (heftig.co), als Administrator ist eine Firma in Panama eingetragen, eine Art Impressum weist die Firma Spring Surfer Ltd. in Belize als Betreiber aus. Die Heimlichtuerei hängt vermutlich mit den zahlreichen Urheberrechtsverletzungen zusammen, auf denen die Artikel basieren: Viele Texte sind einfach von andern Seiten geklaut, selbst das Motto ist eine Übersetzung des ‘Upworthy-Slogans’: ‘Dinge die wichtig sind. Erzähl’ sie weiter!'”.

3. “Bullshit-Alarm am digitalen Zeitschriftenregal”
(clickomania.ch, Matthias Schüssler)
Matthias Schüssler kauft die Zeitschrift “Chip” als PDF-Datei: “Warum digitale Zeitschriften nicht markant oder zumindest etwas billiger sind als gedruckte, bleibt völlig unverständlich.”

4. “Dem Volk aufs Maul geschaut”
(notes.computernotizen.de, Torsten Kleinz)
Ein Vorschlag der Piratenpartei im Kommunalwahlkampf in Köln – und was der “Express” daraus macht.

5. “Journalisten brauchen Demut”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Giovanni di Lorenzo wirke “weltfremd wie Marie Antoinette”, schreibt Thomas Knüwer zu di Lorenzos zweifacher Stimmabgabe bei der Europawahl: “Immer weiter entfernen sich die Journalismus-Granden von der Realität ihrer Leser und deren Ansprüche in Sachen Transparenz. In einer Zeit, in der jeder Mensch in Minuten feststellen kann, dass es verboten ist, bei einer Wahl zwei Stimmen abzugeben, ein angeblicher Top-Journalist dies aber normal findet, tut sich eine Kluft auf.”

6. “Strafzettel für eine sogenannte Verkehrswidrigkeit”
(mequito.org)

Tina Turner erleidet Schlagzeilenanfall

Es ist die goldene Regel des Onlinejournalismus: Wenn die Konkurrenz über irgendwas Spektakuläres berichtet — erst mal abschreiben. Überprüfen kann man das ja später noch. Irgendwann. Vielleicht. Hauptsache, man hat die Geschichte auch.

Die über Tina Turner zum Beispiel:

Ihre gigantische Rock-Karriere hat sie längst an den Nagel gehängt, lebt ruhig und skandalfrei am Zürichsee. Doch jetzt die Schock-Nachricht: Tina Turner (74) hatte einen Schlaganfall.

Ihr österreichischer Freund und Fahrer Albert B. (58) verriet der MOPO, dass Tina Turner ihren geplanten Urlaub am Wörthersee in Kärnten absagen musste. Regelmäßig macht sie dort eine Schönheitskur – normalerweise. Denn, so der Vertraute: “Sie hatte einen leichten Schlaganfall, ist aber wohl auf dem Weg der Besserung.”

Diese “Schock-Nachricht” ist heute von den Schwesterblättern “Hamburger Morgenpost” und “Express” in die Welt gesetzt worden, und es dauerte nicht lange, bis sie auch bei Dutzenden anderen Medien zu lesen war:



So richtig überzeugt waren die Abschreiber vom Wahrheitsgehalt der Story zwar nicht, wie man an den vielen Fragezeichen und Konjunktiv-Konstruktionen und den Verweisen auf “Medienberichte” erkennen kann. Aber egal. Denn wie gesagt: Das Wichtigste ist, dass man es auch hat. Die Recherche kommt dann später. Vielleicht.

Einige Journalisten aus der Schweiz waren dagegen weit weniger faul vorschnell und fragten lieber mal bei der Agentur Richterich und Partner nach, die für Teile von Turners PR-Arbeit zuständig ist. Und dort erfuhren sie: Tina Turner plane gar keinen “Urlaub am Wörthersee”, wie die deutschen Medien behauptet hatten. Es gebe auch keinen Fahrer namens Albert B. Und vor allem habe die Sängerin keinen Schlaganfall gehabt. “Fakt ist, dass sich Tina bester Gesundheit erfreut”, sagte der Sprecher dem Schweizer Portal 20min.ch.

Gegenüber BILDblog hat die Agentur bestätigt, dass an der Schlaganfall-Geschichte nichts dran sei. Wie es zu der Falschmeldung gekommen ist, könne man sich auch nicht erklären. Nachgefragt habe bei ihnen jedenfalls keiner der deutschen Journalisten.

Inzwischen haben viele Medien ihre Berichterstattung immerhin korrigiert. Manche drehen die Sache auch klickträchtig weiter und sprechen jetzt von einem “Wirbel” um den Gesundheitszustand von Tina Turner. Andere — so wie mopo.de und express.de — haben ihre Artikel einfach gelöscht.

Nachtrag, 27. Mai: Die “Morgenpost” schreibt heute in einer kleinen Meldung: “Tina geht es gut”. Eine Erklärung oder Entschuldigung für ihre ursprüngliche Berichterstattung sucht man allerdings vergebens.

Und dann ist da noch die “Welt”, die heute verkündet:

Tina Turner erleidet Schlaganfall

Ihre Fans sind in großer Sorge um Tina Turner. Die 74-Jährige hat offenbar einen Schlaganfall erlitten. […]

Man könnte sich das selbst nicht ausmalen

Immer dann, wenn ein Mensch von einer Heuballen-Maschine zerschreddert wird oder sich beim Kitesurfen aus Versehen selbst erdrosselt, wenn jemand überfahren, ertränkt, vom Blitz erschlagen, erschossen, verbrannt, in Stücke gehackt oder auf eine andere brutale oder “bizarre” Weise getötet, verletzt oder gedemütigt wird, immer dann ärgert sich die “Bild”-Zeitung, dass sie nicht mit dabei war.

Aber sie weiß sich zu helfen. Statt grausamer Fotos gibt’s dann eben so etwas:

(Nachtrag, 13. September: Wir haben die erste Zeichnung — “Bauernsohn von Heumaschine zerschreddert” — ausgetauscht, weil sie vom Presserat missbilligt wurde.)

Immerhin kann man den “Bild”-Zeichnern nicht vorwerfen, sie würden sich keine Mühe geben. Beim “Express” dagegen, wo sie sich am Wochenende ebenfalls an einer Illustration versucht haben, wurden nicht nur die moralischen (sofern vorhanden), sondern gleich auch alle ästhetischen Ansprüche mit Schmackes über Bord geworfen:Ausriss:

Josef Joffe, Grundgesetz, Doppelwähler

1. “Leitartikler und Machteliten”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Josef Joffe, Herausgeber der “Zeit”, beschwert sich bei ZDF-Chefredakteur Peter Frey über einen Beitrag in der Satiresendung “Die Anstalt”. “Mit etwas mehr Ruhe und Sachlichkeit in der Diskussion könnte man nicht nur über die Frage deutscher Spitzenjournalisten und ihrer Nähe zu Eliten-Kreisen diskutieren, man könnte vielmehr auch eine für unsere Gesellschaft und vor allem: für unsere Demokratie nicht unerhebliche Frage stellen: Welche Einfluss haben die vielen Think Tanks, Stiftungen und machtelitären politischen Elite-Zirkel, in denen auch die Meinungsmacher der Leitmedien unterwegs sind, auf die Politik und unsere Gesellschaftsordnung?”

2. “Bekennender Doppelwähler”
(lawblog.de, Udo Vetter)
“Zeit”-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in der Talkshow “Günther Jauch”: “Er habe, so Lorenzo, zwei Stimmen fürs EU-Parlament abgegeben. Einmal in einer Hamburger Grundschule, außerdem aber auch am Vortag im italienischen Konsulat.”

3. “Paneuropäische Medien? Macht’s euch doch selber!”
(derstandard.at, Wolfgang Blau)
Wolfgang Blau vermisst eine “starke journalistische Stimme” in Kontinentaleuropa: “Im globalen Ranking des Marktforschers Comscore kommen von den 25 weltweit meistgelesenen Nachrichtensites elf aus den USA, elf aus China und drei aus Großbritannien.”

4. “We used to read the newspaper, now the news reads us.”
(okfn.de, englisch)
Die Open Knowledge Foundation Deutschland zeigt, welche Websites beim Besuch einer Nachrichtenseite auch noch kontaktiert werden: “Visiting Facebook will only request data from Facebook’s own servers, while a visit to Die Welt or F.A.Z. will notify 59 and 55 different sites, respectively.”

5. “Kunstaktion mit kolonialistischem Elan”
(martin-lejeune.tumblr.com)
Martin Lejeune berichtet über eine “Kunstaktion, die sich als Initiative der Bundesregierung ausgibt”: “Eine gefälschte ‘Flüchtlingszulassungsstelle des Bundes’, die vorgibt zum Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin zu gehören, behauptet, 55.000 Kinder aus Syrien nach Deutschland transportieren zu wollen.”

6. “Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde ’65 Jahre Grundgesetz'”
(bundestag.de, Navid Kermani)
Schriftsteller Navid Kermani hält eine Rede zum 65. Geburtstag des Grundgesetzes: “Befragt, wann es Deutschland am besten gegangen sei, entschieden sich noch 1951 in einer repräsentativen Umfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiserreich, 7 Prozent für die Weimarer Republik, 42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus und nur 2 Prozent für die Bundesrepublik. 2 Prozent! Wie froh müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten.” Siehe dazu auch “Danke, Navid Kermani!” (zeit.de, Lenz Jacobsen).

Akif Pirinçci, Thomas Leif, Elke Heidenreich

1. “Es ist ein Jammer”
(begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig fragt, ob Akif Pirinçci ein Nachfolger von Alfred Tetzlaff sei und behandelt Pirinçcis Buch “Deutschland von Sinnen” sowie die Medienreaktionen darauf.

2. “Superzufrieden”
(operation-harakiri.de, Ralf Heimann)
Was, wenn Journalisten über Leute schreiben, die dann rückmelden, “dass sie mit dem Artikel superzufrieden seien”? “Viele Zeitungsartikel sind ein Deal zwischen dem, der schreibt und dem, über den geschrieben wird. Der Deal hat für beide Vorteile. Der eine kriegt die Komplimente, der andere das Lob für die hervorragende Berichterstattung. Den Ärger hat der, der das lesen muss. Aber das wird der Autor nur selten erfahren.”

3. “Die Leitmedien leiden”
(blogs.taz.de, Karl-Heinz Ruch)
Der Geschäftsführer der kleinen “taz” macht sich Sorgen um die großen überregionalen Zeitungen und liefert Zahlen zu ihrem Niedergang: “Zwischen dem Boulevard und den Regionalzeitungen haben die überregionalen Abozeitungen, Träger von Qualitätsjournalismus, schon immer besondere Bedeutung für die publizistischen Kultur in Deutschland. Es gibt Grund, sich ernsthaft Sorgen zu machen.”

4. “Zweifel verliert Machtkampf gegen Heidenreich”
(bazonline.ch, Benedict Neff)
Stefan Zweifel wird von der Leitung des Literaturclubs im Schweizer Fernsehen entbunden, Hintergrund ist ein Streit um ein Heidegger-Zitat mit Elke Heidenreich: “Hatte sie in der Sendung noch darauf beharrt, den Satz so in den ‘Schwarzen Heften’ gelesen zu haben, erklärt sie nun auf Anfrage der BaZ, nur die Wortfolge ‘verborgene Deutschheit’ sei ein direktes Heidegger-Zitat. Beim Rest handle es sich um ‘eigene Gedanken zu Heidegger’. Das Wort ‘entbergen’ wiederum habe sie einem Artikel der Süddeutschen Zeitung entnommen, der im Dossier war, das ihr SRF für die Sendung zusammenstellte. Über den Ausgang der Diskussion sei sie ‘verblüfft’. Geirrt haben will sich die Kritikerin, die in der Sendung so vehement darauf beharrte, Heidegger zitiert zu haben, nicht.”

5. “‘Leif trifft …’ – wie sich der SWR-Chefreporter an AfD-Lucke abarbeitet”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Stefan Winterbauer schaut sich “Leif trifft: Die Euro-Kritiker und deren Wortführer Bernd Lucke” (ardmediathek.de, Video, 44:10 Minuten) an: “Leifs Unart, Suggestiv-Fragen zu stellen, seine ungebremst zur Schau getragene Eitelkeit und seine tendenziösen Off-Kommentare, die alles Gezeigte mit der Brechstange in Richtung seiner Thesen biegen, erreichen das Gegenteil von dem was er mutmaßlich will. Hier merkt auch der dümmste Zuschauer, dass da einer manipulativ zu Werke geht und es ist nicht Bernd Lucke.”

6. “Sag es heftig!”
(heftigstyle.tumblr.com)
Siehe dazu auch “Mediendisruption: Heftig.co zeigt wie bedeutungslos Google für heutigen Medienerfolg sein kann” (neunetz.com, Marcel Weiss).

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