Wie die BamS 1978 über die WM in Argentinien berichtete

(Dieser Text ist im März 2006 entstanden und erschien im damaligen Fußballblog “Fooligan”. Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung des Autoren. Die Zitate stammen aus dem Buch “Zeugen der Anklage” von Günter Wallraff.)

Zwischen 1976 und 1983 verschwanden in Argentinien ca. 10000 Menschen, andere Quellen sprechen von bis zu 30000. Unter den desaparecidos befanden sich zahlreiche Studenten, Journalisten und andere, welche gegen die seit einem Putsch im Jahr 1976 regierende Militärjunta unter der Führung des Generals Jorge Rafael Videla opponierten. Diktator Videla hatte für sein hartes Durchgreifen gegen jegliche Opposition eine einfache Erklärung.

Im Dezember 1977 sagte er:

“Ein Terrorist ist nicht nur jemand mit einem Gewehr oder einer Bombe, sondern jemand, der Ideen verbreitet, die im Widerspruch zur westlichen und christlichen Zivilisation stehen”

Wie man sich vorstellen kann, fühlten sich die europäischen Fußballkorrespondenten während der WM 1978 verpflichtet, auf die Situation auch jenseits der Bühne hinzuweisen. Unter ihnen war der spätere “Tagesthemen”-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs.

“Auch als Sportredakteur kann meine Aufgabe nicht nur darin bestehen, stupide die Tore zu zählen!

Die heile Berti-Vogts-Welt à la “Fußball-ist-unser-Leben-und-sonst-gar-nichts-auf-der-Welt” gibt’s nämlich nicht mehr. Und das ist nicht meine Schuld.”

Ein Gedanke, dem angesichts einer Weltmeisterschaft in einem Land, das gerade von einer — wenn auch nicht vorbildlich funktionierenden — Demokratie in eine Diktatur umgewandelt wurde, eigentlich niemand widersprechen konnte.

Die “Bild am Sonntag”, die Zeitung, die ein späterer Kanzler in einem magischen Dreiklang mit “Bild” und Glotze zum Regieren benötigen sollte, sah das jedoch völlig anders.

“GEHT DAS SO WEITER MIT DER AGITATION, HERR FRIEDRICHS?”

Die “BamS” hatte zu dem Sportereignis ihren Chefreporter Michael Jeannée entsandt, der nun Friedrichs knallhart investigativ befragte:

“Ihre Zuschauer, Herr Friedrichs, und unsere Leser haben diese Art tendenziöser Interviews und Berichte, die sich nur am Rande mit Fußball beschäftigen, nämlich satt, Hunderte von Anrufen beweisen es….”

Aber natürlich hat die “BamS” auch selbst recherchiert und kam zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass alles in Wirklichkeit ganz anders war, als es ZDF und ARD darstellten.

Jeannée zitiert einen Herrn Bellardi, der im Auftrag der Junta Unterkünfte für die akkreditierten Journalisten organisierte.

“Wichtig ist, dass die Welt zur Kenntnis nimmt, dass die Bajonette und MPs der Soldaten zum Schutz unserer Gäste da sind. Und nicht zur Unterdrückung und Knechtung des Volkes.”

Worte, die den “BamS”-Reporter nachdenklich stimmten.

“An diese Worte des Senors Bellardi musste ich denken, als ich eine Woche später auf dem Rhein-Main-Flughafen unsere waffenstarrenden Grenzschützer sah: War mir jemals der absurde Gedanke gekommen, dass diese Jungs zu meiner Unterjochung da sind???”

BamS-Reporter Michael Jeannée, heute Klatschreporter der Wiener Kronenzeitung, durfte sich auf Einladung des argentinischen Dikators Videla selbst ein Bild von den Zuständen in argentinischen Gefängnissen machen. Und — Überraschung — alles, was in Europa über Folter und Menschenrechtsverletzungen berichtet wurde, entpuppte sich als haltlose Propaganda.

“In Argentinien werden, wie überall, Terroristen, d.h. Gewalttäter, die politische Motive vorgeben, gefangengehalten. Sie wurden nicht gefoltert, dürfen Besuche ihrer Angehörigen und Anwälte empfangen, werden ausreichend ernährt, genießen mehr Menschenrechte als in allen sozialistischen Straflagern — und machen aus ihren Verbrechen keinen Hehl.”

Der “BamS”-Reise-Führer berichtet staunend von der Wunderwelt der Luxusherberge mit angeschlossenem Gourmettempel.

“Die Zellen sind sauber, in allen steht ein kleiner Ofen. Die Häftlinge können sich ihren Tee oder Kaffee selber kochen…

Jedem subversiven Verbrecher in ‘La Unidad 9’ stehen pro Tag 450 Gramm Fleisch zu.”

Ein Bewohner des Ferienlagers erläutert dem Reporter die Annehmlichkeiten und Umstände seines Aufenthaltes:

“Was ich getan habe, habe ich getan. Dafür hat mich der Staat kassiert. Aber gefoltert oder mißhandelt bin ich nie worden. Auch geht mein Prozeß, soweit ich das beurteilen kann, in Ordnung. Nein, ich fühle mich in meinen Rechten nicht verletzt. Von den 880 hier einsitzenden… hat noch keiner konkrete Angaben (über Folterungen) machen können. Etwa, daß man ihm die Fingernägel gerupft habe.”

Winston Smith hätte es nicht schöner sagen können.

Gott allein weiß, ob der Terrorist wirklich existierte, dem Reporter ein Polarbär aufgebunden wurde, oder ein echter Häftling nur anfing zu glauben, dass zwei plus zwei fünf ergibt.

Etwas weniger begeistert vom Service in den argentinischen All-inclusive-Clubs zeigte sich die amerikanische Staatsbürgerin Gwenda Loken Lopez, die im April 1976 von Sicherheitskräften aus einem Bus gezerrt wurde, nachdem sie Flugblätter mit der Forderung nach Freilassung politischer Gefangener auf einer Parkbank zurückgelassen hatte.

“Mir wurden die Augen verbunden, meine Hände waren gefesselt, und ich wurde an eine Wand gestellt. Ein elektrisches Gerät berührte meine Hände. Im nächsten Augenblick lag ich am Boden…. Ich wurde geschlagen…. Meine Kleider wurden heruntergerissen. Dann lag ich, glaube ich, auf einem Tisch, wo ich von vier bis fünf Kerlen festgehalten wurde. Sie setzten die Picana ein [einen elektrischen Stab]. Dann banden sie mich fest und übergossen mich mit Wasser…. Sie stellten mir Fragen, aber vor allem hieß es: ‘Gib es ihr. Da. Da. Da. An den Genitalien…’ Sie sagten, sie würden dafür sorgen, dass ich keine Kinder bekommen könnte.”

Die Axel Springer AG distanziert sich deutlich vom Nationalsozialismus und gibt sich als Freund und Förderer Israels. Aber was hätte Michael Jeannée wohl zum Fall Sophie Scholl geschrieben? Terroristin wird auf Staatskosten mit 450 Gramm Fleisch am Tag gefüttert!?

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nicht nur Angehörige des Springer Konzerns verhielten sich wie die sprichwörtlichen drei Affen. Auch einige der Lieblinge der Nation, Spieler der deutschen Elf, die 1978 in Argentinien antrat, zeigten sich unbeeindruckt.

“Militär stört mich nicht. Ich hoffe, wir kommen weit.”

Klaus Fischer, Schalke 04

“Nein, belasten tut mich das nicht, dass dort gefoltert wird.”

Manfred Kaltz, Hamburger SV

“amnesty sollte lieber mal im STERN nachlesen, was da über russische Lager drinsteht.”

Berti Vogts, Borussia Mönchengladbach

Das Schicksal der desaparecidos ist mittlerweile bekannt: In Argentinien war es üblich, die zuvor oftmals heftigsten Folterungen ausgesetzten Opfer unter Drogen zu setzen und über dem Meer abzuwerfen.

Die Geschichte jedes Einzelnen wird man jedoch niemals erfahren.

SFV, Staatsschutz, Verschlüsselung

1. “Besser reden mit unseren Lesern”
(ploechinger.tumblr.com)
Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Sueddeutsche.de, macht sich ausführlich Gedanken über Leserkommentare: “Das Argument, Moderation sei Zensur, ist grundfalsch. Nie war die Chance, irgendwo irgendwelche Thesen zu publizieren, so groß wie heute im Netzzeitalter. Wieso aber sollten ausgerechnet Nachrichtenseiten mit ihrem Multimillionenpublikum dieser Ort sein – wenn alle dort davon genervt sind, Leser wie Redakteure? Wieso ändern wir nicht unsere Regeln so, dass Menschen durchkommen, die wirklich etwas beizutragen haben?” Siehe dazu auch “Das Erbrochene betrachten” (christophkappes.de).

2. “‘Analsex’ ist nicht der meistgesuchte Begriff in Niedersachsen, liebes Internet”
(vice.com, Henri Tartaglia)
Einige Leser verstehen den Artikel “Was man aus den Google-Suchen über Deutschland lernen kann” falsch: “Um ein echtes Psychogramm der Bundesländer zu erstellen, müsste man nicht nur jedes Wort in der deutschen Sprache durch Google Trends jagen, sondern auch noch die Unterschiede in den Bevölkerungszahlen rausrechnen.”

3. “Nazi-Angriff: Anzeige gegen Ruhrbarone-Journalist, weil der bei den Dortmunder Rathausverteidigern stand”
(ruhrbarone.de, Bastian Puetter)
Journalist Bastian Puetter erhält eine Anzeige vom Staatsschutz wegen Nötigung: “Zwar leite ich seit fünf Jahren hauptamtlich eine Magazin-Redaktion mit Sitz in Dortmund, erscheine auch auf Polizeipressekonferenzen und war für die Ruhrbarone etwa zuletzt für die konstituierende Sitzung des Rates akkreditiert, aber man muss mich nicht kennen. Nur: Dafür ermittelt ein Staatsschutz ja.”

4. “Kanalisieren, verhindern, abwürgen, bestimmen”
(bazonline.ch, Marcel Rohr)
Marcel Rohr beklagt sich über die Medienarbeit des Schweizer Fußballverbands SFV, die aus “kanalisieren, verhindern, abwürgen und bestimmen” bestehe: “Mal hiess es, Ottmar Hitzfeld wolle nicht, dass die Spieler zu viel reden. Mal war es der Medienchef, der keine Lust zu haben schien, mal die Fifa, die mit ihrer Doktrin alle in Atem hielt.”

5. “Nutzen Journalisten Verschlüsselungsprogramme?”
(ndr.de, Video, 2:33 Minuten)
Eine Kurzumfrage unter Journalisten.

6. “Diego Maradona against Belgium: the real story behind the famous image”
(theguardian.com, Jonny Weeks, englisch)

Tom Bartels, Medienkriege, Geheimdienste

1. “Wie tickt Tom Bartels?”
(newsroom.de, Markus Wiegand)
Ein Interview mit Tom Bartels, der das Finale der Fußball-WM kommentieren soll: “Jeder Reporter, auch ich, könnte einfach zehn Prozent mehr schweigen. (Man hört eine Frauenstimme im Hintergrund.) Meine Frau Tina, die gerade wiederkommt, ruft: 20 Prozent.”

2. “Pressefreiheit mitgelöscht”
(berliner-zeitung.de, Jonas Rest)
Vom Recht auf Vergessenwerden betroffene Zeitungen müssen “eine Möglichkeit des außergerichtlichen Widerspruchs haben”, findet Jonas Rest: “Ansonsten verkommt die Pressefreiheit zur funktionslosen Dekoration: Es werden viele kritische Texte auf den Servern von Nachrichtenportalen liegen, die aber nutzlos sind, da sie niemand findet, wenn er sie wirklich braucht.” Siehe dazu auch “Google reverses decision to delete British newspaper links” (reuters.com, englisch).

3. “Kiews Dilemma mit den russischen Medien”
(nzz.ch, Rudolf Hermann)
Die ukrainischen Behörden fragen sich, wie sie mit russischen Medien umgehen wollen, die “offen desinformieren”, berichtet Rudolf Hermann: “Nicht nur in Russland, sondern auch in weiten Teilen der russischsprachigen Ostukraine gehört russisches Fernsehen zu den wichtigsten Informationskanälen. Die Objektivität der Information wird dabei wenig hinterfragt.”

4. “Der Krieg der Phrase”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.ch)
Der “erste Medienkrieg” der Geschichte.

5. “‘Spüre die Angst auch schon in Deutschland'”
(deutschlandradiokultur.de, Korbinian Frenzel)
Boris Reitschuster, Autor des Buchs “Putins Demokratur”, redet über seine Erfahrungen mit dem russischen Geheimdienst FSB: “Ich wurde einmal festgenommen, ich wurde einmal umgefahren von einem Auto, absichtlich, wo man sagte, ich stehe ich Weg. Man hat mich dann umgefahren. Ich wurde einmal verprügelt. Man wird richtig ängstlich, ich spüre diese Angst inzwischen auch schon in Deutschland, wenn ich jemand sehe mit einer Kunstlederjacke und mit einem bestimmen Haarschnitt, dann fange ich schon an nervös zu werden, obwohl es hier in Deutschland natürlich Fehlalarm ist.”

6. “Von der NSA als Extremist gebrandmarkt”
(tagesschau.de, Lena Kampf, Jacob Appelbaum und John Goetz)
Wer sich mit Software zum Schutz vor Überwachung im Internet beschäftigt, wird von der NSA als “Extremist” markiert: “Extremisten? Das Gegenteil ist der Fall, wie die Recherchen zeigen. Die deutschen Opfer sind politisch keinesfalls am äußeren Rand zu finden. Extrem sind sie allein in einem Punkt: Sie sind besorgt um die Sicherheit ihrer Daten. Und genau das macht sie in den Augen des US-Geheimdienstes verdächtig.”

Stern.de, Digg, Eric Weber

1. “EU’s right to be forgotten: Guardian articles have been hidden by Google”
(theguardian.com, James Ball, englisch)
James Ball stellt sechs Guardian-Artikel vor, die aufgrund des Rechts auf Vergessenwerden vom Google-Suchindex verschwinden: “Publishers can and should do more to fight back. One route may be legal action. Others may be looking for search tools and engines outside the EU. Quicker than that is a direct innovation: how about any time a news outlet gets a notification, it tweets a link to the article that’s just been disappeared. Would you follow @GdnVanished?” Siehe dazu auch “Why has Google cast me into oblivion?” (bbc.com, Robert Peston).

2. “Wozu gibt es eigentlich STERN.de?”
(jensrehlaender.tumblr.com)
Wer Stern.de aufrufe, dem offenbare sich “in schonungsloser Härte, wie Reichweitenoptimierung eine Medienseite bis zur Unkenntlichkeit” ruiniere, schreibt Jens Rehländer. “Liebe Leute von stern.de, ich bin sicher, ihr würdet euren Dienst anders machen, wenn man euch ließe. (…) Denn angesichts dieses Allerwelts-Klimbim frage mich ernsthaft, was fehlen würde, wenn es stern.de morgen nicht mehr gäbe?”

3. “Gegenentwurf zu Facebook: Wie Digg zur Startseite des Internets werden will”
(spiegel.de, Ole Reißmann)
Ole Reißmann schaut sich Digg an, wo man neu auf redaktionell ausgewählte Links setzt. “Was es auf Digg nicht gibt: Clickbait, reißerische Überschriften zu oft belanglosem Entertainment, wie es Seiten wie Heftig oder Upworthy vormachen.”

4. “Deutsche Talkshows sind Russland-lastig”
(ostpol.de, Sonja Volkmann-Schluck)
Fabian Burkhardt analysiert in der Arbeit “Die Ukraine-Krise in den deutschen Talkshows” die Gäste von Talkshows zum Thema Russland und Ukraine.

5. “A leap forward in quarterly earnings stories”
(blog.ap.org, Paul Colford, englisch)
Die Nachrichtenagentur AP will neu in automatisierter Form Bericht erstatten: “The Associated Press announced in an advisory to customers today that the majority of U.S. corporate earnings stories for our business news report will eventually be produced using automation technology.”

6. “Eric Weber, der Bürgerschreck”
(bazonline.ch, Aaron Agnolazza)
Aaron Agnolazza stellt Eric Weber vor, Ex-“Bild”-Mitarbeiter und gewählter Parlamentarier im Kanton Basel-Stadt: “Mittlerweile deckt der Grossrat die Regierung beinahe täglich mit Interpellationen und schriftlichen Anfragen ein. ‘Ich schreibe so viele Anfragen, um den angestauten Frust abzubauen’, erklärt sich Weber. ‘Meine Anfragen kosten die Regierung pro Monat 20 000 Franken’, behauptet er beinahe triumphierend.”

Per Mertesacker, Mindestlohn, Erdbeben

1. “Haut ab mit eurem Wow-Effekt!”
(zeit.de, David Hugendick)
Ein ZDF-Interview mit Per Mertesacker (youtube.com, Video, 2:35 Minuten) im Anschluss an das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Algerien: “Im Fernsehen, wo notorisch ‘magische Momente’ eingefordert werden, hat Negativität keinen Platz mehr. Man will lieber Wirklichkeit mit dem Emotionswert der Soap-Opera. Man will ‘echte Tränen’, ‘echte Freude’ und alles, was sonst noch unter dem Modewort ‘Authentizität’ firmiert, die nur gut ist, solange sie sich anpasst und irritationsfrei konsumierbar ist.”

2. “Herzlichen Glückwunsch, Boris Büchler!”
(faz.net, Frank Lübberding)
Frank Lübberding gratuliert ZDF-Reporter Boris Büchler zu diesem Interview und regt an, sich mit dem Bundestrainer zu beschäftigen: “Stattdessen sieht man etwa im Fernsehen jene Szenen namens ‘Löw am Strand’ im WM-Quartier der Nationalmannschaft. Ein nachdenklicher Trainer auf dem Wege zu Ruhm, so ist diese Form des öffentlich-rechtlichen Propaganda-Fernsehens zu nennen. Offenkundig muss jeder Journalist für ein kritisches Wort befürchten, am Hofe des DFB in Ungnade zu fallen.” Siehe dazu auch “In Interviewgewittern” (begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig).

3. “LSR: Wiederholt sich die Geschichte?”
(vocer.org, Heidi Tworek und Christopher Buschow)
Heidi Tworek und Christopher Buschow erinnern an das Gesetzgebungsverfahren in den 1920er-Jahren, als mit der zunehmenden Verbreitung des Radios “die Forderung nach einem rechtlich geregelten Nachrichtenschutz” aufkam.

4. “Schlechte Schlagzeilen (1): ‘Warum in Deutschland stärkere Erdbeben drohen'”
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Die Schlagzeile “Warum in Deutschland stärkere Erdbeben drohen” auf Focus.de: “Die Gefahr durch geologische Aktivität ist heute nicht größer als sie es in der Vergangenheit war. Es ist nichts passiert, dass eine neue ‘Bedrohung’ durch Erdbeben verursacht hat. Wir wissen nun nur besser über die Statistik Bescheid als vorher.”

5. “Warum werden eigentlich ausgerechnet Zeitungszusteller vom Mindestlohn ausgenommen?”
(nachdenkseiten.de, Jens Berger)
Der angeblich flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro soll erst ab 2017 auch für Zeitungszusteller gelten. “Geht es nicht noch ein bisschen grotesker und dreister?”, fragt Jens Berger zur Behauptung, die Pressefreiheit sei dadurch in Gefahr: “Nach dieser Logik sind auch Hungerlöhne für Krankenpfleger gerechtfertigt, da ansonsten ja Krankenhäuser geschlossen werden müssten und die öffentliche Gesundheitsvorsorge in Gefahr wäre. Nach dieser Logik ließen sich in so ziemlich in jeder Branche Hungerlöhne rechtfertigen.”

6. “Die gesammelten Bauer-Regeln zu Journalismus im Netz”
(davidbauer.ch)

Jung&Naiv, Volontariat, Netzfingerabdruck

1. “Der Traum vom Journalistenleben”
(mdr.de, Audio, 29:23 Minuten)
Zwanzig Jahre nach dem Besuch der Journalistenschule ruft Philip Meinhold ehemalige Mitschüler an und fragt sie, ob sie ihre Vorstellungen von Journalismus verwirklichen konnten.

2. “Bitte bewerben – ihr braucht dafür auch nur drei Tage”
(sara-weber.tumblr.com)
Noch bis zum 8. Juli kann man sich beim britischen “Spectator” für ein ein- oder zweiwöchiges Praktikum bewerben. Sara Weber findet die Anforderungen dafür sehr hoch, das Bewerbungsverfahren “unverschämt”.

3. “Meine Laudatio für Jung&Naiv: Die konservative Konterrevolution hat Youtube erreicht”
(leitmedium.de, ccm)
“Jung & Naiv” mit Tilo Jung revolutioniere nicht den Journalismus auf Youtube, sondern es sei “ein Intranetformat für Medienmacher und Politiker”, schreibt Caspar Clemens Mierau: “Jung bringt den am Zuschauer desinteressierten Journalisten auf die Videoplattform und erntet damit natürlich den Applaus einiger Journalisten-Kollegen, die auch lieber ohne Leser schreiben würden.”

4. “Stromnetz verrät Whistleblower”
(heute.de, Peter Welchering)
Eine Verzerrung der Stimme des Informanten ist kein wirkungsvoller Schutz, schreibt Peter Welchering: “Denn mit einer IT-forensischen Methode können die Einstreuungen der elektrischen Netzfrequenz in Tonaufnahmen herausgefiltert und zu einer Art Netzfingerabdruck verdichtet werden. Dieser Netzfingerabdruck wird dann mit Frequenzdatenbanken abgeglichen, um herauszubekommen, wann und wo die Aufnahme gedreht wurde.”

5. “Das Chaos der Anderen”
(neues-deutschland.de, Tobias Riegel)
Tobias Riegel malt sich in der sozialistischen Tageszeitung “Neues Deutschland” aus, wie es wäre, wenn ausländische Politiker und Medien deutsche Politiker kritisieren, die versuchen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen: “Wir können uns in Deutschland kaum vorstellen, wie das wäre, wenn sich der US-Außenminister regelmäßig tadelnd zu unserem Umgang mit Demonstranten äußern würde. Es ist aber zu vermuten: Sollte eine linke Bundesregierung einst den Austritt aus der NATO anstreben – wir würden das Gefühl der ständigen Ermahnung kennenlernen. Dann wären die Randalierer vom 1. Mai für die ‘Bild’-Zeitung plötzlich die ‘friedliche und demokratische’ Speerspitze gegen eine ‘autokratische’ und ganz allgemein ‘korrupte’ Bundesregierung – die schleunigst durch Technokraten ersetzt werden muss.”

6. “Keine Handyfotos auf der Pressetribüne erlaubt”
(twitter.com/LarsWallrodt)

Bild  

Böses Foul an Schweinifurt!

Stuttgart liegt am Ganges /
Berlin liegt an der Seine …

(Traditioneller “Bild”-Merkreim)

Mit dem Deutschlandbild der “Bild”-Zeitung stimmt was nicht. Gut, das hatten wir in der vergangenen Woche schon festgestellt, aber es ist seitdem nicht besser geworden.

Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft berichtet das Blatt heute, dass “wir” “ab heute ballaballa sind”. Es hat den größten Teil der Titelseite für etwas freigeräumt, das es “die wahre Deutschland-Karte” nennt und als Vorwand für die schlechtesten Wortspiele der Welt nimmt, darunter: “Fifalkensee” statt Falkensee, “DFBeelitz” statt Beelitz, “Pfostsee” statt Ostsee; “Bumm” für Bonn und “Gelsenkonter” für Gelsenkirchen.

Angesichts dessen sind die geographischen Unzulänglichkeiten der Karte, zugegeben, harmlos, aber nicht minder rätselhaft.

Kaiserslautern, zum Beispiel, liegt plötzlich in Sichtweite des Rheins, aus Hof ist Bayreuth geworden, Schweinfurt hat den Platz von Coburg eingenommen, und Bamberg ist über den Main in Richtung Norden gezogen. Dafür hat sich die Fränkische Schweiz auf den Weg in die umgekehrte Richtung gemacht und liegt nun nicht mehr nördlich, sondern südlich von Nürnberg und Fürth.

Auch diese Karte ist ein Geschenk für den Geographieunterricht in der Schule, und wahrscheinlich kann man mehrere Stunden damit füllen, gemeinsam alle Fehler zu entdecken (“Liegt Magdeburg wirklich nördlicher als Berlin?”).

Das eigentliche Rätsel aber ist, warum die “Bild”-Grafiker nicht einfach vorhandenes Kartenmaterial verwenden anstatt sich immer wieder vergeblich daran zu versuchen, die Geographie Deutschlands zu erraten.

Mit Dank an Matthias B.!

Ikea, Juncker, Filmpool

1. “Eine Farce nähert sich ihrem Höhepunkt”
(zeit.de, Till Kreutzer)
Till Kreutzer schreibt zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger: “Schon die Einführung des LSR entbehrte jeglicher Begründung und Rechtfertigung. Der Versuch, zu dessen Durchsetzung auch noch das Kartellrecht ad absurdum zu führen, ist infam.” Siehe dazu auch “‘Die Zeit ist reif für ein Leistungsschutzrecht'” (voez.at).

2. “Marc-Uwe Kling sollte gut aufpassen, dass seine Känguru-Chroniken nicht in die Hände von ‘Bild’-Reporterin Birgit Begass fallen”
(blogs.taz.de/reptilienfonds, Heiko Werning)
Ein “Bild”-Bericht über ein Gehege mit Wildtieren in Stolberg: “Es bedarf nicht allzu viel Fantasie, sich auszumalen, was es für die Existenz eines Biologie-Lehrers und Fachjournalisten bedeuten könnte, plötzlich öffentlich als Tierquäler gebrandmarkt zu werden.”

3. “Beim Casting für Scripted-Reality-Formate”
(noz.de, David Sarkar)
David Sarkar besucht ein Casting der TV-Produktionsfirma Filmpool: “Bis zu 14 Stunden am Tag stehen die Darsteller vor der Kamera, pro Tag bekommen sie 60 Euro – ein Stundenlohn von rund 4,50 Euro.”

4. “Der Journalismus und das Juncker-Phänomen”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal versucht mittels der Lektüre journalistischer Berichte herauszufinden, um was es in der Diskussion um die Besetzung von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident inhaltlich geht: “In der Juncker-Sache wurde in einem Ausmaß undeutlich, nebulös und uneigentlich berichtet, dass es schon an Journalismusverweigerung grenzt.”

5. “Twittern für den Kreml”
(nzz.ch, Katharina Bracher)
Die NZZ reagiert auf die Flut von prorussischen Leserkommentaren mit einem “Propaganda-Paragraphen” in der Netiquette.

6. “Taipeh schlägt Hamburg: Unser Ikea ist kleiner und zentraler!”
(intaiwan.de, Klaus Bardenhagen)
Angeblich wird in Hamburg-Altona die weltweit erste Innenstadt-Filiale von Ikea eröffnet: “Äh… nö. Zumindest hier in Taipeh gibt es das schon lange.”

Katrin Müller-Hohenstein, China, Ägypten

1. “Die falsche Debatte”
(frau-dingens.de, Mina)
Mina analysiert Feuilleton-Artikel zur Technik der Zukunft: “Das Bildungsbürgertum wehrt sich mit letzter Kraft gegen die digitale Durchdringung der Gesellschaft, die so viele Nachteile anderer Milieus ausgleichen kann, und somit den eigenen Status gefährdet.”

2. “Banal, belanglos, Müller-Hohenstein”
(berliner-zeitung.de, Anne Burgmer)
Katrin Müller-Hohenstein berichtet für das ZDF von der Fußball-Weltmeisterschaft: “Müller-Hohenstein berichtet, wo es nichts zu berichten gibt. Sie erklärt während der Live-Schalte in den Fernsehgarten, wann die Mannschaft gelandet ist, dass sie dann im Bus weiterfuhr und schließlich auf die Fähre wechselte. Und dann wieder in den Bus. Und dann Koffer auspackte.”

3. “Were Luis Suárez’s bite marks Photoshopped?”
(theguardian.com, Jonny Weeks, englisch)
Fußball: Die Debatte um ein Foto von Tony Gentile (Reuters), das eine Bisswunde an der Schulter von Giorgio Chiellini zeigt.

4. “Neue Maulkörbe für Chinas Journalisten”
(derstandard.at, Johnny Erling)
Medienfreiheit in China: “Unter dem Slogan ‘Kampf gegen Gerüchteverbreiter’ wurde eine Reihe sogenannter Blogger-Meinungsführer unter Straftatsvorwürfen festgenommen und mit Schuldeingeständnissen als reuevoll auftretende Sünder im TV vorgeführt. Einfachen Bloggern wird mit Strafverfolgung gedroht, falls von ihnen ins Netz gestellte (Falsch-)Nachrichten mehr als 500-mal weitergeleitet werden.”

5. “Wer ist das Volk?”
(sueddeutsche.de, Sonja Zekri)
Medienfreiheit in Ägypten: “Zehntausende politische Gefangene, Hunderte Todesurteile und sechs tote Journalisten seit vergangenem Jahr haben ein Klima geschaffen, in dem nach den Worten des Schriftstellers Alaa al-Aswani ‘nur eine Meinung erlaubt ist, ein Gedanke in den immer gleichen Worten.'”

6. “Klicks sind tot: Upworthy veröffentlicht Code, um Aufmerksamkeit zu messen”
(t3n.de, Kim Rixecker)
Kim Rixecker schreibt über den Blogbeitrag “Implementing Attention Minutes, Part 1” (upworthy.github.io, Zane Shelby, englisch). “Mittels verschiedener Scripte soll genau gemessen werden, ob eine Seite derzeit aktiv ist und wie lange der Besucher sich beispielsweise ein Video auf der Seite anschaut.”

Forget.me, Echo-Medien, Norbert Lammert

1. “Staatsanwaltschaft geht mit Durchsuchungsbeschluss gegen Echo-Medien vor”
(echo-online.de)
Zum ersten Mal “in der fast siebzigjährigen Geschichte der Echo-Zeitungen überhaupt” erhalten die ECHO-Medien in Darmstadt Besuch von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei. Gefordert wird die Identität hinter einem inzwischen gelöschten Leserkommentar.

2. “Forget.me illustriert, wie nah Datenschutz und Zensur beieinander liegen”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert stellt Forget.me vor. Die französische Website zeichne sich auch dadurch aus, “dass User nicht wie beim Google-‘Löschservice’ manuell die zu entfernenden Website-URLs liefern müssen. Stattdessen zeigt Forget.me eine Live-Ergebnisliste zur Suche nach dem persönlichen Namen an. Neben jedem Eintrag befindet sich eine prominent platzierte Schaltfläche ‘Forget this’. Wer diese betätigt, muss auf der Folgeseite noch die passende juristische Rechtfertigung auswählen und den Scan eines Dokuments zur Identifizierung hochladen. Fertig.”

3. “Auf einmal”
(umblaetterer.de, Paco)
Paco fragt sich, weshalb der “Freitag” den Jakob-Augstein-Text “Wir töten, was wir lieben” über Frank Schirrmacher offline gestellt hat.

4. “Der digitale Kulturpessimismus des Feuilletons langweilt”
(schulesocialmedia.com, Philippe Wampfler)
“Kulturpessimismus floriert im Feuilleton”, stellt Philippe Wampfler fest: “Über die Gründe kann ich nur spekulieren – es wundert mich immer wieder, warum aus all den Menschen, die zu digitalen Entwicklungen etwas sagen könnten, immer die mit den platten Angst-Thesen Platz erhalten.”

5. “Die scheinheilige Empörung über Schumachers gestohlene Krankenakte”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier reagiert auf die “Warnung vor Veröffentlichung” der entwendeten Krankenakte von Michael Schumacher durch den DJV: “Die Veröffentlichung der Krankenakte wäre gerade deshalb auch so empörend, weil ihr Inhalt wahr wäre. Im Gegensatz zu all dem unzuverlässigen Geraune, mit dem die Medien ihre Schumacher-Berichterstattung füllen.”

6. “Lammerts Lebenshilfe: Überwachung mit Fassung tragen!”
(youtube.com, Video, 1:31 Minuten)
Siehe dazu auch “Arbeitserleichterung für die NSA: Deutscher Bundestag bezieht Internet von US-Anbieter Verizon” (netzpolitik.org, Andre Meister).

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