Suchergebnisse für ‘kahn’

Waldsterben, Stern.de, Paul Kagame

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “stern.de: Anatomie einer Attrappe”
(stefan-niggemeier.de)
Auf Stern.de werden Artikel (mit neuer Internetadresse und neuem Datum) methodisch wiederaufbereitet, so “dass sie — für den flüchtigen Leser, aber sicher auch für Suchmaschinen — immer wieder neu erscheinen.” Siehe dazu auch die Analyse der am 17. Mai auf Stern.de erschienenen Artikel.

2. “Und ewig sterben die Wälder”
(arte.tv, Video, 52 Minuten)
Michael Miersch blickt zurück auf das Waldsterben, an das er auch mal glaubte – und die mitunter hysterische, von Medien wie “Stern” und “Spiegel” befeuerte Debatte darüber in den 1980er-Jahren: “1947 sind mehr Bäume gestorben als in der gesamten Phase des Waldsterbens.” Interessant ab Minute 25: Die Angriffe der “Süddeutschen Zeitung” auf Wissenschaftler, die damals von der gängigen Meinung abweichende Forschungsergebnisse präsentierten.

3. “Die neue Gefahr der Tarnkappen-Gatekeeper”
(netzwertig.com, Peter Sennhauser)
Peter Sennhauser fragt sich, ob nicht alte Gatekeeper unbemerkt von neuen abgelöst wurden: “Die Algorithmen liefern mir alles, was mich interessieren könnte. Das ist nicht gleichzusetzen mit dem, was mich interessieren müsste. Die Webmaschinen sind Quotenbolzer geworden, die mich nicht mit überraschendem verblüffen, sondern mit genau dem zufriedenstellen wollen, was ich erwarte.”

4. “Federer ist sich für nichts zu schade … die ‘Schweizer Illustrierte’ auch nicht”
(tagesanzeiger.ch, Michèle Binswanger und Daniel Arnet)
Die aktuelle Titelgeschichte der “Schweizer Illustrierten”, ein Interview mit Tennisspieler Roger Federer, wurde von Joy Bolli geführt, einer Mitarbeiterin der Bank Credit Suisse. “Hiess die entsprechende Tätigkeit nicht früher einmal PR? Und ist diese Federer-Geschichte genau genommen nicht eine Publi-Reportage, powered bei Credit Suisse?” Das Originalinterview auf sponsorship.credit-suisse.com.

5. “Verdacht und Verurteilung”
(visdp.de, Hajo Schumacher)
Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn: “Lassen sich die Vorwürfe gegen Strauss-Kahn nicht belegen, so ist die Hinrichtung doch jetzt schon vollzogen. Als IWF-Präsident ist er bereits zurückgetreten, als Kandidat für höchste politische Ämter ist der Mann nicht mehr vermittelbar.”

6. “Rwanda’s Paul Kagame hits back at Twitter critic”
(bbc.co.uk, englisch)
Paul Kagame (@paulkagame), Präsident von Ruanda, reagiert auf Tweets von @ianbirrell.

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Aids-Schock für Sex-Zeitung!

Seit Samstag sitzt Dominique Strauss-Kahn, inzwischen ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) in New York in Untersuchungshaft. Die Informationslage ist unübersichtlich: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Vergewaltigung eines Zimmermädchens vor, Strauss-Kahn beteuert seine Unschuld, die wildesten VerschwörungsTheorien machen die Runde.

Da ist es beruhigend, wenn inmitten dieser Spekulationen und Mutmaßungen eine Zeitung klar Position bezieht — und eine Meldung bringt, die garantiert falsch ist:

Aids-Schock für Sex-Banker!Schock-Nachricht für Dominique Strauss-Kahn in seiner Gefängniszelle (13 Quadratmeter): Dem mächtigsten Banker der Welt droht nicht nur eine langjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung eines Zimmermädchens – sein mutmaßliches Sex-Opfer hat möglicherweise Aids und könnte ihn angesteckt haben!

Selbst wenn das Zimmermädchen HIV-positiv sein sollte (oder gar an Aids erkrankt, was für “Bild” nach wie vor dasselbe ist) und Strauss-Kahn sie zum Oralverkehr gezwungen haben sollte, wie “Bild” schreibt: Eine Ansteckung über Speichel ist ausgeschlossen.

Speichel ist keine infektiöse Flüssigkeit. Geringes Risiko bestünde bei Zahnfleischbluten. Selbst dann wird aber das Blut durch Speichel verdünnt und außerdem befinden sich virushemmende Enzyme im Speichel.

(Münchner Aidshilfe)

Eine Übertragung der Viren über Speichel, Schweiß, Tränenflüssigkeit, Urin und Kot ist ebenfalls nicht möglich.

(Aidshilfe Köln)

Im Unterschied zu Blut, Sperma und Vaginalsekret enthält Speichel von HIV-Trägern erheblich geringere und für eine HIV-Ansteckung nicht ausreichende Menge an HI-Viren. Außerdem ist im Speichel von Natur aus ein Virus-hemmender Stoff enthalten.

(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

Den Medien ist diese medizinische Erkenntnis offenbar egal — immerhin müssten sie sonst auf ihre krawalligen Schlagzeilen verzichten.

China, Sperrfristen, Content & Curation

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1. “Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien”
(boell.de)
Die Heinrich-Böll-Stiftung untersucht detailiert die Berichterstattung deutscher Medien über China (PDF, 304 Seiten, 2,46 MB). Beklagt wird unter anderem Eurozentrismus, eine Fokussierung auf eine konfliktträchtige Kernagenda, eine “teilweise ideologische Berichterstattung” und ein starker Fokus auf “auf deutsche Elite-Personen und Unternehmen”.

2. “Raufende Ermittlungen”
(sueddeutsche.de, W. Janisch)
Für W. Janisch ist das Klima für Medien, die über laufende Ermittlungen berichten, rauer geworden: “Das liegt auch daran, dass dort ein Geschäftsfeld für Medienrechtsanwälte entstanden ist, die auf der Seite der Betroffenen agieren. Promi-Anwalt Matthias Prinz war ein Wegbereiter, Christian Schertz in Berlin und Michael Nesselhauf in Hamburg gehören zu den aktivsten Klagevertretern.”

3. “hysterie im web2.0 – chronographie einer twitter-ente”
(stenographique.wordpress.com)
Ein lauter Knall in Göttingen und die Folgen bei Twitter: “so schnell die aufregung kam, so schnell ist sie auch wieder verstummt. gerade einmal 15minuten und mehrere hundert nachrichten lagen zwischen panikähnlichen zuständen und business as usual. 11.15 uhr: man wendet sich wieder der kaffeetasse, dem lernskript oder dem terminplaner zu. als wäre nichts gewesen…”

4. “Skandalöse Rezensionspraktiken im Fall Christa Wolf”
(freitag.de/community/blogs, Michael Angele)
Michael Angele beachtet die Sperrfrist des Suhrkamp-Verlags zum neuen Roman von Christa Wolf, andere Medien aber nicht. Das sei auch “ein Betrug am Leser, denn der kann das besprochene Buch ja noch gar nicht kaufen”.

5. “Content Is No Longer King: Curation Is King”
(businessinsider.com, Steve Rosenbaum, englisch)
“‘Content is King’ — no longer. Today, the world has changed. ‘Curation Is King.'”

6. “Holzmedien versuchen HTML”
(hetjens.com, Philip Hetjens)
Philip Hetjens prüft die Websites einiger deutschsprachigen Zeitungen mit dem W3-Validator. “Im Boulevard scheint gutes HTML beliebt zu sein, aber sonst sieht es oft eher mässig aus. Den Vogel schiesst aber definitiv das Handelsblatt ab: Bei über 1300 Fehler auf der Homepage müssen die schon absichtlich eingebaut werden.”

Axolotl Roadkill, Vancouver, Burkina Faso

6 vor 9

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1. Interview mit Deef Pirmasens
(sueddeutsche.de, Lisa Sonnabend)
Deef Pirmasens, der mit seinem Blogeintrag zum Buch “Axolotl Roadkill” von Helene Hegemann eine Flut von Berichten ausgelöst hat, äussert sich zur Literaturkritik: “Ein Buch von einem 28-jährigen Blogger aus einem Untergrundverlag ist offensichtlich nicht so interessant wie eine Veröffentlichung in einem Großverlag von einer Jugendlichen, deren Vater in der Kulturszene bekannt ist. Hegemann wird ja gelobt als das Wunderkind der Literaturszene, das den großen Generationenroman geschrieben hat.”

2. “Die Unfähigkeit, zu googlen”
(begleitschreiben.twoday.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig nennt Helene Hegemann das “Hätschelkind des deutschen Feuilletons” und freut sich, dass nun wohl dem netten Mädchen kein Buchpreis von alten Männern übergeben werde. “Das Buch wurde über den grünen Klee gelobt – die Gründe liegen natürlich darin, weil den Rezensenten hier eine Welt gezeigt wird, die sie gar nicht kennen und für exotische Jugendliche hat man doch immer ein Ohr, zumal wenn sie Authentizität, die Krücke aller Lebensfremden, suggerieren.”

3. “IOC und Internet”
(dradio.de, Jens Weinreich)
Die Sportler der bevorstehenden Winterspiele in Vancouver dürfen nun doch publizieren, aber nur in engen Grenzen: “Sie dürfen nur Tagebuch führen und sich auf ihre Erlebnisse beschränken, nicht aber über Konkurrenten schreiben, schon gar nicht olympische Betriebsgeheimnisse verraten und Sicherheitsrisiken eingehen, was immer das heißen mag.” Die Vorschriften sind in den IOC Blogging Guidelines nachzulesen.

4. “Oli Kahn und das … äh, Fußball”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris ist die “Bereitschaft von Medien, falsche Informationen zu verbreiten”, nicht egal.

5. “Polish newspaper claims ‘Pedobear’ is 2010 Vancouver Olympic mascot”
(telegraph.co.uk, Matthew Moore, englisch)
Eine polnische Zeitung druckt eine vor Monaten veröffentlichte und vermutlich über eine Bildersuche aufgefundene Zeichnung, die nicht die offiziellen Olympia-Maskottchen zeigt. Künstler Michael R. Barrick zeigt in einem Blogeintrag, wie die Nachricht darauf um die Welt geht.

6. “Die Grundsteinlegung am 8.2.2010 hat stattgefunden!”
(schlingenblog.posterous.com, Christoph Schlingensief)
Christoph Schlingensief bloggt über die Grundsteinlegung der Oper, die er in Burkina Faso plant.

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Mit Rummenigge im Irrland

Die Beziehung zwischen Karl-Heinz Rummenigge und “Bild” war auch schon mal besser. Vielleicht liegt es daran, dass die Zeitung dem Vorstandsvorsitzenden von Bayern München vorgeworfen hat, sich zu irren. Vielleicht aber auch bloß daran, dass sie sich geirrt hat.

Am 9. November berichtete “Bild” in großer Aufmachung über einen “Aufstand bei Bayern”. Rummenigge hatte angekündigt, Philipp Lahm wegen eines kritischen Interviews zu einer Geldstrafe zu verurteilen, “wie es sie in dieser Höhe beim FC Bayern München noch nie gegeben hat”.

Aufstand bei Bayern

“Bild” verwies auf selbst erfundene recherchierte Zahlen, wonach Lahm “maximal 25.000 Euro” und Luca Toni 15.000 Euro zahlen müssen, “Bild” schlaumeierte, dass Oliver Kahn ebenfalls schon mit einer Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro belegt worden sei, und folgerte:

Rummenigge irrt bei der Höhe der Strafe.*

Rummenigge aber widersprach den “BILD-Informationen” über Lahm und Toni und setzte eine Gegendarstellung durch, die gestern in “Bild” erschien:

Richtig ist, dass beide Spieler wesentlich höhere Geldstrafen zahlen müssen.

Der “Bild”-Bericht zum angeblichen “Aufstand bei Bayern” resultierte aber noch in einer weiteren Gegendarstellung von Karl-Heinz-Rummenigge. Zu einem angeblichen Gespräch des Bayern-Trainers mit dem Stürmer Luca Toni stellte er fest:

Der mich betreffende Teil dieser Behauptung ist unwahr. Ich war bei diesem Gespräch nicht dabei, weder als Vermittler noch als Dolmetscher.

Die “Bild”-Redaktion war offensichtlich auch nicht dabei und fügte in dieser Gegendarstellung, die bereits am 16. November erschien, hinzu:

Karl-Heinz Rummenigge hat recht.

*) aus unbekannten Gründen steht dieser Satz nur in der Online-Version des Artikels.
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Ohne Klinsmann wird das Unmögliche möglich

Vor zwei Tagen war die Welt echt noch eine schlechtere. Zumindest, wenn man Anhänger des FC Bayern München war. Bild.de ließ wissen, dass der Meistertitel in der Bundesliga “so gut wie weg” sei, die Kollegen der “Bild am Sonntag” gingen noch weiter:

Titel weg!

Was so ein Trainerwechsel aber dann doch alles ausmacht. Inzwischen, die Zeiten haben sich ja geändert (“Klinsi weg!”), traut Bild.de selbstverständlich Bayern wieder den Titel zu und startet eine entsprechende Umfrage:

“Klinsi ist weg! Holen die Bayern mit Heynckes jetzt doch noch die Schale?”

Selbst Oliver Kahn ist jetzt, wie “Bild” schreibt, endlich wieder frohen Mutes, wenn er an die Zukunft seines Ex-Vereins denkt.

“Bayern wird jetzt locker Meister”, zitiert Bild.de (exklusiv) den ehemaligen Bayern-Torwart — und suggeriert damit, Kahn führe dies irgendwie auch auf die Entlassung Klinsmanns zurück. Was aber ziemlicher Unsinn ist, weil Kahn noch nie etwas anderes geglaubt hat; auch nicht, als Klinsmann noch Trainer war. Noch einen Tag vor der Entlassung zeigte sich Kahn gegenüber “Sport 1” sicher:

“Bayern wird Meister, wenn Wolfsburg nicht gewinnt.”

Und auch, als die Bayern-Krise im Februar so richtig losging, war Kahn überzeugt, dass am Ende die Bayern vorne stehen würden. Mit dem “Klinsi-Aus” hat die Meinung des “Torwart-Titans” also nichts zu tun.

Der Frust beim gelegentlich als stur geltenden Klinsmann ob der letzten Monate muss übrigens groß gewesen sein. Klinsmann sei, so schreibt die “Süddeutsche Zeitung” heute auf ihrer Seite 3, im Laufe seiner Trainerzeit sogar auf ziemlich hohen Etagen von “Bild” vorstellig geworden, um um eine etwas weniger hämische Berichterstattung zu bitten.

Mit Dank an Jan D.

Klinsi will einfach nicht fliegen (2)

Nachtrag, 11.40 Uhr (obwohl am Anfang stehend): Mittlerweile ist Klinsi geflogen.

Also, nur für den Fall, dass Sie gerade etwas irritiert sein sollten: Jürgen Klinsmann ist unverändert Trainer bei Bayern München. Diese (banale) Feststellung nur für den Fall, dass Sie sich an einer Umfrage beteiligen wollen, die “Bild.de” gerade durchführt:

Wer könnte Klinsi als Trainer beerben?

Dabei ist die Frage der Nachfolge eines Trainers, der noch nicht einmal entlassen worden ist, schon brisant; so brisant sogar, dass man des Lesers Rat durchaus gebrauchen kann. Schließlich hatte man erst unlängst ein paar Kandidaten durchgenudelt, von Matthias Sammer bis hin zu irgendwelchen Italienern, über die sich angeblich Luca Toni sehr freuen soll.

Gekommen ist bisher keiner von denen, so dass Bild.de jetzt die zweite Kandidatenrunde aufmacht, mit dem Manko, dass der eine oder andere etwas, nunja, unerfahren als Trainer ist. Beispielsweise kommen die von Bild.de genannten Nachfolgekandidaten Paul Breitner und Mehmet Scholl auf zusammen genau null Spiele als Trainer (sieht man von Scholls Tätigkeit als Trainer der U-13 des FC Bayern ab). Und auch Stefan Effenberg und Oliver Kahn, von Bild.de ins Gespräch  gebracht, haben bisher noch nie irgendwo eine Mannschaft gecoacht. (Damit die Sammlung dann doch noch wenigstens halbwegs ernstzunehmen ist, fügt Bild.de außerdem hinzu: Ottmar Hitzfeld und Arsène Wenger, die sich immer gut machen, sowie den unvermeidlichen “Bild”-Darling Lothar Matthäus, der aktuell Trainer in Israel ist und angeblich sogar schon beim Lokalrivalen 1860 im Gespräch war).

Über Oliver Kahn schreibt übrigens heute auch die “Abendzeitung”, die von einem “Not-Konzept mit Scholl” wissen will, was sich aber ziemlich schnell als einfach mal dahinspekuliert erweist. Allerdings bleibt der AZ nicht sehr viel anderes übrig, als sich an der Scholl-Variante festzuklammern, weil die anderen beiden Kandidaten, die auch von “Bild” diskutiert werden, das eine oder andere Manko haben:

Paul Breitner: Zu sehr soll sich der Vorstandsberater ins Spiel gebracht haben – und Manager Uli Hoeneß einem Trainer Breitner skeptisch gegenüber stehen.

Oliver Kahn: Hat ein Traineramt immer ausgeschlossen, will Manager werden.

Dass Kahn gar nicht Trainer werden will (und das eigentlich auch gar kein Geheimnis ist), macht die Geschichte mit den Kandidaten natürlich ziemlich schwierig. Aber irgendwie muss man diesen Klinsmann ja loswerden können, auch ganz ohne Nachfolger. Das DSF ließ die Frage nach dem Nachfolger deswegen außen vor, zeigte sich am Sonntag in einem Beitrag für den “Doppelpass” ziemlich sicher: Es gehe nur noch um “die 3 W’s: Wann wird er rausgeworfen, wer wird ihn rauswerfen und wie wird man es ihm sagen”.

Was übrigens weder “Bild”, noch DSF, noch “Abendzeitung” einer weiteren Erwähnung wert fanden: Tabellenführer Wolfsburg verlor am Sonntag in Cottbus 2:0, der Abstand zwischen Bayern und Wolfsburg ist unverändert. Bei Bild.de heißt es dennoch unbeirrt: “Der Titel ist so gut wie weg.”

Mit Dank an Stefan H.

Nachtrag, Montag 10 Uhr: Der Einwand einiger unserer Leser, das DSF habe ja die Niederlage Wolfsburgs gar nicht erwähnen können, weil der “Doppelpass”  schon am Morgen gesendet wird, ist natürlich korrekt.

Klinsi will einfach nicht fliegen

Über den Fußball-Lehrer Jürgen Klinsmann ist in letzter Zeit viel geschrieben, gesendet und spekuliert worden. Nicht alles war zutreffend, wie man rückwirkend sehr schön an einem Beispiel des Bayerischen Rundfunks erkennen kann. Dort hatte ein Sportreporter am Morgen nach der Niederlage der Bayern in Barcelona live auf Bayern 3 angekündigt, sich jetzt mal “ganz weit aus dem Fenster zu lehnen” – und mit aufgeregter Stimme angekündigt: “Ich gehe so weit und sage: Jürgen Klinsmann tritt heute zurück.” Klinsmann tat ihm bekanntermaßen den Gefallen nicht und irgendwie hatte man danach den Eindruck, die Stimmen der BR-Leute hätten an diesem Tag etwas belegter (enttäuschter?) als sonst geklungen.

Trotzdem trommelten die Sportredaktionen des Landes munter weiter. “Fliegt Klinsi, wenn…” (entsprechenden Anlass bitte hier einsetzen) hätte man als Überschrift eigentlich auch bis zum Saisonende auf Vorrat drucken oder als Template anlegen können. Half alles nix. Klinsi flog einfach nicht.

Vor allem bei der Klinsmann nicht übermäßig gewogenen “Bild” wuchs darob anscheinend zunehmend die Verzweiflung. Also ließ man wahlweise beispielsweise den Spieler Luca Toni schon über einen Nachfolger sprechen, Oliver Kahn einen “Geheimplan” mit Uli Hoeneß aushandeln und die Fans die Macht übernehmen:

Die Bayern-Krise: Können die Fans Klinsi stürzen?

Half wieder nix. Klinsmann sitzt immer noch da, ist unverschämterweise bei drei Punkten Rückstand auch noch der Meinung, dass man eine echte Chance auf die Meisterschaft habe und bereitet demonstrativ die nächste Saison vor. Den ganzen anscheinend vorhandenen Frust lässt die “Bild am Sonntag” heute raus. Wieder nichts mit dem Rausschmiss, die Bayern gewannen in Bielefeld, Klinsmann bleibt – also titelte man:

Danke, Klinsi! Ich muss dich nicht feuern

Einen weiteren Tiefschlag hatten die “Bild”-Leute indessen schon am Samstag von einem bekommen, den sie bis dato immer wieder gerne mal als Münchens next Top-Coach ins Gespräch gebracht hatten. Die “Bild”-Frage “Was läuft denn da mit Sammer?” hat Matthias Sammer bei Premiere ziemlich eindeutig (und: irgendwie etwas verärgert) beantwortet:

“Das ist frei erfunden. Es hat keinen Kontakt gegeben. Ich heiße auch nicht Oliver Kahn. Ich heiße Matthias Sammer und ich weiß davon nichts. Die Diskussion ist einfach unsäglich.  (…) Was soll ich da eigentlich dementieren? Vielleicht kommt ja irgendwann mal jemand, vielleicht nicht. Das ist doch alles Spekulation.”

Mit Dank an Martin E.

Neulich am Grab des Prometheus

Der “Goldene Prometheus” ist auch kein schöner Preis. Er zeichnet seit einigen Jahren Journalisten Menschen aus, die von der “Prometheus”-Jury zu “Journalisten des Jahres” erklärt werden. Anders gesagt: Der “Prometheus” bzw. die “Verleihungszeremonie” (“eingebettet in ein Drei-Gänge-Menü, unterbrochen von musikalischen Darbietungen und inhaltlich gewürzt mit interessanten Laudatoren, unterhaltsamen MAZ-Einspielern und eindrucksvollen Gastrednern und Überraschungsgästen” nebst anschließender “Medienparty”, “die in ausgelassener Atmosphäre neue Möglichkeiten des Community-Building erschließt”) hat den Ruf, “ein wenig korrupt zu sein” und wird “diesem Ruf, so darf sagen, wer dabei war, […] voll gerecht” (Quelle: Claudius Seidl auf FAZ.net).

Wer nicht dabei war*, durfte bereits gestern lauter interessante Dinge über Lobbying, “Prometheus”-Chefjuror Hajo Schumacher und BILD über die Verleihung des V.I.S.D.P.- bzw. VISDP-Preises "Prometheus" an zwei BILD-Redakteureseinen “fragwürdigen Schaulauf der Eitelkeiten” (Quelle: Tom Schimmek in der “Süddeutschen Zeitung”) lesen bzw. in der “Bild”-Zeitung auf Seite 1 und heute abermals erfahren, dass unter den Preisträgern auch zwei “Bild”-Redakteure sind – ausgezeichnet als “Zeitungsjournalisten des Jahres”. Denn:

Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise [haben] die verantwortlichen Redakteure Thomas Drechsler und Oliver Santen […] sachlich und vor allem verständlich berichtet.

So steht es in der Begründung der “Prometheus”-Jury. Wir hingegen würden ja das, was die beiden “Bild”-Redakteure offenbar zu “Zeitungsjournalisten des Jahres” macht, kurz als journalistische Selbstverständlichkeiten zusammenfassen. Aber geschenkt, zumal “Bild” in Wirtschaftsdingen sowieso gern zu devoten Gesten neigt.

Prometheische Freude:

“BILD wird gern wegen angeblicher Fehler wahrgenommen. Wenn wir heute ausgezeichnet werden, weil wir etwas richtig gemacht haben, erfüllt mich das mit besonderer Genugtuung.”

(“Bild”-Politikchef Thomas Drechsler)

Die Laudatio auf Drechsler und Santen hielt übrigens Ex-Commerzbank-Chef Klaus Peter Müller, der “Bild” tatsächlich dafür loben zu müssen glaubte, “der Versuchung reißerischer Schlagzeilen widerstanden” zu haben. Doch schwergefallen sein dürfte Müller das Lob der “Bild”-Finanzberichterstattung ohnehin nicht – nicht nur, weil Müller von Berufs wegen davon profitiert, sondern auch, weil er sogar selbst sein Teil dazu beitragen durfte.

Lesen Sie daher in unserer allseits beliebten Reihe “Meilensteine des Zeitungsjournalismus” aus aktuellem Anlass: Der ehemalige Pressesprecher Oliver Santen, Ressortleiter Wirtschaft bei der “Bild”-Zeitung und “Zeitungsjournalist des Jahres”, im Gespräch mit dem Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Banken und Aufsichtsratsvorsitzenden der Commerzbank, Klaus Peter Müller.

BILD: Haben Banker komplett versagt?
Müller: Keine Frage, wir haben Fehler gemacht, das gestehe ich freimütig ein. Aber von Pauschalverurteilungen halte ich gar nichts. Die große Mehrheit der Banker macht gute Arbeit und hat sich nichts vorzuwerfen.
BILD: Stichwort US-Immobilienkrise, IKB-Skandal, KfW-Desaster: Sind viele Banker gewissenlose Zocker?
Müller: Auch das ist ein Pauschalurteil, das nicht einfach so stehen bleiben sollte. Es gibt überall schwarze Schafe. Aber wenn Einzelne Fehler machen, darf man nicht einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringen.
BILD: Haben Sie keinen Grund zur Selbstkritik?
Müller: Doch natürlich. Wie schon gesagt, es wurden Fehler gemacht. Wir hätten nicht zulassen dürfen, dass Finanzprodukte so kompliziert werden, dass der Kunde sie nicht mehr versteht. Und: In der Immobilienkrise in den USA wurde vieles nicht richtig geprüft und bewertet. Wir haben uns zu sehr auf das Urteil der Rating-Agenturen verlassen.
BILD: Können Sie verstehen, dass viele Kunden den Banken nicht mehr trauen?
Müller: Diese Erfahrung machen wir bei der Commerzbank mit unseren Millionen Kunden nicht. Es ist vielmehr so, dass … usw. usf.

*) Hinweis: BILDblog war 2005 selbst (kurzzeitig) für den “Goldenen Prometheus” nominiert.

“BILD Brother is watching you”

Gestern kündigte die Axel Springer AG offiziell den nächsten “Schritt in der Medienevolution” (wir berichteten) an und machte ihn konkret: Ab dem 4. Dezember gibt es beim Discounter Lidl, bekanntlich ein guter Geschäftspartner von “Bild”, für rund 70 Euro (und nicht wie mal geplant umsonst) eine “preisgünstige und leicht zu bedienende Videokamera”. Das “Besondere” daran:

Wenn man das Gerät an einen Computer anschließt, öffnet sich automatisch ein Programm mit dem die Filme zum Online-Portal von BILD geschickt werden können.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten Verbands Michael Konken sagte der Nachrichtenagentur dpa dazu:

“Das bringt uns im Journalismus nicht weiter und es ist eine Aufforderung, Grenzen zu überschreiten (…). Viele werden unter Missachtung aller Persönlichkeitsrechte versuchen, Prominenten aufzulauern.” Diese Art von Sensationsjournalismus könne leicht außer Kontrolle geraten.

Bei Autounfällen würden zu allererst Kameras gezückt und damit Hilfskräfte sowie professionelle Journalisten behindert.

Bei Tagesspiegel.de hingegen heißt es unter der Überschrift “Bild rüstet Leserreporter auf – na und?”:

Tatsächlich sind die eindringlichsten Bilder der letzten Ereignisse allesamt von Laien aufgenommen worden. Egal ob 09/11 oder der Tsunami 2004, egal ob Abu Ghraib oder die Hinrichtung Saddam Husseins, es waren private Aufnahmen, die Geschichte geschrieben haben. Und ja, diese Entwicklung muss man ernst nehmen. (…)

Kai Diekmann ist für “Bild” vorgeprescht und hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die nun einmal existiert. Und gerade weil im Journalismus bestimmte Standards gelten sollen: An dieser Front darf man Diekmann auf keinen Fall alleine lassen.

Wortvogel zieht unter der Überschrift “Jedem Arschloch seine Kamera” Vergleiche zu Orwell (“BILD Brother is watching you”) und schreibt:

Das Recht am eigenen Bild, es stirbt nicht durch Paragraphen, sondern durch Schulterzucken: “Wir haben gedacht, das sei okay – und außerdem: das Video stammt von einem Leser, WIR zeigen es ja nur”. (…)

Dann sehen wir endlich im Bewegtbild, wie der psychisch Kranke nackt über die Straße kriecht. Haben wir schließlich ein Recht drauf. Und wäre doch gelacht, wenn nicht auch ein paar “Busenblitzer” vorkommen. (…) Schwenk zum Lastwagen, der einen Golf zermalmt hat: “Hier stirbt gerade ein Mensch”. Schlimm, sowas. (…) Dann lieber weiter zu Oliver Kahn, der doch tatsächlich bei der Filmpremiere in der Seitenstraße an die Mülltonne gepinkelt hat. Konnte man genau sehen. BILD fragt einen prominenten Urologen: Sieht das Genital des Titans eigentlich gesund aus?

Und “Spießer Alfons” schreibt:

Spießige Frage: Gab es bei Lidl nicht schon mal Überwachungskameras…? Und wer war es, der damals den Lidls publizistisch aus der Klemme geholfen hat…?
(Links von uns)

Mit Dank an die Hinweisgeber.

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