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100 % der “Bild”-Leser in die Irre geführt

"EU verschwendet 250 Mio. Euro! -- Brüssel. Die EU verschwendet jedes Jahr rund 250 Millionen Euro, weil die 785 Abgeordneten zwischen den beiden Parlamentssitzen in Brüssel und Straßburg hin- und herpendeln müssen. Laut einer Umfrage, die der deutsche FDP-Abgeordnete Alexander Alvaro organisiert hat, halten das 89 % der Parlamentarier für falsch, 81 % wollen Brüssel als einzigen Sitz. Alvaro zu BILD:

Hat’s also immerhin auf die Titelseite der heutigen “Bild”-Zeitung geschafft, die Pressemitteilung von Alexander Alvaro, Vorsitzender der “Kampagne für Parlamentsreform”: Da verschwendet die EU jährlich 250 Millionen Euro, und 89 Prozent der EU-Parlamentarier halten das für falsch — das ist doch was!

Nun ja: Schaut man sich die Pressemitteilung Alvaros, auf der “Bild”-Meldung beruht, genauer an, ist dort auch nirgends von “89 % der Parlamentarier” die Rede. Vielmehr betont Alvaro selbst, dass sich nur 306 der 785 EU-Abgeordneten (umgerechnet also 39 %) an seiner Umfrage beteiligt und “89 % der Teilnehmer” (umgerechnet also nur 35 % der Parlamentarier) gegen die Pendelei zwischen Brüssel und Straßburg ausgesprochen haben. Pendel-Gegner Alvaro hält sein Ergebnis dennoch für ein “durchaus repräsentatives” — und “Bild” gibt “Bild”-Lesern keine Chance, daran zu zweifeln.

Und was die Höhe der EU-Verschwendung anbelangt: Die “Kampagne für Parlamentsreform” beziffert sie nur auf 200 Millionen. Und der von “Bild” zitierte FDP-Mann Alvaro übrigens auch.

Allgemein  

Zirkusreife “Bild”-Kampagne gegen Sarrasani

Tag 1:
Es fing eigentlich relativ harmlos an: Vor einer knappen Woche berichtete “Bild”-Dresden zum ersten Mal über die zwei Tiger des"Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!" Zirkus “Sarrasani”: “Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!” (siehe Ausriss). Mieter hätten sich wegen des Gebrülls beschwert, hieß es. “Bild” zitierte eine 71-jährige Anwohnerin, die sich gar nicht mehr traue, “an unserem alten Supermarkt vorbeizugehen”. Außerdem stinke es “schrecklich”. Eine weitere Mieterin “schimpft” angeblich: “Das Gebrüll hört sich so qualvoll an!” Zwar habe die Stadt die “seltsame Raubtierhaltung” genehmigt. Allerdings zitiert “Bild” einen Amtstierarzt, er habe nicht gewusst, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden.

Tag 2:
Am Tag darauf berichtete “Bild”"Rettet die Tiger aus dem Supermarkt" wieder über den “Skandal”, den “Bild”-Leser “aufgedeckt” hätten. Unter der Überschrift “Rettet die Tiger aus dem Supermarkt” behauptete “Bild”, Sarrasani lasse seine zwei Tiger “seit Wochen” und “heimlich” im Supermarkt wohnen. Und Tierschützer würden fordern, dass “Sarrasani seine Tiere sofort artgerecht unterbringt”. (Nebenbei: Als wir einen der von “Bild” zitierten Tierschützer fragten, ob er die konkrete Unterbringung der Sarrasani-Tiger kenne, beendete der abrupt das Telefon-Gespräch.)

Tag 3:
Am folgenden Tag hieß es in “Bild”: “Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt"Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?" Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?” “Bild” habe herausgefunden, dass nicht mal der Vermieter der Halle über die “merkwürdige Nutzung als Raubtierkäfig” informiert gewesen sei. “Ob Sarrasani rausfliegt”, wolle der Vermieter nach einem Gespräch entscheiden. Und wieder hieß es, “Bild”-Leser hätten “aufgedeckt, dass der Varieté-Chef seit Wochen seine Tiger (…) mitten im Wohngebiet hausen lässt.”

Tag 4:
Einen Tag später kam, was kommen musste: “Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!” Ein “Bild”-Fotograf "Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!"hatte ein Foto gemacht, das, nun ja, einen Tiger hinter Gittern zeigt, und offenbar die Behauptung Sarrasanis widerlegen sollte, es gehe den Tigern gut. “Bild” fasste noch kurz ihre Kampagne der vorhergehenden Tage zusammen und schrieb, dass sich “wieder Mieter der angrenzenden Wohnblocks bei BILD” gemeldet hätten. Von “mehreren Eingaben wegen des Gebrülls und Gestanks” war die Rede. Zu Wort kam dann allerdings wieder nur die 71-jährige Mieterin, die “Bild” schon am ersten Tag ihrer Kampagne zitiert hatte und die sich nun auch noch über “das Zirkus-Zelt mit Bumbum bis 23 Uhr” beschwerte. “BILD bleibt dran!” hieß es abschließend.

Tag 5:
Tat sie auch. Aber nur in Form einer Zwei-Spalten-Meldung, in der es hieß: “Gestern fotografierte BILD exklusiv eine der beiden Raubkatzen” — und die darüber Auskunft gab, dass Sarrasani “einen zweiten Drahtzaun mit Sichtschutz gegen neugierige Blicke aufgestellt” habe.

Soweit die Kampagne von “Bild”. Und nun die Fakten:

Die Sarrasani-Tiger wohnen nicht “seit Wochen”, wie “Bild” mehrfach behauptete, “im Supermarkt”, sondern sie sind bereits seit dem Jahr 2004 auf dem Gelände untergebracht. Und das auch nicht “heimlich”, wie “Bild” wiederholt schrieb, sondern mit Kenntnis und Billigung des Veterinäramts, das die Haltung abgenommen und regelmäßig kontrolliert hat. “Die Haltungsbedingungen und der Allgemeinzustand der Tiger wurden letztmalig im Dezember 2006 amtstierärztlich kontrolliert”, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung. Zudem fand am Tag des ersten “Bild”-Berichts eine weitere Kontrolle statt. Weiter heißt es in der Mitteilung (und ähnlich auch in einer Stellungnahme Sarrasanis [pdf]):

Bei beiden Kontrollen ergaben sich aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Beanstandungen bzw. Auflagen.

Sarrasanis Vermieter, die TLG Immobilien GmbH, ist nach unseren Informationen seit Mietbeginn im Jahr 2004 darüber informiert, dass der Zirkus zwei Tiger auf dem Gelände hält. Bei der TLG wollte man sich uns gegenüber jedoch nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Dass laut “Bild” weder der zitierte Amtstierarzt noch der Vermieter gewusst hätten, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden, kann allerdings stimmen. Doch es gibt dafür einen einfachen Grund: Die Tiger werden nicht “im Warenlager” gehalten.

In der Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung heißt es entsprechend:

Die Tiger werden im Außengelände neben der ehemaligen Kaufhalle am Straßburger Platz gehalten. Die Haltung der Tiere ist nicht zu beanstanden; Größe und Ausstattung der Haltungseinrichtungen entsprechen den “Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen des BMVEL” sowie den Anforderungen des Erlaubnisbescheides nach § 11 Tierschutzgesetz der zuständigen Erlaubnisbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Ob es aus ethischer Sicht zu beanstanden ist, Tiger oder sonstige wilde Tiere wie beispielsweise Eisbären in Gefangenschaft zu halten, wollen wir nicht diskutieren. Sarrasani erfüllt jedenfalls offensichtlich alle “drei Voraussetzungen” für die Haltung von Tigern, die “Bild” bereits am zweiten Tag ihrer Kampagne zusammengetragen hatte:

"Darf sich eigentlich jeder einen Tiger halten?"

P.S.: Der Zirkus Sarrasani hat in direkter Umgebung des Tiger-Geheges ein Büro mit Kartenverkaufsstelle. Von Beschwerden seitens der Anwohner sei bei Sarrasani jedoch nichts bekannt, sagt uns eine Sprecherin auf Anfrage. Tja, die 71-jährige Dame Mieter hielten es offenbar für sinnvoller, sich an “Bild” zu wenden.

  

Jeder ist seines eigenen Glückes Feind

Das Erstaunliche vorweg: Offenbar weiß man bei “Bild” über Persönlichkeitsrechte eigentlich ganz gut Bescheid. Theoretisch.

Als Nicolaus Fest, einer der stellvertretenden “Bild”-Chefredakteure, gestern abend vor den Toren Hamburgs (eigentlich vor den Toren Wedels) im Hörsaal 5 der Fachhochschule Wedel einen Gastvortrag über “Medien und Persönlichkeitsrecht” hält, hat seine Sekretärin leider vergessen, ihm auch das Vortragsmanuskript einzupacken. Immerhin hat der gelernte Jurist und Kunsthistoriker aber einen dicken Aktenordner mit Fallbeispielen dabei. Und das Grundsätzliche ist ohnehin schnell gesagt: “Journalismus kommt ja von jour, der Tag”, und jeden Tag aufs Neue gebe es einen Konflikt zwischen dem Recht des Einzelnen auf den Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und dem öffentlichen Interesse andererseits. Dazwischen gelte es abzuwägen.

“Natürlich ist es ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht, wenn man ungefragt irgendwelche Leute ‘abschießt'”, sagt Fest. Aber das Ganze sei “eigentlich ein Thema für Juristen” und die Abwägung immer eine Einzelfallentscheidung. Zudem entschieden die Gerichte unterschiedlich (in Berlin meist zugunsten des Medienopfers, in Hamburg zugunsten von “Bild” der Pressefreiheit), und — um Fests unausgesprochene Quintessenz gleich vorwegzunehmen — Schuld sind immer die anderen.

Fest selbst hingegen formuliert seine These wie folgt: “Alle denken: Der größte Feind des Persönlichkeitsrechts ist die ‘Bild’-Zeitung.” Aber das, so Fest, stimme gar nicht, denn:

“Der größte Feind des Persönlichkeitsrechts ist im Zweifel der Inhaber selbst.”

Und in der Tat scheint Fests mitgebrachte Beweislast erdrückend: Da schrieb doch eine “bekannte Schauspielerin” in einem persönlichen Brief an “Bild” ausführlich und detailliert über Ehestreitigkeiten, um das Blatt abschließend zu bitten, von weiterer Berichterstattung abzusehen! (Die rund 50 Zuhörer im mäßig gefüllten Hörsaal sind amüsiert.) Andere Prominente wiederum verbeten sich die angelegentliche Berichterstattung über ihr Privatleben — aber, wie sich herausstellt, nur, weil sie mit irgendeinem anderen Medium einen Exklusivvertrag geschlossen haben. (Die Zuhörer staunen.) “Unterdrücken, steuern, wirtschaftliche Marktposition stärken”, das sei es, was der Prominente mit der Berichterstattung über ihn wolle.

Zwischen den Zeilen wird deutlich: Wer einem Promimagazin ein exklusives Interview gibt, muss sich gefallen lassen, dass “Bild” in seinem Privatleben herumschnüffelt. Wer Mutter ist und sich (trotzdem) für ein Erotikmagazin fotografieren lässt, muss sich (deshalb) von “Bild” fragen lassen, ob man da denn seinen Erziehungsaufgaben nachkomme. Wer irgendwann mal ein Buch übers Jogging geschrieben hat, muss natürlich auch Jahre später hinnehmen, dass “Bild” ihren elf Millionen Lesern zeigt, dass er irgendwo auf der Welt in einer Patisserie gewesen ist. Wer als Schauspieler die Rolle eines polizeilichen Ermittlers übernimmt, muss einsehen, dass “Bild” eventuelle Ermittlungen gegen ihn zu Schlagzeilen macht. Und wenn sie das nicht hinnehmen wollen, diese Prominenten, dann liegt das nicht zuletzt an der florierenden “Anwaltsindustrie”, die aus jeder Persönlichkeitsrechtsverletzung Kapital zu schlagen versuche. Dass das offenbar ein Geschäftsmodell ist, dass sich “Bild” ungern streitig machen lässt, sagt er nicht.

Ebenfalls unerwähnt bleiben am Abend in Wedel all jene Fälle, in denen “Bild” auch das Privatleben von Prominenten in die Öffentlichkeit zerrte, die selbst nie Privates preisgeben. Oder die vielen nicht-prominenten “tätowierten Liebesmonster” und vorverurteilten “Bestien” auf dem Weg in den Gerichtssaal — und auch nicht die Kinder, deren Gesichter “Bild” immer mal wieder ohne Einverständnis der Eltern auf ihre Titelseiten druckt: für Fest offenbar alles Einzelfälle, über die man sich streiten kann — im Zweifel vor Gericht.

Am Ende des Abends aber erhalten wir von Fest immerhin endlich Antwort auf eine Frage, die wir vor einem knappen Vierteljahr an “Bild” gestellt und bislang nicht beantwortet bekommen hatten – nämlich, ob “Bild” das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (von “Bild” schlicht “Maulkorb-Urteil” genannt) eigentlich anerkenne. Fest tastet sich langsam heran: Das Urteil, das Prominenten einen weitreichenden Schutz ihres Privatlebens zubilligt, sei auf europäischer Ebene nicht unumstritten, zudem sei auch die Straßburger Entscheidung nur ein Einzelfall und “Bild” ohnehin nicht prozessbeteiligt gewesen. Aber dann sagt er zusammenfassend:

“Wir halten uns an die etablierte Rechtsprechung, weil sie verlässlicher ist, bevor wir uns auf das außerordentlich dünne Eis des Straßburger Urteils begeben.”

Das ist zwar nicht wahr, weil “Bild” immer wieder auch gegen die “etablierte Rechtsprechung” verstößt. Aber klar: Wenn die Gerichte dann doch gegen “Bild” entscheiden — dann sind es eben die falschen Gerichte, die sich von den falschen Anwälten haben überzeugen lassen.

Mit Dank für die Fotos an Sebastian Conrad.

Hofberichterstattung

Es ist noch keinen Monat her, da sagte Chefredakteur Kai Diekmann, “Bild” werde Konsequenzen aus dem sogenannten “Caroline-Urteil” ziehen und bis auf weiteres auf Homestories über Politiker verzichten. Wenn man nicht mehr kritisch über das Privatleben von Politikern berichten dürfe, sagte er dem “Focus”, wolle man es lieber gar nicht tun: “Wir müssen … beim Leser jetzt von vornherein jeden Anschein vermeiden, wir würden mit eingebauter Schere im Kopf nur noch Hofberichterstattung betreiben.” Laut “Bild” hätten die Straßburger Richter nämlich entschieden, “dass die Berichterstattung (z. B. Fotos) über Prominente nur noch mit deren Erlaubnis zulässig” sei.

Am Samstag hatte Gerhard Schröder einen Termin in Paderborn. Seine Mutter liegt dort im Krankenhaus. Sie konnte ihren Geburtstag nicht zuhause feiern, deshalb besuchte der Kanzler sie am Krankenbett, ohne Frau, Stief- und Adoptivtochter, dafür aber mit einem “prächtigen Herbststrauß”. Er trug ein “lässiges Polohemd, sportliches Jackett und eine Sporthose” und blieb eine Stunde.

Woher wir das alles wissen? Stand heute groß auf Seite 2 der “Bild”. Mit Foto vom Kanzler mit Herbstblumenstrauß. Ach, und er nennt seine Mutter “nur zärtlich ‘Löwe'” und liebt, wie sie, Pflaumenkuchen.

“Wir können gar nicht anders”, hatte der “Bild”-Chefredakteur noch gesagt, “als ab sofort zum Beispiel auf jedwede Art von HomeStorys über Politiker zu verzichten.” Aber der Kanzler ist ja auch in Hannover zuhause. Nicht in Paderborn.

Hof ohne Berichterstatter

“Bild” will als Konsequenz auf das “Caroline-Urteil” bis auf weiteres auf Homestories über Politiker verzichten. Nach dem “Straßburger Maulkorburteil” sei rechtlich unklar geworden, was an kritischer Berichterstattung über Prominente, vor allem über Politiker, noch erlaubt sei, sagte Chefredakteur Kai Diekmann dem “Focus”. “Deshalb müssen wir umgekehrt beim Leser jetzt von vornherein jeden Anschein vermeiden, wir würden mit eingebauter Schere im Kopf nur noch Hofberichterstattung betreiben.”

“Homestories” ist natürlich ein Begriff, der Fragen offen lässt: Würden wir in Zukunft nicht mehr aus “Bild” erfahren, dass die dreijährige Adoptivtochter der Schröders schon “Papa” zum Kanzler sagt? Oder wie das aussah, als er das Grab seines Vaters besuchte? Dass Guido Westerwelle einen Freund hat?

Ist das das Ende von allem?

Eine verlogene Debatte II

Endlich hat “Bild” ein Wort gefunden: “Maulkorb-Urteil”. So nennt das Blatt seit heute das bislang als “Caroline-Urteil” bekannte Straßburger Urteil, durch das “Bild” und viele Zeitungen, aber keineswegs alle (vgl. z.B. hier, hier und hier), das Ende der Pressefreiheit gekommen sehen. Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, trotz (oder wegen) einer hektischen Kampagne keinen Widerspruch gegen dieses Urteil einzulegen.

“Bild” schreibt:

Die Straßburger Richter hatten entschieden, dass die Berichterstattung (z. B. Fotos) über Prominente nur noch mit deren Erlaubnis zulässig ist.

Das ist in dieser Verkürzung falsch. Im Urteil heißt es ausdrücklich, dass “die Öffentlichkeit ein Recht darauf haben mag, informiert zu werden, ein Recht, das sich unter besonderen Umständen auch auf das Privatleben von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erstrecken kann“, dies sei allerdings im Fall von Caroline nicht gegeben. Entscheidend sei “inwieweit die veröffentlichten Fotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteresse geltend gemacht werden kann.”

“Bild” schreibt:

Jetzt kann nur noch das Bundesverfassungsgericht die Pressefreiheit in Deutschland retten!

Hübsch gesagt, im Kern auch nicht ganz falsch, in der Formulierung aber völlig irreführend. Die Bundesregierung hat nämlich vor ihrem Beschluss, keinen Einspruch einzulegen, das Bundesverfassungsgericht um eine Stellungnahme gebeten. Dessen Präsident antwortete, es sei nicht unbedingt nötig, jetzt einzuschreiten. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Straßburger-Urteil wirklich ein Problem für die Pressefreiheit werde, könne (und müsse) man gegebenenfalls in einem späteren Fall entsprechend tätig werden.

An einer Stelle ist “Bild” wirklich treffend. Chefredakteur Kai Diekmann hat für seinen Kommentar zum Thema die Überschrift gewählt:

In eigener Sache

Leider stellt sich heraus, dass er damit nicht sich und die anderen bunten Blätter meint, die zittern müssen, ob sie auch in Zukunft irrelevante, heimlich gemachte Bilder aus dem Privatleben von Prominenten veröffentlichen dürfen. Er meint die Bundesregierung, die er in der Sache für befangen hält.

Eine verlogene Debatte

“Bild” kämpft an vorderster Front gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das es als “Zensur” bezeichnet. In der “Süddeutschen Zeitung” lesen sich die Folgen der Entscheidung ein bisschen anders:

“Da läuft eine verlogene Debatte“, stellt der Essener Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner fest. “Es geht um Kohle für einige Verlage, und die machen eine Kampagne daraus. Bedroht ist nicht der investigative Journalismus, sondern der Kloakenjournalismus.” …

“Im Klartext: Über viele Skandale dürfte dann nicht mehr berichtet werden”, schrieb Bild am Dienstag. “Vor allem über die inszenierten”, kommentiert Anwalt Holthoff-Pförtner knapp. …

Bundesverfassungsrichter Hoffmann-Riem findet … “keines der Beispiele der Behinderung der Wächterfunktion der Presse wird von der Straßburger Entscheidung erfasst. Sie behindert insbesondere keine Recherchen der Presse zwecks Aufdeckung von Skandalen.”

Etwas überspitzt lässt sich der Artikel des SZ-Redakteurs Hans Leyendecker so zusammenfassen: Seriöse Journalisten haben das Straßburger Urteil nicht zu fürchten. “Bild” schon.

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