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Die klare Sprache von “Bild”

Ausgesprochen unkritisch interviewt “Bild” heute den umstrittenen Historiker Arnulf Baring, nennt ihn “Deutschlands "Deutschlands klügster Kopf redet Klartext - Das läuft mit den Ausländern falsch"klügster Kopf” (obwohl man ihn mit derselben Logik auch den “naivsten Kopf Deutschlands” nennen könnte) und macht ihn zur Titelschlagzeile (siehe Ausriss).

Spiegel Online schreibt dazu:

Im (…) Interview erklärt der Historiker Arnulf Baring, der Deutschland schon vergangenes Jahr über Notverordnungen (!) regiert sehen wollte, dann jenen Satz, der seit dem Hilferuf der Rütli-Schule an jedem Stammtisch zu hören ist: “Multikulti ist gescheitert.” Schuld daran sind — so sehen es die Konservativen — natürlich die “Multikulti-Befürworter”, also jene rot-grünen Dummdeutschen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer brav und arglos zwischen kurdischem Volksfest (vermutlich heimliche Terroristenversammlung) und libanesisch geführtem Italiener-an-der-Ecke (Schnauzbart, sehr suspekt) hin- und hergependelt sind. Freilich ohne zu merken, wie der Kurde und der südländische Kellner heimlich ihre blitzenden Messer wetzen, schlecht über unsere deutschen Frauen reden und hinter unserem Rücken ein unfriendly Takeover der Bundesrepublik vorbereiten. Wie gut, dass uns Arnulf Baring gerade noch rechtzeitig gewarnt hat!

Es ist deshalb höchste Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen: Weder Rot-Grün oder die naiven Multikulti-Befürworter tragen die Hauptschuld an der jetzigen Integrationsmisere. Der Mann heißt Helmut Kohl. (…)

Auch ein Massenblatt wie die “Bild”-Zeitung könnte mit ihrer klaren Sprache hilfreich sein. Auf Ausgaben, in denen Kampagnen gegen erfolgreiche Schauspielerinnen türkischer Herkunft gefahren werden oder ein Arnulf Baring von der Leine gelassen wird, können wir dagegen verzichten.

“Bild” wirkt (2)

Dass ein mutmaßlicher “Nackt-Test für Ausländer” nach niederländischem Vorbild, über den “Bild” gestern groß zu berichten wusste (siehe Ausriss), zumindest in den Niederlanden kein “Nackt-Test” ist, sollte inzwischen eigentlich jedem klar sein, weil viele Medien die Null-Meldung der “Bild”-Zeitung zum Anlass nahmen, selbst darüber zu berichten.

Stellvertretend sei hier nicht Zeit.de, sondern Süddeutsche.de zitiert:

“Von einem ‘Nackt-Test’, auf den die Bild-Zeitung sich fragend bezieht, kann also keine Rede sein. Es geht offenbar darum, einbürgerungswilligen Ausländern ein umfassendes Bild von der Gesellschaft zu vermitteln, in der sie leben möchten — mit allen Facetten.”

Ebenfalls herumgesprochen haben sollte sich eigentlich auch, was beispielsweise die niederländische Regierung über das Einbürgerungsprojekt “Naar Nederland” bzw. über die dazugehörigen Bilder einer barbusige Frau zu sagen hat, die “Bild” und Bild.de so aufgeilte offenbar gar nicht oft genug zeigen konnten:

1.) “Zu den Bildern werden keine Fragen gestellt.”

2.) “Die Auftraggeber haben beschlossen, zwei Versionen des Films herauszugeben. Eine usprüngliche Version, in der die Offenheit niederländischen Zusammenlebens explizit zu sehen ist (Bilder eines Strandes mit einer Frau mit entblößtem Oberkörper, ein Popkonzert und zwei sich küssende Männer), und eine ‘gekürzte’ Version, in der diese drei Bilder nicht vorkommen, weil der Besitz solchen Bildmaterials in einigen Ländern Strafverfolgung nach sich ziehen kann.”
(Übersetzung von uns.)

So ähnlich stand es immerhin am vergangenen Dienstag (nachdem zuvor die “FAS” das Thema in einem Interview mit Innenminister Wolfgang Schäuble aufgebracht hatte) auch bei Spiegel Online:

“Vorbereiten auf den Test und das Leben im einst so liberalen Land hinter den Deichen können sich die Einwanderer mit einem Buch, das es in 14 Sprachen gibt, und mehreren CD-Roms, die auch Videoaufnahmen enthalten. Weil dabei nackt badende Frauen und Schwule zu sehen waren, die sich in der Öffentlichkeit küssen, kam es zu Protesten von Muslimen. Seitdem gibt es eine keusche und eine unkeusche Version – beide kosten stolze 63,90 Euro.”

In “Bild” steht das natürlich nicht. Dort heißt es über das niederländische Projekt bloß:

“Dort bekommen Ausländer, z. B. aus muslimischen Ländern, schon vor der Einreise eine DVD zugeschickt (Kosten: 63,90 Euro), die das typische Leben in den Niederlanden darstellt.

Zu sehen sind unter anderem küssende Schwulen-Paare und Urlauberinnen, die ‘oben ohne’ am Strand planschen.”

Und würden wir uns kritisch mit der Berichterstattung von Spiegel Online auseinandersetzen, müssten wir uns jetzt wohl fragen, warum Spiegel Online am Tag der “Nackt-Test”-Meldung in “Bild” plötzlich nichts mehr zu wissen scheint von den zwei unterschiedliche “keuschen” Versionen und stattdessen (O-Ton Spiegel Online: “einem Zeitungsbericht zufolge”) nur pauschal behauptet, es seien dort “unter anderem Frauen, die in der Öffentlichkeit ‘oben ohne’ baden, und sich küssende Homosexuelle” zu sehen.

Die traurige Antwort würde lauten: weil offenbar auch Spiegel Online irgendwelchen irreführenden “Bild”-Behauptungen mehr traut als den eigenen Berichten.

Mit Dank an Jürgen K. und viele andere für den Hinweis.

Schock, grob geschätzt

Seit Montag schon druckt “Bild” ja “das brisanteste Buch des Jahres — exklusiv”. Laut “Bild” ist das Buch “eine Liebeserklärung und ein SOS-Ruf an die Familie”.

Und, zugegeben, die Lage ist schlimm — aber doch nicht ganz so schlimm, wie “Bild” sie heute (siehe Ausriss), ihren Vorabdruck flankierend, darstellt:

“Nur 676 000 Kinder kamen 2005 zur Welt, der niedrigste Stand seit dem 2. Weltkrieg, meldet das Bundesamt für Statistik.”

Mit dieser Zahl belegt die “Bild”-Zeitung, dass “wir Deutschen” (“eine bedrohte Spezies”) bis zum Jahr 2300 ausgestorben sein werden. Vom Statistischen Bundesamt allerdings stammt die Zahl nicht. Am 20. Januar erschien die bisher letzte Mitteilung der Behörde zu dem Thema. In dieser ist von “680 000 bis 690 000” Geburten die Rede. Andere Zahlen habe man seitdem nicht herausgegeben, sagte uns die zuständige Sachbearbeiterin. Die 676.000 seien eine Berechnung der Tageszeitung “Die Welt” , einer Schwesterzeitung von “Bild”.

Und so steht es auch in einer Meldung, die die Nachrichtenagentur AP gestern verschickte:

“Einer Schätzung der Tageszeitung ‘Die Welt’ zufolge kamen 2005 sogar nur knapp 676.000 Kinder zur Welt. Die Zeitung hatte die Geburtenzahlen der ersten neun Monate mit den Werten des letzten Quartals 2004 ergänzt.”

Aber auch die übrigen Belege der “Bild” sind weniger “Fakten” als grobe Schätzungen:

“In den nächsten 44 Jahren (bis 2050) wird die Zahl der Deutschen um 12,5 Mio. sinken — von heute knapp 82 auf knapp 70 Mio. Menschen.”

Diese Zahlen stammen tatsächlich vom Statistischen Bundesamt. Sie wurden am 6. Juni 2003 als negativste von neun möglichen Entwicklungen veröffentlicht. Allerdings mit einer deutlichen Warnung:

“Weil die Entwicklung der genannten Bestimmungsgrößen mit zunehmendem Abstand vom Basiszeitpunkt 31.12.2001 immer unsicherer wird, haben solche langfristigen Rechnungen Modellcharakter. Sie sind für den jeweiligen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten keine Prognosen, sondern setzen die oben beschriebenen Annahmen um.”

Daher sagt das Bundesamt, die Bevölkerungszahl werde im Jahr 2050 “zwischen 67 und 81 Millionen” betragen.

Mit Dank an Dominik D. und Nikolai S.

Nachtrag, 16.3.2006: Betrachtet man die Deutschen als aussterbende “Spezies”, wie es “Bild” tut, dann gibt es davon schon jetzt nicht mehr ganz so viele: Von den “rund 82,5 Millionen Einwohnern“, die das Statistische Bundesamt derzeit in Deutschland zählt, haben 75,2 Millionen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Rest sind Ausländer — womit der Satz, dass “die Zahl der Deutschen um 12,5 Mio.” sinken werde, nicht nur grob geschätzt ist, sondern wahrscheinlich auch falsch.

Mit Dank an an Philipp G., Hanno B., Micha O. und Eike F. für die Ergänzung.

  

Betr.: “Bild”-Kolumnist Hauke Brost erklärt BILDblog

Auf seiner Homepage hatte “Bild”-Kolumnist Hauke Brost www.BILDblog.de zu seinen “Lieblings-Links” gezählt und das wie folgt begründet:

Weil die Macher dieser Seite Tag für Tag geradezu rührend bemüht sind, BILD Fehler nachzuweisen. Zugegeben: Manchmal schaffen sie das tatsächlich (nobody is perfect). bildblog ist für mich wie ein lieber Nachbar, der den ganzen Tag mit dem Sofakissen im Fenster lehnt und in einen Garten glotzt, in dem er Unsittliches vermutet. “Ha, schon wieder ein Wort falsch geschrieben! Typisch BILD!” “Ha, Wussow ist laut BILD schwerkrank? Vor 4 Wochen war Wussow laut BILD noch fit wie ein Turnschuh, klicken Sie hier!” “Haben Sie schon diese entsetzliche Glosse von Hauke Brost gelesen?” So ähnlich geht das den lieben langen Tag. bildblog hat null Humor, weiß grundsätzlich alles besser und macht natürlich niemals Fehler. So ist mir bildblog ans Herz gewachsen – so wie ich oben erwähnten Nachbarn auch fröhlich grüßen würde: “Na, Herr Nachbar? Heute schon jemanden beim Falschparken oder Nacktbaden erwischt?”

bildblog verkörpert die hierzulande weit verbreitete Oberlehrer-Mentalität wie kaum eine andere website und ist deshalb auf jeden Fall einen Besuch wert. Außerdem ist bildblog mehrfach preisgekrönt, also muß ja was dran sein… (???)

Manchmal ist bildblog sogar selbstkritisch. Lesen Sie das (Zitat aus bildblog). “Die Lust, mitzuwirken an BILDblog, scheint grenzenlos. Und führt gelegentlich zu beunruhigenden Auswüchsen. Als wir einmal einen Beitrag über Hauke Brost brachten, einen “Bild”-Kolumnisten, der zu seinen Artikeln voller Klischees über Frauen und Ausländer nur stehen kann, indem er sie als Satire verstanden wissen will, war darin auch ein Link zu seiner Homepage enthalten. In kürzester Zeit hatten unsere Leser dem Mann sein Gästebuch, man kann es nicht anders sagen: vollgekotzt. Eine offenbar jahrelang aufgestaute Wut brach sich Bahn. Erschrocken verfolgten wir, wie sich – trotz unserer Bitten um Zurückhaltung – die Schreiber in immer groteskeren und abstoßenderen Beschimpfungen überboten. Ein Mitarbeiter von “Bild” sagte später: Da sehe man mal, wir sollten von unserem hohen moralischen Ross runterkommen. Unter unseren Lesern sei genauso ein “Mob” wie unter denen der Zeitung, für die er arbeitet. Wir hätten ihm den vermeintlichen Beweis für diese Illusion lieber nicht geliefert.” (Zitat Ende.) Dieser Text enthält zwar eine Reihe von Fehlern und hinterläßt eine Reihe von Fragen. Aber trotzdem danke, bildblog, für diese leisen Ansätze von Selbsterkenntnis.

Brost hat obigen Text inzwischen von seiner Homepage entfernt. Kurzzeitig fand sich dort allerdings offenbar folgender Hinweis:

Und wo ist der Link, den Sie eigentlich lesen wollten? Wegen dem Sie auf dieser Site gelandet sind? Ich habe ihn erst einmal gelöscht, da mir die lieben Kollegen während meines Urlaubs eine Mail geschickt haben, in der sie den bisherigen Text in Frage stellen. Das muss man ernst nehmen. Also denke ich erst einmal in Ruhe darüber nach.

Der Hinweis wurde inzwischen ebenfalls gelöscht.

“Bild” will Ausländerin aus dem Land jagen

Die “Bild”-Zeitung kann die niederländische RTL-Moderatorin Tooske Ragas nicht ausstehen. Sie hält sie für langweilig, unansehnlich, schwer verständlich und inkompetent.

Es ist das gute Recht der “Bild”-Zeitung, Tooske Ragas für ihr angeblich fehlendes Talent zu kritisieren. Allerdings gibt es Grenzen für die Form dieser Kritik. Sie sind zurückzuführen auf einen Gedanken im Grundgesetz, Artikel 1. Dort heißt es: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.”

“Bild” nennt Ragas “Käse-Tussi” und “Gouda-Tooske” und macht in diesem Zusammenhang gleichzeitig alles Holländische verächtlich, vom Bier (“fad und nüchtern”) bis zur Fußball-Nationalmannschaft (“Ihr werdet im Leben nicht mehr Weltmeister”). In einem “offenen Brief” an die Moderatorin (unterschrieben mit “Deine BILD Zeitung”) klingt das heute so:

Käse-Tussi, hops in deinen Wohnwagen und roll zurück Richtung Campingplatz! Ins Land, wo die Menschen ihr eigenes Gras rauchen — und auf’m Rasen spucken, statt Fußball zu spielen.

Wahrscheinlich würde die “Bild”-Zeitung Schwarze, die sie nicht mag, nie als “Nigger” beschimpfen und über Juden, die sie für untalentiert hält, nie Judenwitze reißen. Aber sowohl im Grundgesetz als auch im Pressekodex steht: “Niemand darf wegen (…) seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, (…) oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.” Da steht nicht: “außer die lustigen Holländer und andere harmlose Völker, die ja deswegen nicht gleich von Neo-Nazis zusammengetreten werden”.

Eigentlich weiß “Bild” das auch. Als Karl Moik im “Musikantenstadl” von “Spaghettifressern” sprach, war das der “Bild”-Zeitung am 19. April 2004 eine Seite-1-Schlagzeile wert: “Karl Moik beleidigt alle Italiener”, schrieb sie, fragte: “Was hat er sich dabei bloß gedacht” und sprach von “Ausfällen” Moiks.

Die “Bild”-Beleidigungen von Tooske Ragas aber sind Teil einer Eskalationsstrategie. Zunächst fragte die Zeitung: “Sind wir Deutsche nicht mehr gut genug?”. Seit vielen Wochen schon steigert “Bild” die persönlichen Beleidigungen und anti-holländischen Ressentiments. Anstand und Wahrhaftigkeit sind dabei längst unter die Räder geraten. Die Überschrift des Artikels, der den “Offenen Brief” einrahmt, lautet:

RTL will Michelle Hunziker wieder ins Programm nehmen
Muß die Käse-Tussi jetzt zurück nach Holland?

Kein deutscher Moderator wäre je einer solchen “Bild”-Überschrift ausgesetzt. Bei keinem Deutschen ließe sich ja auch auf eine solche Art andeuten, dass er nur ein Gastrecht in diesem Land hat, das jederzeit entzogen werden kann, wenn er nicht gut genug moderiert. Natürlich weiß “Bild”, dass Ragas nicht “nach Holland zurück muss”, egal was RTL entscheidet. Aber das Spiel mit ausländerfeindlichen Reflexen macht die Schmähung und Verunglimpfung Ragas noch wirkungsvoller.

Die Überschrift suggeriert darüber hinaus noch einen Zusammenhang, den es nicht gibt. Hunziker soll die Ko-Moderation der Nachfolgesendung von “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) übernehmen. “Bild” lässt offen, welchen Einfluss das auf die Moderation von “DSDS” selbst haben soll — beendet den Artikel über Ragas aber mit den Worten:

(…) sie kann zur Heimfahrt ruhig schon mal den Wohnwagen aus der Garage holen!

“Bild” schreibt, Ragas moderiere “glücklos”, ohne zu erklären, woran das zu messen ist. An den Quoten jedenfalls nicht, die liegen über der zweiten Staffel mit Michelle Hunziker, für deren Rückkehr “Bild” kämpft. Über jene Michelle, die “Bild” heute einen “Engel” nennt, hatte “Bild” am 25. Oktober 2003 geschrieben:

Quoten-Katastrophe bei RTL-Show — Michelle Hunziker droht der Rausschmiss

Jetzt wird’s eng für Michelle Hunziker (26). Ihr Sender RTL hat ihre ständigen Eskapaden endgültig satt. Und die Zuschauer wenden sich von der schönen Moderatorin ab. Der Quotenverfall ist dramatisch. (…)

Mitarbeiter beschweren sich über die schöne Blondine: “Michelle Hunziker sagt ständig Proben und Sendungen ab. Außerdem bringt sie das ganze Team durcheinander. So kann es nicht weitergehen.”

Am 18. Juni 2005 erklärte “Bild” demgegenüber die Vorteile von Tooske Ragas:

Kann tanzen und singen. Und — anders als Michelle — auch frei moderieren.

Aber auch damals schon hieß es in “Bild”:

Was kann Tooske besser als unsere Michelle?
(Hervorhebung von uns.)

Dass Michelle Hunziker Schweizerin ist und eine holländische Mutter hat, erwähnt “Bild” zwar, aber es spielt keine Rolle. Die Nationalität wird erst relevant, wenn man jemanden nicht mag. So ist das mit der Ausländerfeindlichkeit.

Irre

“Es hat mit Ausländerfeindlichkeit
nicht das geringste zu tun, wenn…”

(Georg Gafron, “Bild”-Kommentator)

Das Schöne an Zeitungen beispielsweise ist, dass sie Sachverhalte einordnen, dass sie erklären, was für den laienhaften Leser andernfalls schwer oder gar missverständlich sein könnte. “Bild” beispielsweise tut das (angeblich) immer wieder: Ob Olympia oder Ecuador, das “neue Öko-Angstwort”, das Papst-Gewand oder die Beschlüsse der neuen Regierung“BILD erklärt”, heißt es dann gern.

Aber nicht nur “Bild” erklärt. Nachdem sich das ZDF entschieden hatte, ein Interview mit der Archäologin Susanne Osthoff über ihre Geiselnahme im Irak auszugsweise im gestrigen “heute journal” auszustrahlen, war man auch dort bemüht, das fraglos grotesk wirkende Gespräch einzuordnen.

So sei, sagte die Interviewerin Marietta Slomka vor der Ausstrahlung, Osthoff zu einer Fernsehaufzeichnung nur bereit gewesen, “wenn ihr Gesicht verschleiert bleibt”. Das Resultat wirkte befremdlich, nicht zuletzt, weil Osthoff schwarze Kleidung und einen Gesichtsschleier trug, der einem Niqab (oder Nikab) nicht unähnlich sah. Aber was wissen wir schon — außer vielleicht, dass eine Verschleierung wie die Osthoffs weltweit für viele Musliminnen Tradition, Ausdruck ihrer Religiösität oder schlicht Alltag ist.

Und “Bild”? Schreibt unter der Überschrift “Irrer TV-Auftritt” auf der Titelseite:

“Vermummt wie eine radikale Islamistin zeigte sie sich vor der Kamera (…)”

Und weil “Bild” der irre Vergleich offenbar irre gut gefällt, steht’s auf Seite 2 gleich nochmal:

“Vermummt wie eine radikale Islamistin zeigte sich die deutsche Ex-Geisel vor der Kamera.”

Mit anderen Worten: Wenn Osthoff für “Bild” also “wie eine radikale Islamistin” aussah, erklärt das nicht Osthoffs rätselhafte Verschleierung. Aber es sagt viel darüber, wie “Bild” erklärt.

Mit Dank an Sabine B. für die Anregung.

Nö, mit Ausländerfeindlichkeit hat das nix zu tun

Metin Kaplan lebte von 1983 bis 2004 in Deutschland und erhielt von 1992 bis 2000 politisches Asyl. Nachdem Kaplan in Deutschland zur Tötung Ibrahim Sofus aufgerufen hatte und Sofu 1997 ermordet worden war, kam er 1999 in Untersuchungshaft und wurde 2000 wegen öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haftentlassung 2003 wurde die Auslieferung Kaplans an die Türkei (wo er wegen des Versuchs des “gewaltsamen Umsturzes der Verfassungsordnung” angeklagt war) zunächst abgelehnt, weil ihm dort möglicherweise ein nicht rechtsstaatliches Strafverfahren und Folter drohten. 2004 wurde er dann doch ausgewiesen, in der Türkei festgenommen und 2005 wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt.

Es schadet nicht, sich das alles noch einmal in Erinnerung zu rufen, bevor man den heutigen “Bild”-Kommentar von Georg Gafron liest. Und nicht nur das, denn:

1987 erhielt auch Metin Kaplans Familie Asyl in Deutschland, weil sie in die drohende politische Verfolgung ihres Mannes hätte einbezogen werden können. Mit der Abschiebung Kaplans 2004 wurde jedoch Kaplans Ehefrau Belkis und Tochter Halise der Asylanspruch aberkannt, weil beide vor ihrer Ausreise nach Deutschland nicht politisch verfolgt worden seien und ihnen bei einer Rückkehr in die Türkei keine Verfolgung drohe. Die beiden Frauen hatten dagegen geklagt, ihre Klage wurde am gestrigen Freitag vom Kölner Verwaltungsgericht abgewiesen.

Und jetzt zu “Bild”. Denn dort schreib ja Georg Gafron über die gestrige Gerichtsentscheidung, lobt die Kölner Richter für ihr Urteil und hält es für eine konsequente Anwendung des Ausländerrechts. Weiter schreibt er:

Leider ist dies nicht die Regel: Haarsträubende Mißstände in deutschen Behörden machen es nach wie vor möglich, daß sich zum Teil schwerstkriminelle Ausländer trickreich den Schutz des deutschen Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts erschleichen können.

Die Aberkennung des Asylstatus der Familie Kaplan in Köln zeigt: Es geht auch anders, wenn man nur will.

Es hat mit Ausländerfeindlichkeit nicht das geringste zu tun, wenn man fordert: Wer als Gast hier lebt und gegen die Gesetze verstößt, hat das Gastrecht verwirkt und muß gehen! Und zwar schnell.

Mit anderen Worten: Gafron verschweigt komplett, dass die Aberkennung des Asylstatus von Kaplans Ehefrau und Tochter mit der (behaupteten) trickreichen Schutz-Erschleichung schwerstkrimineller Ausländer nicht das Geringste zu tun hat. Stattdessen erweckt er den gegenteiligen Eindruck. Und obwohl das Gerichtsurteil, auf das sich Gafron bezieht, offenbar nicht einmal bedeutet, dass die beiden Frauen nun ausgewiesen werden können, druckt “Bild” das alles unter der Überschrift:

"Kriminelle Ausländer raus!"

Ein Spruch, mit dem übrigens auch die DVU im letzten Wahlkampf warb, obwohl doch für Gafrons Argumentation eine pauschalere “Ausländer raus!”-Überschrift fast präziser gewesen wäre. Und wer weiß: In “Bild”-Logik hätte wahrscheinlich auch die “mit Ausländerfeindlichkeit nicht das geringste zu tun”.

Eine Schande für Deutschland

Die Redaktion der “Bild”-Zeitung hat sich entschieden, zu ihrem Artikel “Entscheiden Türken die Wahl?” heute die folgenden drei Leserbriefe zu veröffentlichen:

Dem christlich orientierten Europa droht bei einer EU-Mitgliedschaft der Türkei der Untergang durch muslimische Einwanderer. Im Interesse meiner Kinder und Enkelkinder muß ich CDU wählen.

Nun muß auch dem dümmsten Wähler klar sein, weshalb sich der Strahle-Kanzler so immens für den Türkei-Beitritt einsetzt.

Es ist eine Schande für Deutschland, wenn sich ein vertrauenswürdiger Kanzler der Ausländer bedient, um die Wahl zu gewinnen.

Allgemein  

Gnadenlos ehrlich

Anlässlich der deutschen Pleite beim Eurovision Song Contest veröffentlichte die “Bild”-Zeitung am Montag — wie berichtet — einen Artikel, der über viele, viele Zeilen Klischees über Ausländer verbreitete. Er lief darauf hinaus, dass die Deutschen im Grunde für alle in Europa zahlen, und sich die Polen, Rumänen, Spanier, Türken, die von uns leben, nicht einmal mit Dankbarkeit und Punkten beim Grand-Prix revanchieren.

Der Autor Hauke Brost fühlt sich missverstanden. Er hält sein Stück für offensichtliche “Satire”. Im Gästebuch auf seiner Homepage schreibt er:

Leute, es war ein satirischer Beitrag, wie er oft in BILD stattfindet, und ich stehe voll dazu. Aber man muß BILD natürlich lesen, um solche Feinheiten mitzukriegen.

Heute veröffentlicht die “Bild”-Zeitung vier Leserbriefe zu Brosts Text. Einer davon lautet:

Noch nie hat mir ein Artikel in BILD so aus der Seele gesprochen. Kompliment an Hauke Brost für diese gnadenlos ehrlichen Zeilen.

Der zweite ist kürzer:

Dieser Artikel wird bei uns eingerahmt!

Der dritte geht wörtlich so:

Sie haben vielen Lesern die Augen geöffnet. Die Deutschen sind nicht ausländerfeindlich. Aber die 0 Points sind deutschfeindlich.

Tja, da haben offenbar nicht nur viele “Bild”-Leser die angeblichen “Feinheiten” übersehen, sondern auch die Leserbriefredaktion der “Bild”-Zeitung, sonst hätte sie nicht ausgerechnet Briefe zum Abdruck ausgewählt, die den Text nach Aussage des Autors komplett missverstanden haben.

P.S.: Der vierte Leserbrief, den “Bild” veröffentlicht, ist anders. Ein gewisser “Markus Maria Profitlich, Hamburg” schreibt:

Sie sind eine doofe Zeitung!

  

Wer ist Hauke Brost?

Jeder kennt Franz-Josef Wagner. Viele wundern sich über die Texte von Norbert Körzdörfer. Zu unrecht vernachlässigt wird allzu oft der “Bild”-Kolumnist und frühere “Teuro-Sheriff” Hauke Brost. Mit ihm beginnen wir eine lose Reihe über die Autoren der “Bild”-Zeitung.
 
Von BILD-Autor Hauke BrostHauke Brost (56) ist ein wichtiger Mann bei “Bild”. Früher war er Chef von “Bild Hamburg”, wo er heute noch täglich eine Kolummne schreibt. 2001 machte ihn Kai Diekmann zum Textchef, um — wie der “Tagesspiegel” damals schrieb — “sprachliche Mängel” zu beseitigen, die der Chefredakteur in “Bild” beklage.

An sich eine schöne Idee. Machen wir also aus aktuellem Anlass eine Reise in die Welt von Hauke Brost.

Männer haben zwei Wahrheiten. Die eine sagen sie am Frühstückstisch. Die andere spüren sie, wenn sie die Hand in die Hosentasche stecken.

Wenn Hauke Brost sein Geschlechtsteil fühlt, spürt er eine von zwei Wahrheiten. Das mag zunächst verblüffend klingen, erklärt aber viel. Zum Beispiel einen Bild.de-Artikel vom Mai 2004, in dem es eigentlich nur um die Vorteile des Grillens mit Holzkohle gehen soll. Brost beginnt ihn mit folgenden Worten:

Grillen ist wie guter Sex. Es muss knistern, es muss riechen, es muss spritzen.

Cover "Kopf hoch, Männer"Es erklärt auch, warum Brost kein Verständnis hat für Frauen, die darüber klagen, dass ihre Männer fremdgehen. Hauke Brost, Autor des Standardwerkes “Kopf hoch, Männer. Ein Scheidungsbrevier nur für ihn” (darin u.a.: “Wie drückt man sich vor Unterhalt?”), dessen Ehen nach eigenem Bekunden “bisher ein begrenztes Haltbarkeitsdatum hatten”, fährt dann zu großer Form auf, wenn eine prominente Ehe scheitert. Uschi Glas zum Beispiel regte Brost im Februar 2002 zu dem Hosentaschen-Zitat oben an. Und als Roberto Blanco im Oktober 2004 als Ehebrecher dastand, schrieb Brost in “Bild” eine flammende Verteidigungsschrift:

Roberto Blanco ist ein ganz normal empfindender Mann so wie du und ich. Er liebt Wein, Weib, Gesang. Er sagt nicht nein, wenn man ihm Gratis-Schampus einschenkt oder wenn so eine blutjunge Hupfdrossel vor ihm die Brüste blanklegt. (…) Können Sie ihm wirklich verdenken, dass er zugreift? Ich kann es nicht.

Dann wandte er sich direkt an Frau Blanco:

Wann hatten Sie eigentlich das letzte Mal Sex mit Roberto? Wann haben Sie ihm das letzte Mal gesagt, dass er ein toller Typ ist? (…) Und wie sehen Sie eigentlich morgens aus, wenn er tatsächlich mal wieder neben Ihnen aufwachen würde?

(Wie Hauke Brost aussieht, nicht nur morgens, können Sie übrigens auf seiner Homepage sehen.)

Im November 2003 zitiert ihn der Südwestrundfunk mit dem Satz: “Bei der BILD gibt es keine Frauen in Führungspositionen”, was scheinbar gegen “Bild” spricht, tatsächlich aber nur gegen Brost. Denn es gibt bei “Bild” eine Frau in einer Führungsposition: Marion Horn, seit 1. Januar 2001 stellvertretende Chefredakteurin.

Aber zurück zu Roberto Blanco, den Brost in seinem Artikel gleich dreimal “schwarzer Mann” nennt. Immerhin empfindet der trotz seiner Hautfarbe nach Ansicht von Brost “ganz normal”. Aber nicht jeder Fremde ist so nett und berechenbar. Anlässlich des deutschen Fiaskos beim Eurovision Song Contest macht Brost heute seinem Unmut mal Luft:

Gestern noch Papst. Heute letzter Platz. Das Leben ist eine Achterbahn, nur ungerechter: Die Achterbahn fährt schließlich alle, die zahlen. Wir zahlen für alle und die geben uns 0 Points als Dank.

Was will uns diese Metapher sagen? Dass die anderen nicht selber für ihre Achterbahn zahlen? Dass wir in der Achterbahn mitfahren müssen, obwohl wir schon für die anderen gezahlt haben? Dass uns die anderen, wo wir schon für die Achterbahn gezahlt haben, hinterher nicht wenigstens eine Zuckerwatte kaufen?

Und überhaupt: Sind wir heute nicht mehr Papst?

Gestern noch Papst, heute letzter Platz, Brost glaubt:

Wir haben keine Freunde.

Das Gefühl kennt Brost. Auf seiner Homepage schreibt er:

Auch verringert sich die Zahl meiner Freunde langsam, aber stetig auf einen sehr, sehr kleinen Kreis.

Woran liegt das? Brost weiß: An ihm Deutschland liegt es nicht.

Nehmen wir mal die Polen.

Wer sich da drüben einen gebrauchten Skoda leisten kann, wo hat der denn die Kohle her? Auf deutschen Baustellen Fliesen verlegt oder in deutschen Schlachthöfen Rinder zerlegt. Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Polen).

Sind wir Deutschen nicht die Lieben? Aber ja, obwohl wir merkwürdige EU-Ressentiments haben:

Wir Deutschen sind die Lieben. Wir zahlen für alle, bald auch für Rumänien (die gaben uns übrigens auch 0 Points, na super, willkommen in Europa).

Und sein Abendessen, weiß Brost, holt der Deutsche aus reiner Großzügigkeit nicht beim Deutschen, sondern beim Türken. Und zahlt auch noch dafür!

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey.

(Wie sich “der Türke” in Hamburg, dem Brost “sein Döner” abkauft, dafür beim Grand Prix hätte revanchieren können, lässt der Autor leider offen.)

Wir Deutschen sind die Guten.

So schreibt Brost und was er danach schreibt, ist vielleicht nur eins von mehreren “gewissen satirischen Elementen”, die sein Text enthalten soll, wie Brost uns auf Anfrage mitteilte. Vielleicht enthält es aber auch nur in außergewöhnlich konzentrierter Form all das, was Brost über Ausländer, schwarze Männer und Frauen denkt:

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Nachtrag, 25. Mai: Brost hat seine Homepage inzwischen überarbeitet. Deshalb finden sich dort zur Zeit nicht die oben zitierten Hinweise auf seinen kleinen Freundeskreis und auf sein Buch, das er dort zuvor als “fieser kleiner Macho-Scheidungsratgeber nur für ‘ihn'” bezeichnete und aus dessen Inhalt er unter anderem die Frage “Wie drückt man sich vor Unterhalt?” hervorhob.

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