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“Bild” organisiert Upstand

Sie werden es vielleicht nicht gemerkt haben, aber in der vergangenen Woche ist es laut “Bild” zu einem “Künstleraufstand” gekommen, “wie es ihn in der deutschen Musikbranche noch nie gegeben hat!” Nun ja: Ein Dutzend ehemaliger deutscher Teilnehmer am Eurovision Song Contest hatte auf Initiative der Zeitung einen Aufruf an die Sängerin Gracia unterschrieben. Sie solle wegen der Vorwürfe gegen ihren Produzenten, die Charts manipuliert zu haben, nicht am Wettbewerb teilnehmen.

Inzwischen versuchen “Bild”-Redakteure etwas zu organisieren, das sie vermutlich einen Künstleraufstand nennen würden, wie es ihn in der internationalen Musikbranche noch nie gegeben hat. Zu diesem Zweck hat sich “Bild” jetzt die Mühe gemacht, alle Grand-Prix-Teilnehmer dieses Jahres zu kontaktieren. Sie versendet E-Mails, in denen die Künstler aufgefordert werden, gegenüber “Bild” ihren “standpoint” in dieser Angelegenheit deutlich zu machen. Da an den meisten von ihnen der “huge scandal here in Germany” bislang vorbei gegangen sein dürfte, liefert “Bild” in dem Schreiben, das uns vorliegt, eine praktische Kurzzusammenfassung der “Affair” mit:

Gracia only got into the contest because of her good chart-position.

Now that this seems to be a result of manipulation, most Germans don’t want her to represent Germany in Kiev anymore.

Der erste Satz ist falsch, der zweite zumindest unbewiesen.

Sollte es also in den nächsten Wochen in der “Bild”-Zeitung zu einem noch nie dagewesenen, internationalen Künstleraufstand gegen Gracia kommen, wüßten wir, wie “Bild” die Aufständischen rekrutiert hat.

Struve dementiert “Struve”

Seit Tagen kämpft “Bild” gegen eine Teilnahme der Sängerin Gracia am Eurovision Song Contest. Weil ihr Manager beschuldigt wird, er habe die Plazierung ihrer Single “Run And Hide” in den Charts künstlich verbessert, zitiert “Bild” immer neue Unbeteiligte mit der Forderung, Gracia dürfe nicht beim Finale in Kiew antreten. Es gab allerdings nach Angaben des NDR, der dafür verantwortlich ist, keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Chart-Plazierung und Gracias Teilnahme am Vorentscheid zum Song Contest.

Bislang hat die ARD immer betont, an Gracia festzuhalten, weil sie von der Mehrheit der Zuschauer rechtmäßig per Telefonabstimmung gewählt worden sei. Die “Bild”-Zeitung tut heute so, als habe sich an dieser Position der ARD etwas geändert:

Immerhin will sich Programmdirektor Günter Struve (65) jetzt persönlich um den Fall kümmern. Struve zu BILD: „Wir werden auf unserer nächsten Sitzung darüber diskutieren. Wenn sich herausstellt, daß massiv betrogen wurde, ist Deutschland in Kiew nicht dabei.

Dieses Zitat von Struve geistert heute durch viele Medien. Fragt man jedoch bei der ARD nach, heißt es, Struve habe sich nie so geäußert.

Heute nachmittag trat Struve im ARD-Boulevardmagazin “Brisant” auf. Dort sagte er über Gracias Teilnahme in Kiew exakt das Gegenteil von dem, was er angeblich “Bild” gegenüber gesagt haben soll:

“Es gibt gar keinen ernsten Grund, weshalb sie es nicht tun sollte, denn sie ist auf rechtmäßige Weise zustande gekommen. (…) Sie wird nicht nur in Kiew starten, sondern sie muss es, denn sie hat einen Vertrag mit uns.

Ups, verfragt

Hallo zusammen, schön, dass Sie Zeit gefunden haben, an unserem kleinen Kurs “Journalismus für Anfänger” teilzunehmen. Beginnen wir gleich mit der ersten Lektion: “Wie stelle ich die richtigen Fragen?” Nehmen wir einmal an, eine Sängerin sei nach Manipulationsvorwürfen aus den deutschen Musik-Charts ausgeschlossen worden. Weil sie sich in diesen Charts gut platziert hatte, durfte sie über eine “Wildcard” am Vorentscheid zum Schlager-Grand-Prix teilnehmen. Dort wurde sie von den Fernsehzuschauern zur Siegerin gewählt und darf nun nach Kiew zum Finale reisen. Was wäre dann die Frage, die wir stellen müssten? Irgendwelche Vorschläge? Ja, da hinten, die Herren Schommers und Wos von “Bild”?

Chart-Verbot für Gracia. Darf sie jetzt noch für Deutschland beim Grand-Prix singen?

Richtig. Gut gemacht. Nun müssen wir uns nur noch entscheiden, wem wir diese Frage stellen sollten. Wir haben da mal ein paar Antwortmöglichkeiten vorgegeben:

a) Dem Bürgermeister von Kiew.
b) Dem “Hitparaden”-Gründer Dieter Thomas Heck.
c) Irgendeiner Frau, die ihre Brüste zeigt.
d) Dem deutschen Grand-Prix-Chef.

Na, Herr Schommers? Herr Wos?

Darf Gracia jetzt noch beim Grand Prix auftreten?

Hitparaden-Gründer Dieter-Thomas Heck (67) zu BILD: „Nein. Wenn gemogelt worden ist, dann ist Gracia raus. Dann darf sie nicht nach Kiew.“

Ah, schade, falsch. Nein, Herr Schommers, c) ist auch nicht richtig. Die richtige Antwort wäre d) gewesen, und schauen Sie mal, Herr Schommers, Herr Wos, die Nachrichtenagentur AP wusste das und hat für Sie schon beim deutschen Grand-Prix-Chef nachgefragt und um 16.41 Uhr seine Antwort gemeldet:

“Gracia bleibt die Vertreterin Deutschlands beim Eurovision Song Contest am 21. Mai in Kiew”, erklärte NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer in Hamburg.

Was sagen Sie, Herr Schommers? Wenn das so ist, hätten Sie ja auch gar nicht schreiben können, dass das “der größte Skandal der deutschen Grand-Prix-Geschichte” sei? Eben, Herr Schommers. Eben.

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