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“Bild” zahlt Leser-Touristen 500 Euro

“Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner beklagt heute, wenn wir ihn richtig verstanden haben, dass man als Politiker nirgends mehr unbeobachtet ist. Schuld daran sei: der “totale Tourismus”.

Wagner schreibt an Günter Verheugen, über dessen NacktFotos anscheinend “ganz Deutschland” diskutiert, ohne sie überhaupt gesehen zu haben:

(…) es gibt auf unserer Erde leider keinen Flecken mehr, wo ein verheirateter EU-Kommissar mit seiner Kabinettschefin unbegafft nackt baden kann. Wir leben nun einmal im totalen Tourismus, der auf Einzelschicksale keine Rücksicht nimmt.

Touristen knipsen alles, den schiefen Turm von Pisa und den nackten EU-Kommissar mit seiner ebenfalls nackten Bürochefin.

Ich wünschte, die Fotos gäbe es nicht. (…)

Zufälligerweise hat sich am vergangenen Sonntag auch der Komiker Michael Mittermeier über die Auswirkungen des, äh, totalen Tourismus geäußert. Auf SWR 1 sagte er:

Der “Bild”-Leser-Reporter ist meines Erachtens einfach eine böse, voyeuristische Aktion, die leider Gottes uns Leuten einfach schadet, uns Künstlern. Weil Leute dich wirklich verfolgen mit Foto-Handys. Und ich hab mich schon mit Leuten gestritten, die mich angemacht haben, weil sie sagen: Ey, wieso gönnst Du mir kein Foto, ich will 300 Euro verdienen, und da muss ich sagen: Das ist schon ‘ne ziemliche Sauerei. Weil: Wenn ich privat bin, bin ich privat. Und es geht nicht, jemanden zu fotografieren, wenn er im Tengelmann steht, ich meine, das ist wirklich eine böse Aktion.

Danke an Tim S.!

6 vor 9

Ungehemmt im Oberhemd (faz.net)
Vor kurzem waren sie der Schrecken der Lehrer, jetzt stehen sie vor der Kamera: Der Fotograf Philip Wente hat fünf Schüler der Berliner Rütli-Schule aus dem Klassenzimmer geholt und Modeaufnahmen mit ihnen gemacht.

Bakschisch und Bio-Bombe (fr-aktuell.de)
Das “Zentrum für investigativen Journalismus” in Sarajevo deckt Skandale auf.

Was sagte Beatrix? (jungle-world.com)
Das niederländische Königshaus hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zur Presse – aber die Medien sind nicht mehr zu kontrollieren.

Post an Wagner (persoenlich.com)
Der ehemalige Bunte-Chefredaktor Franz Josef Wagner hat “persönlich rot” ein vierstündiges, offenes Interview gewährt. Überraschend hat er dies nun zurückgezogen. Interviewer Matthias Ackeret schreibt an den Interviewten zurück.

Jagd auf Zeitungen (taz.de)
Mit “Kommersant” ist die letzte unabhängige Tageszeitung in Russland an einen Kreml-Vertrauten verkauft worden. Folgt jetzt die Gleichschaltung?

Der jüngste Tag (zeit.de)
Beruf und Kinder – geht das zusammen? Wir haben es ausprobiert. Henning Sußebach berichtet über den Tag, an dem 19 Kinder ihre Eltern in die Berliner ZEIT-Redaktion begleiteten.

Kurz korrigiert (124)

Franz Josef Wagner schreibt heute an die “WM-Schiedsrichter” und beschwert sich, ups, Verzeihung, beschwert sich, dass die zu viele gelbe und rote Karten zeigen. Dabei stellt er fest:

Wir operieren inzwischen in den Gehirnen und Zellen der Menschen, Flugkörper fliegen außerhalb unserer Galaxie.

Und wenn Wagner hier nicht außerirdische Flugkörper meint, dann ist das natürlich Unsinn. Der am weitesten von der Erde entfernte von Menschen gebaute Flugkörper ist nämlich die Sonde “Voyager 1”. Sie durchfliegt gerade die Grenze unseres Sonnensystems in rund 14 Milliarden Kilometern Entfernung. Das ist ganz schön weit weg. Um aber unsere Galaxie, also die Milchstraße, auf dem kürzesten Weg zu verlassen, müsste “Voyager 1” noch mal rund 1000 Lichtjahre, bzw. 9,5 Billiarden Kilometer zurücklegen – wenn sie die richtige Richtung eingeschlagen hat.

Mit Dank an Roland W. und Klemens K. für den Hinweis.

“Bild” und die unoversale Sprache der Musik

“Bild” veröffentlicht heute auf Seite 2 eine Art Special Edition, womöglich auch nur eine Extended Version der “Post von Wagner”. Franz Josef Wagner schreibt dort nämlich einen “Liebesbrief an Deutschland” (siehe Ausriss) und ist ganz aus dem Häuschen vor Liebesglück (“Ich glaube, man muss sein Land lieben wie eine Frau” usw.). Allerdings ist “Bild” und Wagner in ihrem Liebestaumel ein Fehler unterlaufen. Heißt es dort doch:

“Die Uno hat Beethoven zu ihrer Hymne erkoren, Schiller hat den Text geschrieben.”

Das ist (selbst wenn’s offenbar auch Alexander Kluge behauptet) Unsinn. Die UNO hat keine Hymne.

“Obwohl viele Lieder über die Vereinten Nationen oder verwandte Themen geschrieben wurden, gibt es keine offizielle Hymne der Organisation”, heißt es auf der UNO-Website [PDF]. Und es werde auch zu offiziellen Anlässen kein Beethoven als UNO-Hymne gespielt, wie ein UNO-Sprecher auf unsere Nachfrage betont.

Tatsächlich gab es Anfang der 70er Jahre mal den Versuch, eine quasi-offizielle UNO-Hymne zu etablieren. Ihr Text stammt allerdings von einem Briten, die Musik von einem Spanier.

PS: Sollte Wagner in seinem Liebesbrief womöglich gar nicht die UNO, sondern die EU gemeint haben, müssen wir ihn allerdings abermals enttäuschen. Zwar sind die Takte 164 bis 179 des letzten Satzes (“Ode an die Freude”) aus Ludwig van Beethovens 9. Symphonie seit 1972 offizielle Hymne des Europarates und seit gut 20 Jahren auch der Europäischen Union. (Seit 2004 gibt es sogar eine offizielle CD mit Techno-, Trance-, Jazz- und Kirchenorgelversionen und eine “Hip-Hop-Interpretation” für Events und Zeremonien sowie als Hintergrundmusik für Radio- und Fernsehbeiträge mit europäischen Themen.) Doch ist Schillers “Freude schöner Götterfunken”-Text ausdrücklich “nicht offizieller Teil der Hymne!” Die nämlich wurde von Herbert von Karajan arrangiert — “ohne Worte, in der universalen Sprache der Musik”.

Mit Dank auch an Frank S., Hanno S. und insbesondere Dominik B. für Hinweis und Links.

Unglaublich, aber unwahr

Nachdem die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” am Dienstag vergangener Woche vorab hatte verbreiten lassen, was anderntags Titelschlagzeile werden sollte (siehe Ausriss), stand die Sache, wie berichtet, natürlich auch in “Bild”. Unter Verweis auf die “B.Z.”-Meldung hieß es dort am Mittwoch auf der Titelseite:

"Grüner will Nationalhymne auf Türkisch"

“Der Grüne Hans-Christian Ströbele schockte Deutschland gestern mit einem unglaublichen Vorstoß: Er will, daß es von der dritten Strophe unserer Nationalhymne eine türkische Version gibt.”

Und “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner schrieb (an Ströbele):

“Sie fordern eine offizielle türkische Version der deutschen Nationalhymne.”

Außerdem hatte “Bild” bei verschiedenen Politikern nachgefragt, was sie von dem “Vorstoß” hielten, woraufhin sie ihn als “völlig absurde Idee” (Frank Henkel) oder “absolut durchgeknallt” (Markus Söder) bezeichneten. Nur auf die Idee, vielleicht doch noch mal bei Ströbele selbst nachzufragen, ob’s überhaupt stimmt, was die Schwesterzeitung über ihn zu berichten wusste, kam bei “Europas größter Tageszeitung” offenbar niemand.

Ein Fehler. Denn laut Ströbele stammt die “völlig absurde Idee” gar nicht von ihm. Vielmehr habe die “B.Z.” bei ihm nachgefragt, “ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne”: “Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK”, so Ströbele in einer Stellungnahme.

Wie wenig Ströbeles lapidares “OK” mit einem “unglaublichen Vorstoß” gemein hat (und wenig offenbar “Bild” — wie vielen anderen Medien — an einer sachdienlichen Berichterstattung gelegen war), zeigt jedoch eine weiterer Absatz in Ströbeles Stellungnahme. Dort heißt es nämlich:

“Nachträglich habe ich erfahren, dass es bereits seit dem Jahr 2000 ein Taschenbuch des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz in deutscher und türkischer Sprache gibt. Und auf der Umschlagseite findet sich die dritte Strophe des Deutschlandliedes mit Noten in deutscher Sprache — und mit einer Übersetzung in die türkische Sprache.”

Eigentlich lustig. Lustiger jedenfalls als die “590 Hassbriefe von beleidigten Deutschen”, die Ströbele seither offenbar zugeschickt bekam.

“Bild” hält deutsche Mütter für faul

“Ist das wirklich zu glauben?” (Frage in “Bild” vom 26. April 2006)
“Nein.” (Antwort von BILDblog)

 
Darauf muss man erst einmal kommen. Aus dem “Familienbericht der Bundesregierung”, der gestern vorgelegt wurde, eine “Schock-Studie” und diese Schlagzeile zu machen:

Sind deutsche Mütter wirklich faul?

“Bild” schreibt:

Ist das wirklich zu glauben?

Laut dem “7. Familienbericht der Bundesregierung” arbeiten deutsche Mütter verglichen mit Müttern aus anderen europäischen Ländern am wenigsten — ihre Freizeit ist ihnen wichtiger als die Hausarbeit!

Das ist haarsträubender Unsinn. “Bild” vermischt geradezu böswillig den Begriff “arbeiten” im Sinne von Geld verdienen mit “arbeiten” im Sinne von die Hausarbeit machen. Deutsche Mütter arbeiten laut Studie viel weniger, um Geld zu verdienen, als andere europäische Mütter. Aber deutsche Mütter arbeiten nicht weniger im Haushalt. Und dass ihnen ihre Freizeit wichtiger ist als die Hausarbeit, steht nirgends in dem Bericht.

“Bild” schreibt weiter:

Auf Seite 57 des 589 Seiten starken Berichts, den Familienministerin Ursula von der Leyen (47, CDU) gestern vorstellte, heißt es wörtlich: “Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit.”

Klartext: Mütter in Deutschland gehen weniger arbeiten als Mütter in Frankreich, Norwegen oder Finnland. Doch statt dafür mehr Zeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu verbringen, genießen sie lieber ihre Freizeit.

Doch darin steckt, anders als “Bild” behauptet, kein “Vorwurf”. Und schon gar nicht der Gedanke der Faulheit. Die Statistik besagt einfach, dass deutsche Mütter deutlich seltener berufstätig sind als andere europäische Mütter. Die bezahlen für ihre Berufstätigkeit mit einem Verlust von Freizeit.

Betrachtet man die Zahlen im Detail, sieht man, dass deutsche Mütter sogar ein bisschen mehr Zeit mit Hausarbeiten verbringen — der Unterschied ist nur nicht so groß, dass er die Zeit ausgleicht, in der andere arbeiten gehen. Deutsche Frauen verbringen nach dem Bericht 45 Minuten mehr Zeit mit Hausarbeit als norwegische Frauen, 42 Minuten mehr als schwedische Frauen, 22 Minuten mehr als französische Frauen.

Der Gedanke, dass deutsche Mütter “faul” seien, entstammt also allein den Köpfen der “Bild”-Zeitungs-Redakteure.

Franz Josef Wagner (der aus der Studie zu schließen scheint, dass Mütter von heute zuviel Sex haben) behauptet im faktisch nachvollziehbaren Teil seiner Kolumne:

Liebe deutsche Mütter, laut neuem Familienbericht der Bundesregierung seid Ihr faul. 2 Stunden und 18 Minuten investiert Ihr in Hausarbeit (…)

Auch das stimmt laut Familienbericht nicht. 2 Stunden und 18 Minuten beträgt die Zeit, die deutsche Mütter mit Kinderbetreuung verbringen. Hinzu kommen noch 233 Minuten, also fast vier Stunden, für andere Hausarbeiten.

Im Übrigen sind all diese Zahlen, die “Bild” als “Schock-Bericht” bezeichnet, nicht neu, sondern fast zwei Jahre alt. Sie sind eine von vielen Datenquellen in dem neuen Familienbericht und stammen aus der Untersuchung “How Europeans spend their time — Everyday life of women and men — Data 1998-2002”, die am 27.07.2004 veröffentlicht wurde. Diese Quellen-Angaben stehen auch in dem jetzt vorgelegten Bericht, und zwar unmittelbar über dem Satz, den “Bild” jetzt so aufgeregt und falsch interpretiert.

Nachtrag, 12.30 Uhr. Der Gedanke, dass der Familienbericht deutsche Mütter als zu faul kritisiere, kam durch die “Rheinische Post” in die Welt. Die berichtete gestern früh exklusiv unter dem Titel “Familienbericht kritisiert die Mütter in Deutschland”. Bereits einige Stunden zuvor hatte sie einen Kommentar zum Thema mit dem Titel “Faule Hausfrau oder Rabenmutter” veröffentlicht. Auf dem Vorabbericht der “Rheinischen Post”, der u.a. von der Agentur AFP verbreitet wurde, beruhen andere irreführende Berichte von gestern, zum Beispiel bei “Spiegel Online”. Hans Bertram, der Vorsitzende der Sachverständigenkommission, die den Bericht erstellt hat, widersprach auf der Pressekonferenz ausdrücklich der Interpretation durch die “Rheinische Post”. Über dieses Dementi berichtete gestern nachmittag u.a. auch AFP. Der “Bild”-Zeitung lagen zum Zeitpunkt ihrer Berichterstattung also nicht nur die irreführende Meldung der “Rheinischen Post” und das Dementi vor, sondern auch der vollständige Familienbericht.

Warum hat er “Bild” das nicht vorher gesagt?

Es hat dann doch noch jemand Franz Josef Wagner Bescheid gesagt, dass nicht die Sonne und die Temperaturen ausschlaggebend dafür waren, dass Jürgen Klinsmann die vergangene Woche an seinem Wohnsitz in Kalifornien verbracht hat. Und “Bild”-Kolumnist Wagner, der den Bundestrainer gestern noch beschimpft hat, schreibt deshalb heute einfach nochmal an Klinsmann.

Die Frage, ob man es Klinsmann als Ausrede durchgehen lassen kann, dass er den einjährigen Todestag seines Vaters mit seiner Mutter verbringen wollte, beantwortet Wagner klar mit Ja (“Eine Mutter ist immer mehr wert als ein Pokal”) und Nein (“Es geht nur um die WM”). Und findet einerseits, “daß Klinsmann seine Mutter aus dem Spiel herauslassen muß”, und fragt andererseits, “warum haben Sie uns das nicht vorher gesagt?”

Nun ja, auf diese letzte Frage hätte Wagner eine Antwort finden können. Im ZDF-Interview, das Klinsmann am Sonntag gab:

Ich hab’ meine privaten Gründe, und möchte die niemandem weitererzählen. (…)

Alles, was ich immer [gegenüber dem DFB] kommuniziert habe, stand am nächsten Tag in der Zeitung. Und das sind Dinge, die gehören nicht in die Zeitung. Das sind Dinge, die gehören ins Familienleben. In Deutschland nimmt man sich das Recht heraus, über Leute zu urteilen, die man zum einen nicht kennt, und zum anderen auch die Inhalte nicht weiß. Ich ziehe über irgendjemanden her, nur weil ich Lust habe oder weil ich irgendein Gerücht höre, dann hab ich das Recht, den zu verurteilen. (…)

Wenn es ins Private geht oder soweit geht, dass dann mir Journalisten hinterherfahren in Los Angeles vorm Haus, dich verfolgen, wie du den Kleinen in die Schule bringt, rumschnüffeln in Deiner Nachbarschaft, um zu erfahren, was macht der eigentlich in seinem normalen Alltag, wie jeder andere Mensch auch, ich finde, irgendwo hast du ‘ne Grenze überschritten und das ist jetzt halt passiert.

Zum Vergleich: “Bild” schrieb vor zehn Tagen in einer Art Porträt über Klinsmann (“Wer steckt hinter der Grinsi-Maske?”):

Sein Haus, seine Burg: “Die Öffentlichkeit hat kein Recht auf mein Privatleben.” So hielt es der ehemalige Bäckergeselle aus Geislingen schon immer: den öffentlichen Ruhm als Torschütze ließ sich Jürgen Klinsmann mit Millionen belohnen.

Doch der Mensch klappte zu wie eine Auster.

Keine Frage: Die “Bild”-Kampagne gegen Jürgen Klinsmann dient den eigenen Interessen der Zeitung.

Der mächtigste Mann des deutschen Sports

Die Titelgeschichte des aktuellen “Spiegel” beschäftigt sich mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann. In dem langen Stück geht es unter anderem auch um die “Bild”-Zeitung und ihren stellvertretenden Chefredakteur und Sportchef Alfred Draxler:

Zwei Tage nach dem Spiel [gegen Italien] schrieb er in “Bild”: “Wenn Klinsmann jetzt wirklich in dieses Flugzeug steigt, dann sollte er am besten gleich ganz in Amerika bleiben.” (…)

Draxlers Büro liegt im zehnten Stock des Axel-Springer-Hauses in Hamburg. Er hat einen wunderbaren Blick über die Stadt, in seinem Regal stehen ein kleiner Humidor und ein Großer Brockhaus, von dem die Bände 13 bis 22 fehlen. Er trägt ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und hellbraune Schuhe. Sein Haar ist nach hinten gekämmt. Er ist der mächtigste Mann des deutschen Sports.

Gleichzeitig ist er die ganz große Unschuld des deutschen Sports. Seine beiden zentralen Sätze lauten: “Der Vorwurf einer Kampagne gegen Klinsmann ist völlig absurd.” Und: “Wir berichten sachlich.”

Ist “Grinsi-Klinsi” sachlich?

“Grinsi-Klinsi ist eine Boulevard-Zeile.”

Da ist er natürlich fein raus, wenn alles, was eine Boulevard-Zeile ist, nicht im Widerspruch zur Sachlichkeit steht. Da kann er fleißig holzen, und das macht er auch. (…)

Es gibt verschiedene Gerüchte. “Bild” führe eine Kampagne gegen Klinsmann, weil man für dessen alten Widerpart Matthäus ist, weil es vor zehn Jahren mal einen Rechtsstreit wegen eines Fotos gab. In Wahrheit geht es wohl wieder um Unabhängigkeit. Draxler ist es gewöhnt, dass die Größen des Fußballs eng mit “Bild” zusammenarbeiten, Kolumnen schreiben oder jederzeit Informationen ausplaudern.

“Bild” ist Teil des Fußballbetriebs, Klinsmann nicht. Wenn etwas ausgeplaudert wird, nennt er das “Informationskorruption”. Er steht “Bild” nicht jederzeit zur Verfügung, schon gar nicht mit privaten Geschichten. Er will in seinem Umfeld keine Leute, die mit “Bild” eng verbunden sind. Er will die traditionelle Macht von “Bild” über die Nationalmannschaft brechen.

Draxler bleibt auch in diesem Punkt geschmeidig: “Wir arbeiten sehr gut zusammen, sehr professionell, wir haben jederzeit Zugang.”

Heute, nach vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen bissigen Bemerkungen über den Sonnenschein und die Temperaturen in Kalifornien, räumt “Bild” übrigens ein, dass Klinsmann einen auch für “Bild” akzeptablen Grund dafür hatte, nach dem Italien-Spiel nicht in Deutschland zu bleiben. Einen privaten Grund, den er gestern gegenüber dem ZDF und auf der DFB-Homepage nannte und den “Bild” zitiert:

“In dieser Woche (am 8. März – die Red.) war der erste Jahrestag des Todes meines Vaters. Und ich hatte meiner Mutter schon lange versprochen, daß wir diese für sie schweren Tage gemeinsam in Kalifornien verbringen.”

“Bild” kommentiert das mit den Worten:

Klinsi hätte sich viel Ärger ersparen können, wenn er früher seinen Grund für das Schwänzen des FIFA-Workshops verraten hätte.

Klar: Wenn er sowas nicht mit “Bild” abspricht, muss er halt die Konsequenzen tragen und wilde Unterstellungen von “Bild” über seinen Sonnenhunger in Kauf nehmen.

Ach, und leider hat gestern niemand rechtzeitig Franz Josef Wagner Bescheid gesagt.

In Amerika sind die Türken Indianer

Wir müssen über den “Brief von Wagner” von gestern reden. Das ist, wie so oft bei den Kolumnen von Franz Josef Wagner, nicht so leicht, also fangen wir mit einem schlichten Fehler an:
Wagner behauptet, dass eine Berliner Schule ihren überwiegend aus ausländischen Familien stammenden Schülern “ab sofort” vorschreibt, auf dem Pausenhof ausschließlich deutsch zu sprechen. Dabei gilt die Regel schon seit fast einem Jahr.

Soweit die Kleinigkeiten.

Doch Wagner gibt in seinem Brief den “lieben türkischen Schülern” noch gute Ratschläge mit:

Wenn Deutschland zu Eurem Land werden soll, dann müßt Ihr fließend Deutsch sprechen. Oder Ihr übernehmt die Rolle der Indianer in Amerika. Straßenräuber, Drogenkranke, Geächtete.

Ohne Deutsch kein Schulabschluß, ohne Deutsch keine Lehrstelle, ohne Deutsch ein Indianer.

(…) Eine schöne Wohnung, ein Auto in der Garage, eine Topfpflanze auf dem Balkon, geachtet von den Nachbarn – all das kriegst Du, wenn Du deutsch kannst. In unserer Sprache heißt das Glück.

Hoppla. Die Rolle der Indianer in Amerika ist es, zugedröhnt unschuldige Leute zu überfallen? Wissen das die Indianer? Und hätten sie das verhindern können, wenn sie nur rechtzeitig
aufgehört hätten, ihre komischen Dialekte zu sprechen?

Da kommt man natürlich ins Grübeln, wie die amerikanische Geschichte verlaufen wäre, wenn die Indianer sich nur rechtzeitig an die Gepflogenheiten ihres Gastlandes… Moment: Gastland? Waren nicht die Indianer zuerst da? Wären dann nicht die Bleichgesichter die Türken Amerikas? Also quasi die Indianer? Oder, ganz anders, waren die Indianer einfach nicht integrationswillig genug, um es in der amerikanischen Geschichte zu einer anständigen Rolle zu bringen? Und wer hat hier auf dem Pausenhof wieder gekifft?

Und schon haben wir uns fröhlich in einer Kolumne von Wagner verlaufen und finden den richtigen Ausgang nicht mehr. Denn womöglich müsste man sich ernsthaft damit auseinandersetzen, dass Wagner unter der wirren Oberfläche hier eine klare Ideologie vertritt, welche Rolle Türken seiner Meinung nach in Deutschland haben sollten: brave Konsumenten, die ihren (deutschen) Nachbarn nicht unangenehm auffallen. Glückliche Türken sind die, die “wir” gar nicht als Türken erkennen.

Von Äpfeln früher und Birnen heute

Ja, seufzt “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner, so eine Grippe ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Früher machte sie irgendwie noch Spaß (“Niesen, frösteln, Schule schwänzen – wonnevoll! Was gibt es Schöneres, als einen extra Kuß und ein extra Stück Apfelkuchen von seiner Mutter, weil man so krank war”), heute bringt sie plötzlich Leute um (“2003 starben 16 000 Deutsche an Grippe. … Die modernen Viren sind Mama-resistent”).

Wir wollen Wagner ja nur ungern die Illusion nehmen, aber anscheinend vergleicht er nicht die Grippe von früher mit der Grippe von heute, sondern einen grippalen Infekt (Erkältung) mit einer echten Grippe (Influenza). Und beide hatten außer dem landläufigen Namen noch nie so wahnsinnig viel gemein.

Danke an Jan L. für den Hinweis.

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